Zeit für Empathie -  Mona Kino

Zeit für Empathie (eBook)

Fünf Wege zu innerer Balance und einem gelassenen Miteinander in der Familie. Mit 22 Übungen zum Download

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
283 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86595-3 (ISBN)
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Familienleben ist kein Ponyhof! Oft sind Eltern gestresst und Kinder ebenso. Was können wir dagegen tun? Für Mona Kino ist klar: Innere Balance und ein gutes Miteinander entstehen aus Empathie, für sich und für andere. Die gute Nachricht: Empathie kann man fördern. Viele Beispiele und Übungen für Resilienz, Achtsamkeit und Lebensfreude tragen dazu bei, individuelle Lösungen zu finden. Denn nur wer auf die eigenen Bedürfnisse achtet, kann offen für andere sein. Mona Kino lädt ihre Leser_innen ein, die fünf angeborenen Zugänge zu uns selbst zu entdecken: den Körper, die Atmung, das Herz, die Kreativität und das Bewusstsein. Es stärkt Kinder und Erwachsene, sich zu zentrieren und zur Ruhe zu kommen. Wenn sich Herz und Hirn verbinden fangen wir an, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen und andere so anzunehmen, wie sie sind. Und fördern damit Gelassenheit, nachhaltiges Glücksempfinden und die Fähigkeit zur Solidarität. Die Übungen wurden von Mona Kino zusammen mit dem bekannten Familientherapeuten Jesper Juul, dem Schriftsteller und Lehrer Peter Høeg und Wissenschaftler_innen entwickelt und sind leicht anzuwenden: zuhause vor dem Schlafengehen, an der Ampel, in fünf Minuten unter dem Baum im Park. Empathie macht Familie stark!

Mona Kino ist Autorin und als erlebnisorientierte Familientherapeutin in eigener Praxis tätig. Außerdem ist sie Referentin beim Berliner Modellprojekt Empathie macht Schule. Von Jesper Juul und anderen ausgebildet, ist sie Teil der aus Dänemark stammenden Bewegung Training Empathy, die von Jesper Juul, Helle Jensen, Peter Høeg und anderen ausgeht und auch in deutschsprachigen Ländern immer mehr Resonanz findet. Mona Kino ist Mutter von zwei Jugendlichen und schreibt neben Drehbüchern Beiträge über Beziehungskompetenz und ein gutes Miteinander in Schule, Familie und Gesellschaft, u. a. die Kolumne »Frag mal Mona« bei www.socialmoms. de. Mit ihrer Familie lebt sie in Berlin.

Was ist Empathie?


You never really understand a person until you
consider things from their point of view, until
you climb into his skin and walk around it.

Harper Lee

»Ich habe doch Mitleid und Mitgefühl, ist das nicht dasselbe?« Mitleid und Mitgefühl sind Gefühle. So wie Wut, Freude und Liebe und viele mehr. Sie kommen und gehen spontan. Wir können uns in sie hineinsteigern, von ihnen überwältigt werden, sie ab einem bestimmten Alter bewusst hervorrufen oder sie ganz ausblenden. Und wir können sie regulieren. Kinder lernen dieses Regulieren erst mit zunehmendem Alter.

Obwohl sich Empathie, Mitgefühl und Mitleid in gewissen Aspekten überschneiden und in einigen kulturellen und religiösen Traditionen eng miteinander verflochten sind, kann man sie doch voneinander abgrenzen. Das Mit-leiden unterscheidet sich vom Einfühlungsvermögen, das sowohl das Teilen der Freude als auch des Leids eines anderen einschließen kann. Beim emotionalen und kognitiven Einfühlen bedarf es immer eines imaginativen Sprungs auf die andere Seite. Nur dann verstehen wir, wie sich die Überzeugungen, Erfahrungen und Ansichten eines anderen von unseren eigenen unterscheiden. Die Betonung beim Mitgefühl und Mitleid liegt rein auf der affektiven Verbindung zu anderen Menschen, auf dem Fühlen ihrer Emotionen – während empathisches Verhalten entsteht, wenn man dann wieder einen Schritt zurücktritt und reflektiert.

