Die Symbol- und Gefühlssprache der Schwerkranken -  Erica Maria Meli

Die Symbol- und Gefühlssprache der Schwerkranken (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
160 Seiten
Aquamarin Verlag
978-3-96861-223-2 (ISBN)
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Erica Meli hat als Krankenschwester viele Jahre sterbende Menschen auf ihrer letzten Wegstrecke begleitet. Sie hat Hände gehalten und den Botschaften gelauscht, die noch den Weg in die Welt suchten, um Letztes auszugleichen.
Zurückbleibende Familienangehörige verstehen oftmals nicht, welche verborgene Bedeutung manche Gesten oder Worte haben. Nur wer viel Erfahrung in der Sterbebegleitung gesammelt hat, vermag die Symbolsprache von Menschen zu entschlüsseln, die vor der Himmelspforte stehen.
Ein wichtiges Ratgeberbuch für alle Menschen, die einen lieben Angehörigen in seinen letzten Stunden und Tagen begleiten.

Die Symbolsprache in der Endphase des Lebens


 

Das Engelchen des Vertrauens


 

Diese wunderbare Geschichte wurde mir von Celine, einer feinfühligen Sterbebegleiterin, erzählt. Sie berichtete mir von einer schwerkranken Patientin. Diese Frau, ich nenne sie Frau Egloff, war schon lange schwer leidend, und ihr sehnlichster Wunsch war es, sterben zu können. Ihre offenen Wunden schmerzten sehr, und eine anhaltende Steifheit machte der Patientin schwer zu schaffen. Ich lasse ihre Begleiterin Celine erzählen:

 

Als ich wieder einmal mehr an ihrem Bett saß, hat mich Frau Egloff gefragt: „Warum darf ich denn nicht gehen? Ich bin doch bereit zu sterben.“ Ja, von außen gesehen war alles für einen würdigen Übergang bereit, alles Irdische geregelt und abgeschlossen. Ich hatte mit ihr schon früher über das Loslassen von allem Liebgewordenen und auch über das Loslösen von Gedanken und Gefühlen gesprochen. Was beschäftigte diese Frau noch? Was war es, das sie nicht in Worte fassen konnte? Ich dachte, vielleicht sei es die Angst, welche Frau Egloff blockierte. Doch diese war nicht zu spüren. Was war es dann, was der Patientin das Sterben so schwer machte? Wieso konnte sie nicht loslassen? Was hielt sie immer noch fest? Was sollte ich nur machen, sagen, tun? Wie konnte ich ihr helfen? Fragen über Fragen schwirrten mir durch den Kopf. So habe ich um Hilfe gebeten. Und sie kam.

 

Etwas später, als ich mich im Zimmer umsah, fiel mein Blick auf ein kleines, herziges Engelchen aus Holz. Es saß auf der Konsole. Ich nahm das kleine Figürchen in meine Hände, und das Holz wurde sofort ganz warm. Nicht so, wie es ist, wenn man etwas lange in den Händen behält. Das Englein hat von innen her Wärme abgegeben. Ich sprach zu Frau Egloff: „Schauen Sie, was ich gefunden habe. Hier ist Ihr Engelchen, das immer da war und sie begleitet hat. Ihr Schutzengel ist immer da und wird immer da sein. Nehmen Sie ihr Engelchen in die Hände, oder wir legen das Figürchen unter das Kissen, dann ist es immer bei Ihnen.“ Frau Egloff hat spontan nach dem Engelchen gegriffen und es an ihre Brust gedrückt. Und plötzlich war es so still und ruhig. Eine beinahe heilige Atmosphäre erfüllte den Raum. Ganz ergriffen und leise hat die Patientin zu mir gesagt: „Ich danke dir.“ Es war so berührend. Wir sind uns plötzlich so nahe gekommen. Da war so viel Liebe und Dankbarkeit in diesem DU. Die Patientin hat gestrahlt, und ihre müden Augen waren plötzlich so lebendig. Es ist schwer in Worte zu kleiden, was ich in diesem Moment empfunden habe, was da geschehen ist. Es bewegt mich noch immer.

