Das Gegenteil von Erfolg -  Eleanor Elliott Thomas

Das Gegenteil von Erfolg (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
288 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-7558-1011-7 (ISBN)
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Lorrie Hope hat zwei entzückende kleine Kinder, einen liebevollen Partner und einen Bürojob bei der Stadtverwaltung. Und oft absolut keine Ahnung, wie sie das alles unter einen Hut kriegen soll. Das Hamsterrad dreht sich unterdessen immer weiter: An diesem Freitag läuft ihr großes Projekt »Green Cities« an, eine Initiative für mehr Grünflächen in der Stadt, und sie hat eine Beförderung in Aussicht. Glaubt sie zumindest. Derweil bandelt ihre beste Freundin Alex mit der Frau von Lorries Ex an - der entscheidend am Sponsoring von »Green Cities« beteiligt ist. Das Chaos ist vorprogrammiert. Während der Tag langsam, aber sicher auf eine Vollkatastrophe zusteuert, versuchen Lorrie und Alex herauszufinden, was sie vom Leben, von der Liebe und dem mittleren Management zu erwarten haben. >Das Gegenteil von Erfolg< ist ein nicht nur irre komischer, sondern auch ein extrem frischer, cooler und schlauer Roman am Puls der Zeit über Arbeit, Mutterschaft, Freundschaft, Kapitalismus und den Mut zu scheitern. »Dieser Roman ist total lebendig und strotzt vor Freude, Humor, Intelligenz und schlechtem Benehmen. Ich liebe ihn.« SOPHIE CUNNINGHAM

ELEANOR ELLIOTT THOMAS arbeitete viele Jahre als Anwältin, bevor sie sich ganz dem Schreiben zuwandte. Sie lebt mit ihrem Partner und zwei Kindern in Melbourne. >Das Gegenteil von Erfolg< ist ihr Debütroman.

TEIL 2

Alex

An den meisten Tagen wachte Alex um sechs Uhr morgens auf, und obwohl sie höchstens ein paar Stunden geschlafen hatte, war das heute nicht anders. Sie hatte Schlafstörungen, was nichts Ungewöhnliches war: Schlaf war immer das Erste, was flöten ging, wenn in ihrem Leben etwas schieflief. Sie war um kurz nach elf ins Bett gegangen, aber es hatte lange gedauert, bis sich das hochfrequente Rauschen in ihrem Hirn so weit gelegt hatte, dass sie einnickte. Selbst dann war ihr Schlaf unruhig und von langen Wachphasen unterbrochen gewesen, in denen sie sich dabei ertappte, wie sie im Geiste sämtliche Probleme durchging, die sie tagsüber nicht hatte lösen können, und eins nach dem anderen hervorzog, um sie in den dämmerigen Stunden zwischen ein und vier Uhr morgens genauestens unter die Lupe zu nehmen, als könnte sie in der Dunkelheit besser sehen als im Licht.

Bis vor zwei Wochen war es ihr noch gut gegangen. Sie hatte gegessen, Sport getrieben und – laut ihrer Armbanduhr, die ihre Körperdaten analysierte und auswertete, als wäre sie eine Hochleistungssportlerin, für die diese Informationen wichtig waren – sogar anständig geschlafen, manchmal über sechs Stunden pro Nacht. Aber das war zwei Wochen her. Jetzt konnte sie sich nicht einmal dazu durchringen, die App zu öffnen. Sie hatte kein Bedürfnis, die deprimierende digitale Aufzeichnung ihrer mangelnden Nachtruhe zu sehen und des körperlichen Spitzenzustands, in dem sie sich nicht mehr befand.

Stattdessen öffnete sie ihren Messenger – nichts Neues, bis auf eine Nachricht von ihrem Vater mit einer Liste von Lebensmitteln, die sie ihm besorgen sollte. (Tomaten der Sorte Black Russian? Einen ganzen Red Snapper? Eine Yuzu? Wo sollte sie das alles herkriegen?) Er hatte die Nachricht um 4.41 Uhr abgeschickt und ihr damit wieder einmal bestätigt, dass seine Gene an ihrer verflixten Schlaflosigkeit schuld waren.

