Kleopatra (eBook)

Königin in drei Kulturen - Eine Biographie
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2012 | 1. Auflage
240 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-02131-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kleopatra -  Wolfgang Schuller
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Kleopatra war ihrer kulturellen Herkunft nach Griechin. Für ihr Leben und Schicksal spielte Rom eine entscheidende Rolle. Doch zuallererst war sie Königin des 3000 Jahre alten Ägypten. Vor diesem Hintergrund schildert Wolfgang Schuller die politische Karriere und die Persönlichkeit der letzten Pharaonin. Sichtbar wird eine intelligente Herrscherin und leidenschaftlich Liebende, deren Beziehungen zu Caesar und Mark Anton von der politischen Kraft großer Gefühle zeugen. Diese Biographie spiegelt den neuesten Stand der Wissenschaft wider; gleichzeitig bringt sie eine erstaunliche Vielfalt antiker Quellen zum Sprechen - von ägyptischen Inschriften bis zu Werken großer römischer Dichter. Ihre Stimmen lassen eine schillernde Epoche lebendig werden. «Die Liebe als unberechenbare Macht, die auch Weltgeschichte bewegen kann - das ist der Kern dieser schönen Kleopatra-Biographie.» Die Zeit «Ein lebendiges, leichtes, schnell lesbares Buch.» Süddeutsche Zeitung

Wolfgang Schuller, geboren 1935, wurde als Jurist ausgebildet und studierte anschließend Altertumswissenschaften. Von 1972 bis zu seiner Emeritierung 2004 war er Professor für Alte Geschichte, seit 1976 an der Universität Konstanz. Seine Forschungsschwerpunkte sind die griechische Antike und die DDR-Geschichte. Er war Mitarbeiter der Enquetekommissionen des Deutschen Bundestags zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. «Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts der DDR» (1980), «Griechische Geschichte» (1980), «Kleopatra» (2006), «Das Sichere war nicht sicher. Die erwartete Wiedervereinigung» (2006) sowie «Die Welt der Hetären» (2008).

Wolfgang Schuller, geboren 1935, wurde als Jurist ausgebildet und studierte anschließend Altertumswissenschaften. Von 1972 bis zu seiner Emeritierung 2004 war er Professor für Alte Geschichte, seit 1976 an der Universität Konstanz. Seine Forschungsschwerpunkte sind die griechische Antike und die DDR-Geschichte. Er war Mitarbeiter der Enquetekommissionen des Deutschen Bundestags zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. «Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts der DDR» (1980), «Griechische Geschichte» (1980), «Kleopatra» (2006), «Das Sichere war nicht sicher. Die erwartete Wiedervereinigung» (2006) sowie «Die Welt der Hetären» (2008).

1. Kapitel

DIE HAUPTSTÄDTE: ALEXANDRIA UND MEMPHIS


Mit weißem Mehl ließ Alexander der Große nach der Eroberung Ägyptens den Grundriß einer am Meer zu gründenden Stadt im Freien auf den Boden zeichnen – da kamen unzählige Vögel aller Arten und vertilgten das Mehl. Alexander war über dieses vermeintlich schlechte Vorzeichen bestürzt, die Seher aber sagten, im Gegenteil werde diese Stadt unzählig vielen Menschen aller Arten Platz bieten und sie ernähren. Die Seher hatten Recht. Alexander gründete die Stadt, benannte sie nach sich selber Alexandria, und bis auf den heutigen Tag ist sie, obwohl sie im 20. Jahrhundert leider viel Kosmopolitisches hat einbüßen müssen, immer noch eine der lebendigsten Städte Ägyptens und der Welt.

Alexander starb zu früh, als dass er sein riesiges Reich von diesem Alexandria aus wenigstens zeitweise hätte regieren können. Das Reich zerfiel in mehrere Königreiche, die meist von seinen Generälen regiert wurden, das Zeitalter des Hellenismus begann. In Ägypten herrschte Ptolemaios, Sohn des Lagos, der sich dann König nannte und dessen Dynastie der Lagiden oder Ptolemäer drei Jahrhunderte lang Ägypten und viele andere Teile der antiken Welt beherrschte. Ihm war es gelungen, Alexanders Leichnam nach Alexandria zu bringen, sodass in dieser Stadt mit dem Alexandergrab ein religiös legitimierendes Zentrum der damaligen Welt entstand. Am Ende der Dynastie stand Kleopatra, nach heutiger Zählung die siebente ägyptische Königin dieses Namens – aber nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil sie tatsächlich die weitaus bedeutendste dieser Königinnen war, werden wir sie in diesem Buch nur Kleopatra nennen. Während ihrer Regierung war Alexandria schon lange eine pulsierende Weltstadt, ein politisches und geistiges Zentrum der damaligen Welt, viele verschiedene Völkerschaften lebten hier, und von hier aus betrieben die Ptolemäer und also auch Kleopatra ihre Politik. Welche Vorstellungen haben wir uns also von dieser ihrer Stadt zu machen?

