Fünf Tage im Dezember (eBook)

Von Pearl Harbor bis zur Kriegserklärung Hitlers an die USA – Wie sich 1941 das Schicksal der Welt entschied
eBook Download: EPUB
2021
640 Seiten
Deutsche Verlags-Anstalt
978-3-641-26914-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fünf Tage im Dezember - Brendan Simms, Charlie Laderman
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Ein spannender neuer Blick auf eines der großen Rätsel des Zweiten Weltkriegs
Am 7. Dezember 1941 greifen japanische Luftstreitkräfte Pearl Harbor an und zwingen so die USA in den Krieg gegen Japan. Fünf Tage später erklärt Hitler, dessen Truppen bereits verlustreich an mehreren Fronten in Europa kämpfen, den USA den Krieg und treibt diese zum Kriegseintritt in Europa. Was hat Hitler zu diesem Schritt bewogen, der das Ende seiner Herrschaft einleitete? Welche Überlegungen, welche Ängste und Hoffnungen bewegten die Akteure der wichtigsten kriegführenden Mächte? Auf der Basis wenig bekannter Dokumente und Aufzeichnungen schreiben die Historiker Simms und Laderman erstmals die dramatische Geschichte dieser fünf Tage im Zweiten Weltkrieg.

Brendan Simms, geboren 1967, ist Professor für die Geschichte der internationalen Beziehungen an der Universität Cambridge. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geopolitik Europas und die Geschichte Deutschlands im europäischen Kontext. Er publiziert in Zeitschriften und Zeitungen zu aktuellen geo- und europapolitischen Themen und ist Autor zahlreicher Bücher, die breite Beachtung fanden, darunter »Die Briten und Europa. Tausend Jahre Konflikt und Kooperation« (2018) und »Hitler. Eine globale Biographie« (2020).

Einleitung


Die fünf Tage zwischen dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor und Hitlers Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten waren so nervenaufreibend wie wenige andere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie gehören aber auch zu den am wenigsten verstandenen. Nach dem vorherrschenden Narrativ hat der japanische Angriff unweigerlich zum Ausbruch eines wahrhaft weltweiten Konflikts geführt. Nach dieser Ansicht schmolz der amerikanische Widerstand gegen eine Kriegsteilnahme sowohl im Pazifik als auch in Europa am 7. Dezember 1941 einfach weg. »An diesem Tag endete für jeden Realisten der Isolationismus«, behauptete der strikt antiinterventionistische und mit dieser Bemerkung häufig zitierte Senator Arthur Vandenberg später.1 Bestärkt werden die Verfechter dieser Auffassung von keinem Geringeren als Winston Churchill, der nach dem Krieg bekannte, er habe in der Nacht, nachdem er von dem japanischen Angriff erfahren hatte, »dankbar den Schlaf des Gerechten« geschlafen, denn jetzt habe er gewusst: »Die Vereinigten Staaten beteiligen sich aktiv am Krieg und sind auf Leben und Tod engagiert. Damit hatten wir dennoch gesiegt!«2

Zur Zeit des Geschehens betrachtete Churchill den amerikanischen Eintritt in den Krieg gegen Deutschland jedoch keineswegs als ausgemachte Sache. Und mit dieser Ungewissheit war er nicht allein. Überall auf der Welt versuchten Politiker und Militärführer zu verstehen, was in Hawaii passiert war und wohin dies führen würde. Tatsächlich dauerte es nach dem Angriff auf Pearl Harbor fast hundert Stunden, bis sich die Situation von selbst klärte – fünf zermürbende Tage, an denen das Schicksal der Welt in der Schwebe hing. Am Ende war es Hitler, der den Vereinigten Staaten am 11. Dezember den Krieg erklärte, und nicht umgekehrt. Bei denjenigen, die sich an diese Ereignisse erinnern, gilt Hitlers Kriegserklärung als unerklärlicher strategischer Fehler, der den Untergang seines Regimes besiegelte. In Wirklichkeit war sie jedoch ein bewusstes Glücksspiel auf der Grundlage von geopolitischen Überlegungen sowie seiner Einschätzung des Kräfteverhältnisses in Bezug auf Menschen und Material und vor allem seiner Besessenheit von den Vereinigten Staaten und ihrem weltweiten Einfluss.

