Aufruhr im Allgäu -  Stefan Fischer

Aufruhr im Allgäu (eBook)

Kleine Geschichte des Bauernkriegs 1525
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
144 Seiten
Verlag Friedrich Pustet
978-3-7917-6261-6 (ISBN)
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Vor 500 Jahren stand das ganze Allgäu im Aufruhr: Die Bauern, später dann alle 'kleinen Leute', rebellierten von Weihnachten 1524 an gegen Obrigkeit und Leibeigenschaft, die damals von den Allgäuer Klöstern exzessiv gehandhabt wurde. Hinzu kamen unnachsichtig eingetriebene, ständig steigende Abgaben und andere wirtschaftliche Belastungen. Die Allgäuer Bauern schlossen sich zusammen und formulierten im März 1525 die bekannten 12 Artikel - eine der ersten niedergeschriebenen Forderungen nach Menschen- und Freiheitsrechten in Europa - sowie die Bundesordnung ihrer 'Christlichen Vereinigung'. Damit legten sie eine wichtige geistige Basis für die moderne europäische Verfassungsentwicklung. Zwar unterlagen die Bauern letzten Endes blutig ihrer Obrigkeit, doch brachte diese Niederlage zugleich die Anfänge einer politischen Mitwirkung des 'gemeinen Mannes', wenngleich die Leibeigenschaft erst 300 Jahre später endgültig abgeschafft wurde.

Stefan Fischer, Dr. phil., geb. 1953, 1987-2018 Stadtarchivar (Kulturreferent) von Kaufbeuren, ist Autor zahlreicher Publikationen zur Allgäuer, bayerischen und böhmischen Geschichte

Stefan Fischer, Dr. phil., geb. 1953, 1987–2018 Stadtarchivar (Kulturreferent) von Kaufbeuren, ist Autor zahlreicher Publikationen zur Allgäuer, bayerischen und böhmischen Geschichte

Die Allgäuer Herrschaften zur Zeit des Bauernkriegs


Gemäß der deutschen historischen Tradition des »Fleckenteppichs« untergliederte sich auch das Allgäu um 1500 in zahlreiche größere, kleinere und noch kleinere Herrschaften, wobei die geistlichen Herrschaften überwogen.

So waren das Stift Kempten und das Hochstift Augsburg die Herrschaften mit den größten Territorien, gefolgt von den Klöstern Ottobeuren und Irsee. Unter die weltlichen Reichsstände zählten die Reichsstädte Memmingen, Kaufbeuren und Kempten, deren Territorialmacht jedoch weit hinter den geistlichen Reichsständen zurückblieb. Im Südwesten schloss sich von Immenstadt an die Grafschaft Königsegg-Rothenfels westlich der Iller bis ins Vorarlbergische an.

Die geistlichen Staaten

Breit hingelagert westlich und östlich der Iller, von Martinszell im Süden bis nach Grönenbach und Ronsberg im Norden, von Frauenzell im Westen bis nach Kemnat bei Kaufbeuren im Osten verfügte das Stift Kempten über die wohl bevölkerungsreichsten Gebiete im damaligen Allgäu. Zur Zeit des Bauernkriegs waren allerdings die Pflegen Tingau, Grönenbach, Kemnat und das Gebiet Ronsberg noch nicht zum Stift gehörig, wohl aber Obergünzburg mit der Burg Liebentann. Die Grenze zum Hochstift Augsburg wurde eigentlich erst im 18. Jh. endgültig festgelegt. So gliederte sich um 1520 das Kemptner Stiftsgebiet in die Pflegen (=Verwaltungsbezirke) Landvogtei oder Pflegamt diesseits der Iller, in die Pflegen Hohentann, Sulzberg, in welcher der Ort Leubas liegt, Falken und seit 1447 in die Pflege Liebentann mit Sitz in Obergünzburg.

Das Hochstift Augsburg war mit seinen Pflegen (Landämter) Buchloe, Füssen, Marktoberdorf und Sonthofen-Rettenberg im Allgäu vertreten. Kurz vor dem Bauernkrieg waren noch die Besitzungen Jengen (1454) und die Vogtei Denklingen (1510) an das hochstiftische Vogtamt Buchloe gekommen. Das Gebiet umfasste damals etwas vereinfacht gesehen den Bereich der heutigen Landkreise Ostallgäu und den Südteil des Landkreises Oberallgäu.