Alle anderen, von ihrem Vater abgesehen, ignorierten sie anscheinend. Sogar Lorrie, die inzwischen wissen müsste, wie sehr es Alex stresste, wenn man ihr nicht antwortete, sogar Lorrie hatte ihr immer noch nicht wegen der Green-Cities-Sache Bescheid gesagt. Bestimmt hatte sie es vergessen. Alex schickte ihr eine Erinnerung, legte das Handy weg, legte sich zurück aufs Bett und starrte an die Decke, die genau über der Stelle, wo sie schlief, leicht durchhing. Scheiße. Würde sie in der Nacht über ihr einstürzen und sie unter einem Haufen Gipskartonplatten, Rattenscheiße und modriger Isolierung begraben? Sie war sich relativ sicher, dass das nicht gemeint war, wenn man davon sprach, friedlich im Schlaf zu sterben.

Sie spürte einen vertrauten Schmerz in den Beinen, der ihr sagte, dass sie noch etwas schlafen sollte, aber die ebenso vertraute Kakofonie in ihrem Kopf bestätigte ihr, dass sie es gar nicht erst zu versuchen brauchte. Die Sonne fiel schwach durch die Jalousien, und schon jetzt war sie überfordert von den ganzen Sachen, die sie tagsüber zu erledigen hatte – die ganzen Sachen, die sie gestern nicht geschafft hatte und vorgestern nicht und auch nicht am Tag davor. Sollte heute der Tag sein, an dem sie ihre Fähigkeit zurückerlangen würde, sich um einfache Aufgaben zu kümmern? Den Eindruck hatte sie nicht. Aber sie konnte nicht alles ewig aufschieben.

Ramone winselte leise am Fußende des Betts. Wahrscheinlich musste er raus zum Pinkeln. Er war in die Jahre gekommen, der arme alte Kerl. Seine Blase war nicht mehr das, was sie mal war.

»Morgen, Süßer«, sagte sie, ließ die Hand über die Bettkante baumeln und wartete darauf, dass er sich hochrappelte. Die Pfoten klackerten auf den Dielen, als er um die Ecke kam und seine Schnauze in ihre Handfläche drückte. »Ja, mein Lieber. Ich steh ja schon auf.«

Sie wickelte sich in einen Kimono über Unterhemd und Slip, schlüpfte barfuß in ihre Turnschuhe und nahm mit Ramone den Aufzug hinunter zur Straße. Vor dem Haus befand sich ein kaum nennenswertes Dreieck aus Erde und Gras, das sein bevorzugter Platz zum Urinieren war. Es war ein trostloser Anblick: der Himmel verdunkelt, die Gebäude leblos, der Bürgersteig stank nach Erbrochenem. Vielleicht war es an der Zeit, dachte sie nicht zum ersten Mal, woanders hinzuziehen. Sie könnte raus aufs Land und sich dort eine günstige Bleibe suchen. Die Idee, inmitten von Bäumen zu leben, hatte ihr schon immer gefallen, und Ramone würde sich über mehr Platz zum Herumtollen freuen. Aber was dann?

Zurück in der Wohnung ging sie ins Bad und schrubbte sich das Gesicht mit Seife aus Kaffee und Tonerde, die sie im Internet bestellt hatte, weil irgendein Mensch auf Instagram behauptet hatte, sie würde für einen strahlenden Teint sorgen und die Vitalität wiederherstellen. Tja, das war Blödsinn. Sie spülte sie ab, setzte ihre Kontaktlinsen ein und betrachtete sich im Spiegel. Unter dem grellen Licht der Deckenlampe sah sie aus wie eine Leiche.

