Über Grenzen (eBook)

Freiheit kennt kein Alter
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
288 Seiten
DuMont Reiseverlag
978-3-616-49115-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Über Grenzen -  Margot Flügel-Anhalt,  Titus Arnu
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Das E-Book basiert auf: 1. Auflage 2019, Dumont Reiseverlag

Solotour statt Kaffeefahrt. Mit 64 Jahren steigt Margot Flügel-Anhalt zum ersten Mal in ihrem Leben auf ein Motorrad und wagt das ganz große Abenteuer: Von ihrem kleinen Dorf in Nordhessen aus bricht sie auf zum Ziel ihrer Träume: dem Pamir Highway in Zentralasien. 117 Tage und 18.046 Kilometer lang ist sie unterwegs, durch 18 Länder - mit 11 Pferdestärken. Technische Pannen, schwere Stürze, totale Erschöpfung - mit den Herausforderungen wächst auch die Hilfsbereitschaft der fremden Menschen am Wegesrand, die ihre Reise am Ende so unvergesslich machen.

Tipp: Setzen Sie Ihre persönlichen Lesezeichen an den interessanten Stellen und machen Sie sich Notizen... und durchsuchen Sie das E-Book mit der praktischen Volltextsuche!



<p><strong>Margot Flügel-Anhalt,</strong> 1953 in Tuttlingen an der Donau geboren, ist Diplom-Sozialpädagogin und Theaterpädagogin. Ehrenamtlich inszeniert sie Stücke für das "Junge Theater" in Eschwege. Körperlich fit hält sich Margot Flügel-Anhalt mit der Kampfkunst WingTsun, geistig fit mit Russisch, das sie an der Volkshochschule lernt. Für ihre Mammutreise auf einer 125er-Enduro durch Osteuropa und Zentralasien reichte ihr "alter Lappen", der frühere graue Führerschein. Margot Flügel-Anhalt hat zwei Söhne und ein Enkelkind - und inzwischen auch einen Motorradführerschein.</p><p><strong>Titus Arnu (Co-Autor),</strong> Jahrgang 1966, schreibt für die "Süddeutsche Zeitung", "Geo", "Natur" und verschiedene Outdoor- und Reisemagazine. Zuvor arbeitete er u. a. für das Magazin "SZ Wissen", den "Spiegel" und "Mare". Er hat mehrere Bücher verfasst, zuletzt »Tsum - eine Himalaya-Expedition in das Tal des Glücks«.</p>

Die dritte Panne

Die zweite Panne

Die erste Panne

Der Tag der Abreise

Die Vorbereitungen

Deutschland

DEUTSCHLAND

April 2018 // Thurnhosbach

Was treibt mich dazu, ausgerechnet nach Tadschikistan aufzubrechen? Neugier? Leichtsinn? Langeweile? Diese Abenteuerlust, dieses drängende Fernweh scheint mir angeboren zu sein. Ich bin schon immer gerne aufgebrochen. Die Sehnsucht nach der unbekannten Ferne überkommt mich plötzlich, unerwartet. Ein Geruch kann sie auslösen, das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos, das Bellen eines Hundes in der Nacht. Wenn ich die Augen schließe und überlege, wann ich zum ersten Mal dieses Fernweh gespürt habe, denke ich zurück an meine Kindheit – und erinnere mich daran, wie wir mal losgefahren sind zu einem Ausflug an den Bodensee. Ich fühlte mich, als würde ich zu einer Expedition rund um die Welt aufbrechen.

Es war ein Sonntagvormittag mitten im Sommer. Der Freund meiner Mutter hatte uns eingeladen, mit seinem Mercedes an den Bodensee zu fahren, eine halbe Stunde entfernt von Tuttlingen, wo ich aufgewachsen bin. Diese Aufregung! Meine Mutter packte Essen, Trinken und eine große Decke für uns ein, wir Kinder klemmten uns auf die Rückbank, meine Mutter saß auf dem Beifahrersitz. Wir fuhren los. Es war einer dieser unbestimmten, grenzenlosen Vormittage, an denen ein leichter Dunst über den Wiesen und Wäldern liegt, eine heimliche Ahnung von Abenteuer in der schon warmen, würzigen Luft. Ich sog die Eindrücke ein und dachte an Weltreisen, fremde Kontinente, wilde Abenteuer. Mir war ein bisschen übel auf der Rückbank des Benz, aber das zählte nicht. Wir waren unterwegs.

