Wilder wird's nicht (eBook)

Auf der Suche nach Europas letzten Abenteuern
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
192 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00813-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wilder wird's nicht -  Andreas Winkelmann
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Wo in Europa kann man noch wirklich wilde Orte entdecken, Freiheit spüren, Abenteuer erleben? Von dieser Sehnsucht getrieben begeben sich Andreas Winkelmann und Markus Knüfken auf die Suche - und werden fündig. Am Polarkreis in Schwedisch-Lappland, in den Alpen im Val Grande und sogar im Harz. Dort finden sie Gegenden, in denen gepflegte Wanderwege irgendwann genauso aufhören wie der Handy-Empfang. Sie übernachten im Zelt, begegnen wilden Tieren, erleben unberührte Natur, überwinden reißende Flüsse, kämpfen gegen Sturm und Schnee - und gegen die eigenen Ängste.

In seiner Kindheit und Jugend verschlang Andreas Winkelmann die unheimlichen Geschichten von John Sinclair und Stephen King. Dabei erwachte in ihm der unbändige Wunsch, selbst zu schreiben und andere Menschen in Angst zu versetzen. Heute zählen seine Thriller zu den härtesten und meistgelesenen im deutschsprachigen Raum. In seinen Büchern gelingt es ihm, seine Leserinnen und Leser von der ersten Zeile an in die Handlung hineinzuziehen, um sie dann, gemeinsam mit seinen Figuren in ein düsteres Labyrinth zu stürzen, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Geschichten sind stets nah an den Lebenswelten seines Publikums angesiedelt und werden in einer klaren, schnörkellosen Sprache erschreckend realistisch erzählt. Der Ort, an dem sie entstehen, könnte ein Schauplatz aus einem seiner Romane sein: der Dachboden eines vierhundert Jahre alten Hauses am Waldesrand in der Nähe von Bremen.

In seiner Kindheit und Jugend verschlang Andreas Winkelmann die unheimlichen Geschichten von John Sinclair und Stephen King. Dabei erwachte in ihm der unbändige Wunsch, selbst zu schreiben und andere Menschen in Angst zu versetzen. Heute zählen seine Thriller zu den härtesten und meistgelesenen im deutschsprachigen Raum. In seinen Büchern gelingt es ihm, seine Leserinnen und Leser von der ersten Zeile an in die Handlung hineinzuziehen, um sie dann, gemeinsam mit seinen Figuren in ein düsteres Labyrinth zu stürzen, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Geschichten sind stets nah an den Lebenswelten seines Publikums angesiedelt und werden in einer klaren, schnörkellosen Sprache erschreckend realistisch erzählt. Der Ort, an dem sie entstehen, könnte ein Schauplatz aus einem seiner Romane sein: der Dachboden eines vierhundert Jahre alten Hauses am Waldesrand in der Nähe von Bremen. Markus Knüfken, 1965 in Essen geboren, zog nach dem Abitur erst nach München und dann in die weite Welt. Er wirkte als Schauspieler in über hundert Filmprojekten, u.a. Bang Boom Bang, und Krimireihen wie Notruf Hafenkante mit. Mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern lebt er in Hamburg oder in einer alten Fischer-Kate an der Ostsee.

Gewitter bei Ötzi


Nach einer angenehmen Nacht in einer kleinen privaten Pension im Bergsteigerdorf Vent, in der einige Wanderer wegen der Überfüllung der Schlafräume in der Saunakabine schlafen mussten (der Ofen muss in Betrieb gewesen sein, so wie sie am nächsten Morgen aussahen), steigen wir über die Martin-Busch-Hütte zur Similaunhütte auf.

Diese Hütte wurde vor über hundert Jahren errichtet. Sie liegt am Niederjoch, dem Übergang vom Ötztal ins Schnalstal. Sie wird von der Familie Pirpamer privat bewirtschaftet, aber wie eine Alpenvereinshütte geführt. Auf 3019 Meter an eine Felswand gepresst, ist sie der höchste Punkt der Alpenüberquerung, wenn man die Variante mit dem Endpunkt Vernagt geht.

Diese kürzere Variante haben Markus und ich gewählt, weil Markus nach unserer Tour sofort zu Dreharbeiten nach Köln muss, um eine Folge von Cobra 11 aufzunehmen. In Vent haben wir beim Abendessen noch gemeinsam den Text für seine Rolle geübt und dabei die Blicke der anderen Restaurantgäste auf uns gezogen. Der Text hatte mit Mord und Entführung zu tun, und die Leute reagieren immer komisch, wenn man über dergleichen in der Öffentlichkeit redet.

In der Similaunhütte haben wir unser nächstes Nachtlager gebucht, das Essen soll dort sehr gut, der Wein phantastisch sein. Weil wir früh ankommen und noch fit genug sind, beschließen wir, zur Fundstelle des sagenumwobenen Ötzi aufzusteigen. Immerhin wurde er umgebracht, das ist für mich als Thriller-Autor natürlich interessant.