Finden wir jemanden nett, steht uns unser Mitgefühl und unser Mitleid spontan zur Verfügung. Und wir hören sympathischen Menschen auch zugewandter zu als uns unsympathischen. Mit Empathie können wir unser Mitgefühl und Mitleid für andere regulieren, ebenso wie Freude, Liebe und Wut.

Mitgefühl, Mitleid und Empathie sind also keine Synonyme.

Kurz gesagt bezeichnet das Zauberwort Empathie die in uns angelegte, komplexe Fähigkeit, in die Haut eines anderen Menschen zu schlüpfen, um die Welt bewusst aus dessen Perspektive zu sehen und auch emotional nachzuempfinden. So können wir ihm wertfrei, offen, neugierig und wohlwollend auf Augenhöhe begegnen.

Doch was so einfach klingt, gilt es im Laufe der Kindheit und Jugend erst zu entwickeln. Und auch später, wenn wir unter Stress stehen und unsere Gefühle uns beherrschen, ist es eine besondere Herausforderung, uns auch in solchen Situationen empathisch einfühlen zu können.

Ob Vater, Mutter, Oma, Opa, Tante, Onkel: Viele Erwachsene wünschen sich von Kindern Einfühlungsvermögen in ihre Lage, Verständnis für die Umstände und Rücksichtnahme. Aber woher sollen Kinder das können?

Empathie erlernen


Es gibt drei Wege, wie Kinder Empathie erlernen – und alle drei zusammen ermöglichen das Heranreifen zu empathischen Persönlichkeiten:

1. Erleben, wie Erwachsene gut mit Kindern umgehen


Die Brüder Max (5) und Felix (7) streiten lautstark miteinander. Ihr Vater hört sie im Kinderzimmer brüllen. Er ist angestrengt, denn er bereitet sich innerlich auf ein wichtiges Telefonat vor. Wütend stürmt er ins Zimmer.

»Könnt ihr nicht einmal auch auf mich Rücksicht nehmen? Immer müsst ihr streiten! Jetzt habe ich auch keine Lust mehr, nachher mit euch Pizza essen zu gehen.«

Der Streit im Nebenzimmer lenkt den Vater davon ab, ungestört zu arbeiten. Er wünscht sich Einsicht, Mitgefühl und Mitleid von den älteren Geschwistern für die jüngeren, damit es gar nicht erst zum Streit kommt. Und er denkt, dass die Kinder diese Rücksichtnahme mithilfe einer Belohnung lernen. Oder dem Gegenteil, der Androhung einer Strafe. Angst und Schrecken verstärken jedoch nur das Chaos, in dem die beiden Jungen emotional stecken, und führen nur kurzfristig zum gewünschten Resultat. Auf Dauer werden Max und Felix aus Angst vor Strafe leise sein, nicht weil sie ihren Vater oder sein Bedürfnis nach Ruhe respektieren.

Was viele nicht wissen: Auch wenn Empathie in jedem Menschen von Geburt an angelegt ist, ist es Kindern erst im Alter von acht Jahren möglich, sich in die Perspektive eines anderen so hineinversetzen zu können, dass sie die Welt durch die Augen eines anderen sehen und sich gleichzeitig emotional einfühlen können. Das heißt, bis dahin liegt es an uns Erwachsenen, uns in sie hineinzuversetzen und ihnen mit gutem Beispiel voranzugehen.

Hier ein Beispiel für eine empathische Reaktion:

»Jungs, ihr seid ja beide superstinkig. Ich kann mich gar nicht mehr richtig auf meine Arbeit konzentrieren. Ich möchte das gern besser verstehen und hören, ob ich euch vielleicht behilflich sein kann. Mögt ihr mir beide sagen, ohne euch zu unterbrechen, worum es gerade bei euch geht?« Fallen sich die Jungs dann doch gegenseitig ins Wort, kann man sagen: »Ich kann nur einem nach dem anderen konzentriert zuhören. Bitte wartet, bis der andere ausgesprochen hat. Ich achte darauf, dass jeder von euch zu Wort kommt.«

Je häufiger Kinder eine solche Streitkultur erleben, desto weniger fallen sie sich ins Wort. Sie wissen, dass sie sich darauf verlassen können, dass der Erwachsene keine voreiligen Rückschlüsse für oder gegen einen von beiden zieht. Dass er an beiden Sichtweisen der Situation Interesse hat und möglicherweise eine dritte Perspektive einbringen kann, die hilft, den Konflikt beizulegen.

