Das ist das Buch über mich! (eBook)

Oder 'Alles was nicht tötet, härtet ab!'

(Autor)

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2020 | 2. Auflage
100 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7529-9148-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das ist das Buch über mich! -  Jo Morwven
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Die Autorin blickt zurück auf 54 Jahre Leben, lieben, lachen und weinen. Dem Tod mehrmals von der Schippe gesprungen und vom Regen in die Traufe gefallen. Alles ist wahr und doch ganz unglaublich. Das Buch handelt von einem Mädchen, dass in den 60er Jahren zur Welt kommt. Der psychisch kranken Mutter ist das Kind peinlich, weil sie es nicht freiwillig empfangen hat. Die Oma übernimmt die Rolle der Mutter und wird für das Mädchen zur Heldin ihrer Kindheit. Sie wachsen in einer Symbiose zusammen und als die Oma stirbt, stürzt für die jetzt Jugendliche, die Welt in sich zusammen und sie muss ihren eigenen Weg gehen. Schnell fort von der kranken Mutter, die kein gutes Haar an ihr lässt, es beschimpft und einsperren will. Eine Heimeinrichtung bietet sich als eine Lösung dar, um der Willkür der Mutter zu entfliehen. Die Jugend ist gekennzeichnet von schnellen Wechseln und der Suche nach Halt. Beziehungen werden geknüpft und wieder gelöst. Weil Jo an das Gute im Menschen glaubt, verstrickt sie sich häufig in Beziehungen zu Männern, die nicht gut für sie sind. Sie ist ein leidenschaftlicher Mensch, der einsehen muss, dass ihre Gefühle oft ausgenutzt werden. Es geht um Loslösung von der omnipotenten Mutter, die immer wieder in Jos Leben platzt. Um die Suche nach Anerkennung und wahrer Liebe. Immer wieder gerät Jo dabei im Laufe ihres Lebens in brenzliche Situationen und sogar mehrfach in Lebensgefahr. Sie scheint wirklich einen Schutzengel zu haben, der sie vor dem Schlimmsten bewahrt. Trotzdem muss sie ihre Erfahrungen machen und die sind häufig bitter. Viele Stationen auf ihrem Weg führen in die Irre. Es gibt Hindernisse, Rückschläge und Lichtblicke. Die schmerzlichen Erfahrungen verändern Jo. Sie muss lernen, dass nichts im Leben wirklich sicher ist. Eine Autobiografie, die sich mitunter wie ein Abenteuer liest. Stellenweise spannend wie ein Krimi. Mit Herzschmerz, Gewalt und einer Flucht ins Frauenhaus ist dieses Buch noch lange nicht am Ende.

Ich wollte gerne alles richtig machen, aber das ist mir nicht gelungen. Ich bin nur ein Mensch und voller Fehler. Ich möchte so manches gerne ungeschehen machen und kann es doch nicht. Die Erinnerungen an meine früheren Fehlentscheidungen folgen mir wie mein Schatten, sind ein Teil von mir geworden. Ich erinnere mich auch an viele schöne Momente und besondere Augenblicke. Ich hatte bislang, trotz aller Schwierigkeiten, auch sehr viel Glück in meinem Leben. Möglicherweise wurde ich mit einer sogenannten 'Glückshaube' geboren. Vielleicht habe ich aber auch schon immer einen Schutzengel an meiner Seite gehabt, der für mich zuständig ist und auf mich geachtet hat. Danke lieber Schutzengel: Du hattest mit mir viel zu tun und hast Deinen Job gut gemacht. Danke, dass es Dich gibt!

6 bis 15 Jahre


Bei meiner Einschulung wusste ich trotzdem noch wenig von der Schlechtigkeit der Welt. Ich freute mich sogar auf die Schule und das, obwohl mich meine Mutter in ein neues rosa-blaues-Dirndl gesteckt hatte. Bis dahin trug ich gebrauchte, geschenkte Kleidung von anderen Leuten. Es lohnte sich wohl bisher nicht mir neue Sachen zu kaufen, da ich ja immer draußen umhertollte. Bei den gebrauchten Sachen war eine wunderbare hellblaue Lederhose, die alles mitmachte, meine absolute Lieblingshose. Einmal bin ich mit ihr auf dem Hosenboden das Betonsims an einem Bahndamm heruntergerutscht, weil ich mich so erschrocken hatte. Ich war zum Blumen pflücken den Bahndamm heraufgeklettert und war neben den Gleisen so vertieft, dass ich den herannahenden Zug nicht gehört hatte und auch nicht das Rufen meiner Oma. Als dann plötzlich dieses fauchende Zug-Ungeheuer neben mir auftauchte, sprang ich auf und rannte weg, runter vom Bahndamm. Durch meinen Schwung landete ich auf dem Hintern und rutschte. Mein erster Gedanke mit noch pochendem Herzen war: Glück gehabt. Mein zweiter Gedanke war: Oh, nein, jetzt ist sicherlich meine Hose kaputt. Aber ich hatte doppeltes Glück, denn man konnte ihr diese Strapaze kaum ansehen. Leider bin ich aus dieser Hose viel zu schnell herausgewachsen.