Seltsamerweise stammt die immer noch beste Beschreibung der Topographie Alexandrias von dem Historiker und Geographen Strabon, der Kleopatras Zeitgenosse war und sich von 24 bis 20 v. Chr. in der Stadt aufhielt, sie also sechs Jahre nach Kleopatras Tod betreten hatte. Seltsam ist das deshalb, weil in den meisten anderen Fällen die moderne Archäologie ganz wesentliche Anteile an unseren Kenntnissen antiker Städte bereitgestellt hat. Für Alexandria ist das aber deshalb sehr schwierig bis unmöglich, weil zum einen das Meer wichtige Teile der Stadt überflutet hat und weil zum anderen die übrigen Teile überbaut sind, sodass man nicht ausgraben kann. Allerdings gibt es neuerdings die Unterwasserarchäologie, die mit Bildbänden und Ausstellungen beansprucht, Entscheidendes von dem endlich ans Licht gebracht zu haben, was seit zweitausend Jahren auf dem Meeresgrund gelegen hatte. Gerade die königlichen Paläste der Ptolemäer und wohl auch Kleopatras selber, die sogar ein Drittel der gesamten Stadt ausmachten, gehören dazu, und es hätte ein Leichtes sein müssen, sie zusammen mit ihrer üppigen Einrichtung sozusagen von dem ja nicht tiefen Meeresboden einfach aufzusammeln.

Die Ausgrabungen haben jedoch zwar zahlreiche neue Erkenntnisse über die östlich Alexandrias liegenden Städte Kanopos und Herakleion, über Alexandrias Topographie und über den Küstenverlauf gewonnen, aber gerade die königlichen Paläste und so auch der Palast Kleopatras sind nach wie vor nur chaotische Trümmerhaufen. Daher müssen wir uns bis jetzt wenigstens mit dem begnügen, was wir bisher schon meist aus literarischen Quellen gewusst haben, wenig ist es ja glücklicherweise nicht. Strabons Bericht freilich, so informativ er ist, kann wegen seiner Länge hier nicht wiedergegeben werden, stattdessen beginnen wir mit der enthusiastischen Schilderung durch den Alexandriner Achilleus Tatios, einen Schriftsteller des 2. Jhs. n. Chr., der in seinem Liebesroman «Leukippe und Kleitophon» schreibt:

 

Als ich die Stadt durch das so genannte Sonnentor betrat, schlug mich sogleich ihre strahlende Schönheit in ihren Bann und füllte meine Augen mit Entzücken. Zur Linken und zur Rechten erstreckte sich eine geradlinige Reihe von Säulen vom Sonnentor bis zum Mondtor – Sonne und Mond sind nämlich die Torhüter der Stadt –, und in der Mitte der Säulenreihe dehnte sich die Stadtebene. Die Ebene durchzogen unzählige Straßen, und man konnte in seiner eigenen Heimatstadt weite Reisen unternehmen. Nachdem ich wenige Stunden in der Stadt zurückgelegt hatte, gelangte ich an den nach Alexander benannten Platz. Von hier aus sah ich eine zweite Stadt und eine folgendermaßen aufgeteilte Schönheit: ebenso lang wie die Säulenreihe, der ich entlanggewandert war, war eine andere, die die erste im rechten Winkel schnitt. Ich aber, bemüht, meine Augen auf alle Straßen aufzuteilen, war ein unersättlicher Betrachter, und doch überstieg es meine Kräfte, die ganze Schönheit zu sehen.

Plan von Alexandria

Das Viertel der königlichen Paläste, das die Hafenbucht im Osten abschloss, dehnte sich deshalb immer mehr aus, weil jeder der etwa zwanzig Könige sich seinen Palast baute. Im Inneren waren die Paläste, wie es der Selbstdarstellung der hellenistischen Herrscher entsprach, mit großer Pracht gebaut und eingerichtet. Der kaiserzeitliche Dichter Lukan schildert in seinem Epos über den Bürgerkrieg das Gastmahl, das die junge Kleopatra dem römischen Eroberer Gaius Iulius Caesar gibt, der kurz vorher ihr Geliebter geworden war – auch davon wird in diesem Buch später im Zusammenhang die Rede sein. Gewiss mögen die Farben seines Stils allzu prächtig sein, gewiss sind innerliterarische Maßstäbe anzulegen, wodurch manches gedämpft werden muss, zu unserer Erleichterung zeigen aber seriöse Vergleiche mit anderen erhaltenen Bauten in Griechenland und Makedonien durch die – sozusagen – Festlandsarchäologie, dass wir uns im Allgemeinen doch auf Lukans Schilderung verlassen können:

 

Einem Tempel war ähnlich der Ort, wie kaum ihn errichtet

Ein verderbtes Geschlecht; es trugen getäfelte Decken

Reichtum und gediegenes Gold verhüllte die Balken.

