Beschreibung einer Landschaft (eBook)

Schweizer Miniaturen

(Autor)

Siegfried Unseld (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
315 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-76436-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Beschreibung einer Landschaft -  Hermann Hesse
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Mehr als sechzig Jahre seines Lebens hat Hermann Hesse in der Schweiz verbracht. Eine Vorliebe für grenzüberschreitende Gemeinsamkeiten wie auch für lokale Prägung, also die unverwechselbaren Eigenheiten der verschiedenen Kantone, Landschaften, Sprachen und Mentalitäten, spricht aus all den nahezu fünfzig Texten dieses Bandes.



<p>Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/W&uuml;rttemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines w&uuml;rttembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.</p> <p>Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis f&uuml;r Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchh&auml;ndlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zun&auml;chst in Gaienhofen am Bodensee, sp&auml;ter im Tessin.</p> <p>Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts. </p>

Hermann Hesse und die Schweiz
von Siegfried Unseld


War Hermann Hesse, als russischer Staatsbürger im schwäbischen Calw geboren, Schweizer? Diese Frage war über Jahre hinweg ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Doch Hesse hat sie selbst eindeutig beantwortet.

Am 5. Mai 1941 schrieb Hesse das bedeutsame, Josef Knecht zugedachte Gedicht »Stufen«. Gegen Ende des Jahres war sein opus magnum, das damals noch »Der Glasperlenspielmeister« hieß, fast vollendet. Höchste Zeit also, um mit seinem Verleger Peter Suhrkamp über das Manuskript und auch das Schicksal seiner anderen Bücher zu sprechen, die in Deutschland teils nicht mehr nachgedruckt werden konnten, teils auf andere Weise daran gehindert wurden, ihre Leser zu erreichen. Ihr Absatz war seit 1933 rückläufig, die immer geringeren Honorare wurden auf schwer zugänglichen Sperrkonten festgefroren, um die Überweisung in die Schweiz zu behindern. Peter Suhrkamp beantragte die Einreise in die Schweiz, und Hermann Hesse bat von Baden aus seinen Freund Martin Bodmer, er möge bei der Fremdenpolizei in Bern Suhrkamps Einreisegesuch befürworten: »Für mich ist wie für Suhrkamp die Ermöglichung einer ausgiebigen Besprechung der Lage lebenswichtig.« Am 10. Dezember fand dieser Besuch in Baden statt. Beide wollten trotz der fast aussichtslosen Lage den Versuch unternehmen, »Das Glasperlenspiel« in Deutschland zu veröffentlichen. Doch der Versuch scheiterte am Veto der Reichschrifttumskammer; genau ein Jahr später, im November 1942, mußte Suhrkamp ebenfalls in Baden das Manuskript an Hesse zurückgeben. Die Veröffentlichung erfolgte dann im Zürcher Verlag Fretz & Wasmuth. Doch dem Versuch, »Das Glasperlenspiel« in Deutschland zu publizieren, verdanken wir einen Brief Hesses an Suhrkamp vom 17. 12. 1941, in welchem der Dichter zur Frage seiner Staatsangehörigkeit unmißverständlich Stellung nimmt.