Das Umherschweifen, Vagabundieren ist mir geblieben, weit über die Tage der Kindheit hinaus, die ich auf den Wiesen, Feldern und in den tiefen Wäldern am Rande der Schwäbischen Alb und an der Donau verbracht habe. Im Augenblick des Losgehens bin ich eine andere. Kann mich jeden Augenblick neu erfinden. Im Alltag zu Hause ziehe ich mich gerne in mein Inneres zurück, aber sobald ich in der Fremde bin, gehe ich völlig entspannt und offen auf Menschen zu. Zu riechen, zu hören, zu schmecken, zu fühlen und zu sehen, wie Menschen woanders leben, die Bedingungen kennenzulernen, unter denen sie ihr Leben gestalten, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, zuzuhören, zu lachen, auch miteinander zu schweigen, das treibt mich an. Bergketten im Dunst am Horizont, der weite Blick über ein Meer, eine Landstraße, die im Wald verschwindet … eine ungeahnte Leichtigkeit, ein unbestimmtes Glücksgefühl überkommt mich bei solchen Anblicken.

Ich habe 17 Jahre lang in Berlin gelebt, obwohl ich eigentlich ein Landmensch bin. 1993 bin ich mit meiner Familie nach Nordhessen gezogen, meine erwachsenen Söhne Philip und Imo kommen mich immer gerne dort besuchen. Jeden Morgen laufe ich barfuß durch die taubedeckte Wiese den Berg hinter meinem Haus hoch. Ich füttere die Katzen des halben Dorfes, von meiner Terrasse aus kann ich den Rehen am Waldrand beim Äsen zuschauen. Freiwillig werde ich nie mehr in eine Großstadt ziehen. Große Menschenansammlungen, Verkehr und Lärm ertrage ich inzwischen nur noch schwer.

58 Einwohner, Felder, Hügel, Wald, Windräder, Fachwerkhäuser, Bauernhöfe, eine kleine Kirche – Thurnhosbach wirkt beschaulich, und das Leben in diesem stillen Winkel Nordhessens, im ehemaligen Zonenrandgebiet an der Grenze zu Thüringen, ist tatsächlich sehr angenehm. Ich fühle mich wohl hier, ich mag die Menschen hier, bin verwurzelt in meinem Leben, habe viele ehrenamtliche Aufgaben übernommen, treibe Sport, bin Mitglied in verschiedenen Vereinen und seit einigen Jahren auch Ortsvorsteherin unseres Dorfes. Trotzdem zieht es mich immer wieder weg. Besonders jetzt, am Ende meiner Berufslaufbahn.

Schon als Kind bin ich immer gerne aufgebrochen, bin alleine durch den Wald und über Wiesen gelaufen. Als Jugendliche bin ich mit dem Fahrrad durch die Schweiz gefahren. Ich glaube, das ist für mich eine Grundhaltung im Leben. Ich will über den nächsten Berg gehen, um zu sehen, was dort passiert. Seit 2008 bin ich immer wieder auf Fernwanderwegen in Europa unterwegs gewesen – auf dem Jakobsweg nach Spanien, über die Alpen, auf dem E3 in Richtung Istanbul. Immer in Etappen, denn während meiner Berufstätigkeit im Rathaus in Eschwege konnte ich immer nur drei bis maximal sechs Wochen am Stück Urlaub nehmen.

Ich habe als Sozialpädagogin im öffentlichen Dienst gearbeitet, habe meinen Job geliebt, aber kurz vor meiner Pensionierung wurde mein Freiheitsbedürfnis immer stärker. Ich wollte endlich mal lange unterwegs sein, ohne nach kurzer Zeit wieder an den Schreibtisch zurückkehren zu müssen. Deshalb habe ich mich entschieden, Altersteilzeit zu beantragen, früher auszuscheiden aus dem öffentlichen Dienst – zugunsten meiner Freiheit. Ich will nicht stricken und backen, ich will Abenteuer erleben. Schließlich bin ich erst 64, und Freiheit kennt kein Alter.

An meinen letzten Arbeitstag erinnere ich mich nicht besonders gerne. Ich bin nicht so der Typ für großartige Abschiedspartys. Also gingen Bürgermeister, Vorgesetzter und Kolleginnen und Kollegen bald nach der offiziellen Verabschiedung nach Hause. Dann saß ich noch lange mit den Putzfrauen zusammen und fing endlich an, mich wohlzufühlen. Als kommunale Frauenbeauftragte hatte ich immer wieder mit ihren Beschwerden und Problemen zu tun gehabt. Wir kannten uns. So wurde es doch noch ein friedlicher Nachmittag.

Doch die Schwerfälligkeit einer alten Bürokratie, die Langatmigkeit von Prozessen war in all den Jahren so erdrückend und belastend für mich geworden, dass ich keinen Tag länger mehr dort sein wollte.

Als ich den Rathausschlüssel in den Briefkasten warf, war mein 24 Jahre währender Dienst zu Ende. Ich war platt. Fertig. Wochenlang wie gelähmt. Erst als ich mich zwang, die Vorbereitungen für die geplante Reise aufzunehmen, erholte ich mich von den anstrengenden letzten Wochen im Amt.

