Bilder aus der Toskana (eBook)

Betrachtungen, Reisenotizen, Gedichte und Erzählungen
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
148 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-75293-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bilder aus der Toskana -  Hermann Hesse
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»Angesichts dieser Kultur und dieses Landes sinkt mein Nationalgefühl auf Null«, schrieb Hermann Hesse 1901 in einem Brief von seiner ersten Italienreise. Seitdem hat er bis 1914 dieses Land immer wieder bereist und Venedig, Florenz, die Toskana und Umbrien auf ganz untouristisch-eigenwillige Weise für sich entdeckt und erwandert. Worüber »Baedeker unverantwortlich schweigt«, finden wir in Hesses Tagebüchern, Reiseskizzen, Gedichten und Erzählungen über Florenz und die Toskana so anschaulich und poetisch geschildert, daß es ein Abenteuer ist, die Landschaften, Städte und Sehenswürdigkeiten Oberitaliens mit seinen Augen zu erleben.

»Daß mein Reisen, Sehen und Erleben unabhängig von Mode und Reisehandbüchern war, wird man leicht sehen können. Wer auf Reisen wirklich etwas erleben, wirklich froher und innerlich reicher werden will, wird sich die geheimnisvolle Wonne eines ersten Schauens und Kennenlernens nicht durch sogenannte ?praktische? Reisemethoden verderben. Wer mit offenen Augen in ein fremdes, bis dahin nur aus Büchern und Bildern gekanntes, aber seit Jahren geliebtes Land kommt, dem wird jeder Tag unerwartete Schätze und Freuden geben, und fast immer behält in der Erinnerung dieses naiv und improvisiert Erlebte die Oberhand über das planmäßig Vorbereitete.« Hermann Hesse



<p>Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/W&uuml;rttemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines w&uuml;rttembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.</p> <p>Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis f&uuml;r Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchh&auml;ndlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zun&auml;chst in Gaienhofen am Bodensee, sp&auml;ter im Tessin.</p> <p>Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts. </p>

Giovanni Boccaccio als Dichter des »Decamerone«


Der einseitigen Auffassung der italienischen Renaissance als einer »Wiedererweckung des klassischen Altertums« verdankt neben Petrarca auch Boccaccio den etwas zweifelhaften historisch-gelehrten Ruhm eines Vorbereiters dieser Wiedererweckung, da er die römischen Autoren mit großem Eifer las und sammelte und sich auch einige, übrigens meist überschätzte Verdienste um die Wiederaufnahme und Pflege der Lektüre griechischer Philosophen erwarb. Boccaccio selbst tat sich, während er sein »Dekameron« selbst nicht sonderlich hoch zu schätzen schien und es in späteren Jahren sogar am liebsten verleugnet hätte, auf seine philologisch-historischen Arbeiten nicht wenig zugute. Und die Wissenschaft hat sich bis in neuere Zeiten viel um seine meist lateinisch abgefaßten, gelehrten Werke bemüht, sein »Dekameron« aber gerne scheu umgangen.

So könnte man meinen, der Florentiner habe am Ende recht gehabt, seine zahlreichen lateinischen Schriften jenem Buche vorzuziehen, das doch in Wirklichkeit seine herrlichste Leistung und überhaupt eines der wichtigsten und wertvollsten Werke des 14. Jahrhunderts ist. Nun, glücklicherweise war das Fortbestehen und der Ruhm hervorragender Dichtungen niemals von gelehrten Urteilen abhängig und Gott sei Dank hat das Gute und Lebensfähige sich stets von selbst erhalten, während auch das eifrigste Galvanisieren toter Größen selten oder nie von Erfolg gewesen ist. Es sind denn auch die sämtlichen gelehrten Schriften sowie die Jugenddichtungen des Boccaccio seit langer Zeit fast völlig vom Plan verschwunden und gehören für uns heute zum Trödel oder bestenfalls zu den Kuriositäten, während sein köstliches Novellenbuch noch immer von Tausenden gelesen wird und noch mit aller alten Fülle, Kraft und Frische wirkt. Und wem der Name der Renaissance nicht ein gelehrtes Abstraktum ist, sondern das lebendige Bild der städtischen Kultur Italiens im 14. bis 16. Jahrhundert vor Augen stellt, der könnte in diesem Bilde wohl zur Not die genealogia Deorum und die claræ mulieres entbehren, unmöglich aber das unsterbliche Dekameron.

