Von der Anmut der Welt (eBook)

Entwurf eine integralen Theologie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
320 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-27337-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Von der Anmut der Welt - Tilmann Haberer
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Gott - neu gedacht
Das Reden von Gott ist problematisch geworden, alte Gottesbilder tragen nicht mehr und viele Menschen wenden sich vom Christentum ab. Dem setzt dieses Buch Neues entgegen. Auf der Grundlage der integralen Theorie Ken Wilbers u.a. und des Buches »Gott 9.0. Wohin unsere Gesellschaft spirituell wachsen wird« beschreibt Tilmann Haberer die zentralen Inhalte und Begriffe der christlichen Theologie - Gott, Christus, Mensch, Sünde, Erlösung, Auferstehung usw. - so, dass sie auch den Menschen des 21. Jahrhunderts etwas zu sagen haben.

Tilmann Haberer, geb. 1955, evangelischer Pfarrer, Gestaltseelsorger und systemischer Berater. Nach langjähriger Tätigkeit als Gemeindepfarrer in einer Münchner Citykirche sieben Jahre lang freiberuflicher Seelsorger, Journalist, Übersetzer und Autor. Von 2006 bis 2021 evangelischer Leiter der ökumenischen Krisen- und Lebensberatungsstelle »Münchner Insel«.

Kapitel 2: Von Gott und der Welt

Schöpfung 7.0 – die Evolution Gottes, Quantenmechanik und schwarze Löcher

Dass die Welt in sechs Tagen von Gott geschaffen wurde, betonen heute vor allem Fundamentalisten und Kreationisten. Kreationisten missverstehen die Schöpfungsberichte der Bibel als quasi naturwissenschaftliche Beschreibung und glauben, das habe sich alles genau so zugetragen: vor ungefähr sechstausend Jahren, an sechsmal vierundzwanzig Stunden von einem Sonntag bis zu einem Freitag, und am Samstag war Ruhetag. Der Kreationismus ist dabei vor allem in den USA Teil einer politisch rechts orientierten Bewegung, die darauf dringt, dass neben der Evolutionslehre (wenn nicht gleich an ihrer statt) die biblischen Schöpfungsberichte im Schulunterricht behandelt werden als Erklärung dafür, wie die Welt entstanden sei. Wissenschaftliche Erklärungen haben in der »postfaktischen« Welt in manchen Bereichen kräftig an Bedeutung eingebüßt.

Wenn ich hier von Schöpfung rede, dann geht es mir nicht darum, ob die Bibel »Recht hat«. Es geht mir um die Grundfrage der Philosophie: Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts? Und damit geht es letztlich um die Sinnfrage: Warum und wozu sind wir Menschen da, warum und wozu lebe ich?

Materialistisch gesinnte, ORANGE Atheisten stellen diese Fragen gar nicht. Sie gehen davon aus, dass alles, was ist, einfach da ist, Punkt. Und die Frage nach einem Sinn halten sie für absurd, zumindest aber gehen sie davon aus, diese Frage sei grundsätzlich nicht zu beantworten. Die Welt ist gegeben, sie hat keinen erkennbaren Ursprung und kein Ziel. Wie es zum Urknall gekommen ist, kann nicht beantwortet werden. Ja, die Frage ist an sich sinnlos, denn mit dem Urknall entstehen erst die Naturgesetze, Raum und Zeit. Es gibt also kein »vor« dem Urknall, die Frage nach dem Grund setzt aber immer ein Vorher–Nachher voraus. Schließlich liegt die Ursache zeitlich vor der Wirkung.1 Nach einer Ursache zu fragen, die außerhalb der Zeit liegt, ist in diesem Zusammenhang sinnlos.