Die Welt, wie sie sich am 12. Dezember 1941 darbot, war eine Woche zuvor und sogar noch nach dem Angriff auf Pearl Harbor nicht unvermeidlich gewesen. Vor dem Dezember 1941 waren Asien, Europa und Nordafrika Schauplätze eines verheerenden Konflikts gewesen, aber die Kämpfe tobten, weitgehend auf den jeweiligen Kontinent begrenzt, auf der eurasischen Landmasse und den sie umgebenden Ozeanen. Zwischen Pearl Harbor und Hitlers Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten vergingen fünf Tage, an denen über die Zukunft dieser voneinander getrennten Kämpfe entschieden wurde und die Großmächte gezwungen waren, sich einem von zwei Lagern anzuschließen.3 In dieser Zeitspanne bildete sich eine neue globale Frontstellung heraus, die den Gang des Konflikts auf dramatische Weise ändern und weit über den Krieg hinaus nachwirken sollte. Die Folgen dieser Entwicklung spüren wir noch heute.

Churchills Handlungen und Äußerungen in dieser Zeitspanne zeugten eher von Anspannung und Besorgnis als von triumphaler Erleichterung. Kaum hatte er die Nachricht vom Angriff auf Pearl Harbor erhalten, plante er eine Reise nach Washington. Wie er König Georg VI. mitteilte, wollte er sicherstellen, dass der Nachschub aus den Vereinigten Staaten, von dem die britische Kampffähigkeit abhing, »nicht mehr leidet, als, fürchte ich, unvermeidlich ist«.4 Als Heer und Marine der USA in der Nacht des 7. Dezember sämtliche Rüstungslieferungen an ausländische Regierungen einstellten, um genügend Material für den eigenen Krieg im Pazifik zu haben, vertiefte sich seine Besorgnis. Aus Washington warnte der britische Botschafter, Lord Halifax, dass Roosevelt zögere, Churchills geplantem Besuch zuzustimmen, da die amerikanische Öffentlichkeit ganz auf Japan fokussiert sei und ein erheblicher Teil der Amerikaner nicht glaube, dass ein zusätzlicher Konflikt mit dem Deutschen Reich nötig sei. So schrieb Senator Vandenberg am 8. Dezember in sein Tagebuch, dass Interventionsgegner jetzt zwar den Krieg gegen Japan billigten, aber an ihren Grundüberzeugungen festhielten.5 Nichts sprach dafür, dass sie eine breitere Kriegführung gutheißen würden.

Roosevelt war sich der Stimmung im Land bewusst. Über ein Jahr lang hatte er sich vorsichtig bemüht, seine Landsleute von der Gefahr, die von Hitler ausging, zu überzeugen. Er hatte die Vereinigten Staaten als »Arsenal der Demokratie« etabliert, das den gegen Hitler kämpfenden Verbündeten so viel Hilfe zukommen ließ, wie politisch möglich war. Den japanischen Ambitionen im Pazifik hatte er weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Doch jetzt, am 7. Dezember 1941, befanden sich die Vereinigten Staaten nicht mit dem nationalsozialistischen Deutschland, gegen das Roosevelt so viele Ressourcen mobilisiert hatte, sondern mit Japan im Krieg. Eine sofortige Kriegserklärung an Deutschland wäre in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit und die ganze Wut der Nation auf Japan gerichtet waren, politisch höchst riskant gewesen.

Obwohl die Depeschen, die zwischen Berlin und Tokio hin und her gingen – und vom amerikanischen Nachrichtendienst abgefangen und entschlüsselt wurden –, nahelegten, dass Deutschland auf jeden Fall in einen Krieg Japans gegen die Vereinigten Staaten eintreten würde, war Hitlers Reaktion nicht so leicht vorauszusagen. Die Nationalsozialisten, schrieb Roosevelts Redenschreiber Robert Sherwood später, seien zwar »den Japanern gegenüber durch Verträge verpflichtet« gewesen, hätten aber »vordem schon bewiesen, dass sie sich in der Rücksicht auf ihr eigenes Interesse durch solche bürgerlich-demokratischen Bedenken nicht gern stören ließen«.6

Die japanische Führung war sich ebenso wenig sicher, dass Hitler sein Wort halten würde. Der Kaiser und einige Vertreter der japanischen Elite hatten wiederholt die Befürchtung geäußert, dass Hitler, der die Japaner immerhin als »niedere Rasse« eingestuft hatte, sich mit den anderen »weißen« Mächten – den »angelsächsischen« Vereinigten Staaten und Großbritannien mit seinem Empire – versöhnen würde, so dass Japan allein kämpfen müsste.7 Tatsächlich herrschte in Berlin in der Frage, ob man Japan helfen sollte, das »weiße« Empire niederzuringen, eine beachtliche Ambivalenz, auch wenn Hitler sich im Lauf des Krieges in zunehmendem Maß als Verteidiger der globalen »Habenichtse« gegen die »angelsächsischen« »Besitzenden« stilisiert hatte.

