Wahre Freiheit (eBook)
304 Seiten
O.W. Barth eBook (Verlag)
978-3-426-45058-1 (ISBN)
Jack Kornfield ist einer der international bekanntesten buddhistischen Lehrer und genießt hohen Respekt auch als Psychotherapeut und Gründer zweier bedeutender spiritueller Zentren. Er ist einer der wichtigsten Vermittler von Achtsamkeit für die westliche Welt. Seine Bücher sind weltweit millionenfach verkauft und in 21 Sprachen übersetzt worden. Jack Kornfield hat an großen Universitäten und Kliniken wie Harvard, Berkeley, UCLA und Stanford gelehrt. Am Zentrum 'Spirit Rock' unterrichtet er wöchentlich große Gruppen und leitet weltweit Achtsamkeitsausbildungen sowie Retreats.
Jack Kornfield ist einer der international bekanntesten buddhistischen Lehrer und genießt hohen Respekt auch als Psychotherapeut und Gründer zweier bedeutender spiritueller Zentren. Er ist einer der wichtigsten Vermittler von Achtsamkeit für die westliche Welt. Seine Bücher sind weltweit millionenfach verkauft und in 21 Sprachen übersetzt worden. Jack Kornfield hat an großen Universitäten und Kliniken wie Harvard, Berkeley, UCLA und Stanford gelehrt. Am Zentrum "Spirit Rock" unterrichtet er wöchentlich große Gruppen und leitet weltweit Achtsamkeitsausbildungen sowie Retreats.
1
In der unendlichen Weite zu Hause
Manchmal tue ich mir selbst leid, wo mich doch große Winde durch den Himmel tragen.
Ausspruch der Ojibwa-Indianer
Ein leuchtendes Gestirn trägt uns mit bald siebeneinhalb Milliarden unseresgleichen im Tanz des Lebens vereint. Die Weite des Alls ist unsere Heimat. Wenn uns die Unermesslichkeit unseres äußeren und inneren Universums aufgeht, öffnet sich die Tür zur Freiheit. Sorgen und Konflikte werden in ihrer wirklichen Größenordnung erkannt, Emotionen sind leichter zu ertragen, und im Trubel der Welt wahren wir Frieden und Würde.
Der Tanz des Lebens
In der Mitte ihres Lebens sah sich Whitney großen Problemen gegenüber. Ihre Mutter war an der Hüfte operiert worden, und ihr Vater litt an den Erscheinungen einer Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium. Whitney wünschte sich, dass ihre Eltern weiterhin in ihrem Haus in Illinois würden wohnen können, aber das selbstständige Leben war durch die gesundheitlichen Einschränkungen schwierig geworden. Ihr Bruder in St. Louis wollte mit alldem nichts zu tun haben. Whitney musste sich allein darum kümmern.
Sie nahm sich einen Monat Urlaub, um bei den Eltern sein und aushelfen zu können. Das Haus war ein einziges Durcheinander, als sie ankam. Ihre Mutter brauchte Zeit, um sich von der Operation zu erholen, der Vater konnte sich nicht einmal selbst versorgen. Häusliche Pflege rund um die Uhr konnten sie sich nicht leisten, es schien klar, dass sie umziehen mussten.
Whitney machte einen Spaziergang den Hang hinauf, der ihr seit Kindertagen vertraut war. Sie wollte das Heim der Familie nicht aufgeben, ihre Eltern sollten dort bis zum Ende bleiben können – und sie wollte auch ihre Eltern nicht verlieren. Sie weinte auf dem Weg, aber als sie die Hügelkuppe erreicht hatte, beruhigte sie sich ein wenig. Sie setzte sich und ließ den Blick über die Weite des Mittleren Westens mit seinen bis zum Horizont reichenden Feldern schweifen. Kumuluswolken trieben über den Himmel und warfen Schatten auf die kleinen Ansammlungen von Häusern rings um die Ortschaft.
Angesichts dieser grenzenlosen Weite fühlte sie sich auf einmal nicht mehr ganz so allein. Sie spürte, dass alles seine Rhythmen hatte, das Kommen und das Gehen, das Aufblühen und Welken, das Werden und Schwinden. Wie viele Menschen, überlegte sie, mochten wohl gerade in einer ganz ähnlichen Lage wie sie sein? Und je leichter ihr Atem ging, desto mehr löste sie sich innerlich. »Nicht nur ich habe alte Eltern«, sagte sie sich. »Es gehört einfach zum Menschsein dazu.« Und als sie sich innerlich öffnete, spürte sie neues Zutrauen wachsen.
Wir sind alle in der Lage, die Dinge aus dieser Perspektive zu betrachten. Wir können den Blick weiter werden lassen, und wenn im Herzen mehr Raum entsteht, erinnern wir uns an das Gesamtbild. Auch falls ein Nahestehender krank wird, ein Elternteil stirbt oder ein anderer großer Verlust droht, können wir uns immer wieder vor Augen halten, dass dies einfach das Leben mit seinen wechselnden Höhen und Tiefen ist.