Wir sind gerade eine halbe Stunde dorthin unterwegs, als es zum ersten Mal grummelt. Ein sommerliches Nachmittagsgewitter kündigt sich an. Um die umliegenden Berggipfel ziehen sich dunkle Wolken zusammen, ohne dass wir klar die vorherrschende Windrichtung erkennen können.

Aus Erfahrung weiß ich, dass man von so einem Sommergewitter sehr schnell überrascht werden kann. Bei einer Tour um das Sorapis-Massiv in den Dolomiten wurde mir das vor einigen Jahren zum Verhängnis. Ich hatte keine andere Chance, als mich in eine enge Felsspalte zu quetschen. Mutterseelenallein saß ich das Unwetter dort aus, um mich herum nur noch die Finsternis schwarzer Wolken, durchzuckt von Blitzen, dazu Sturzregen, und meine kleine Felshöhle bebte unter den Donnerschlägen. Ich gebe es zu, ich hatte die Hosen voll. Als es drei Stunden später vorbei war, brach ich vollkommen demotiviert meine Tour ab, stieg schleunigst ins Tal hinab und verbrachte die Nacht in der Sicherheit meines Autos, eingerollt im Heck des Kombis, wo ich die Beine nicht ausstrecken konnte.

Mit diesen Erinnerungen mache ich Markus darauf aufmerksam, dass es klüger wäre abzusteigen.

«Aber wir sind noch nicht beim Ötzi!», ruft er und schreitet weiter mutig voran.

Ich gebe zu, ich will die Stelle auch unbedingt sehen, also insistiere ich nicht weiter und laufe ihm nach.

Die Ötzi-Fundstelle befindet sich am Tisenjoch auf 3210 Metern. Eine Steinpyramide mit Informationstafel erinnert daran. Markus und ich sind von der ganz besonderen Atmosphäre dort oben ergriffen und verweilen länger, als es vernünftig wäre. Wir fühlen uns aus der Zeit gerissen an diesem archaischen Ort und versuchen, nachzuempfinden, wie es diesem einsamen Wanderer damals ergangen sein muss, als er sich hier zum Sterben niedergelegt hat.

Ein archaischer Ort, an dem man sich ganz klein fühlt.

Ein heftiger Donnerschlag reißt uns aus den Gedanken.

«Das Gewitter ist gleich da!», rufe ich Markus zu. «Los jetzt! Zurück zur Hütte. Mit ein bisschen Glück schaffen wir es noch.»

Wir haben kein Glück.

Unser Leichtsinn wird konsequent bestraft. Als das Zentrum des Gewitters über uns liegt, ist die Hütte noch fünfzehn Minuten entfernt, und der weitere Weg führt über einen ausgesetzten Grat ohne Schutzmöglichkeit. Dahinauf möchte ich auf keinen Fall. Hier unten gibt es auch keinerlei Schutz, aber wenigstens sind wir nicht an der höchsten Stelle.

«Was machen wir jetzt?», ruft Markus panisch gegen den prasselnden Regen und die Donnerschläge an.

«Lass die Trekkingstöcke liegen», sage ich. «Da ist vielleicht Metall drin.»

Wir legen die Stöcke beiseite, entfernen uns von ihnen und hocken uns auf den Boden.

Der Regen prasselt auf uns ein. Blitze zucken, Donnerschläge dröhnen. Schutzlos sind wir der Naturgewalt ausgeliefert. Eine solche Situation ist lebensgefährlich, und sie macht Angst.

Eine Heidenangst!

«Das erzählen wir aber nicht unseren Familien», sagt Markus kleinlaut.

«Nee, das sollten wir lieber für uns behalten», gebe ich ihm recht.

Da hocken zwei gestandene Mannsbilder irgendwo im Hochgebirge Südtirols und haben die Hosen voll – nachdem sie sich tagelang nach einem richtigen Abenteuer gesehnt haben. Ich finde, das Schicksal hat einen ganz vortrefflichen Humor.

TIPP aus der Kategorie «Überleben in der Wildnis»:

Es gibt Front- und Wärmegewitter. Frontgewitter sind großflächig, haben eine eindeutige Zugbahn und gehen mit einem Wetterwechsel einher. Wärmegewitter treten gern lokal begrenzt in den Nachmittags- und Abendstunden auf, bilden sich aber auch nicht plötzlich und ohne Vorzeichen. Achtet daher auf die Wolkenbildung! Immer größer werdende Quellwolken, die sich zu Türmen aufbauen, vielleicht sogar mit Ambossbildung, sollten Warnung genug sein, sich in Sicherheit zu bringen. Klappt das nicht mehr, meidet exponierte Stellen wie Gifpelkreuze, mit Drahtseilen gesicherte Passagen, Bäume, Flüsse, feuchte Senken. Sucht euch Mulden, begebt euch in Kauerstellung mit geschlossenen Beinen auf eine isolierende Unterlage wie z.B. den Rucksack oder ein eng aufgerolltes Kletterseil. Legt zuvor euer leitendes Material ab! Kletterausrüstung, Trekkingstöcke, Taschenmesser, Brillen aus Metall, Bügel-BHs!

