Heute mal bildschirmfrei (eBook)

Das Alternativprogramm für ein entspanntes Familienleben
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
256 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45013-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Heute mal bildschirmfrei -  Prof. Dr. Paula Bleckmann,  Ingo Leipner
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Der Eltern-Ratgeber für den Medienalltag: Auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse der Medienpädagogik geben Paula Bleckmann und Ingo Leipner alltagstaugliche Tipps, wie Eltern die Konflikte um Smartphone, Spielekonsole, Computer und TV mit dem Erziehungsziel einer selbstbestimmten Mediennutzung beilegen können. Digitale Medien erobern das Leben unserer Kinder. Viele Eltern fragen sich: Muss das so sein? Wie lässt sich der ewige Streit um die Nutzungszeiten vermeiden? Und wie sehen attraktive Alternativen aus? Paula Bleckmann und Ingo Leipner zeigen an vielen Fallbeispielen aus dem Alltag, wie verantwortungsvolle Eltern mit Phantasie und Kreativität bildschirmfreie Zonen für ihre Kinder schaffen können - und damit digitalem Stress und Suchtverhalten vorbeugen und ein konfliktfreieres Familienleben ermöglichen.

Paula Bleckmann ist promovierte Medienpädagogin und habilitierte Gesundheitspädagogin. Sie unterrichtet an der Alanus Hochschule Alfter bei Bonn. Die derzeit einzige Professorin für Medienpädagogik mit dem Schwerpunkt 'Prävention problematischer Bildschirmmediennutzung' ist verheiratet und hat drei Kinder.

Paula Bleckmann ist promovierte Medienpädagogin und habilitierte Gesundheitspädagogin. Sie unterrichtet an der Alanus Hochschule Alfter bei Bonn. Die derzeit einzige Professorin für Medienpädagogik mit dem Schwerpunkt "Prävention problematischer Bildschirmmediennutzung" ist verheiratet und hat drei Kinder. Ingo Leipner, Diplom Volkswirt und Journalist (Textagentur EcoWords), ist spezialisiert auf das Thema "Digitale Transformation der Gesellschaft" und darüber hinaus ein gefragter Dozent, u.a. bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.

Wissenschaft und Argumente


Muss man weiter recherchieren? Unbedingt! Denn der Stand der Forschung belegt das Gegenteil von dem, was Prof. Fthenakis behauptet. Die American Academy of Pediatrics (AAP) vertritt 60000 amerikanische Kinderärzte und -chirurgen. Sie hat 50 Studien ausgewertet, die seit 1999 der Frage nachgegangen sind: Wie wirken Fernsehen und Videos auf die Allerkleinsten? Die Ärzte-Organisation schreibt klipp und klar:[13] »Die AAP rät davon ab, dass Kinder unter zwei Jahren elektronische Medien benutzen.« Kein Fernsehen, kein Laptop, kein Smartphone.

Für die jüngste Altersgruppe hat laut AAP die Forschung eindeutig nachgewiesen: Es entsteht langfristig keinerlei Nutzen, wenn Kleinkinder Bildschirmen ausgesetzt sind, weder beim Fernsehen noch beim Gebrauch von Apps auf dem Smartphone. Dagegen lassen sich negative Auswirkungen auf die Entwicklung zunehmend besser belegen. Für das Kindergarten-, Grundschul- und Jugendalter liegen dazu viele Hundert Studien vor[14] (vgl. zusammenfassend Mößle 2012, Nunez-Smith et al. 2009, Spitzer 2005). Diese Studien dokumentieren Auswirkungen in drei großen Bereichen:

  • Körperliche Auswirkungen: Es sind Verzögerungen der Bewegungsentwicklung, Übergewicht und Folgeerkrankungen (z.B. Diabetes) sowie Schlafstörungen nachgewiesen.

  • Psychosoziale Auswirkungen: Mehr Konsum von Bildschirmmedien führt zu einem Verlust von Empathie, einer verzögerten Sprachentwicklung, Störungen der Beziehungsfähigkeit und ADHS-ähnlichen Symptomen.