Haben wir ein Gefühl für unsere Ohnmacht in einem Streit, beispielsweise mit unserem Partner oder mit den eigenen Eltern, bewerten wir den Streit unserer Kinder nicht mehr als Respektlosigkeit uns gegenüber, sondern als das, was er ist: ein Ausdruck von Hilflosigkeit.

Dann haben wir auch Zugang zu dem besten Mittel, um den Streit zu schlichten: Freundlichkeit. Mir ist jedenfalls noch niemand begegnet, der gerne belehrt wird, wenn er emotional aufgewühlt ist. Im Gegenteil: Kinder, die immer belehrt wurden und gesagt bekamen, dass ihre Gefühle falsch sind, werden zu Erwachsenen, die kein Selbstgefühl dafür haben, was für sie persönlich richtig ist. In diesem Fall benötigt es viel Geduld und kann ein paar Jahre dauern, dieses Gespür noch zu entwickeln. Aber das Schöne ist: Hoffnungslos ist es nicht.

2. Erleben, wie Erwachsene gut miteinander umgehen


Lisa freut sich auf einen gemeinsamen Abend mit ihrem Mann Moritz. Moritz, der im Homeoffice arbeitet, wollte das Abendessen zubereiten, damit die Kinder Mara (2) und Luis (3) rechtzeitig ins Bett kommen. Als Lisa gegen kurz vor 18 Uhr hungrig nach Hause kommt, steht Moritz jedoch nicht, wie vereinbart, in der Küche, sondern sitzt vor seinem Computer – und die Kinder vor dem Fernseher. Sie ist enttäuscht, weil der Abend nicht den gewünschten Verlauf nimmt, und macht Max Vorwürfe.

»Immer klebst du vor dem Computer! Ich kann mich wirklich nie auf dich verlassen. Dein Interesse an einem gemeinsamen Abend mit mir scheint ja nicht besonders groß zu sein.« Dann geht sie zu den Kindern und schaltet den Fernseher aus. Das Geschrei ist groß. »Hört auf zu brüllen. Ich kann auch nichts dafür, dass euer Vater euch das erlaubt. Los, ab ins Bad mit euch. Ich mache jetzt Abendbrot.«

Ein Beispiel für eine empathische Reaktion:

»Ich bin enttäuscht, dass das Abendessen noch nicht fertig ist. Ich habe mich so auf einen ruhigen Abend mit dir gefreut. Was ist denn Wichtiges passiert, dass du vor dem Computer sitzt?«

Moritz würde ihr dann sagen, was vorgefallen ist, und sie könnten im Anschluss gemeinsam überlegen, wie sie den restlichen Abend so gestalten können, damit sie doch noch so viel Zeit wie möglich zu zweit verbringen können.

Ebenso könnte Moritz die Initiative ergreifen und auf Lisa zugehen: »Ich sehe deine Enttäuschung, und ich wollte dich wirklich nicht verärgern. Ich habe die Zeit völlig aus den Augen verloren. Tut mir leid. Es ist mir auch wichtig, dass wir uns Zeit füreinander nehmen. Komm, lass uns überlegen, wie wir unseren gemeinsamen Abend doch noch hinbekommen.«

So käme ihnen vielleicht die Idee, dass ein paar Gurkenbrote für die Kinder ausreichend sind und sie dann...

Erscheint lt. Verlag 7.10.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
ISBN-10 3-407-86595-3 / 3407865953
ISBN-13 978-3-407-86595-3 / 9783407865953
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