Was ist wirklich wichtig im Leben? (eBook)

So vermitteln Eltern ihren Kindern Werte
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
176 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-26004-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Was ist wirklich wichtig im Leben? -  Hans-Otto Thomashoff
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Nicht verzagen, Eltern fragen
Kinder stellen nicht nur typische Warum-Fragen nach Dingen des Alltaglebens, sondern auch übergeordnete, existenzielle Fragen, zum Beispiel: Warum streiten Menschen? Was ist Liebe? Was passiert, wenn wir tot sind?

Basierend auf dem Wissen der Neurowissenschaft beantwortet der renommierte Psychiater Hans-Otto Thomashoff diese Fragen exemplarisch. Jeder Frage folgt eine mögliche erklärende Antwort. Eingebettet in unser kulturelles Umfeld kristallisieren sich dabei Werte heraus, die zu vermitteln und zu leben es sich lohnt.

Ein spannend zu lesendes Elternbuch, das hilft, Kinderfragen zu beantworten - und viel über sich, das Elternsein und das Leben selbst zu erfahren.

Hans-Otto Thomashoff ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse in eigener Praxis in Wien sowie promovierter Kunsthistoriker und Naturfotograf. Er ist Ehrenmitglied des Weltpsychiatrieverbandes, Aufsichtsratsmitglied in der Sigmund-Freud-Privatstiftung und Mitglied des internationalen P.E.N-Clubs. Außerdem ist er Autor zahlreicher Sachbücher und Fachpublikationen.

Hast du eigentlich immer recht?


Sonja geht seit Kurzem in den Kindergarten und gibt sich mit ihrem täglich neu hinzugewonnenen Wissen in letzter Zeit gerne ein wenig altklug. Trotzdem will es ihr partout nicht gelingen, dass sie immer recht hat, so wie Helen, ihre Mama. Jetzt gerade stemmt sie ihre Hände in die Hüften und schleudert ihrer Mutter die Frage ins Gesicht: »Hast du eigentlich immer recht?«

Der Anlass dafür ist Sonjas rote Wolljacke. Sonja hatte einen kleinen Fleck auf deren Vorderseite entdeckt und deshalb eigenhändig die Jacke in die Waschmaschine zu der anderen Wäsche dazugegeben. Weiße Kochwäsche, das Bettzeug von Helen und Herbert, das jetzt in feinem Rosé schimmert. Sonjas geliebte weiche Jacke, die Helen gerade vor dem Mädchen in die Höhe hält, ist dagegen zusammengeschnurrt auf Puppengröße.

Keine Frage, Sonja ist wütend. Es ist ja auch wirklich gemein. Sie versucht, alles richtig zu machen, ganz so wie die Großen, und dann misslingt wieder irgendetwas. Natürlich weiß Sonja, dass ihr ein Fehler unterlaufen ist. Gerade deshalb fühlt sie sich mies. Und dennoch passiert etwas auf den ersten Blick Paradoxes: Sie ist sauer auf ihre Mutter.

Was sich hier in Sonjas Psyche abspielt, ist ein Vorgang, den wir bei Erwachsenen ganz genauso beobachten können. Also auch bei uns selbst. Wir wachen morgens auf, fühlen uns angesichts der feuchtfröhlichen Party gestern Abend furchtbar, und wer ist schuld? Immer derjenige, der gerade greifbar ist, die Frau neben uns, die Kinder, der Hund oder wer sonst eben verfügbar ist. Der Grund für dieses psychische Phänomen, das Verschiebung genannt wird, ist simpel. Gefühle entstehen in unserem Gehirn als blitzschnelle Reaktion auf Wahrnehmungen und Reize (vgl. Kapitel »Grundlagen für eine wertebezogene Erziehung«, Abschnitt »Unser angeborenes Empfinden für Gerechtigkeit«). Erst langsam und deshalb an zweiter Stelle bastelt sich der Verstand eine Erklärung für die Ursache eines Gefühls zusammen, die richtig sein kann, aber keineswegs richtig sein muss. Wenn nun unbewusste Faktoren hinzukommen – wie hier ein schlechtes Gewissen über das Ausufern der gestrigen Party –, sucht sich die Psyche gerne den bequemsten Weg. Schließlich ist es leichter, den Grund für den Ärger einem anderen in die Schuhe zu schieben, als vor der eigenen Haustür zu kehren.

Folglich ist es für Sonjas Psyche leichter, wütend auf ihre Mutter zu sein, als sich eingestehen zu müssen, dass ihr ein dummer und ärgerlicher Fehler unterlaufen ist, der außerdem noch ihre schöne rote Wolljacke ruiniert hat.