  • Kognitive Auswirkungen: Es wurden Beeinträchtigungen der kognitiven Entwicklung nachgewiesen. Diese äußern sich in verschiedenen messbaren Outcomes wie einer kurzfristig geringeren Aktivität des Stirnhirns. Langfristig zeigen sich die Folgen in schlechteren Schul- und Leseleistungen[15] sowie weniger hohen Bildungsabschlüssen.[16]

Es wäre aber falsch, diese Ergebnisse übersteigert zu interpretieren, nach dem Motto »Die bösen Medien sind an allem schuld!«. Es ist sinnvoll, genau nach Altersgruppen zu unterscheiden. An dieser Stelle ist zunächst wichtig: Die negativen Effekte sind umso eindeutiger, je jünger die Kinder sind. Für das Kindergartenalter sind sie stärker als in der Grundschule; für Grundschüler stärker als bei Jugendlichen. Für unter 3-Jährige gibt es viel weniger Studien, vor allem fast keine zu langfristigen Folgen. Das ist auch nicht anders möglich: Vor 20 Jahren waren keine Filme, Apps oder Spiele für unter 3-Jährige auf dem Markt, sodass die Wissenschaft langfristige Folgen überhaupt nicht untersuchen KONNTE. Auf die wenigen vorhandenen Studien gehen wir weiter unten ein. Vorab so viel: Keine dieser Untersuchungen belegt positive Effekte, einige wenige finden keine Effekte, und die Mehrheit belegt negative Wirkungen. Es wäre also Augenwischerei, zu behaupten, der Forschungsstand sei nicht ausreichend für die jüngste Altersgruppe (unter 3 Jahre).

Genau wie die amerikanischen Kollegen urteilen österreichische Ärzte: 2016 erschien ein Konsensuspapier, verfasst von Schlafmedizinern und -forschern: »Empfehlungen zur Regulierung von Bildschirmzeiten im Kindes- und Jugendalter«[17]. Da heißt es für die jüngste Altersgruppe (0- bis 2-Jährige): gar keine Nutzung von Bildschirmmedien! Bis etwa zur Einschulung werden maximal 30 Minuten pro Tag für vertretbar gehalten (siehe auch Kapitel 2, in dem die ideale Lösung zeigt, dass auch 0 Minuten pro Tag machbar und sinnvoll sind). Auch im Jugendalter empfehlen die Ärzte nicht mehr als zwei Stunden pro Tag. Und sie betonen besonders: Die Zeit vor dem Schlafengehen muss bildschirmfrei bleiben.

Wenn sich die Kinderärzte in aller Welt so einig sind: Wie kann es sein, dass Fthenakis behauptet, Fernsehen ab der Geburt sei in Ordnung? Drücken wir es vorsichtig aus: Der Bildungsforscher ist nicht gerade bekannt für eine kritische Sicht auf digitale Medien, die auch langfristige Folgen ins Auge fasst. Als Präsident der Bildungsmesse didacta hat er in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, immer mehr Messestände mit den neuesten Digital-Produkten zu füllen. Besucher müssen oft mehrere Hallen voll mit Hard- und Software durchqueren, bevor sie Malutensilien, Bauklötze oder Brettspiele erreichen.

Fthenakis pflegt gute Verbindungen zur Digitalindustrie. Er verleugnet Bildschirmrisiken und versteht es geschickt, mit den Ängsten von Eltern, Erziehern, Lehrkräften und Politikern zu spielen: Wer nicht früh genug mit dem Tablet hantiert, wird angeblich zum digitalen Versager (vgl. Kapitel 8)! Wer diese Hintergründe kennt, wird zunehmend skeptischer, wenn er Experten wie Fthenakis zuhört.

Trotzdem bleibt die Frage, die unsere Geschichte aufwirft, spannend: Warum glaubt eine kluge, engagierte und wohlmeinende Patentante wie Ulrike, dem kleinen Marcello etwas Gutes zu tun, wenn sie ihn vor dem Fernseher einschlafen lässt? Sie hat sicher keine Beraterverträge mit Großkonzernen unterschrieben … In ihrem Fall dürfte die Erklärung ganz anders ausfallen: Ulrike stützt sich auf eigene Erfahrungen und Beobachtungen. TV als Einschlafhilfe – das funktioniert so gut! Die Kinder tauchen ab, ohne lange zu schreien. Langfristige Auswirkungen? Darüber hat sich die Patentante wohl noch keine Gedanken gemacht. Wenn aber doch, rechtfertigt sie sich vermutlich mit den folgenden Argumenten, die sowohl Laien als auch Experten gerne anführen: »Es ist doch nur ein Viertelstündchen.« – »Nur gewalthaltige Filme schaden.« – »Ich bin ja dabei! Nur wenn das Kind allein vorm Bildschirm sitzt, treten Probleme auf.«

Damit liegt Ulrike nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Das Leben ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Wir wollen im Detail auf die drei Einwände eingehen.

»Es ist doch nur ein Viertelstündchen«?