Waren die beiden großen Territorialherren des Allgäus selbstverständlich reichsständisch, so war dies bei den beiden anderen größeren Klöstern zur Zeit des Bauernkriegs noch nicht der Fall. Wiewohl die Rolle des Klosters Ottobeuren schon zu dieser Zeit für das monastische, kulturelle und religiöse Leben in seiner Region nicht unterschätzt werden kann, hat sich seine Position als Reichsstand nicht adäquat zu seinen Nachbarklöstern entwickelt: Zwar wird es nach dem Untergang der Staufer 1268 den Reichsfürsten gleichgestellt, doch kommt nach einigen erbtechnischen Umwegen die Vogtei über das Kloster 1356 an den Bischof von Augsburg, der sie dann letzten Endes bis 1710 ausübte, wenngleich Ottobeuren seit 1626 wieder direkt dem Kaiser unterstellt war. Auch die Blutgerichtsbarkeit wurde ab dieser Zeit wieder unumschränkt vom Abt ausgeübt.

Bis zum Erlöschen der Ronsberger 1212 erfreute sich das Kloster Irsee weiterer Zuwendungen, auch die Nachfolger der Ronsberger verfolgten diese Politik, und das Kloster, das der Hl. Maria geweiht war, begann nach und nach um die Ortschaft Irsee herum seinen Besitz und seine Herrschaft zu arrondieren. Ab 1195 wurde die damals geweihte Kapelle zu einer bevorzugten Grablege des regionalen Adels. Noch war das Kloster nicht reichsunmittelbar, die Vogteirechte übten ursprünglich die Ronsberger aus und nach ihrem Erlöschen wurde die Vogtei sozusagen von den Ramschwagern, den Grafen von Montfort und dem Erzhaus Österreich an die Benzenauer weitergereicht, die sie dann 1551 an das Stift Kempten verkauften, sodass schließlich ein geistlicher Stand die weltliche Vogtei über einen anderen geistlichen Stand ausübte. Erst 1692 konnte das Kloster Irsee dann endgültig die Reichsunmittelbarkeit erlangen.

Das Kloster Füssen galt immer als bischöfliches Eigenkloster und Bischof Udalschalk nahm es 1194 unter seinen besonderen Schutz, wobei er dem Kloster die freie Abtwahl gewährte unter der Bedingung, der Erwählte bäte vor seiner Installierung um die bischöfliche Bestätigung. Die Vogteirechte über das Kloster übten ab dem 12. Jh. zunächst die Welfen, nach 1191 die Staufer aus, bis sie nach dem Interregnum letztendlich an den Augsburger Bischof gelangten. Die weltlichen Zuwendungen an das Kloster hielten auch im Spätmittelalter an, wie eine reiche entsprechende Urkundenüberlieferung bezeugt. Dadurch wurde sein Grundbesitz erheblich gemehrt.

Von den Reichsstädten waren Memmingen, Kaufbeuren, Isny und Wangen zur Zeit des Bauenkriegs in ihrer Reichsstandschaft unangefochten und respektiert; Kempten sicherte sich erst mitten im Bauernkrieg endgültig seine Reichsunmittelbarkeit.

Die Reichsstädte

Der Untergang der Staufer 1268 machte die Stadt Memmingen zu einer eigenen Rechtspersönlichkeit im Reich, eine Stellung, die ihr auch vom Habsburgerkönig Rudolf I. bei der Verleihung der Stadtrechte 1286 nach Überlinger Recht bestätigt wurde: Memmingen wurde seitdem als freie Reichsstadt angesehen. In den Jahrhunderten bis zur Reformation verwandte die immer wohlhabender werdende Stadt ihre Mittel auch dazu, das eigene reichsstädtische Territorium mit einem Umfang von zwölf Dörfern zu arrondieren; weiterhin bestand natürlich auch Einfluss auf das Umland durch die dortigen Besitzungen von Stadtbürgern. Um 1500 erstreckten sich die Memminger Handelsbeziehungen, die auch in Zusammenarbeit mit anderen oberschwäbischen Reichsstädten ausgeübt wurden, von den Niederlanden bis nach Ostmitteleuropa, von Italien bis nach Wien. Diese Wohlhabenheit zeigte sich auch im spätmittelalterlichen Kirchenbau der Stadt (Erweiterung von St. Martin, Umgestaltung der Frauenkirche) und im Wirken der Künstlerfamilie Strigel. Bereits um 1480 wird von einer Buchdruckerei in Memmingen berichtet.

Die Stadt Kaufbeuren, ähnlich Memmingen von König Rudolf I. Ende des 13. Jhs. in ihrer Reichsunmittelbarkeit bestätigt und bekräftigt, stellte nun am Ende des 15. Jhs. eine gewisse politische Macht dar, was sich nicht nur in den zahlreichen Besuchen Kaiser Max I. widerspiegelte. Es gelang ihr das reichsstädtische Territorium zu arrondieren, und 1488 war sie Gründungsmitglied des Schwäbischen Bundes. Zu Beginn der Reformation zählte Kaufbeuren ca. 2500 Einwohner, die Klöster Irsee (1446) und Steingaden (1425) hatten ihre Güter und Besitzungen unter Kaufbeurer Recht gestellt.

