Sterben in Achtsamkeit: Liebevolle Begleitung auf dem Weg in eine andere Welt -  Erica Maria Meli

Sterben in Achtsamkeit: Liebevolle Begleitung auf dem Weg in eine andere Welt (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
220 Seiten
Aquamarin Verlag
978-3-96861-258-4 (ISBN)
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Jene Tage und Stunden, in denen eine Geistseele ihre physische Hülle ablegen darf, um zurückzukehren in eine höhere Welt, sind ganz besonders heilige Augenblicke. Es bedarf großer Achtsamkeit - für die sterbende Person wie für die auf Erden Zurückbleibenden - um diesem Geschehen gerecht zu werden.
Erica Meli, die über viele Jahrzehnte Menschen in diesen Stunden des Abschiednehmens begleitet hat, legt mit diesem Lebenswerk ein wunderbar feinfühliges Buch vor, um jene schicksalhaften Momente wach und bewusst zu durchleben.
Sie schenkt jenen einen lichtwärts führenden Ratgeber, die Abschied nehmen wollen; und vermittelt denen einen stärkenden und ermutigenden Trost, die einen geliebten Menschen weiterziehen lassen müssen.

Die Anfänge


Ausbildung am Theodosianum


Eigentlich wollte ich ja Hebamme oder Säuglingsschwester werden, weil ich große Freude an Kindern habe. Die Schwester Oberin vom Krankenhaus Walenstadt hat mir dann geraten, Allgemeine Krankenpflege zu lernen. Diese Ausbildung sei viel fundierter, und ich hätte später immer noch Gelegenheit, nur mit Kindern zu arbeiten.
Also habe ich beschlossen, diesen wohlgemeinten Rat zu befolgen. Als ich meinen Freunden sagte, was ich lernen würde, waren die Reaktionen alles andere als positiv: „Was, du gehst ins Kloster? Du lernst Krankenpflege?“

Zu dieser Zeit, im Jahr 1960, war der Pflegeberuf noch nicht so begehrt. Er war mit einem großen caritativen Image verbunden. Ich ließ mich jedoch nicht davon abhalten, diesen Beruf zu erlernen. Jetzt ging es zuerst darum, das fehlende Jahr gut zu nutzen. Ich besuchte damals das Institut St. Anna in Lugano zum Erlernen der italienischen Sprache. Von verschiedenen Seiten wurde mir geraten, vorher noch ein Praktikum als Schwesternhilfe zu absolvieren, dies sei die beste Vorbereitung zum Erlernen des Pflegeberufes. Ich entschloss mich jedoch, im Frühling für sechs Monate nach Rom zu gehen. In einer Diplomaten-Familie hatte ich die Möglichkeit, meine Italienisch-Kenntnisse zu vertiefen; es sollte mir später im Spital von großem Nutzen sein. Ich verbrachte eine herrliche Zeit in Rom. Klein Alessandra, vierjährig, war ein sonniges Kind. Sie besuchte jeden Morgen den Kindergarten – und ich hatte frei. So bot sich mir ausreichend Gelegenheit, die Sehenswürdigkeiten von Rom zu besichtigen; und dies waren nicht wenige. Groß war der Abschiedsschmerz für beide, als wir uns trennen mussten.

Anfang Oktober 1960 bin ich als jüngstes Mitglied in die Schule für Krankenpflege im Theodosianum in Zürich eingetreten. Die Schule wurde von Ingenbohler Klosterfrauen geleitet. Von sehr guten Lehrerinnen, mit einer fundierten religiösen und ethischen Grundhaltung, wurden wir ausgebildet. Ethische Werte waren genau so wichtig wie Krankenbeobachtung, Körperpflege, Bettenmachen, Prophylaxe usw. Die medizinischen und chirurgischen Fächer wurden von Ärzten an uns weitergegeben.

Besonders intensiv wurde uns die Körperpflege vermittelt. Ganzwaschung, Intimtoilette, Hand-, Fuß- und Haarpflege, um nur einiges zu nennen. Wesentlich war auch, zu erlernen, wie man den Kranken wäscht. Alle sollten es gleich machen, um den Patienten nicht zu verunsichern. Es wurde uns beigebracht, diese Handlung mit Respekt vor dem Kranken auszuführen und uns dabei immer bewusst zu sein, dass wir einen Menschen berühren und nicht mit einem Lappen über den Küchentisch fahren. Zum Glück durften wir zuerst an einer Plastikpuppe üben.