Wir werden nicht vom Blitz erschlagen, und als das Gewitter weitergezogen ist, machen wir uns auf den Rückweg zur Hütte. Patschnass und eingeschüchtert sind wir zum ersten Mal wirklich froh und dankbar für ein Dach über dem Kopf.

Auch die Similaunhütte ist jetzt am frühen Abend proppenvoll. Schuld daran ist auch der Ötzi, denn seitdem er gefunden wurde, ist die Hütte viel stärker frequentiert. Wir finden kaum noch einen Platz, um unsere Kleidung zu trocknen, vieles müssen wir mit ins Matratzenlager nehmen. Wir sind in einem kleinen, alten Anbau untergebracht, in dem es unfassbar eng ist. Bückt man sich, stößt man unweigerlich jemanden anderen mit dem Hintern zu Boden.

Aber das Essen ist toll und das Team der Hütte herzlich. Beim Abendessen bekommen wir sogar noch einen Gratis-Ausrüstungstipp eines urigen Bayern, der in stinknormaler Cordhose in die Berge geht.

«A sündhaft teure Funktionshosen brauch i ned, i hab ja eh keinen Bodenkontakt», sagt er.

 

Die Nacht im überfüllten Matratzenlager ist abermals ein Albtraum. Vor allem, weil sehr spät sich noch zwei Wanderer in die Enge keilen und alle anderen aufwecken, und weil sehr früh ebendiese Wanderer wieder aufstehen und zum Packen ihrer Rucksäcke Halogen-Kopflampen einschalten, die waffenscheinpflichtig sein müssten.

Am frühen Morgen steigen wir bei gutem Wetter nach Vernagt ins Schnalstal ab. Schon von ganz weit oben können wir den smaragdgrünen Vernagt-Stausee sehen – der Endpunkt unserer Alpenüberquerung. Dort unten werden wir in einen Bus steigen, dann in einen Zug und über Bozen zurückfahren. Ich nach Hause, Markus zu seinem Filmdreh nach Köln. Nach acht anstrengenden Tagen in den Alpen braucht er nicht einmal mehr ein Make-up für seine Rolle eines Weltenbummlers und Surf-Dudes.

Als das steilste Stück des Abstiegs geschafft ist und wir körperlich und geistig nicht mehr so stark gefordert sind, kehrt ein wenig Wehmut bei uns beiden ein und das Gespräch unweigerlich auf das zurück, was uns auf dem ganzen Weg von Oberstdorf bis hierher gestört hat:

Massentourismus in den Bergen. Gepäcktransport mit der Materialseilbahn. Abkürzungen mit dem Taxi oder dem Bus. Geführte Touren mit Wanderern, die in diesem Terrain nichts zu suchen haben. Überfüllte Hütten und Schlafsäle. Daraus resultierend nervige Menschen mit überhöhtem Anspruchsdenken. Selbst hier oben will niemand mehr auf seinen Latte macchiato verzichten, und die Hüttenwirte sind gezwungen, Hafermilch anzubieten und kleine Kakaoherzchen auf den Milchschaum zu zaubern.

«Keine echte Wildnis, kein echtes Abenteuer, keine wirkliche Freiheit», resümiert Markus.

Ich muss ihm zustimmen. Ich bin nun dreimal zu Fuß über die Alpen gegangen, in einem Zeitraum von 2010 bis 2018, und ich habe einen ganz guten Blick darauf, wie es sich verändert hat. Trotzdem möchte ich gern eine Lanze für die Alpenüberquerung brechen. Tagsüber, wenn man mehr oder weniger allein unterwegs ist, erlebt man magische Landschaften, Aussichten, die einen aus den Schuhen hauen, und wenn man sich Zeit lässt, nicht hetzt, antizyklisch wandert, um den großen geführten Gruppen aus dem Weg zu gehen, ist man meistens mit sich allein. Manch einer hat mich gefragt, warum ich diese Strecke dreimal gelaufen bin, und meine Antwort ist ganz klar. Wenn man den ganzen Tag einen Fuß vor den anderen setzt und nur darüber nachdenkt, wo man abends schläft und etwas zu essen bekommt, fallen Stress und Anspannung schnell von einem ab, man kommt in einen ruhigeren Rhythmus, entspannt, findet zu sich selbst. Ich beschäftige mich berufsbedingt tagein, tagaus mit Mord und Totschlag, und ich brauche diese Zeit in der Natur, um meine Seele vor größeren Schäden zu schützen.

Ja, ich mag diese Tour und...

Erscheint lt. Verlag 23.3.2021
Co-Autor Markus Knüfken
Zusatzinfo Zahlr. 4-farb. Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte
Schlagworte Abenteuer • Europa • Mikroabenteuer • Natur • Reisen • Wandern • Wildnis
ISBN-10 3-644-00813-2 / 3644008132
ISBN-13 978-3-644-00813-7 / 9783644008137
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