Nicht mit geschnittenem Marmor belegt erglänzen die Wände;

Nein, die Säulen sind von Achat, der völlig für sich steht,

Und von Purpurstein; in der weitverbreiteten Halle

Tritt man auf Onyx; nicht bedeckt die gewaltigen Pfeiler

Meroes Ebenholz, es steht wie gemeineres Holz nur,

Stoff, nicht Zierde des Hauses allein. Die Säle bekleidet

Elfenbein, und die Schale der Schildkröt’ Indiens ist an

Türen geheftet, die Flecken geziert mit vielen Smaragden.

Polster ruhen auf Edelgestein, gelb schimmert von Jaspis

Häuslich Gerät, und Decken erglänzen, in tyrischer Farbe

Lange gekocht, nicht nur in Einem Kessel bereitet;

Der Teil strahlt mit Golde gestickt, der feurig im Scharlach,

Wie man zu mischen pflegt die Fäden am pharischen Webstuhl.

 

Nach dem königlichen Luxus nun ein paar Worte zur Bevölkerung. Sie war sehr selbstbewusst, und jahrhundertelang neigte sie bis in die Spätantike hinein, wenn nicht sogar zu Aufständen, dann mindestens doch dazu, ihre Meinung sichtbar und lautstark zu artikulieren; nicht umsonst hatte Caesar nicht nur gegen ptolemäische Truppen, sondern auch gegen die romfeindlichen Alexandriner zu kämpfen. Zu ihrer Anzahl sagt Achilleus Tatios:

 

Blickte ich auf die Stadt, konnte ich kaum glauben, dass eine Einwohnerschaft sie mit Menschen füllen sollte, betrachtete ich aber die Einwohnerschaft, so staunte ich, dass eine Stadt sie fassen sollte; so ausgewogen war deren Verhältnis zueinander.

 

In Zahlen: Alexandria wurde zur Zeit Kleopatras von mehr als 300 000 steuerzahlenden Freien bewohnt, und wenn man die anderen sowie die Sklaven hinzunimmt, dürfte es eine Millionenstadt gewesen sein. Entsprechend drängten sich die Menschen in den Straßen, und es dürfte sich wohl nicht nur auf Feste beziehen, wenn der hellenistische Dichter Theokrit Frauen in seinem Gedicht über die Frauen am Adonisfest etwa ausrufen lässt:

 

Welche Menge, ihr Götter! Wie nun gelangen wir endlich

Durch die Plage hindurch? Ameisen, unzählig und endlos!

[…]

Schauderhaft! Gorgo, gib mir die Hand. Du, Eunoa, fasse

Eurychis. Und pass auf, dass uns der Trubel nicht fortreißt.

 

Ethnisch war die Bevölkerung gemischt; die wichtigsten, auch jeweils in sich organisierten Volksgruppen waren Griechen und Makedonen, natürlich sehr viele Ägypter, die im Stadtteil Rhakotis wohnten – in Theokrits Gedicht fühlten sich manche Griechinnen von ihnen belästigt –, sowie Syrer, die jüdische Gemeinde stellte einen besonders charakteristischen und aktiven Teil der Alexandriner dar. Wie sehr die alexandrinischen Juden einerseits präsent, andererseits aber auch hellenisiert waren, zeigt die in Alexandria entstandene Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische, die Septuaginta, die deshalb nötig war, weil die Juden nicht mehr Hebräisch sprachen.

Dementsprechend zahlreich und vielfältig waren die Götter,...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2012
Zusatzinfo 16 S. s/w Tafeln; 2 s/w Karten
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Vor- und Frühgeschichte / Antike
Geschichte Allgemeine Geschichte Vor- und Frühgeschichte
Schlagworte Caesar • Herrscherin • Königin • Marcus Antonius • Pharao • Ptolemäer Reich • Rom • Suizid
ISBN-10 3-644-02131-7 / 3644021317
ISBN-13 978-3-644-02131-0 / 9783644021310
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