Später, als ich dann meinen ersten Patienten auf der Abteilung waschen durfte, habe ich den Unterschied gespürt. Alleine schon die Tatsache, dass ich fortan lebendige Menschen berühren würde und sie sich von mir berühren lassen mussten, stellte für mich eine Herausforderung dar. Zum Glück aber entwickelte sich auch ein gegenseitiges Vertrauen. Wenn ich nur daran denke, wie viel Feingefühl und Mut ich entwickeln musste, um eine Ganzwäsche auszuführen… Ich habe es gelernt und fand es eine schöne Aufgabe, wenn man Patienten so begegnen durfte. Über den Körperkontakt entstand so viel Nähe. Schön, wenn man als junge Schwester von den Patienten hören durfte, dass diese Handlungen sehr gut tun. Ich glaube, ich habe damals schon unbewusst basale Stimulation geübt; hatten wir damals doch noch leichteren Zugang zu den Kranken, zu deren Gefühlen und Körperwahrnehmungen, da wir die Kranken noch selber waschen durften. Heute wird diese Aufgabe aus Zeitgründen an die Pflegeassistenten delegiert.

Meine drei Lehrjahre habe ich als große Bereicherung erfahren. Ich möchte keinen Tag davon missen. Diese Gemeinschaft hat mich geprägt und Wesentliches zu meiner religiösen, geistigen und spirituellen Entwicklung beigetragen. Der rechte Geist belebte diese Schule. Charakterliche Schulung auf religiöser Basis hatte einen großen Stellenwert; und das ist heute noch so. Auch die feierliche Gestaltung der Feste des Kirchenjahres hat uns viele schöne Stunden beschert. Ein großes Ereignis waren unsere Einkehr-Tage oder „Exerzitien“, wie man sie nannte. Diese Tage der Stille waren Balsam für meine Seele. Viele Probleme und Erlebnisse wurden in diesen Tagen bewusst oder unbewusst verarbeitet. Gestärkt und mit frischem Mut ging es anschließend wieder in den Berufsalltag. Da wir alle zusammen im Schulgebäude wohnten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurde unser Gemeinschaftssinn gestärkt. Wir haben zusammen gewohnt, gegessen und gelernt.

Und wie ist es heute? Heute haben die jungen Frauen, die die Ausbildung in Kranken- und Gesundheitspflege machen, meistens eine eigene Wohnung und ein Auto, einige sind sogar schon verheiratet. Sie werden auch nicht mehr „Schwester“ genannt, sondern sie stellen sich als „Frau“ vor. Das Image der caritativen Schwester hat sich verändert. Heute wird man von kompetenten und selbstbewussten “Fachfrauen“ gepflegt und begleitet.

Chefvisite damals und heute


Die Chefvisite war damals etwas Großes. Sie war das große Ereignis schlechthin. Als kleine Schülerin hat sie mich sehr beeindruckt und auch etwas nervös gemacht. Schon am Morgen wurden wir daran erinnert, dass heute die Chefvisite stattfinde. Zur Chefvisite mussten alle Patienten im Bett liegen, auch die so genannten „Selbstständigen“. Schön zugedeckt, die Kissen geschüttelt, auf den Nachttischen musste Ordnung herrschen, und ganz sicher sollten alle Urinflaschen geleert sein.

Bevor der Chef erschien, sind alle Pflegenden im Spitalkorridor buchstäblich stramm gestanden und haben auf die „Götter in Weiß“ gewartet. Ja, das waren sie damals wirklich noch – Götter. Respekt und Autorität hat absolut geherrscht. Der Patient hat dem Arzt voll vertraut, und ganz sicher war eine Chefarzt-Verordnung nicht anzuzweifeln.

Heute haben wir es mit aufgeklärten, so genannten „mündigen“ Patienten zu tun, wozu die vielen Bücher und medizinischen Sendungen sicher beigetragen haben. Auch im Internet kann man sich über alles orientieren. Der heutige Patient tut das auch und hat einen großen Schritt zum Wissenden hin gemacht. Er möchte alles über seine Krankheit wissen. So wird heute am Krankenbett nicht mehr über den Patienten gesprochen, sondern mit ihm.

