Wofür es lohnte, das Leben zu wagen -  Hans Machemer,  Christian Hardinghaus

Wofür es lohnte, das Leben zu wagen (eBook)

Briefe, Fotos und Dokumente eines Truppenarztes von der Ostfront 1941/42
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
464 Seiten
Europa Verlag GmbH & Co. KG
978-3-95890-214-5 (ISBN)
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Im Morgengrauen des 22. Juni 1941 fallen über drei Millionen deutsche Soldaten ohne Kriegserklärung in die Sowjetunion ein. Auch Helmut Machemer ist darunter, als Unterarzt in einer Panzer-Aufklärungs-Abteilung. Bei Kriegsausbruch hat er sich freiwillig gemeldet, obwohl der 36-jährige Facharzt für Augenheilkunde aufgrund seines Alters und Berufsstandes vom Frontdienst freigestellt worden wäre. Sein Schicksal hängt mit dem Rassenwahn der Nationalsozialisten und den Nürnberger Gesetzen zusammen, nach denen seine Ehefrau Erna als 'Halbjüdin' und seine drei kleinen Söhne als 'Vierteljuden' eingestuft werden - eine gesellschaftliche Diskriminierung, unter der er tief leidet. Da er sich von seiner Familie nicht trennen will, bleibt ihm nur ein Ausweg: Als 'arischer Reichsbürger' kann er durch besondere Tapferkeitsauszeichnungen eine Begnadigung und 'Arisierung' seiner Familie erhoffen. Und so zieht er als Unterarzt in den Krieg gegen die Sowjetunion. Helmut Machemer hat seine Kriegserlebnisse detailliert dokumentiert: in über 160 Briefen, über 2000 Fotos und mehreren Stunden Filmmaterial schildert er den deutschen Vormarsch in der Südukraine 1941 und die russische Gegenoffensive zu Beginn des Jahres 1942. Sein Sohn Hans Machemer und der Historiker Christian Hardinghaus haben diese Dokumente ausgewertet, gesichtet und zusammengefasst. Herausgekommen ist ein erschütterndes Bild über das Leben, Kämpfen und Sterben einfacher Soldaten, über das namenlose Leiden der Landser auf deutscher wie auf russischer Seite, die durch eine verbrecherische Führung in einem sinnlosen Krieg starben - ein einzigartiges Zeitdokument, das 73 Jahre nach Ende des Krieges endlich zugänglich ist.

Dr. phil. Christian Hardinghaus, geb. 1978 in Osnabrück, promovierte nach seinem Magisterstudium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft im Bereich Propaganda und Vorurteilsforschung des Zweiten Weltkriegs. Er ist außerdem studierter Lehrer und schulisch ausgebildeter Fachjournalist. Hardinghaus arbeitet als Historiker, Autor und Journalist und schreibt neben Fach- und Sachbüchern auch Romane. Seine Artikel erscheinen in zahlreichen überregionalen Zeitungen und Magazinen. Er engagiert sich auch in der Ausbildung von Fachjournalisten. Die dem Buch zugrundeliegende wahre Geschichte des Truppenarztes Helmut Machemer hat er in penibler Recherchearbeit und mit historischer Kompetenz gemeinsam mit dem Sohn des Protagonisten, Prof. Dr. Hans Machemer, aufgearbeitet und in einem Sachbuch zusammengefasst.

Dr. phil. Christian Hardinghaus, geb. 1978 in Osnabrück, promovierte nach seinem Magisterstudium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft im Bereich Propaganda und Vorurteilsforschung des Zweiten Weltkriegs. Er ist außerdem studierter Lehrer und schulisch ausgebildeter Fachjournalist. Hardinghaus arbeitet als Historiker, Autor und Journalist und schreibt neben Fach- und Sachbüchern auch Romane. Seine Artikel erscheinen in zahlreichen überregionalen Zeitungen und Magazinen. Er engagiert sich auch in der Ausbildung von Fachjournalisten. Die dem Buch zugrundeliegende wahre Geschichte des Truppenarztes Helmut Machemer hat er in penibler Recherchearbeit und mit historischer Kompetenz gemeinsam mit dem Sohn des Protagonisten, Prof. Dr. Hans Machemer, aufgearbeitet und in einem Sachbuch zusammengefasst.

VORGESCHICHTE:
GEFÄHRLICHE LIEBE
UNTERM HAKENKREUZ


Eine Einleitung von Christian Hardinghaus


Was mich kränkt und was ich auf die Dauer nicht ertrage, ist, dass ich ausgestoßen bin aus meinem Volk. Ich merke es ja immer deutlicher. Wo ich hinkomme, verschließt man die Türen und – schlimmer – die Herzen. Meine Frau ist Halbjüdin, meine Kinder sind Mischlinge. Wie soll man mich da ernst nehmen können?