Über Art und Wesen des berühmten Buches viel zu sagen scheint unnötig. Jedermann kennt es wenigstens dem Namen nach und jedermann weiß, daß es innerhalb einer schlichten, aber künstlerisch wie kultur-historisch ungemein wertvollen Rahmenerzählung eine Sammlung von hundert Novellen enthält, deren Stoffe damals (um 1350) bei der Gesellschaft und im Volke in Italien besonders beliebt waren. Bekannt ist auch, daß das Buch schon seit Jahrhunderten seines freien und gelegentlich derben Tones wegen einen schlimmen Ruf genießt. Diesen üblen Leumund verdankt es jedenfalls vor allem seinen großen Erfolgen, seiner enormen Verbreitung über ganz Europa; ohne diese Neid erregende Popularität hätte es gewiß niemals jemand einfallen können, ein Werk so gründlich zu verleumden, dessen allerderbste Unanständigkeiten von zahlreichen Erzeugnissen der gleichzeitigen Literatur aller Länder (speziell Deutschlands und Frankreichs, aber auch Englands) weit überboten werden. Die vorwiegend von der Geistlichkeit ausgehende Unterdrückung und Verfolgung des »Dekameron« galt übrigens seinerzeit in erster Linie nicht der sinnlichen Derbheit und Anschaulichkeit seiner Novellen, sondern der kecken Freimütigkeit, mit welcher Boccaccio vom Leben und Charakter der Priester und Mönche seiner Zeit zu sprechen liebte. So ist es zum Beispiel amüsant, zu sehen, in welchem Sinne die zahlreichen, von geistlichen Zensoren verschlimmbesserten Ausgaben des »Dekameron« im 15. und 16. Jahrhundert redigiert wurden. Eine Novelle etwa, worin erzählt wird, wie ein Bürger oder Edelmann ein Weib verführt oder von der eigenen Frau betrogen wird, bleibt unverändert stehen; wo aber Geistliche, Fratres oder Nonnen ähnliche unfeine Streiche verüben, wird in majorem ecclesiæ gloriam – nicht etwa die Novelle unterdrückt oder der Ausdruck gemildert, sondern einfach der Priester in einen Ritter, der Frater in einen Grafen, die Nonne in ein Bürgermädchen verwandelt, und alles ist nun gut und einwandfrei.

Doch davon soll hier nicht die Rede sein. Von den unzähligen Fragen, die jedem aufmerksamen Leser des Dekameron aufsteigen müssen, sei diesmal nur die eine herausgegriffen: Inwiefern ist der Verfasser dieser berühmtesten aller Novellensammlungen selbsttätiger Dichter und Erfinder, und wie viel hat er aus seinem Leben und persönlichen Wesen in das Buch mitgegeben?

Die hundert Novellen des Dekameron dürften, rein stofflich betrachtet, wenig oder beinahe gar nichts von Giovanni Boccaccio frei Erfundenes enthalten. Sie bestehen aus Anekdoten, Fabeln, Possen, Bonmots, merkwürdigen Lebensläufen und anderen kleinen Erzählungen, die aus allen Ländern und Jahrhunderten stammend zum Besitz des Volkes, der Gesellschaft und der Höfe gehörten und vom Sammler teils nach mündlicher Tradition, teils nach älteren handschriftlichen Quellen wiedererzählt wurden. Viele von ihnen findet man in orientalischen Geschichtenbüchern, in den französischen Fabliaux und anderwärts wieder. Sobald wir jedoch nicht die Stoffe, sondern die Form ihrer Darstellung betrachten, erweist sich das Buch als eine durchaus selbständige, im höchsten Sinn persönliche Dichtung, indem der Sammler und Verfasser die buntfarbige Menge der Stoffe zu einem neuen, in Geist und Vortrag einheitlichen Werke vereinte.