Im Basislager, so bezeichne ich mein Haus und den großen Garten im Nordhessischen Bergland, bereite ich mich nun auf die Reise vor. Auf dem großen runden Tisch im Wohnzimmer liegen alle Dinge, die ich mitnehmen möchte. Ich gehe alles durch, was noch erledigt werden muss.

Die tägliche Post, die in meinem Briefkasten landet, die Termine, die ich als rechtliche Betreuerin noch immer wahrnehme trotz „Altersteilzeitfreizeitphase“ (ja, so steht’s im Gesetz), die Ehrenämter … all das werde ich nicht vermissen.

Im Garten wachsen überwiegend Kräuter, die nehmen mir die lange Zeit der Abwesenheit nicht übel. Die Himbeeren werde ich in diesem Jahr nicht reifen sehen und ernten können. Hier noch den Weg zum Gießen für die liebe Nachbarin freischneiden. Dort noch üppig wuchernde Stauden zusammenbinden. Mehr ist nicht zu tun. Die Dorfkatzen, die täglich bei mir vorbeikommen, um sich eine Ration Futter für den Tag abzuholen, werde ich sehr vermissen. Mein weißes, frisch bezogenes Bett im stillen Schlafzimmer wird mir fehlen. Und das saubere Wasser, das ich direkt aus dem Wasserhahn trinken kann. Ich kenne die Quelle, aus der wir unser Wasser beziehen. Sie liegt direkt hinterm Dorf am Berghang.

Das Aufbrechen ist für mich leichter möglich, weil ich alleine lebe. Ich war zweimal verheiratet. Habe meine große Liebe getroffen. Mein erster Ehemann ist einige Jahre nach unserer Scheidung an der Krankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) gestorben, einer nicht heilbaren, degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems. Meine große Liebe starb an Herzkammerflimmern. Nach dem plötzlichen Tod trauerte ich. Jahr um Jahr. Ich begann, auf dem Jakobsweg zu pilgern. Von Eisenach nach Santiago de Compostela. In mehreren Etappen, da ich noch tief im Berufsleben steckte. Manchmal habe ich den Weg vor meinen Füßen nicht gesehen vor Tränen. Unterwegs konnte ich meinen Gefühlen ungehinderten Lauf lassen. Einmal, als ich wieder durch ein Jammertal wanderte, hörte ich eine Stimme. „Was weinst du nur so furchtbar?“, säuselte es schräg über mir in den Baumkronen. „Du gehst nicht allein.“ War das der Wind, den ich gehört hatte? War ich bereits so dehydriert, dass ich Wahnvorstellungen hatte? Dann plötzlich konnte ich fühlen, was die Stimme mir gesagt hatte. Ich bin nicht allein. Ich bin aufgehoben. Von diesem Augenblick an wurde meine Trauer erträglich. Die Tränen versiegten nach und nach.

Im Sommer 2017 wollte ich dann mit einem Muli nach Osten ziehen. Die Idee zu dieser Wanderung war mir bei einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn in die Mongolei gekommen. Ich stellte mir vor, wie ich mit einem beladenen Maultier durch die sibirische Steppe ziehen würde. Doch woher sollte ich so ein Lasttier nehmen? Ich erkundigte mich bei der Bundeswehr, Abteilung Tragtierwesen. An das kuriose Telefonat erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen:

„Sie wollen was?“

„Ich möchte bitte jemanden sprechen, der für pensionierte Mulis zuständig ist.“

„Pensionierte Mulis? Sie sind hier bei der Bundeswehr in Bad Reichenhall gelandet, bei den Gebirgsjägern.“

„Genau. Sie haben doch Mulis? Maultiere. Sie wissen schon.“

„Moment, dafür bin ich nicht zuständig. Ich verbinde Sie mit der Abteilung Tragtierwesen.“

Ein Knacken in der Leitung. Es hört sich an, als würde ein Muli Haselnüsse zertreten.

„Mulis im Ruhestand? Dazu darf ich nichts...

Erscheint lt. Verlag 12.9.2019
Reihe/Serie DuMont Welt - Menschen - Reisen E-Book
Verlagsort Ostfildern
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte
Schlagworte Abendteuer Reisen • altwerden kein thema • Balkanroute • Das Abendteuer unterwegs zu sein • Frau allein unterwegs • Himalaya • Honda Motoreas 125 ccm enduro • Margot Flügel-Anhalt • Pamir Gebirge • Titus Arnu
ISBN-10 3-616-49115-0 / 3616491150
ISBN-13 978-3-616-49115-8 / 9783616491158
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