Tatsächlich führt nicht das »Viertelstündchen« zu negativen Spätfolgen, ein einziges Viertelstündchen schadet wirklich nicht. Aber: Wer als Kleinkind mit dem Konsum von Bildschirm beginnt, rutscht früh in eine Gewohnheit hinein, die später schwer einzudämmen ist. Das gelingt vielen Eltern nicht. Ein »Frühstarter-Kind« schaut schon mit 1,5 oder 2 Jahren Filme oder benutzt Apps. Es wird statistisch gesehen bis zur Grundschule mehrere Hundert Stunden zusätzlich vor einem Bildschirm sitzen – im Vergleich zu einem »Spätstarter-Kind«.[18] Das geschieht jedoch nicht, weil die »Frühstarter-Eltern« diese Entwicklung gut finden oder gar bewusst fördern würden. Es passiert einfach … Die »Frühstarter« fordern später mehr Film, Fernsehen oder Tablet ein und sind dabei schwerer zu bremsen, sobald sie diese Mediengewohnheiten aufgebaut haben. Das zeigt eine Studie aus den USA: »Frühstarter« protestierten im Alter von 6 Jahren ausdauernder und lauter als »Spätstarter«, wenn Eltern den Fernseher ausschalten wollen.[19]

»Nur gewalthaltige Filme schaden«?


Diese These würde stimmen, wenn nur Medieninhalte negative Auswirkungen erklären würden. Doch es gibt eine Reihe weiterer Effekte, die in keinem Zusammenhang mit Inhalten stehen. Zum Beispiel: Je jünger die Kinder sind, desto mehr spielt die entgangene Lebenszeit eine Rolle (Hypothese der Zeitverdrängung). Auch der süßeste Kinderfilm ist für die Entwicklung kleiner Kinder weniger förderlich als das unmittelbare Leben. Medien wirken sich negativ aus, nicht weil sie »böse« sind, sondern weil sie nicht gut genug sind. Das belegen Experimente zum Spracherwerb sehr eindrücklich: So testeten Wissenschaftler in einer Laborstudie, wie gut Kleinkinder zwischen 15 und 24 Monaten neue Wörter lernen. Ob sie einen Begriff gut erfasst hatten, wurde überprüft, indem die Kinder das neue Wort hörten und auf das zugehörige Objekt zeigen konnten. Das Ergebnis: Wie erwartet lernten die Kleinkinder Wörter am besten, wenn sie von einer realen Person vorgesprochen wurden. Die unmittelbare Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern gibt den Ausschlag! Die schlechtesten Ergebnisse brachte ein Kinderfilm, obwohl ihm die Kinder mehr Aufmerksamkeit widmeten als einem Video mit einem sprechenden Erwachsenen. Bemerkenswert: Der Kinderfilm war gewaltfrei und sogar so konzipiert, dass er die Sprachentwicklung fördern sollte. Ein weiteres Ergebnis: Die jüngeren Kinder bis 21 Monate lernten die Wörter nur direkt von Erwachsenen. Das galt auch für ältere Kinder, die beim Start des Experiments einen geringen Wortschatz hatten.[20] Wer noch nicht sprechen kann, hat keine Chance, es am Bildschirm zu lernen.

Was die Studie im künstlichen Umfeld nahelegt, trifft im Alltag ebenfalls zu: Weisen Kleinkinder höhere Bildschirmzeiten auf, verzögert sich signifikant ihre Sprachentwicklung. Wieder ist dieser Effekt nicht auf Filme beschränkt, die problematische Inhalte transportieren.[21]

Die folgende Studie bestätigt, dass auch in den Auswirkungen auf das Sozialverhalten nicht nur »schlechte« Filme schaden. Die Kinder waren im Schnitt...

Erscheint lt. Verlag 26.2.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Schlagworte Computerspiele • Digitale Medien • Elternratgeber • Eltern Teenager • Entwicklungspsychologie • Erziehung • Erziehungsratgeber • Familienalltag • Jugendliche • Jugendliche erziehen • Kinder • Kinder erziehen • Kinder und Computer • Kinder und Medien • Kinder und Smartphone • Manfred Spitzer • Medienerziehung • Medienkompetenz • Medienkonsum • Mediennutzung • Mediennutzung Kinder • Medienpädagogik • Nintendo • Ratgeber Eltern • Ratgeber Erziehung • Ratgeber Kinder • ratgeber kindererziehung • Smartphone • Soziale Netzwerke • Spielekonsole • Teenager erziehen • Teenager Ratgeber • Xbox
ISBN-10 3-426-45013-5 / 3426450135
ISBN-13 978-3-426-45013-0 / 9783426450130
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