Zurück zur damaligen Chefvisite. Da standen wir also. Zuerst die Oberschwester, dann die Diplomierten und zuletzt die Schülerinnen. Wenn der Chef mit wehendem Mantel angerauscht kam, gefolgt von mindestens 10-15 Assistenten, ging es los. Die pflegende Schwester gab Auskunft über das Befinden des Patienten. Sie hat dem Chef die Patientenkurve bereitgehalten und stand neben dem Chef, damit er immer einen Blick hineinwerfen konnte. So lief also der Chirurgie-Chef mit seinem ganzen Gefolge von Zimmer zu Zimmer. Den Assistenten wurde immer alles erklärt und gezeigt. Der Chef setzte bei allen voraus, dass sie über die Krankheitsbilder ihrer Patienten Bescheid wussten. Die Patientenkurven waren noch einfach zu lesen und zu verstehen. Die Chefvisite war sehr wichtig, denn der Chef musste über alle Patienten die Übersicht haben. Er wollte auch alle Kranken mindestens einmal in der Woche sehen.

Heute gibt es viele Chefs, denn die Fachgebiete sind aufgeteilt worden. Es gibt einen Chef für Urologie, Gynäkologie, Orthopädie, Medizin, Rheumatologie usw. Jeder Chef macht seine Visite.

Ich kann es nicht lassen, hier eine lustige Geschichte anzufügen. Wir hatten auf der Abteilung eine zeitweise sehr desorientierte Patientin. Sie konnte plötzlich herumschreien, aggressiv reagieren und niemanden mehr an sich heran lassen. Sie wurde dann in ein Einbettzimmer verlegt, weil ihre Art die Mitpatienten störte. Schwer war ihre Pflege. Wenn sie unruhig war, hat sie uns beschimpft und aus dem Zimmer gejagt. Immer wieder haben wir auf der Visite geklagt und gefordert, dass man die Frau auf die Psycho-Geriatrie verlege, weil sie auf unserer Abteilung am falschen Ort sei und wir auf der akuten Chirurgie zu wenig Zeit für sie hätten. Weil sie manchmal auch gute Phasen hatte, wurde uns nicht so recht geglaubt.

Die Chefvisite kam, der Chef stürmte allen voran ins Einzelzimmer, alle Assistenten hinterher. Er begrüßte Frau H.: „So, wie geht es Ihnen heute?“ Weiter kam er nicht. Die Patientin hat ganz laut gebrüllt: „Du Kleiner (der Chef war etwas kleiner als die anderen Ärzte), du hast gar nichts zu sagen. Verschwinde sofort aus diesem Zimmer!“ Dabei hat sie drohend die Hand erhoben und laut geschrien, dass man es auf dem Korridor hörte. Alle haben gelacht, mehr oder weniger heimlich. Es kam darauf an, wie nahe man beim Chef stand. Die Wirkung war phänomenal. Der Chef kam aus dem Zimmer geschossen und sagte, die Patientin müsse noch heute verlegt werden.

Meine erste Patientin stirbt


Es war an einem Morgen auf der chirurgischen Abteilung. Ich assistierte Schwester M. bei einem schwierigen Verbandswechsel. Die alte Frau hatte ein offenes Magenkarzinom. Es sah schlimm aus, aus dem offenen Bauch wuchs ein blumenkohlartiges Gewächs. Beim vorsichtigen Säubern mit Na-Cl-Lösung sah man tief bis in die Därme hinein. Schwester M. hat mit viel Achtsamkeit die Wunde verbunden.

Als wir die Patientin später an den Bettrand setzen wollten, hat sie plötzlich die Augen verdreht, so dass wir sie sofort ins Bett zurücklegten. Schwester M. sagte: „Bleibe bei ihr. Ich rufe sofort den Spitalseelsorger, damit sie die heiligen Sterbesakramente erhält.“ Ich hatte solche Angst, als ich bei der sterbenden Frau bleiben sollte...

Zum Glück kam Sr. M. bald...

Erscheint lt. Verlag 19.5.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
ISBN-10 3-96861-258-2 / 3968612582
ISBN-13 978-3-96861-258-4 / 9783968612584
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