Wissenschaftliche Parapsychologie (eBook)
116 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-9924-8 (ISBN)
Der deutsche Biologe und Philosoph Hans Adolf Eduard Driesch studierte zunächst an der Universität Jena Zoologie. Er promovierte dann bei Ernst Haeckel. Die Universität Hamburg verlieh Driesch aufgrund seiner herausragenden wissenschaftlichen Arbeit den medizinischen, die Universität Nanking einen naturwissenschaftlichen Ehrendoktor.
ERSTER TEIL
DIE METHODIK DER
PARAPSYCHOLOGIE
I. DIE MÖGLICHKEIT DER TÄUSCHUNG AUF DEM BODEN DER PARAPSYCHOLOGIE
Es gibt keine Wissenschaft, die nicht den Gefahren der Täuschung, ja des bewussten Betruges ausgesetzt wäre. Auf dem Boden der Biologie haben wir es im Lauf der letzten zwanzig Jahre ein paarmal erlebt, dass sehr bedeutsam erscheinende Forschungsergebnisse über die sogenannte »Vererbung erworbener Eigenschaften« dadurch völlig wertlos wurden, dass sich an bestimmten Stellen begründeter Verdacht eines Betrugs einstellte. Vielleicht betraf dieser Betrug nur diese Stellen; abgelehnt werden musste, aus Gründen wissenschaftlicher Sauberkeit, vielleicht zu Unrecht, das Ganze. Es ist nicht gesagt, dass der eigentliche Autor der in Rede stehenden Arbeiten betrog, vielleicht tat es ein Assistent oder ein Diener. Genug, es wurde betrogen; und das kann auf jedem Gebiet der Wissenschaft geschehen. Denn »der Mensch« ist leider ein der unbewussten und der bewussten Täuschung fähiges Wesen.
Aber auf dem Boden der eigentlichen Naturwissenschaft ist die Möglichkeit einer Täuschung doch immer nur einseitig, mag sie auch auf der einen allein in Frage kommenden Seite mehrere Personen, den eigentlichen Autor und die, welche ihn bei der Arbeit unterstützen, angeben können. Das Gebiet, von dem wir hier reden, die Parapsychologie, ist dagegen in der wenig erfreulichen Lage, mit einer zweiseitigen Täuschungsmöglichkeit, sei sie bewusst oder unbewusst, rechnen zu müssen: Der Autor der Untersuchung und seine Helfer können, wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit, täuschen; täuschen kann aber auch das Untersuchungsobjekt, also der Sensitive, das »Medium«, der »Metagnom« oder wie wir dieses Objekt nennen wollen. Täuschung seitens des Autors, zumal bewusste, wird ebenso selten sein wie auf naturwissenschaftlichem Gebiet engeren Sinnes; jedenfalls muss es ethisches Prinzip sein, jeden Autor für ehrlich zu halten bis zum ausdrücklichen Beweis des Gegenteils. Täuschung beider Art, bewusste und unbewusste, seitens des Untersuchungsobjekts ist aber leider schon häufig dagewesen, und sich gegen sie mit allergrößter Strenge zu schützen, muss eine der Hauptaufgaben einer Parapsychologie sein, die sich »Wissenschaft« will nennen dürfen.
Gewiss ist es für einen Untersuchungsleiter unangenehm, wenn ihm ein Getäuscht-, wohl gar ein echtes Betrogensein seitens seines Untersuchungsobjektes nachgewiesen, ja, wenn auch nur der Verdacht dieser Dinge ausgesprochen wird. Er fühlt sich dann ein wenig »blamiert«. Zu Unrecht, meine ich, tut er das. Sein guter Glaube wird ja doch nicht angezweifelt; nur dass er eben ein des Getäuschtwerdens fähiger Mensch ist, wird behauptet. Welcher Mensch aber wäre trotz größter subjektiver Gewissenhaftigkeit nicht fähig, getäuscht zu werden? Selbst die größten Forscher haben gelegentlich geirrt, was doch heißt, dass sie eben trotz ihrer Gewissenhaftigkeit einer Täuschung, im allgemeinsten Sinn des Wortes, zum Opfer fielen. Auf parapsychischem Gebiet aber, wo das Untersuchungsobjekt selbst aktiv zur Täuschung beitragen kann, wo nicht, wie in den normalen Naturwissenschaften, ein schlichter »Sachverhalt« zur Untersuchung steht, der der aktiven Täuschung unfähig ist, ist alles so unendlich viel schwieriger, dass es wahrlich kein schwerer Vorwurf ist, wenn einem Autor gegenüber der Verdacht des Getäuscht-, ja des Betrogenwordenseins laut wird. Unangenehm bleibt es, das gebe ich gern zu; die Selbstgefälligkeit wird ein wenig verletzt. Aber sollte die Wahrheitsliebe nicht mehr gelten?