Mein erster Tag in der Schule war kurz und ganz ok. Ich bekam meine Schultüte, meine Mutter Instruktionen, was sie besorgen musste. Wir gingen auch gleich los und kauften mir eine moderne Kunststofftafel, inklusive Mini-Tafelschwamm. Die Tafel war enorm biegsam und hatte auf einer Seite Kästchen und auf der anderen Seite diese Doppellinien und einen weißen Kreidegriffel. Wir kauften in einem kleinen Laden, in der Nähe unserer Wohnung. Überhaupt achtete meine Oma darauf, möglichst nur in kleinen Geschäften einzukaufen. Als es auch bei uns den ersten großen Supermarkt gab, sagte meine Oma, das ist der Untergang für all die vielen kleinen Geschäfte. Wie unseren Milchmann, der uns immer die Milchflaschen bis vor unsere Tür brachte. Sein kleiner, dunkler Laden roch ständig nach vergorener Milch und er war genauso blass wie seine Camemberts. Dem Imker, der uns immer einen ganzen Eimer Honig vorbeibrachte und das Schreibwarengeschäft, wo ich bis zur siebten Klasse alle meine Schulutensilien herbekam.

Am ersten richtigen Schultag, als wir alle auf den uns zugewiesen Plätzen saßen und die Lehrerin Frau Schmidt uns ein paar grundsätzliche Regeln beibrachte, sah ich ein Mädchen in unserer Klasse, das heulte die ganze Zeit. Die Mutter wurde sogar angerufen, die auch herkam, aber ihre Tochter nicht wieder mitnahm. Ingrid musste es schließlich lernen in der Schule zu bleiben und ihre Mutter ging vormittags ein paar Stunden arbeiten. Das Mädchen hatte einen ganz wunderhübschen Ranzen aus hellbraunem Leder, richtig schick, mit silbernen Schnallen, um den ich sie beneidete. Sie saß in der Klasse, rieb sich die Augen und heulte sich die Seele aus dem Leib. Das tat mir zuerst ein bisschen leid, aber ich fand sie auch komisch und doof. Es gab gar keinen Grund zum Weinen. An diesem ersten Tag lernte ich auch einen Klassenkameraden kennen, Emil, der fragte mich direkt, ob wir später heiraten wollen. Ich fand das ganz schön blöd, weil ich nie heiraten wollte und machte ihm keine Zusage. Trotzdem passte Emil während der ganzen Grundschulzeit auf mich auf. Egal was die anderen Kinder gemacht haben, sobald er merkte, dass es irgendwie für mich brenzlig wurde, war er zur Stelle und hat mir geholfen.

In meinem ersten Schuljahr wurde ich immer zur Schule hingebracht und abgeholt. Ich glaube, ab der zweiten Klasse ging ich mit anderen Klassenkameraden zusammen. Meine Mutter hatte das organisiert, weil sie meinte, dass es sicherer war in einer Gruppe zu gehen und meine Oma so ausruhen konnte. Außerdem sah es irgendwann auch komisch aus, wenn man sich so lange noch bringen und abholen ließ. Deswegen war ich einverstanden. Im Grunde wohnten wir alle so dicht zusammen, dass, wenn wir rechtzeitig aus dem Haus gingen, sich unsere Wege sowieso vereinten. Es gab nur einen Weg zu unserer Schule und alle Straßen aus dem Umfeld führten irgendwie dorthin.

Meine Mutter nahm mich eine Zeitlang manchmal mit zu ihrer Arbeitsstelle, wenn sie Nachtdienst hatte. Den Grund dafür verstand ich nicht. Ich musste in einem Raum, der sonst als Speisesaal diente, auf einem Klappbett schlafen. Wenn wir an ihrer Arbeitsstelle ankamen, waren noch ein paar Bewohner auf den Fluren unterwegs, die mich ganz niedlich fanden und immer herzen und drücken wollten. Die machten mir aber Angst. Besonders ein junger Mann, der einen großen Buckel hatte, komisch sprach und mich immer umarmen wollte. Außerdem roch es in den Gebäuden überall so schlecht und ich hatte ständig Angst, dass der Junge mit dem Buckel nachts hier in den Speisesaal käme und mich finden würde. Manchmal hörte ich auch komische Geräusche und Schreie. Viel geschlafen habe ich da nicht.

Ich fing irgendwann an, Postkarten mit Vogelmotiven zu sammeln, schaute mir am liebsten die Bilder in Tierbüchern an und als ich lesen lernte, las ich alles, was mir in die Finger kam. Nun konnte ich auch die Beschreibungen in den Tierlexika lesen und die Tiere darin mit Namen benennen. Ich habe sogar mal ein Wörterbuch angefangen zu lesen, weil ich einfach ganz viel Wissen aufnehmen wollte.

