Das frühe Persien (eBook)

Geschichte eines antiken Weltreichs
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2021 | 6. Auflage
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-78269-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das frühe Persien - Josef Wiesehöfer
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VON DER ZEIT DER ACHAIMENIDEN BIS ZUM AUFKOMMEN DES ISLAM
Mehr als eintausend Jahre persischer Geschichte von der Zeit der Achaimeniden bis zum Aufkommen des Islam werden in dieser glänzenden Einführung kenntnisreich, verständlich und spannend erzählt und erläutert. Herrschaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Heerwesen des antiken Weltreichs werden ebenso dargestellt wie seine historischen, geographischen und ethnologischen Voraussetzungen.

Josef Wiesehöfer lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor für Alte Geschichte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; er ist ein vielfach ausgewiesener Fachmann für die Erforschung des antiken Persiens. Bei C.H.Beck ist von ihm erschienen "Die 'dunklen Jahrhunderte' der Persis. Untersuchungen zu Geschichte und Kultur von Fars in frühhellenistischer Zeit (330-140 v. Chr.)".

II. Persien unter der Dynastie der Achaimeniden (550–​330 v. Chr.)


Bäte man die historisch interessierten Zeitgenossen in unserem Lande um spontane Äußerungen zu den antiken Persern, dann fielen zweifelsohne früh Begriffe wie «Perserkriege», «Salamis», «Marathon», «Issos» oder «orientalische Despotie». Sie alle haben gemeinsam, dass sie die Perser vornehmlich als militärische Gegner und politische Antagonisten der Griechen vorstellen und sich dem traditionsbestimmenden Teil der antiken Überlieferung verdanken. Die uns geläufige Wahrnehmung der Perser als Feinde der uns vertraut erscheinenden Hellenen liefert – obgleich als Fremdbewertung einer ‹Außen-› oder gar ‹Gegenwelt› historisch informativ – aus mancherlei Gründen ein eher unzulängliches denn erhellendes Bild der Wirklichkeit: Sie ist subjektiv schon in der Auswahl der bedeutend vielfältigeren griechischen Zeugnisse und verzichtet auf die einheimisch-zeitgenössischen nahezu vollständig, sie unterschätzt die Mannigfaltigkeit griechisch-persischer Begegnungsweisen, und sie reduziert die fremde Welt auf ihre militärisch-politische Dimension und ihre Beziehungen nach Westen.

Wem es vergönnt ist, auch die ehemaligen Kernländer des Achaimenidenreiches zu besuchen, etwa Mesopotamien, Medien, die Persis oder Baktrien, wer dabei die Residenzen und andere wichtige Plätze des Reiches in Augenschein nehmen, ja selbst wer eine der großen Ausstellungen zum Alten Iran besuchen kann, dem erschließen sich noch andere Dimensionen des ersten Weltreiches der Antike: seine Multikulturalität und ethnische Vielfalt, die sich an der Zahl der gesprochenen Sprachen und benutzten Schriftsysteme ebenso ablesen lässt wie an der Fülle von Kulten, Weltanschauungen und Bestattungsbräuchen; seine kulturelle und wirtschaftliche Mittlerfunktion, festzumachen an der achaimenidischen Reichs- und Regionalkunst ebenso wie an den Resten der Reichsstraßen, Kanäle und Handelsrouten; seine historische Bedeutung für die Geschichte des Vorderen Orients, wenn es etwa frühere Traditionen der Hochkulturen jenes Raumes bewahrt, adaptiert und weitergibt oder hellenistischen und späteren iranischen Dynastien zum politischen ‹Vorbild› wird.

Lassen Sie uns den genaueren Blick auf das achaimenidische Persien mit einem Überblick über die Zeugnisse beginnen und dabei bewusst den Akzent auf die Innensicht des Reiches legen.