Von einigen Seiten ist jüngst die Ansicht ausgesprochen worden, alle »Medien« sollten sich zusammentun und scharf gegen alle, wohl gar mit Prozessen, vorgehen, die es sich erlauben, Verdachtsmomente zu äußern. Das wäre der Tod einer wissenschaftlichen Parapsychologie. Die wahrhaft streng wissenschaftlich Denkenden würden ein Mitglied des Medien-»Verbandes« einfach ausschalten, seine Leistungen, mögen sie echt sein oder nicht, grundsätzlich nicht weiter beachten. Und für »Beleidigungs«-Prozesse ist hier wahrlich nicht der Ort, zumal die Äußerung eines Verdachtes ja doch nie ohne weiteres die Vermutung bewussten Betrugs bedeutet. Wissen wir doch, wie viel in dem unterbewussten, halb somnambulen Zustand, in dem sich die »Medien« während ihrer Leistungen meist befinden, getäuscht werden kann; gewissenhafte Medien haben oft selbst darum gebeten, normale »Nachhilfen« unterbewusster Art, für die ihr bewusstes Ich ja verantwortungsfrei ist, nach Kräften unmöglich zu machen. Aber freilich muss, wenn die Verdachtsmomente sehr stark sind, auch die Möglichkeit bewussten Betrugs, ohne die Gefahr eines Prozesses zu laufen, ausgesprochen werden dürfen. Das wirklich ethisch reine Medium wird sich gar nicht getroffen fühlen dadurch; es wird sein Kreuz zu tragen wissen in der Überzeugung, dass ja die Wahrheit doch einmal an den Tag kommen werde.
Freilich richte ich nun an die andere Seite die ebenso dringende Aufforderung, maßvoll zu sein in »skeptischen« Angriffen und von bewusstem Betrug nur zu reden, wenn gar keine andere Möglichkeit, nach gewissenhafter Selbstprüfung, für den Angreifer übrigbleibt. Und auch dann sollten höhnische Äußerungen über den Versuchsleiter streng unterbleiben.
Vorbildlich im »Stil« ist hier alle Polemik seitens der Briten. In Deutschland ist aber, sowohl auf Seiten der »Gläubigen« wie auf Seiten der Skeptiker, eine Verwilderung des Stils eingetreten, die beinahe der auf politischem Gebiet leider bei uns üblichen gleicht und nicht gerade dazu beiträgt, das Ansehen der deutschen Parapsychologie besonders zu heben.
Das Wort »fortiter in re, suaviter in modo« sollte, wenn irgendwo, dann auf diesem schwierigsten aller Forschungsgebiete gelten.
Ich dachte bisher an die Möglichkeit von Täuschung oder gar Betrug im Rahmen der eigentlichen Tatsachenforschung. Dass auf theoretischem Gebiet, wo nur der reine Irrtum in Frage steht, die Forderung gegenseitigen Anstandes erst recht gilt, sollte eigentlich keiner Worte bedürfen. Wenn »Animisten« und »Spiritisten« auf einem ganz und gar in den Kinderschuhen steckenden Wissensgebiet einander grob oder höhnisch anfahren, so wirkt das einfach lächerlich!
Viel könnte auf dem gesamten Gebiet der Parapsychologie die Presse zur Wahrung des polemischen Anstandes beitragen. Leider tut sie es nicht immer; gibt es doch Blätter, welche ganze Kübel des Spottes ausgießen, sobald von Parapsychologie - die sie meist mit der spezifischen spiritistischen Hypothese verwechseln — auch nur die Rede ist, häufig ohne sich mit der ernsten Literatur des Gebietes beschäftigt zu haben, und bisweilen sogar aus »politischen« Gründen.
II. DIE FORMEN MÖGLICHER TÄUSCHUNG
Ich komme zum eigentlichen Gegenstand des ersten Abschnittes dieser Schrift, der Darlegung der mannigfachen Täuschungsmöglichkeiten, gegen die sich der strenge Parapsychologe zu sichern hat. Sehr streng werde ich hier vorzugehen haben: selbst die kleinste Lücke, durch die ein Getäuschtwerden sich einschleichen könnte, gilt es zu verstopfen.
An erster Stelle werde ich von Täuschungsmöglichkeiten im Rahmen der Tatsachenerforschung, an zweiter von theoretischen Irrtumsmöglichkeiten reden. Der erste Abschnitt ist bei weitem der wichtigste.
Britische Forscher haben gelegentlich gesagt, der Parapsychologe habe über die Eigenschaften des Naturforschers, des Psychologen, des Psychiaters, des Untersuchungsrichters und des Taschenspielers gleichermaßen zu verfügen. Das ist richtig. Es zeigt aber auch, wie schwierig unsere Aufgabe ist; und ich brauche wohl nicht zu bemerken, dass alles Folgende nur gleichsam eine Abschlagszahlung, ein »Minimum« an Sicherung darstellen kann, aber absolut nicht auf Vollständigkeit Anspruch erhebt. Für jede Art von Ergänzung zu meinem Täuschungskatalog werde ich aufrichtig dankbar sein.
1. ALLGEMEINES
a) Experiment und Beobachtung
Alle Tatsachenforschung hat zwei Quellen des Wissenserwerbs: die bloße Beobachtung und das Experiment, d. h. die Beobachtung unter, wenigstens dem Wesentlichsten nach, »willkürlich« und absichtlich gesetzten bestimmten Bedingungen.
Bei Erörterungen der Sicherungsmöglichkeiten gegen Täuschung müssen nun, wie stets in der Wissenschaft, zunächst einmal Beobachtung und Experiment gesondert behandelt werden. Des weiteren aber kann eine ergebnisreiche Untersuchung auf unserem Gebiet überhaupt erst einsetzen, nachdem gerade über das parapsychologische Experiment und die parapsychologische Beobachtung einiges Allgemeine gesagt worden ist. Denn die Dinge liegen hier etwas anders als in den normalen Naturwissenschaften.
Wenn der Naturforscher auf normalem Boden experimentiert, sei es im Bereich des Unbelebten oder in dem des Belebten, so geht er an die Untersuchung heran mit der bestimmten Erwartung, dass sich...
Erscheint lt. Verlag | 12.10.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Esoterik / Spiritualität |
ISBN-10 | 3-7543-9924-1 / 3754399241 |
ISBN-13 | 978-3-7543-9924-8 / 9783754399248 |
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