Am 12. September 1937 verfasst der Augenarzt Helmut Machemer diese Zeilen in einem Brief an seinen Bruder Robert. Er beschreibt damit die ausweglose Lage eines Mannes, der im nationalsozialistischen Deutschland mit einem Mischling ersten Grades verheiratet ist, im Volksmund auch als Halbjude bezeichnet. Nach den Nürnberger Rassengesetzen vom 15. September 1935 gehören dieser geächteten Gruppe jene Menschen an, die mindestens zwei jüdische Großelternteile haben.

Schon am Anfang seiner Beziehung zu Erna machten Familie und Freunde Helmut Machemer darauf aufmerksam, dass seine Freundin doch recht jüdisch aussehe. Helmut bittet sie im Juni 1932, nach dreijähriger Beziehung, um Auskunft. Die damals 23-jährige Erna ist zutiefst erschrocken und fragt ihre Eltern. Ihr Vater verfasst einen langen Brief, in dem er seiner Tochter bestätigt, dass ihre Mutter jüdischer Herkunft ist. Er habe ihr nichts davon gesagt, um ihr das Leben nicht unnötig schwer zu machen – wohl wissend um den seit Beginn des 20. Jahrhunderts wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Zugleich versucht er, sie zu ermutigen:

Wenn Du Dir gedemütigt vorkommst durch das Judenblut in Deinen Adern, so kannst Du ja auf die immerhin 400 Jahre alte väterliche Familie pochen, die doch in gewissem Sinne in der Wertgeltung einen Ausgleich bietet.

Für Erna, die zu dieser Zeit in Kiel Medizin studiert, bricht eine Welt zusammen. Die Aufmärsche der Nationalsozialisten in der Ostseestadt, die offen eine radikale Judenfeindschaft propagieren, sieht sie nun mit anderen, ängstlichen Augen. Ihr wird bewusst, dass sie selbst Schwierigkeiten bekommen werden wird, ihren angestrebten Beruf als Ärztin jemals ausüben zu können. Auch fürchtet sie, dass die Karriere ihres Freundes, der nach bestandener Promotion und Approbation in der Münsteraner Universitäts-Augenklinik arbeitet, in Gefahr ist. Verzweifelt schreibt sie ihm:

Mein lieber Helmut, ich habe nur den einen Wunsch, noch einmal bei Dir zu sein. Der Du mein größtes Glück warst. Komm bald, dann will ich Abschied nehmen, so war’s ein Stücklein Leben mit Freude und Leid. Ohne Unrecht, wenn‘s ein Herrgott betrachtet. Bis dahin will ich versuchen, tapfer zu sein. Leb wohl, Geliebter! Deine Erna.

Doch es sollte nicht das letzte Treffen werden. Helmut bekennt sich zu seiner Erna. Dass sein Wunsch nach einem unbeschwerten Familienleben bedroht ist, nimmt er in Kauf und zugleich den Kampf um die Familie an.

Dass ich Dich immer lieb habe, daran zweifle nicht,

schreibt er und macht ihr einen Heiratsantrag. Der kleine Robert wird zwei Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten (30. Januar 1933) geboren. Zunächst erkennt Helmut die drohende Gefahr nicht.

Nach dem Versailler Friedensvertrag von 1919 hatten die Siegermächte Großbritannien, Frankreich, Italien und die USA dem Deutschen Reich die alleinige Schuld am Ersten Weltkrieg zugesprochen. Die Alliierten bürdeten der jungen Weimarer Republik unerfüllbare Reparationszahlungen auf. Deutschland musste das Gros seiner Goldreserven, seiner Handelsflotte und seiner Erträge aus Kohle- und Eisenerzförderung an die Sieger abtreten. Die deutsche Wirtschaft sollte auf diese Weise dauerhaft geschwächt bleiben. Auch die massiven Gebietsabtretungen und die Entmilitarisierung führten zu großem Unmut in der Bevölkerung. Die Deutschen fühlten sich gedemütigt, diskriminiert und ihres Vaterlandes beraubt.

Erna und Helmut heiraten am 29. Oktober 1932.

Durch die Weltwirtschaftskrise kamen ab 1930 Massenarbeitslosigkeit und Hungersnöte hinzu. Die Stunde der Nationalsozialisten hatte geschlagen. Hitler und seine Parteikollegen erhielten wachsenden Zuspruch und versprachen, den Versailler Vertrag nicht länger anzuerkennen. Die Nazis gelobten, Deutschland aus der Krise zu führen, für Arbeit und Wohlstand zu sorgen und den Deutschen vor allem ihren Nationalstolz zurückzugeben.