 

Leider musste ich bald danach Frau Egloff verlassen, weil noch andere Bewohner zu betreuen waren. Ich habe mich von Frau Egloff liebevoll verabschiedet und ihr alles Gute gewünscht, wissend, dass sie jetzt unter dem Schutz der Engel steht und ich sie auch loslassen kann.

 

Später habe ich erfahren, dass Frau Egloff kurze Zeit danach friedlich eingeschlafen ist. Ich muss noch manchmal an diese schöne Begleitung denken und an das, was uns verbunden hat.

 

Was hat mich dazu bewegt, diese wundervolle Begegnung in mein Buch aufzunehmen?

Das, was meine Kollegin erlebt hat, kann ich gut nachvollziehen, denn ich habe schon Ähnliches erfahren dürfen. Der spontane Wechsel vom Sie zum Du kommt meistens von den Patienten aus. Es ist ein Zeichen der Zuneigung. Ich weiß, dass in den Ausbildungen vermittelt wird, die Patienten nicht mit Du anzusprechen. Das habe etwas mit Achtung und Würde zu tun. Es ist sicher wichtig, dass man einem Menschen bis zuletzt in Achtung und Würde begegnet, doch hier geht es um eine tiefere Einsicht. Auf der spirituellen Ebene gibt es kein Sie oder Du, denn auf dieser Ebene findet eine Berührung der Seelen statt, und auf der seelischen Ebene sind wir alle gleich. Die anfängliche menschliche Zuwendung hat über das ausgesprochene Du eine andere Qualität erhalten, ich nenne sie Liebe. Auch meine Erzählerin hat gestrahlt und war sichtlich bewegt, als sie durch die Erinnerung nochmals in dieses Geschehen eingetaucht ist.

 

Wer am Bett eines Sterbenden sitzt, dem wird bewusst, dass es nicht nur diese Welt von Körpern und Dingen gibt, die wir so gut kennen, sondern dass eine viel subtilere, alles durchdringende, unendlich strömende Welt immer um uns ist. In diesen Momenten ahnen wir das Heilige und das Göttliche, welches uns umgibt. Für den Sterbenden öffnet sich der Vorhang, während für den Begleiter nur ein Spalt offen bleibt. Die Erfahrung des näher kommenden Todes ist ein unbeschreibliches Phänomen, das jedem Leben und dem langsamen Stillwerden des physischen Körpers vorausgeht. Das Leerwerden und die Auflösung der sich getrennt glaubenden Persönlichkeit führen den Menschen schlussendlich in die Bereitschaft, sich dem letzten Willen Gottes zu ergeben.

 

Ich möchte nochmals erwähnen, was man fühlen und erleben kann, wenn ein Mensch bereit ist zu sterben. Es entwickelt sich eine ganz spezielle, fast heilige Atmosphäre. Was diese Stimmung hervorruft, weiß ich nicht. Sie ist nicht mit dem Verstand erfassbar. Es ist etwas da, das mich berührt und mir zu erkennen gibt, dass die Seele mit dabei ist.

 

Hier war eine Sterbende, die nur noch einer letzten Hilfe bedurfte. Ich glaube, es war schlussendlich die Kraft des Vertrauens, welche ihr den Mut gab, auch noch den letzten Strohhalm loszulassen.

 

Mit der Engelfigur wurde bei Frau Egloff eine Erinnerung wachgerufen, die ihr bewusst machte, wieder an jene Kräfte zu glauben. Kräfte, denen sie ein Leben lang am stärksten vertraut hatte und die sie nun berührten. Wer tief in seinem Innersten um die Existenz von etwas Höherem, Größerem weiß, der wird inspiriert und kann viele Ängste hinter sich lassen. Er kann vertrauen. Das Vertrauen in die allumfassende göttliche Liebe ist unabdingbar.