Die Eltern seines Vaters waren beide russische Staatsbürger, nach Herkunft und Sprache deutsche Balten. Der Vater der Mutter war Württemberger, seine Frau Schweizerin, aus dem Westschweizer Kanton Neuchâtel. Sein Vater Johannes war im baltischen Weißenstein in Estland geboren. Von seinem 22. bis 26. Lebensjahr missionierte er im Auftrag der Baseler Mission in Indien. Bald darauf wurde er nach Calw versetzt, um dort Dr. Hermann Gundert, dem Missionar und Redakteur der Calwer Missionsblätter, zu assistieren. Er heiratete 1874 die Tochter seines Vorgesetzten, Marie Gundert, verwitwete Isenberg, die Mutter Hermann Hesses. Sie war 1842 in Talatscheri/Westindien geboren. Als Hesse am 2. Juli 1877 zur Welt kam, war er wie sein Vater russischer Staatsbürger. Johannes Hesse war 1881 von der Mission nach Basel berufen worden, wo er bis 1886 als Herausgeber des Missionsmagazins tätig gewesen ist und einen Lehrauftrag für Missionsgeschichte erhielt. Schweizer Urkunden hatten ihn als »aus Rußland stammend« bzw. »heimatlos« bezeichnet. Er beantragte daher die Aufnahme ins Baseler Bürgerrecht, das ihm am 15. 5. 1883 gewährt wurde. Von diesem Tag an war nun auch Hermann Hesse wie seine anderen Geschwister Schweizer Staatsbürger. Der Tradition der Familie folgend, sollte er ein württembergisches theologisches Seminar besuchen und Geistlicher werden. Eine kostenlose Ausbildung war jedoch nur Württembergern möglich, außerdem galt es, vierzehnjährig das berüchtigte Württemberger Landexamen zu bestehen. Deshalb wurde Hesse, »ohne viel gefragt zu werden«, als Württemberger naturalisiert. Die Staatsangehörigkeitsurkunde des ehemaligen Königreichs Württemberg stammt vom 16. 10. 1895. Warum sein Vater noch drei Jahre später um die Entlassung des Sohnes aus dem Baseler Bürgerrecht bat, ist unklar, denn diese Entlassung wäre nicht mehr nötig gewesen, weil Hesse nur sieben Monate »unterm Rad« im Maulbronner Seminar war. Aber er hatte nun einmal die württembergische Staatsangehörigkeit und war damit Deutscher geworden und blieb Deutscher bis 1924. Von diesen 34 Jahren lebte Hesse nur 18 Jahre lang in Deutschland. Neunzehnjährig begann er eine vierjährige Buchhändlerlehrzeit in Tübingen, um dann im September 1899 als Sortimentsgehilfe in die Reich’sche Buchhandlung in Basel einzutreten und später in der Basler Firma Wattenwyl als Antiquar zu arbeiten.

Hermann Hesses erste Staatsangehörigkeitsurkunde vom 16. 10. 1895.

Seine Baseler Adressen sind bekannt: Holbeinstraße 21 (1900), Mostackerstraße (1901), Burgfelderstraße (1902) und St. Albanvorstadt (1903). In Basel war er regelmäßig zu Gast im »Hinteren Württemberger Hof«, im Brunngäßlein 11, ein Haus, das von berühmten Gelehrten bewohnt wurde – darunter auch von dem Historiker und Staatsarchivar Dr. Rudolf Wackernagel, mit dessen Familie Hesse in enge Verbindung kam. Aus dem Jahre 1901 stammt ein poetisches Zeugnis »Brunngäßlein 11«.

In einem »Rückblick« überschriebenen Gedichtfragment aus dem Jahre 1937 faßte Hesse seine Zugehörigkeit so zusammen:

»Wie meine Eltern aus weit entfernten Gebieten

Deutscher Zunge sich fanden, er Balte, sie Schwäbin,

Beide aber, im Blute

Fremd sich, dem Geist nach Geschwister,

Beide mehr dem Reich Gottes

Als irdischer Herkunft gehörend,

So auch hat meine Kindheit, damit ich

Fremdling werde auf Erden und dennoch

Dieser Erde werbend Liebender,

Mich zwei Heimaten eingepflanzt,

Mich zweier Länder Duft und zweier

Mundarten schlichter Musik beschenkt und gebildet.

Heimat war mir Schwaben und war mir Basel am Rheine.«

Originalhandschrift des Gedichtes »Brunngäßlein 11« aus dem Manuskript »Basler Verse«, 1901, geschrieben für Dr. Rudolf Wackemagel und seine Frau Elisabeth.