Darüber hinaus wiesen Hitlers Berater darauf hin, dass Deutschland nicht verpflichtet sei, seinen Verbündeten durch eine eigene Kriegserklärung zu unterstützen, da Japan nicht angegriffen worden sei, sondern den Konflikt mit den Vereinigten Staaten selbst heraufbeschworen habe. Außerdem erfuhr Hitler von seinen Diplomaten, dass Roosevelt gleichzeitige Feindseligkeiten im Pazifik und Atlantik vermeiden wolle und daher nicht beabsichtige, Deutschland den Krieg zu erklären. Wenn man also einen formalen Kriegszustand verhindern könne, werde Großbritannien aufgrund der amerikanischen Konzentration auf Japan möglicherweise jede größere Hilfe aus Washington verlieren und stünde den Achsenmächten im Atlantik allein gegenüber. Blieben die Konflikte getrennt, hätte Deutschland möglicherweise einen Vorteil gegenüber Großbritannien und der Sowjetunion erlangt.

Aus Moskauer Sicht kam Pearl Harbor zu einem Zeitpunkt, als sich im Krieg mit Deutschland das Blatt zu wenden schien. Stalins Meisterspion Richard Sorge hatte bereits aus Tokio gemeldet, dass Japan beabsichtige, gegen die Anglo-Amerikaner vorzugehen, und nicht gegen die Sowjetunion, und der Angriff rechtfertigte Stalins Entscheidung, einen erheblichen Teil der im Fernen Osten stationierten Truppen nach Westen zu verlegen, um sie dort gegen die Deutschen einzusetzen. Dennoch löste Pearl Harbor im Kreml tiefe Besorgnis aus. Denn erstens würden die Amerikaner auf eine Kriegserklärung gegen Japan drängen und die Sowjetunion so in einen Zweifrontenkrieg stürzen, und zweitens bestand die Gefahr, dass sich aufgrund der neuen Aufgaben der Streitkräfte sowohl der Vereinigten Staaten als auch des Britischen Empires die lebenswichtige Militärhilfe des Westens für die Sowjetunion verringern würde.

Die Welt hielt den Atem an. Auch der Diplomat George Kennan, der damals an der US-Botschaft in Berlin stationiert war, wurde von der allgemeinen Verunsicherung aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Lage erfasst. Da das NS-Regime alle Kommunikationswege unterbrochen hatte, konnten er und seine Kollegen lediglich darüber spekulieren, ob ein Krieg zwischen Deutschland und Amerika unmittelbar bevorstand. Ihnen blieb nur, die Frage zu diskutieren, ob sie ihre diplomatischen Codes und vertraulichen Dokumente verbrennen sollten, damit sie nicht dem Feind in die Hände fallen konnten. »Vier Tage lebten wir in quälender Ungewissheit«, bekannte Kennan später.8

Hitler erlöste Roosevelt, die amerikanischen Interventionsbefürworter und die Alliierten am 11. Dezember schließlich von ihrer Ungewissheit. Seine Kriegserklärung gegen die Vereinigten Staaten verschmolz zwei potenziell getrennte Kriegshemisphären zu einem wahrhaften Weltkrieg. Während weltweit nahezu alle politischen Führer anfangs verwirrt und besorgt auf Pearl Harbor reagierten, war der...

Erscheint lt. Verlag 9.11.2021
Übersetzer Klaus-Dieter Schmidt
Sprache deutsch
Original-Titel Five Days in December. How Churchill and Stalin Were Saved by Hitler's Greatest Mistake
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Schlagworte Churchill • eBooks • Geschichte • Hawaii • Hirohito • Hitler USA • Japan Amerika • Japanisches Kaiserreich • Kriegserklärung USA • Pazifikkrieg • Pearl Harbor • Roosevelt • Stalin • Tenno • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-641-26914-8 / 3641269148
ISBN-13 978-3-641-26914-2 / 9783641269142
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