 

Was es schlussendlich war, das diese Begegnung zwischen der Begleiterin und der sterbenden Frau so wertvoll gemacht hat, können wir nur erahnen.

Die Engelsfigur diente in diesem Fall als Türöffner und Transformator.

 

Und befreit die Todesstunde

Deines Wesens Kern –

Heimwärts in die ewige Heimat

Trägt dein Engel deinen Stern.

MANFRED KYBER

Ich möchte doch nur, dass ER will


 

Ich wurde zur Sitzwache eingeteilt bei einer hoch betagten Patientin, die sich im Sterbeprozess befand. Ich durfte sie in ihrer Endphase begleiten. Der physische Körper war sehr geschwächt. Ein ausgemergelter, verbrauchter Körper lag im Bett. Dieser wird ja bekanntlich immer zuerst wahrgenommen. Als ich näher ans Bett getreten bin und mich vorgestellt habe, hat Frau Hess mit schwacher, leiser Stimme geflüstert: „Ich bin so froh, dass Sie da sind. Ich bin nicht gerne allein.“ Ich war total überrascht, dass sich diese schwache, bleiche, total abgemagerte Patientin noch so klar ausdrücken konnte. Ich habe mich zu ihr ans Bett gesetzt und ihr versichert, dass ich nun für sie da sei. Sofort hat sie meine Hand ergriffen, wie um sicher zu sein, dass ich auch da bliebe. Ihre Hand war schlaff und erschreckend kalt. Doch da war noch Leben in ihr. Die wachen Augen und ein funktionierender Geist zeugten davon. Die Patientin schlief nach unserer kurzen Begrüßung wieder erschöpft ein. Ich merkte es an ihren regelmäßigen Atemzügen. So war ich ganz still und habe ganz leise zu ihr gesprochen. Ich weiß, sie konnte alles hören.

 

„Liebe Frau Hess, ich sitze nun hier an Ihrem Bett. Ich darf jetzt die ganze Zeit bei Ihnen und mit Ihnen sein. – Ich begleite Sie ein Stück weit. Ich bin einfach da. – Ich habe Zeit, ich halte mit Ihnen aus. – Wenn Sie schweigen möchten, schweige ich mit Ihnen. Wenn Sie erzählen möchten, höre ich gerne zu. – Ich spüre Sie, und Sie spüren meine Anwesenheit.“

 

Dann war wieder absolute Stille. Ich habe versucht, mich in die schwerkranke Patientin einzufühlen. Wo befindet sie sich jetzt, was geht in ihr vor?

 

Plötzlich war sie wieder wach und voll präsent. Sie hat meine Hand gedrückt, kräftiger als vorher, und gesagt: „Ich möchte mit dir sprechen.“ Jetzt war es wieder da, das mir bekannte Du. Das Du, das eine tiefere Verbindung schafft. Frau Hess erzählte:

 

„Ich möchte doch so gerne sterben, ich bin auch bereit dazu. Ich habe das Haus verkauft und alles veranlasst und schriftlich festgehalten, was nach meinem Tod geschehen soll. Nun liege ich hier und warte auf den Tod – doch er kommt nicht. Ich möchte so gerne diese Welt verlassen, doch es geht einfach nicht.“

 

Mir fiel auf, dass Frau Hess immer wiederholte: „Ich möchte so gerne sterben, doch es geht einfach nicht.“

 

„Ich möchte doch…“ oder „Ich will doch…“ sind meistens Aussagen, die noch an den Willen gebunden sind. Ich versuchte ihr deshalb zu erklären, wie es sich mit dem Wunsch „Sterben zu wollen“ verhält. Unser Gespräch verlief so:

 

Erica: „Ich verstehe gut, was du ausdrücken willst. Doch weißt du, sterben kann nur geschehen, wenn du nichts mehr möchtest und geschehen lassen kannst. Bist du denn bereit, alles, was kommt, vertrauensvoll...

Erscheint lt. Verlag 14.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
ISBN-10 3-96861-223-X / 396861223X
ISBN-13 978-3-96861-223-2 / 9783968612232
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