Wir hatten einen Lehrer der alten Schule, der ganz alten Schule. Ich glaube, der war sehr traurig, dass er uns in den 70er Jahren nicht mehr mit dem Rohrstock verprügeln durfte. Das hätte der bestimmt gerne gemacht. Er sah ein bisschen aus wie der Lehrer Lämpel aus der Geschichte von Max und Moritz, hatte nur nicht so ein liebes Gesicht. Dafür trug er diese richtig altmodische Kleidung. Dunkle Hosen, Gehrock, darunter Hemd mit geknöpfter Weste. Und Gehstock. Er hatte wahrscheinlich eine Kriegsverletzung und humpelte. Aber schlagen an sich war gar nicht verboten, das sollte ich noch am eigenen Leib erfahren.

Einmal muss ich wohl krank gewesen sein und blieb zu Hause. Ich schlief mittags auf der Couch ein. Meine Oma hatte ein Laken darauf gezogen und ich sollte mich hinlegen. Als ich wach wurde, war niemand da. Das fand ich ehrlich gesagt, ganz schön rücksichtslos. Die können doch nicht einfach weggehen und mich hier allein lassen, schimpfte ich vor mich hin. Ich war damals bisweilen eine Drama-Queen und dachte, die sind jetzt bestimmt nach Afrika unterwegs. Das war das am weitesten weg gelegenen Land, das ich mir vorstellen konnte. Darauf kam ich, als ich dachte, die sollen doch dahin gehen, wo der Pfeffer wächst. Für den Fall, dass sie doch schneller wieder zurückkamen, wollte ich ihnen einen Schreck bereiten. Ich holte Pflaster, setzte mich in der Diele auf den Fußboden, damit sie mich auch gleich sehen würden, wenn sie wiederkommen und bepflasterte mich an Armen und Beinen. Sie sollten sich Sorgen um mich machen. Wenn mir nun etwas zustößt und ich mich verletzt habe, wenn keiner hier ist? Deswegen die Pflaster, als Gedankenanregung. Nicht einfach verschwinden und mich allein lassen.

Danach zogen Wellensittiche bei uns ein. Damit ich mich nicht mehr so allein fühle. Die hatten echt gar nichts kapiert.

Aber die Wellensittiche fand ich schon gut. Natürlich war es immer nur einer zurzeit. Wir mussten nicht, dass sich der arme Vogel nur über sein Spiegelbild freut, weil er sonst keinen Artgenossen hat. Ich hatte eine neue Aufgabe und kümmerte mich intensiv um jeden Vogel. Am meisten liebte ich es zuzusehen, wenn er sich badete. Es gab extra kleine Plastikschalen mit Haube, die an die offene Käfigtür gehängt wurden. Noch heute liebe ich es Wildvögel beim Baden zuzusehen, deswegen habe ich immer draußen, wo es mir möglich war, eine Trink- und Badestelle für Vögel eingerichtet. Wir ließen ihn auch in der Wohnung fliegen, so wie alle anderen die danach kamen. Leider war immer wieder mal irgendwo ein Fenster auf. Irgendwann dachte ich, dass meine Mutter das mit Absicht macht und es kein Versehen war.

Über uns wohnte Frau Schröder, eine ältere Dame, ganz allein. Sie hatte einen Sohn, den wir kennenlernten, nachdem Frau Schröder vermehrt mit uns Kontakt aufgenommen hatte. Allerdings unfreiwillig. Sie war etwas verwirrt und stand öfter vor unserer Wohnungstür und versuchte die Tür mit ihrem Wohnungsschlüssel aufzuschließen. Wenn wir dann öffneten, war sie überrascht und fragte, was wir in ihrer Wohnung machen. Meine Oma oder Mutter, je nachdem wer von ihnen gerade die Tür geöffnet hatte, brachte Frau Schröder dann behutsam zu ihrer richtigen Wohnungstür. Die Dame hatte auch offenen Beine, musste mehrmals in der Woche zum Arzt und trug immer Verbände. Nachdem sie so verwirrt wurde und immer häufiger nicht mehr allein in ihre Wohnung gefunden hatte, kam sie in ein Heim. Die Dame tat mir leid, weil sie so hilflos wirkte und wegen ihrer kaputten Beine, die ich aber auch irgendwie faszinierend fand. Wunden heilten doch immer wieder, das war mein Weltwissen, bis zu diesem Zeitpunkt. Dass es nicht immer so war, fand ich einfach sehr interessant.

Meine Oma ging mal zu meiner Lehrerin, nachdem sie gemerkt hatte, dass ich mich im zweiten Halbjahr des ersten Schuljahres veränderte und immer stiller wurde. Wenn ich aus der Schule kam, war ich oft schlecht gelaunt. Ich hasste diese Frage, wie es in der Schule gewesen war. Was sollte ich denn sagen? Die Wahrheit? Am besten nichts. Mit viel Geduld und nachfragen hatte meine Oma herausbekommen, dass ich nicht gerne in die Pause ging, weil es ein Mädchen in meiner Klasse gab, Sabine, die mich täglich, heute würde ich sagen, auf perfide Art, drangsalierte. Früher sagte ich...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Schlagworte Frauenhaus • Heim • Jugend • Kindheit • Liebe • Pflegeeltern • psychisch kranke Mutter
ISBN-10 3-7529-9148-8 / 3752991488
ISBN-13 978-3-7529-9148-2 / 9783752991482
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