Antwort: Es ist ganz normal, dass ich als Erwachsener viele Dinge weiß, die du noch nicht kennst.


Weil Gefühle, wenn sie heftig sind, oft das Denken gänzlich beherrschen, würde die Antwort von Helen an Sonja wahrscheinlich untergehen, wenn sie nicht im gleichen Atemzug auch das Gefühl mit anspricht, das gerade bei ihrer Tochter den Ton angibt. Eine vollständige, passende Antwort von Helen auf die Frage von Sonja könnte demnach lauten: »Ich verstehe, dass dich das wütend macht. Glaube mir, ich bin auch nicht begeistert über die zartrosa Bettwäsche. Bitte frage das nächste Mal nach, bevor du etwas in die Waschmaschine stopfst. Und ja, es ist ganz normal, dass ich als Erwachsene viele Dinge weiß, die du noch nicht kennst. Für irgendetwas muss ich doch auch gut sein, oder?«

Eine solche Antwort funktioniert natürlich nur, wenn Helen nicht selbst gerade so richtig verärgert ist, weil Sonjas rote Jacke noch fast neu und nicht gerade billig war. Oder weil die rosa Bettwäsche so gar nicht nach ihrem Geschmack ist. Dann sollte sie Sonja ihren eigenen Ärger ruhig ehrlich erkennen lassen und ihn dazu nutzen, ihrem Wunsch Nachdruck zu verleihen, dass Sonja beim nächsten Mal bitte fragen möge, bevor sie etwas in die Waschmaschine hineinstopft.

Zugleich sollte sie ihr zu verstehen geben, dass Fehler im Leben passieren können und dass es ganz normal ist, wenn man sich dann darüber ärgert. Vor allem, wenn man etwas in bester Absicht getan hat.

Erklärung: Verstehen will gelernt sein, auch das Verstehen von Gefühlen


Kinder wollen von ihren Eltern lernen, wie das Leben funktioniert. Dazu ist es wesentlich, sie bei ihren Gefühlen abzuholen. Denn wenn das Gefühl nicht berücksichtigt wird, greift das pure Verständnis häufig ins Leere.

Verstehen ist ein komplexer Vorgang, bei dem in unserem Großhirn diverse Faktoren zusammenfließen. Dazu gehören Reizwahrnehmungen, Gefühle, unbewusste und bewusste Vorerfahrungen und zu guter Letzt ein Quäntchen Zufall. Erst daraus entsteht am Ende ein bewusster Eindruck. Der Verstand arbeitet also immer langsamer als das Gefühl. Wir erinnern uns: Zuerst entsteht ein Gefühl, und dann sucht der Verstand nach einer Erklärung dafür, die richtig sein kann, aber eben keineswegs sein muss.

Bei meinen Vorträgen zeige ich dazu gerne das Bild eines kleinen Jungen, der in seiner angestrengten Denkarbeit gerade auf einen Aha-Effekt zusteuert. Der Text dazu lautet: »Ich habe gerade bemerkt, dass das Geschenkpapier von Mama genauso aussieht wie das vom Weihnachtsmann. So langsam glaube ich, Mama gibt es gar nicht.«

Genau so arbeitet das Gehirn. Auch bei uns Erwachsenen. Ja, auch wir basteln uns unsere eigene Logik zusammen, die allzu oft einer genaueren Überprüfung in der Realität nicht standhält. Das gilt beileibe nicht nur für die wilden Verschwörungstheorien, die gerade in Zeiten des Internets unzählige Anhänger finden.

Wenn wir uns klarmachen, wie fleißig und zugleich fehleranfällig sich unser Verstand seine Erklärungen zusammenbastelt, dann sollten wir daraus die Konsequenz ziehen, gelegentlich unsere vermeintlichen Gewissheiten zu hinterfragen. Wenn wir uns bei Bedarf an die eigene Nase fassen, anstatt den Grund für unsere Laune beim Partner zu verorten, hilft uns das dabei, den einen oder anderen Partnerschaftskonflikt zu vermeiden. Zudem erlaubt der Blick auf den Zusammenhang zwischen Gefühl und Verstand, dass Eltern ihre Kinder bei ihren Gefühlen abholen. Ein solches emotionales Annehmen ist wesentlich dafür, dass die Kinder sich ehrlich verstanden fühlen, und nur dadurch lernen sie, sich selbst zu verstehen.