Ab 1521 ist wohl reformatorisches Gedankengut in der Stadt virulent, 1524 gab es die ersten Manifestationen der neuen Konfession, und das Kaufbeurer Religionsgespräch 1525 brachte zunächst den Durchbruch des neuen Glaubens, doch wurde diese Entwicklung durch den Bauernkrieg noch im gleichen Jahr unterbrochen.

Isny erhielt 1171 das Marktrecht unter Graf Wolfrad von Veringen, 1238 wurden die Einwohner cives (Bürger) genannt. Im städtefreundlichen Klima der Staufer geschah der Ausbau vom Markt zur Stadt, doch erst 1281 erhielt Isny von König Rudolf I. die Lindauer Stadtrechte. Die Stadt war damals schon von einem Mauerring mit Wall und Graben, den signifikanten Zeichen einer Stadt, umgeben. Wie ein klösterliches Zinsregister von 1250 ausweist, waren 70 Bürger der Stadt dem Kloster zinspflichtig, doch konnten sich die Bürger 1290 in einem umfangreichen Vertrag von der Bevormundung des Klosters befreien. Die Grafen von Veringen verkauften 1306 Stadt und Vogtrechte über das Kloster endgültig an Truchsess Hans von Waldburg. In den nächsten Jahrzehnten prosperierte Isny, abgesehen von der Pest von 1349/50 und 1365 nutzten sie die Geldnot der Truchsessen aus und kauften sich von der Herrschaft für 9000 Pfd. Heller frei und unterstellten sich direkt dem Reich, ein Vorgang, der in der Geschichte des westlichen Allgäus nicht seinesgleichen hat. Kaiser Karl IV. nahm die Stadt dementsprechend huldvoll in den Kreis der Reichsstädte auf. 1429 wurde Isny dann auch die Blutgerichtsbarkeit verliehen, 1507 erhielt es das Münzrecht. Der Bauernkrieg tangierte Isny nicht oder nur wenig in seiner Eigenschaft als Mitglied des Schwäbischen Bundes. Aber der Reformation öffnete sich die Reichsstadt bereits 1525, auf dem Reichstag von Speyer 1529 stand Isny bereits in den Reihen der protestierenden evangelischen Stände; das Kloster jedoch blieb beim alten Glauben.

Unter König Rudolf I. stand Wangen unter dem königlichen Schutz, und der erste Habsburger auf dem Königsthron erhob die Stadt 1286 zur Reichsstadt und verlieh ihr das Überlinger Stadtrecht. In der folgenden wirtschaftlichen Blütezeit gelang es Wangen, außerhalb der Stadt beachtliches Landgebiet für das reichsstädtische Territorium zu erwerben. 1349 schloss es sich dem Schwäbischen Städtebund an, trat 1362 dem Bund der Seestädte (Seebund) am Bodensee bei und wurde 1488 von Kaiser Friedrich III. gezwungen, Teil des neugegründeten Schwäbischen Bundes zu werden. Die Reformation erfasste Wangen nicht, die Stadt blieb bei der katholischen Konfession. Wangen wurde 1802 bayerisch; der bayerische Staat übernahm auch die damalige städtische Schuldenlast von 700000 fl. Erst 1810 wurde Wangen dann dem Königreich Württemberg zugegliedert.

1289 wurde die kaiserliche Herrschaft über die Bürgerstadt Kempten bestätigt, doch sahen sich die Kemptner Bürger immer wieder den Bestrebungen des Klosters ausgesetzt, über den Erwerb des kaiserlichen Vogteirechtes die Herrschaft über die Stadt zu gewinnen. Zwar erhielten sie 1340 das Stadtrecht von Ulm, erkannte ihnen Kaiser Karl IV. 1361 ihre Reichsunmittelbarkeit erneut an, beglaubigte ihnen das Stift Kempten 1379 die innerstädtische Rechtsentwicklung und gelangten die Bürger in den Besitz der Burghalde, doch...

Erscheint lt. Verlag 2.9.2024
Reihe/Serie Bayerische Geschichte
Zusatzinfo 35 z.T. farbige Abb.
Verlagsort Regensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Naturwissenschaften Geowissenschaften Geografie / Kartografie
Schlagworte Allgäu • Bauernkrieg • Christliche Vereinigung • Klöster • Rebellion
ISBN-10 3-7917-6261-3 / 3791762613
ISBN-13 978-3-7917-6261-6 / 9783791762616
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