In Basel lebte er nun inmitten eines Kreises von Leuten, dessen Denkart und Geschichtsauffassung noch ganz von dem drei Jahre zuvor verstorbenen Kunst- und Kulturhistoriker Jakob Burckhardt geprägt worden war; auch Hesse verdankte ihm unvergeßliche Leseerfahrungen. In einer Rezension, geschrieben zur Zeit, als »Das Glasperlenspiel« entstand und er die Jakob Burckhardt nachempfundene Gestalt des Pater Jakobus entwickelte, heißt es: »Wenn die Unabhängigkeit, die Nichtkäuflichkeit des Gewissens auch heute noch gültige Ideale für die Leistung sind, so verdankte unsere Zeit das vorbildlichen Geistern wie Burckhardt.«

Durch seinen Vater lernte Hesse Friedrich Bernoulli kennen, einen musikalisch begabten Notar aus dem berühmten Baseler Mathematikergeschlecht. Mit dessen Tochter Maria verlobte sich Hesse am 31.5. 1903 und heiratete sie am 2. 8. 1904. Die Jungvermählten zogen nach Gaienhofen am Bodensee nahe der Schweizer Grenze. Viele seiner späteren Schweizer Freunde hat Hesse am Bodensee kennengelernt, so auch Othmar Schoeck, einen der nach Hugo Wolf bedeutenden Liederkomponisten, der 23 Gedichte von Hesse vertonte. Auch Hermann Hesses Musikerroman »Gertrud« ist von ihm inspiriert.

Im September 1912 übersiedelte Hesse mit seiner Frau und den drei Söhnen nach Bern, wo er bis April 1919 das Haus des verstorbenen Malers Albert Welti bewohnte: »Außer privaten Sorgen empfand ich auch mit wachsender Stärke das politische Unbehagen in der überheblichen, protzigen Gesellschaft des wilhelminischen Deutschland.« Zu Bern dagegen hatte er instinktives Vertrauen: Bern sei für ihn »die schönste alte Stadt der Schweiz und ein Land voll Kraft und Schönheit, rassiger üppiger Baumwuchs, tiefer Boden, gutes Wasser, nahe Berge…« Und außerdem habe Bern, wie er an Ludwig Thoma schrieb, ja auch einen Bahnhof, so daß man immer mal fortreisen könne. Er war sicher, sich dort wohl zu fühlen, freilich: »Für mich selbst wird ein wenig Vagabundentum immer dazugehören.« Doch weiträumig vagabundierte er nicht. Seine berühmte Indienreise war ein Fehlschlag. Von 1901 bis 1914 reiste er zwar immer wieder in Italien, doch die anderen Reiseziele waren vorwiegend schweizerische. Er hat häufig betont, er werde in der Schweiz bleiben, denn seine Kinder seien hier aufgewachsen, zur Schule gegangen und sprächen die Berner Mundart, weshalb auch er wiederholt an seine Rückeinbürgerung gedacht habe. Er hätte sie auch längst beantragt, wenn nicht der Weltkrieg gewesen wäre. In dieser Zeit »wäre ein Verzicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit mir als unanständig erschienen«. (Hesse hatte den Krieg als politisches Mittel abgelehnt. In seinem berühmten Aufruf »O Freunde, nicht diese Töne« attackierte er schon 1914 den Chauvinismus der Kriegsbegeisterung, was ihm heftige Angriffe aus Deutschland einbrachte, so daß Theodor Heuss den angeblichen »Vaterlandsverräter« verteidigen mußte.) Von 1916 bis 1919 arbeitete er im Auftrag des Deutschen Konsulats in Bern für die Kriegsgefangenenfürsorge.

Die Betrachtungen unter dem Titel »Wanderungen« beschreiben Hesses Weg in den Süden der Schweiz. Am 11. Mai 1919 bezog...

Erscheint lt. Verlag 14.12.2020
Vorwort Siegfried Unseld
Zusatzinfo Mit sw-Abbildungen
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Europa
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte Erlebnisbericht • Mentalitäten • Schweiz • ST 1970 • ST1970 • suhrkamp taschenbuch 1970
ISBN-10 3-518-76436-5 / 3518764365
ISBN-13 978-3-518-76436-7 / 9783518764367
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