Natürlich setzt das voraus, dass die Eltern sich in ihrer eignen Gefühlswelt und deren manchmal überraschenden Reaktionen auskennen. Ist das nicht der Fall, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie ihre Ratlosigkeit oder ihre Fehler im Umgang mit ihren Gefühlen an ihre Kinder weitergeben. Gerade Eltern ist daher ein gelegentlicher ehrlicher Blick in den Spiegel der eigenen Gefühle sehr zu empfehlen.

Keine Antwort ohne Gefühl

Erst entsteht das Gefühl, und dann sucht der Verstand nach einer Erklärung dafür. Ob diese Erklärung wirklich stimmt, hängt davon ab, wie gut das Verstehen der eigenen Gefühlswelt zuvor gelernt wurde. Daran wird erkennbar, wie wichtig es ist, dass Eltern ihren Kindern beibringen, wie das geht. Antworten an Kinder sollten also möglichst berücksichtigen, wie das kindliche Gehirn Erklärungen aufbaut, und deshalb zuerst beim Gefühl ansetzen, dieses verstehen, erklären, richtig einordnen und erst dann den rationalen Fragengehalt beantworten.

»Hast du eigentlich immer recht?« Die Art und Weise, wie Sonja diese Frage an ihre Mutter gerichtet hat, war Ausdruck ihrer Frustration wegen ihres verunglückten Waschversuchs. Bei anderer Gelegenheit kann dieselbe Frage in denselben Worten jedoch ganz anders gemeint sein. Wenn es etwa Herbert gelungen ist, den Fernseher zu reparieren, zollt Sonja ihm mit dieser Frage bewundernde Anerkennung. Als stolzer Vater mag er sich versucht fühlen, schlicht und ohne Skrupel mit einem klaren »Ja« zu antworten. Schließlich sonnt er sich gerne in der grenzenlosen Bewunderung des kleinen Mädchens. Allerdings fliegt das früher oder später auf. Eine ehrliche Antwort mit einem Schuss Selbstironie ist näher am wirklichen Leben, frei nach dem Motto: »Nicht immer, aber immer öfter.«

Jede Frage kann nur im Zusammenhang mit den begleitenden Gefühlen richtig verstanden werden, und jede Antwort sollte, wo angebracht, bei diesen Gefühlen ansetzen. Gerade bei Kindern sind Gefühle heftiger und unmittelbarer, weil bei ihnen die Kontrolle durch den Verstand ja erst langsam aufgebaut werden muss. Das Erlernen dieser Kontrolle ist ein langwieriger Prozess, der nur durch lebendige Erfahrung und unter verständnisvoller Anleitung durch authentische Vorbilder richtig gelingt. Er ist die Bedingung dafür, dass Kinder eines Tages als Erwachsene wirklich Herr sind über sich selbst und über ihre Impulse. Deshalb ist das Beibringen von Impulssteuerung eine zentrale Aufgabe von Erziehung. Wie sehr es daran oft mangelt, zeigt ein Blick in heutige Klassenzimmer.

Hintergrund: Der lange Weg zum Verstand


Genauso wie der Körper entwickelt sich auch der Geist stufenweise. Nach dem Triumph darüber, dass mit dem selbstständigen Laufen die ganze Welt erobert werden kann, dämmert Kindern so um den zweiten Geburtstag herum die Erkenntnis, dass andere Menschen einen eigenen Willen haben. Kurz gesagt bedeutet das: Mama macht, was sie will, und nicht, was ich will. Weil das unweigerlich zu Frustrationen führt, beginnt in diesem Alter eine Zeit von heftigem Trotz und Wutanfällen, die allen Eltern bestens vertraute Trotzphase.

Erst um das vierte Lebensjahr herum entsteht ein Bewusstsein im eigentlichen Sinn. Ab diesem Zeitpunkt sind Kinder in der Lage zu begreifen, dass andere nicht nur einen eigenständigen Willen haben, sondern dass sie außerdem auch womöglich anders denken und einen anderen Wissensstand haben als sie...

Erscheint lt. Verlag 23.8.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Schlagworte Beziehung • Beziehungsratgeber • eBooks • Eltern • Eltern-Kind-Beziehung • Erziehung • Erziehungsratgeber • Existenzielle Fragen • Gehirnforschung • Gesundheit • Hirnforschung • Kinder erziehen • Kindererziehung • Kinderfragen • Lebensfragen • Ratgeber • was Kinder brauchen • Werteerziehung • Werte für Kinder • Wertevermittlung
ISBN-10 3-641-26004-3 / 3641260043
ISBN-13 978-3-641-26004-0 / 9783641260040
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