Wie wäre es wohl, das Ganze mit allem Drum und Dran einfach so zu lieben, wie es ist, und die Liebe trotz allem größer sein zu lassen als all den Kummer? So viele Menschen erleben Veränderungen, Verluste und Erneuerungen. Aber die Welt dreht sich weiter, die Bauern fahren ihre Ernte ein, auf den Märkten wird gehandelt, und die Musiker spielen ihre Lieder. Wir leben inmitten eines großen Paradoxons, das sich immer wieder anders darstellt.
Atmen Sie. Entspannen Sie sich. Leben Sie immer nur diesen einen Tag.
Der Erkennende
Wenn das Herz weit wird, erinnern wir uns an diesen alles umfassenden Blick, den wir schon fast vergessen hatten. Das weite Herz gibt den weit ausgreifenden Geist zu erkennen. Das ist der Geist, der schließlich doch lacht, nachdem Sie sich die Zehen angestoßen haben und jammernd herumgehopst sind. Und wenn Sie sich über Ihren Partner oder Ihre Partnerin geärgert haben, ist es der Geist, der schlafen geht und beim Aufwachen weiß, dass es keine so große Sache war.
Dieser weiträumige Geist ist unser natürliches Bewusstsein, das alles kennt und allem Raum bietet. Mein Meditationslehrer in der thailändischen Waldtradition, Ajahn Chah, sprach hier vom »Erkennenden« oder »Wissenden«. Das sei die ursprüngliche Natur des Geistes, sagt er, der schweigende Zeuge, eine alles umfassende Bewusstheit. Entsprechend einfach war seine Unterweisung: Werde Zeuge von allem, einer mit Überblick, ein Erkennender.
Achten Sie einmal auf den »Film«, der in Ihrem Leben gerade läuft. Wie sieht der Plot aus – ist es ein Abenteuer, eine Tragödie, Liebesgeschichte, Seifenoper oder ein Kampfgetümmel? »Die ganze Welt ist eine Bühne«, schrieb Shakespeare. Es kommt vor, dass wir uns in den Plot hineinziehen lassen. Aber Sie sind eben auch der Zuschauer, also atmen Sie tief durch, sehen Sie sich um, seien Sie Zeuge all dessen, eine umfassende Bewusstheit, ein Erkennender oder Wissender.
Ich saß einst am Bett einer Frau mit Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Sie war erst einunddreißig, und es ging zu Ende mit ihr. Wir blickten einander in die Augen, und Schicht um Schicht fiel alles weg – ihr ausgezehrter Körper, ihr Geschlecht, ihre poetischen Werke, ihre Familie, ihre Freunde. Ich erfuhr die Gnade, Zeuge ihres Geistes zu sein. »Wie sieht es aus?«, fragte ich sehr sanft und fuhr fort: »Wie es scheint, ist diese Inkarnation bald vorbei. Das darf so sein, weißt du? Es ist ganz natürlich, zu sterben.« Und was aus tiefen, wissenden Augen zurückblickte, war nichts als unendliche Weite und zärtliche, zeitlose Freiheit.
In dieser raumgreifenden Bewusstheit spüren Sie die Gegenwart der Liebe. Der Erkennende wird liebender Zeuge aller Dinge. Man wird ganz liebendes Bewusstsein. Diese Freiheit ist immer gegeben, aber es kostet ein bisschen Übung, sich an sie zu erinnern und das Vertrauen zu gewinnen, dass sie immer da ist. Wenn Sie sich verrannt haben, in irgendeinem winzigen Ausschnitt des Gesamtbilds festhängen, sich beengt oder vom Strudel der Ereignisse mitgerissen fühlen, atmen Sie tief durch, um innerlich einen Schritt zurückzutreten. Mit weit offenem Geist können Sie sogar Zeuge solcher geduckten Zustände sein und sie innerlich liebevoll umfangen.
Entspannen Sie sich. Sie können Ihre Gefühle, Ihre Gedanken und alle Umstände liebevoll betrachten. Eben jetzt. Während Sie diese Seite lesen, betrachten Sie den Lesenden mit liebevollem Bewusstsein, lächeln Sie ihm oder ihr zu. Lassen Sie jeden Tag beim Aufwachen mit liebevollem Bewusstsein beginnen. Lassen Sie sich auf den Sie umgebenden Raum ein, den Raum da draußen, das unermessliche Land, das sich über den Kontinent erstreckt. Fühlen Sie in die Weite des Himmels hinein und des Alls mit Mond, Planeten und Galaxien.