Gläubige Menschen dagegen stellen die Frage nach dem Ursprung und dem Sinn, und sie haben auch eine Antwort: Gott hat am Anfang alles geschaffen und Gott gibt dem Leben der Menschen Sinn. So steht es schließlich in der Bibel, egal was die Wissenschaft sagt, so lautet die Argumentation der fundamentalistisch gesinnten Christen. Aber auch weniger fundamentalistische Christen gehen davon aus, dass Gott die Welt »aus dem Nichts« geschaffen hat. Diese Vorstellung eines Schöpfers, der »etwas« erschafft, sieht den Schöpfer als Subjekt und das Erschaffene als Objekt. Subjekt und Objekt sind voneinander unterschieden und stehen einander gegenüber. Es gibt da etwa das Bild vom Töpfer und dem Gefäß, das er schafft.2 Hier also der allmächtige Schöpfer des Himmels und der Erde, und da die Kreatur, das Ergebnis des Schöpfungsaktes, das »vor« dem Schöpfer steht wie ein Werkstück auf der Werkbank oder wie ein Krug auf der Töpferscheibe. Die traditionelle christliche Theologie legt großen Wert darauf, dass Schöpfer und Geschöpf, dass also Gott und Welt streng unterschieden sind und keinesfalls identisch.

Aber kann das sein? Wenn Gott unendlich und allgegenwärtig ist – kann es dann eine göttliche Sphäre und einen davon verschiedenen weltlichen Bereich geben, in dem Gott nicht ist, sondern in den er eben nur eingreift, wie der Handwerker an seinem Werkstück arbeitet? Hat Gott einen Raum geschaffen, in dem Gott nicht ist und in den er die Welt gesetzt hat? Wie könnte man dann aber noch von der Allgegenwärtigkeit Gottes sprechen?

Denkt man den Gedanken, dass Gott allgegenwärtig ist, zu Ende, müsste man eigentlich beim Pantheismus landen. Unter Pantheismus versteht man die Auffassung, Gott und Welt seien eben nicht radikal unterschieden, sondern identisch. Gott existiert in allen Dingen, er beseelt und belebt den Kosmos. Pantheistische Ideen gab es seit den Vorsokratikern und manche behaupten, schon das ursprüngliche, BEIGE und PURPURNE, also animistische Welterleben sei eine frühe Form des Pantheismus, aus der sich dann allmählich erst der Polytheismus entwickelt habe. Unter dem Einfluss der Aufklärung, die den traditionellen Glauben an den jenseitigen, theistisch verstandenen Gott zunehmend kritisierte, bot der Pantheismus eine Möglichkeit, das theistische Verständnis aufzugeben und gleichzeitig an einem gewissen Gottesglauben festzuhalten. Gott begegnete einem in der Natur, im bestirnten Himmel, in der menschlichen Seele, in allem, was ist, einfach überall.

So bestechend dieser Gedanke auch erscheinen mag, ich kann ihm aus zwei Gründen nicht zustimmen. Zum einen frage ich mich, wieso man dann überhaupt noch von Gott sprechen sollte, wenn Gott einfach alles ist, was ist. Dann gibt es keinerlei Transzendenz mehr. Keinen Grund, die Gegenwart im Namen einer »höheren« Instanz zu kritisieren, und damit auch keine Hoffnung, dass irgendetwas irgendwann grundlegend besser werden könnte. An dieser Hoffnung aber möchte ich auf jeden Fall festhalten, auch wenn ich sie nicht mit der Idee verbinde, dass »jemand« von außen in diese Welt eingreift und repariert, was in dieser Welt schiefläuft. Der zweite Grund, weshalb mir der Pantheismus nicht einleuchtet: Ich finde, er ist zu glatt, zu bruchlos und einfach. Mir fehlt das Paradox. Einen Gott, von dem man sprechen kann, ohne paradox sprechen zu müssen, wäre mir zu klein. Ein Gott, der im menschlichen Denken sozusagen »aufgeht« und von diesem erfasst werden kann, wäre kein Gott. »Wenn du es begriffen hast, ist es nicht Gott«, lautet ein berühmter Satz des »Kirchenvaters« Augustinus.

Trotzdem: Wenn wir überhaupt über Gott sprechen wollen, geht es nicht ohne Bilder und Vorstellungen. Nur welche, das ist die Frage.