Auch Helmut sieht im Nationalsozialismus die Chance einer Wiedergeburt des Patriotismus, den er in sich trägt. Er hält den Nationalsozialismus aber weder für originell, noch erkennt er früh genug die Bedrohung für sein Land. An seinen Bruder schreibt er über die neue Bewegung und ihren Führer:

Dieser neue Geist der Anständigkeit, Ehrlichkeit und Herzenswärme, den wir als Nationalsozialismus bezeichnen, er ist im Schützengraben geboren, groß geworden und ausgeprägt. Die Männer, die ihr Leben für ihr Vaterland gelassen haben, sie haben ihn gezeugt. Gewiss, es gab nur einen Mann, der das konnte, und es ist eine sonderbare Tatsache, dass dieser Mann da war, als man ihn brauchte. Aber das, was dieser Mann zu sagen hatte, war nicht neu, das wusste jeder schon vorher.

Die ersten antijüdischen Gesetze treffen die Familie noch nicht. Der zweite Sohn Hans wird 1934 geboren, und die Familie zieht ins ländliche Stadtlohn im Münsterland. Helmut nimmt dort eine Assistentenstelle in einer Augenarztpraxis an und träumt davon, sie einst selbstständig führen zu können.

Spätestens die Nürnberger Rassengesetze lassen das junge Ehepaar aber um die Zukunft ihrer Kinder bangen. Nach dem dort formulierten sogenannten Blutschutzgesetz sind fortan Eheschließungen und Geschlechtsverkehr zwischen Nichtjuden und Juden verboten, um die deutsche Rasse reinzuhalten. Von Anfang an ist der Antisemitismus Kernbestandteil der nationalsozialistischen Ideologie, die Juden als Untermenschen und Arier als Herrenmenschen betrachtet.

Bereits vollzogene Ehen dürfen zunächst bestehen bleiben, doch die jüdischen Ehepartner werden zunehmend vom beruflichen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Viele Ehen werden auf Wunsch des arischen Ehepartners oder dessen Familie annulliert. Mischlingen wie Erna wird, sofern sie sich zum Christentum und zu deutschen Werten bekennen, die vorläufige Reichsbürgerschaft zugestanden. Doch auch sie treffen Restriktionen wie beispielsweise das Verbot, einen akademischen Beruf auszuüben.

Als Mischling ersten Grades darf Erna ihr Medizinstudium nicht abschließen5. Als Ärztin würde sie nie arbeiten können. Eine Härteprobe für die junge Familie, die durch die Mischehe gesellschaftliche Ausgrenzungen über sich ergehen lassen muss. Die dem Volk von Joseph Goebbels, dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, eingehämmerte Ideologie macht keinen Unterschied zwischen Halbjuden und Volljuden oder sogenannten Geltungsjuden, das heißt Mischlingen, die sich dem Judentum zugehörig fühlten.

Dadurch, dass radikale nationalsozialistische Stimmen immer wieder fordern, alle Halbjuden als Geltungsjuden einzustufen und sie somit ebenso zu Opfern von Deportationen in Gettos und Konzentrationslager zu machen, könnte Ernas Situation schnell lebensbedrohlich werden.

Die Zukunft der Kinder Robert und Hans, die nach der nationalsozialistischen Rassentheorie fortan als Vierteljuden bezeichnet werden, ist ebenso bedroht. Auch sie würden unter staatliche Vormundschaft gestellt, werden berufliche Einschränkungen erleiden müssen und gesellschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt sein.

Erna bringt 1937 ihren dritten Sohn Dieter zur Welt. Helmut wird aufgrund seiner jüdischen Versippung aus der SA6 ausgeschlossen, der er seit 1933 ohne Parteimitgliedschaft angehört hatte. Aus vaterländischen Gefühlen und der Hoffnung auf eine unangefochtene gesellschaftliche Stellung ist er der Organisation zu einer Zeit beigetreten, als diese im nationalsozialistischen Herrschaftssystem kaum noch eine Rolle spielte. In die SA einzutreten galt vielen Akademikern als willkommene, da weniger politische Alternative zur NSDAP-Mitgliedschaft, die ihnen von staatlicher Seite angeraten wurde. Wer sich nicht im NS-System organisierte, der hatte mit Repressalien zu rechnen.

Spätestens nach der Enttäuschung über seinen SA-Ausschluss erkennt Helmut deutlich, welche Bedrohung der Nationalsozialismus als politisches System für die Gesellschaft darstellt. Die Familie beschäftigt sich mit der Möglichkeit einer Auswanderung nach Brasilien. Doch Helmut gerät in einen Identifikationskonflikt und will nicht akzeptieren, mit seiner Familie vom Vaterland ausgestoßen zu sein.

In deutlicher Distanz zur Parteiideologie schreibt er 1937 an seinen Bruder...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Schlagworte 2.Weltkrieg • Deutschland • Dokumnetation • Hardinghaus • Liebe • Nationalsozialismus • Zeitgeschichte
ISBN-10 3-95890-214-6 / 3958902146
ISBN-13 978-3-95890-214-5 / 9783958902145
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