Lassen Sie Herz und Geist zu diesem Raum werden. Atmen Sie in Ihr Herz. Betrachten Sie die ziehenden Wolken, werden Sie der Himmel. Die Wolken sind nicht einfach da draußen, sie sind auch in Ihnen. Fühlen Sie, wie die Landschaft, die Bäume, die Berge, die Gebäude in Ihrem Herzen sind. Lassen Sie sich weit und offen werden und liebevoll mit dem Raum verschmelzen. Überlassen Sie sich dem Unermesslichen ringsum, das auch in Ihnen ist. So weit kann liebendes Bewusstsein reichen.
Seien Sie als Erkennender ein Zeuge all dessen, lassen Sie das liebende Bewusstsein offen für alles sein, für Langweiliges und Interessantes, für Furcht und Vertrauen, für Lust und Schmerz, Geburt und Tod.
Heilige Stille
Im Hochwald oder in einer Kathedrale treten wir in eine tiefe, heilige Stille ein. Dann weitet sich in unserem Inneren etwas, und wir nehmen in uns selbst eine tiefe Stille wahr. Das kann im ersten Moment ein wenig beunruhigend sein, aber es ist auch das, wonach wir uns sehnen. Es ist die grenzenlose Stille, von der das Leben umgeben ist. Vertrauen Sie sich ihr an, um in ihr zur Ruhe zu kommen. Das Herz weitet sich und erwacht zu seiner wahren Lebendigkeit. Alles, was sich in dieser Stille sonst noch bemerkbar macht, ist nur wie eine Wolke am Himmel, eine Welle im Meer. Verweilen Sie in der Tiefe der Stille.
Bewusstsein ist seiner Natur nach grenzenlos. Wenn Sie es direkt betrachten, sehen Sie, dass der Geist durchsichtig und randlos ist, er hat keine Grenzen, Ihr Herz ist groß und weit wie die Welt. Sie überlassen sich dieser Unermesslichkeit, und jetzt können Sie die Wogen des Lebens einfach kommen und gehen lassen. In der Stille sehen Sie das Mysterium, wie es das Leben und alle Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen hervorbringt. Die Wellen des Lebens steigen und fallen, dehnen und stauen sich, das Herz schlägt, die zerebrospinale Flüssigkeit pulsiert – und dazu noch die Rhythmen und Phasen des Mondes, der Wechsel der Jahreszeiten, die Zyklen des weiblichen Körpers, die wirbelnden Galaxien und, ja – der Aktienmarkt.
Achten Sie einmal auf die Pausen zwischen den Wellen, die Lücken zwischen den Atemzügen und Gedanken. Sie wirken anfangs flüchtig, allzu schnell vorbei, doch mit der Zeit werden Sie in diesen Pausen Ruhe finden. Die Wellen steigen und fallen, und Sie selbst werden stilles liebendes Bewusstsein. Diese Stille hat aber nichts von Rückzug oder Teilnahmslosigkeit. Sie ist nicht die Abwesenheit von Gedanken. Sie hat etwas Geräumiges und Erfrischendes, eine zärtliche Stille, von der aus Sie lernen, lauschen und tief blicken können.
Liebendes Bewusstsein
Liebendes Bewusstsein erfüllt Zeit und Raum. Hier ist das Mysterium Zeuge seiner selbst. Im liebenden Bewusstsein strömt der Fluss der Gedanken und Bilder ohne Urteil. Hier erleben Sie den Strom der Gefühle,...
Erscheint lt. Verlag | 29.1.2018 |
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Übersetzer | Jochen Lehner |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Esoterik / Spiritualität |
Schlagworte | Achtsamkeit • achtsamkeit buch • Achtsamkeit im Alltag • achtsamkeit meditation • Achtsamkeitsübungen • Achtsam leben • an Krisen und Konflikten wachsen • Bewusstsein • Buddha • Buddhismus • buddhismus buch • buddhismus bücher • Buddhistische Lebenskunst • der mönch der seinen ferrari verkaufte • Dharma • Erleuchtung • Freiheit • Geist • Gelassenheit • Gesundheitskultur • Glück • Glücklich • Glücklich leben • im Einklang leben • im Einklang sein • Innere Freiheit • innere Harmonie • Inspiration • Jack Kornfield • Krisen bewältigen • Krisen meistern • lebenshilfe bücher • Meditation • meditation buch • Meditation Übungen • Persönliche Entwicklung • Ratgeber Achtsamkeit • Ratgeber glücklich sein • Ratgeber Lebensführung • Rinpoche • Selbstmitgefühl • sich selbst annehmen • Sinn des Lebens • Spiritualität • spiritualität bücher • spirituelle Bücher • Thich Nhat Hanh • uli olvedi • Um Leben und Tod • Vipassana • Zen |
ISBN-10 | 3-426-45058-5 / 3426450585 |
ISBN-13 | 978-3-426-45058-1 / 9783426450581 |
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