Die Überlieferung


Auch wenn – in Ermangelung iranischer Pendants eines Herodot oder eines Xenophon – keine schriftlichen Zeugnisse vom Boden des Reiches der griechischen historiographischen Tradition an Ausführlichkeit und literarischer Qualität gleichkommen, so haben diese doch den großen Vorteil der zeitlichen wie räumlichen Nähe zum Untersuchungsgegenstand. Dies gilt vor allem für die in der Regel dreisprachigen Königsinschriften, die insbesondere in den Residenzen der Persis, aber auch in anderen Teilen des Reiches ans Licht gekommen sind. Mit ihrer Verwendung des Altpersischen, einer stilisierten Form der Muttersprache von Königen und südwestiranischen Untertanen, des Elamischen, des Babylonischen bzw., in Ägypten, des Hieroglyphenägyptischen, knüpfen die Achaimeniden an die Traditionen der Vorgängerreiche an und stellen sich in die Nachfolge der mesopotamischen und ägyptischen Herrscher. Die historisch bedeutsamste und auch längste Königsinschrift ist der dreisprachige Tatenbericht Dareios’ I. aus Bisutun, gelegen an der alten Karawanen- und Heeresstraße von Mesopotamien über den Zagros nach Ekbatana (dem heutigen Hamadan). An einer Felswand des zu ihrer Zeit als «Götterplatz» bekannten Ortes und in Verbindung stehend mit einem Zeit und Raum in einer pseudohistorischen Szene aufhebenden Triumphrelief (Abb. 1), berichtet er von der Vorgeschichte der Thronbesteigung des wohl größten Achaimeniden und von seinen Auseinandersetzungen mit politischen Widersachern im Reich, von Dareios als «Lügenkönige» abqualifiziert. Historiker und Archäologen haben nicht nur ergründen können, dass das Denkmal in mehreren Phasen entstand und für die Verschriftung der ursprünglich nicht geplanten altpersischen Version eigens ein Schriftsystem geschaffen wurde, sie haben auch Beweise dafür gefunden, dass Dareios die Wahrheit sagte, als er in der Inschrift von einer Verbreitung des Inhalts im ganzen Reich sprach: Kopien von Relief und Inschrift, den dortigen Verhältnissen angepasst, fanden sich nämlich in Babylon, Auszüge aus der Bisutun-Inschrift und einer Art ‹Fürstenspiegelinschrift› desselben Herrschers auf Papyrus in aramäischer Sprache in Elephantine in Südägypten. Im Gegensatz zur Inschrift von Bisutun (DB) sind die meisten der späteren, schon bald nach Dareios an Zahl, Bedeutung und sprachlicher Eleganz abnehmenden repräsentativen Königsinschriften (wie auch die Reliefs) eher ort- und zeitlose und damit ohne großen Aufwand kopierbare Kompositionen, die den Reichsbewohnern die besonderen Qualitäten und Leistungen der Herrscher und die untertänige Pflicht zur Loyalität ihnen gegenüber einzuschärfen versuchen. Dies gilt für das Original des besagten ‹Fürstenspiegels› Dareios’ I. von der Front seines Felsgrabes in Naqš-i Rustam bei Persepolis, die ‹Burgbauinschrift› desselben Herrschers aus Susa und die Inschrift des Xerxes gegen die von Rebellen angerufenen «Götzen» gleichermaßen. Es waren die nahezu textgleichen mehrsprachigen achaimenidischen Inschriften aus Bisutun und Persepolis, die zu Beginn des 19. Jh. die Entzifferungsgeschichte der Keilschrift einleiteten und damit letztendlich ein Verständnis der vorderorientalischen Hochkulturen aus sich selbst heraus ermöglichten.

Abb. 1:  Bisutun: Relief und Inschrift Dareios’ I. (Umzeichnung)
(nach L. W. King/R. C. Thompson, The Sculptures and Inscription of Darius the Great on the Rock of Behistun in Persia, London 1907; mit Verbesserungen von R. Schmitt, R. Borger und dem Autor)
a) Bisutun, Dareios-Relief (Umzeichnung). Eingezeichnet ist auch die Position der kurzen altpersischen (Per.), elamischen (Sus.) und der babylonischen (Bab.) Inschriften (Beischriften) DBa-l (hier A–L)
b) Bisutun, Monument Dareios’ I. (Umzeichnung)

Unter den elamischen Zeugnissen aus achaimenidischer Zeit ragen neben den diesbezüglichen Versionen der Königsinschriften die im ‹Brand von Persepolis› (s.S. 22) gebrannten Tontafeln heraus, nach ihrem Fundort in «Schatzhaustäfelchen» (Persepolis Treasury Tablets [PTT]) und «Walltäfelchen» (Persepolis Fortification Tablets [PFT]) zu scheiden. Registrieren Erstere, in die Jahre 492–​458 v. Chr. datierbar, in erster Linie die Ausgabe von Silber und Naturalien an die in Persepolis beschäftigten Arbeiter, so sind Letztere aus den Jahren 509–​494 v. Chr., von denen bislang nur ein Bruchteil publiziert wurde, ihrem Charakter nach Buchungen über den Ein- und Ausgang von Lebensmitteln sowie Klein- und Großvieh, die etwa als Rationen, Naturallöhne oder Reiseproviant an Arbeiter, Kultpersonal oder persische Aristokraten beiderlei Geschlechts ausgegeben wurden. Diese auf den ersten Blick relativ unscheinbaren und gleichförmigen Texte erhalten dadurch ihre historische Bedeutung, dass, wie gesagt, zum einen bedeutsame männliche und weibliche Persönlichkeiten und Kollektive ethnisch geschiedener Arbeitskräfte in ihnen agieren, zum anderen ein System regionaler Verwaltungs- und Wirtschaftspraxis und manch demographisches, siedlungsgeographisches, infrastrukturelles und ernährungsphysiologisches Detail in ihnen aufscheint. Offenbar hat man sich bei allem, zumindest bis in die Zeit Artaxerxes’ I., der elamischen Sprache bedient und von der fachlichen Kompetenz von Elamern profitiert; von den danach vermutlich benutzten vergänglichen, aramäisch beschriebenen Schriftträgern ist leider nichts auf uns gekommen.

Unter den Keilschrifttexten in babylonischer Sprache kommt der Nabonidchronik, die aus der Sicht Kyros’ II. die Vorgeschichte und Geschichte der Eroberung Babyloniens durch die Perser schildert, und der sog. Kyroszylinderinschrift besondere Bedeutung zu. Letztere, gleichfalls im Auftrag des neuen Herren verfasst und als Bauinschrift konzipiert, stellt Kyros als Liebling und Werkzeug des babylonischen Hauptgottes Marduk vor und würdigt das Bemühen des Königs um das Wohlergehen des Landes und die Pflege der Kulte. Neben weiteren Königsinschriften, Informationen in Chroniken, ‹astronomischen...

Erscheint lt. Verlag 3.12.2021
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Reisen
Geisteswissenschaften Archäologie
Geschichte Allgemeine Geschichte Altertum / Antike
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Antike • Geschichte • Gesellschaft • Griechen • Invasion • Islam • Kultur • Orient • Perser • Persien • Überlieferung • Weltmacht • Weltreich
ISBN-10 3-406-78269-8 / 3406782698
ISBN-13 978-3-406-78269-5 / 9783406782695
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