Das mächtige Werkzeug, das vor allem die Verschmelzung und Neugestaltung alter Schätze möglich machte, war Boccaccios Sprache. Sein umfangreiches Werk redet von der Vorrede bis zum letzten Satz der hundertsten Novelle dieselbe lebendige, elegante, biegsame, frische Sprache, deren Zauber jeden Leser entzückt und festhält. Ob sie in großen, volltönenden Reden schwelgt, ob sie schlicht und scheinbar nachlässig erzählt oder ob sie in schalkhaft graziösen Wendungen mit sich selber spielt und Mutwillen treibt, sie ist immer von derselben sprudelnden Frische, Reinheit und Beweglichkeit, niemals lahm, niemals welk, sondern in jedem Augenblick elastisch, jugendlich und bei aller Zierlichkeit körnig und ursprünglich. An vielen Stellen läßt sich nicht verkennen, daß der Dichter ganz bewußt ein Schüler der lateinischen Klassiker, namentlich des Cicero, ist; so liebt er zum Beispiel schöngebaute, lange, wohlgegliederte und oft fast prahlerisch und kokett verschlungene Perioden. Ist aber für die Tektonik der Sätze Cicero sein Vorbild gewesen, so schöpfte er die Sprache selbst, die Worte und Bilder, unmittelbar aus der lebendigen lingua parlata der Gesellschaft, der Gassen und der Märkte. Und als Bestes kam sein eingeborenes, geniales Feingefühl dazu, das was erst einen Autor zum Dichter macht: der geheime Rhythmus, die souverän persönliche Freiheit von Konvenienz und Zopf, die Beseelung und Nuancierung der Worte, die prägnanten Neubildungen, der bei aller Mannigfaltigkeit schön und sicher in sich ruhende Stil.

Nächst der Sprache ist es die Einkleidung, welche hier einer Sammlerarbeit das Unorganische und Zufällige nahm und eine neue, einheitliche Dichtung daraus gemacht hat. Die hundert Novellen erzählt uns Boccaccio bekanntlich nicht selbst. Er läßt sie von zehn jungen Leuten aus Florenz – sieben Mädchen und drei Jünglingen – vortragen, die während der großen Pest des Jahres 1348 der aussterbenden Stadt entrannen, einige Zeit in ländlicher Geselligkeit verbringen und als liebsten Zeitvertreib das Erzählen schöner, rührender aber witziger Geschichten pflegen. Jeden Tag wird einer aus der Gesellschaft zum König erwählt, sorgt für die Unterhaltung der andern und schreibt meistens auch das allgemeine Thema für die an diesem Tage zu erzählenden Novellen vor. Schon diese Einrahmung und Gliederung des vielfältigen Stoffes ist so meisterhaft erfunden wie durchgeführt und hat sowohl als ein in Sprache und Stimmung überaus delikates und stilreines Idyll, wie auch als authentische Schilderung des Florentiner Land- und Gesellschaftslebens im Trecento ihre selbständige und hervorragende Bedeutung. Weiterhin aber gewinnt jede einzelne Novelle dadurch sehr an Farbe und Reiz, daß sie von einer bestimmten Person und in einem bestimmten Zusammenhang vorgetragen wird. Zwischenreden, in denen die Gesellschaft sich etwa über die zuletzt erzählte Geschichte unterhält, Neckereien, Witzworte und Lieder unterbrechen den Reigen der Erzählungen belebend und anmutig, ohne doch je zu überwuchern und zu stören.

So erweist sich im Detail der Rahmenerzählung sowohl wie in der Gesamtkomposition das Dekameron als das Meisterwerk eines genialen Dichters, mag auch die Menge seiner Stoffe aus allen Winden zusammengeweht sein. Nun liegt es nahe, sich dafür zu interessieren, ob der Dichter – nächst Auffassung, Einteilung und Sprache – auch im einzelnen Spuren seiner Persönlichkeit, seines Lebens und seiner Stimmungen im Dekameron hinterlassen habe.

Ob die ganze...

Erscheint lt. Verlag 27.9.2020
Mitarbeit Ausgewählt von: Volker Michels
Nachwort Volker Michels
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Europa
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte 20. Jahrhundert • Betrachtungen • Deutschland • Erzählungen • Florenz • Gedichte • Hermann Hesse • insel taschenbuch 3195 • IT 3195 • IT3195 • Klassiker • Reise • Reiseliteratur • Reisenotizen • Toskana • Umbrien • Venedig
ISBN-10 3-458-75293-5 / 3458752935
ISBN-13 978-3-458-75293-6 / 9783458752936
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