Die kreationistische Vorstellung, Gott habe die Welt hergestellt wie ein Handwerker, macht Gott zu klein. Der Mythos vom Anfang der Bibel denkt geozentrisch – er spricht von einer Erdscheibe, die unter einer Himmelskuppel liegt, an die die Gestirne wie Lampen geschraubt sind. Diese Vorstellung entspricht dem Weltbild der Antike, aber sie passt überhaupt nicht mehr zu unserem heutigen Bild vom Universum, das einen Durchmesser von rund 78 Milliarden Lichtjahren hat3 und in dem sich hundert Milliarden Galaxien mit jeweils hundert Milliarden Sternen befinden.

Der Pantheismus andererseits macht Gott ebenfalls zu klein. Zwar sieht er Gott in allem, also auch in den entferntesten Galaxien am anderen Ende des Universums. Aber ein Gott, der mit der Schöpfung identisch ist und kein »Plus« bietet, wäre bestenfalls belanglos. Was würde den Pantheismus noch vom Atheismus unterscheiden, wenn Gott gänzlich in der Welt aufgeht? Es hätte keinerlei Mehrwert, von Gott zu sprechen, wenn Gott und die Welt einfach ein und dasselbe wären.

Was ist aber dann die Alternative zur theistischen Vorstellung eines weltfernen Gottes einerseits und zur pantheistischen Vorstellung eines Identität von Gott und Schöpfung auf der anderen Seite?

Mehr als alles

Die alternative Vorstellung, die mir am meisten einleuchtet, ist der Pan-en-theismus. Die zwei Buchstaben, diese kleine Silbe »en« signalisiert den entscheidenden Unterschied. Wo der Pantheismus Gott und Welt einfach gleichsetzt, so dass Gott restlos in der Welt aufgeht und die Welt restlos in Gott, sagt der Panentheismus: Die Welt ist in (griechisch »en«) Gott, aber Gott ist mehr als die Welt. Oder, noch etwas schärfer zugespitzt: Alles ist in Gott, aber Gott ist mehr als alles. Und das ist wieder eine der Paradoxien, die zu strahlen beginnen, wenn sich das Bewusstsein dem GELBEN Raum nähert.

In der Tat: Es muss doch mehr als alles geben.4 Was aber könnte das sein, dieses »Mehr als alles«?

Zunächst einmal bedeutet das: Gott ist für uns nicht einfach verfügbar. Gott geht immer über das hinaus, was wir über Gott denken. Insofern ist Gott mehr als alles, was wir uns vorstellen können. Diesen Gedanken drückt die Hebräische Bibel aus mit dem zweiten der Zehn Gebote – einem Gebot, das interessanterweise in unserem Katalog der Zehn Gebote ausgelassen wird!5 Ebenfalls interessant ist, dass dieses Gebot dasjenige ist, das am ausführlichsten formuliert und auch begründet ist. Es lautet: »Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.« (2. Mose/Exodus 20,4 f.)

Auch wenn dieses Gebot nicht im Katechismus steht, bringt es nach meiner Auffassung eine der wichtigsten Regeln für das Sprechen über Gott zum Ausdruck. Wie leicht erliegen Menschen der Gefahr, Gott für sich und für ihre Ansichten vereinnahmen zu wollen! Das berühmt-berüchtigtste Beispiel ist der Satz »Gott mit uns«, den die deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg auf den Koppelschlössern trugen, wenn sie loszogen, um ihre französischen, englischen oder russischen Menschenbrüder zu töten. Oder nehmen wir das Bekenntnis »Gott ist groß!«, das islamistische Terroristen bei jedem Anschlag ausrufen. Aber auch in jeder Diskussion, in der jemand seine Ansicht über Gott als...

Erscheint lt. Verlag 24.5.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte Bewußtseinsstufen • eBooks • Emotionale Intelligenz • Erwachen • Gott 9.0 • Integrale Lebenspraxis • Integrales Bewusstsein • Integrales Christentum • Integrales Wissen • Ken Wilber • Küstenmacher • Marion Küstenmacher • Neue Religiosität • Richard Rohr • Selbsterkennung • spirituelle Bücher • Was ist Gott
ISBN-10 3-641-27337-4 / 3641273374
ISBN-13 978-3-641-27337-8 / 9783641273378
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