Sie trug ein bisschen Eyeliner auf, tupfte sich ein wenig Rosa auf die Wangen, bürstete sich die Augenbrauen – aber es war sinnlos. Sie blieb – gnadenlos – sie selbst. Ihr Gesicht kotzte sie so was von an. Es war unerhört, wirklich, eine absolute Grausamkeit, dass man sein ganzes Leben lang in der gleichen Haut leben musste, dass man sich selbst ertragen musste, für immer, ohne jeglichen Lichtblick. Kurz verzog sie das Gesicht zu einer verrückten Grimasse mit aufgerissenem Mund und schiefen Augenbrauen. Abscheulich! Sie entspannte die Muskeln und guckte mit finsterem Blick in den Spiegel. Wahrscheinlich sollte sie dankbar sein, dass das Gesicht, das ebenso finster zurückblickte, selbst in diesem erschöpften Zustand objektiv betrachtet immer noch attraktiv war. Es war ein gepflegtes, modernes Gesicht: die Züge glatt und ebenmäßig, die Augen groß, die Knochenstruktur klar definiert. Es könnte schlimmer sein.

Sie schlüpfte in Leggings und ein übergroßes T-Shirt, auf dem vorne ein Bild der jungen Debbie Harry aufgedruckt war – also das, das war ein Gesicht, mit dem man sich bis in alle Ewigkeit abfinden könnte –, und rollte ihre Yogamatte vor dem Sofa aus. Während sie ihre morgendliche Routine absolvierte und vor der Pflanzenwand, die ihre kleine Wohnung zusehends in Beschlag nahm, die Berghaltung einnahm, während Ramone sich neben ihr ausstreckte und die altersschwachen Hundeglieder in Positionen brachte, von denen sie nur träumen konnte, versuchte sie, den Kopf freizubekommen. Es würde helfen, das wusste sie, wenn sie es sich bloß gestatten könnte, einfach nur in ihrem Körper zu existieren und ihre volle, ungeteilte Aufmerksamkeit darauf zu richten, die langen Muskeln am Rücken, die geschmeidige Kraft ihrer Körpermitte wahrzunehmen, sich auf die herrliche Ruhe der Gegenwart zu konzentrieren, und sei es nur für ein paar Minuten.

In letzter Zeit fiel es ihr jedoch schwer, sich ganz auf ihr physisches Selbst einzulassen. Ganz gleich, was sie tat, ganz gleich, wie langsam oder tief sie atmete, der Rest ihres Verstandes versuchte immer wieder zu dem Vorfall von vor zwei Wochen zurückzukehren.

Gehirn, halt verdammt noch mal die Klappe, dachte sie. Damit wollte sie gar nicht erst wieder anfangen.

Nach der Yogaeinheit hatte Alex plötzlich Riesenhunger. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal etwas Richtiges gegessen hatte. Sie machte sich einen Espresso, öffnete eine Dose Futter für Ramone und begutachtete den Inhalt des Kühlschranks, obwohl sie genau wusste, was sich darin befand: Hafermilch, ein Glas Oliven, ein paar Take-away-Dosen mit Resten von dem Reis und Dal, die sie vor einer Woche unten beim Inder bestellt hatte. Sie setzte sich mit ihrem Kaffee an die Kochinsel, aß mit einer Gabel Oliven aus dem Glas und rieb mit den nackten Füßen über Ramones seidige Wirbelsäule. Was für ein trister Zustand. Sie musste sich zusammenreißen.

Zunächst einmal war ihr zu kalt. Sie musste sich einen vernünftigeren Morgenmantel besorgen, irgend so ein hässliches, flauschiges, warmes Teil. Ihre Wohnung befand sich in einer Lagerhalle aus dem neunzehnten Jahrhundert, die in den Neunzigern in kleinere Einheiten unterteilt und zu Wohnzwecken umgebaut worden war, und die extrem hohen Decken, die der Wohnung eine gewisse Geräumigkeit verliehen, machten sie von April bis Oktober leider auch zu einem luftigen Eisschrank. Es war fast November, aber ihr war immer noch, als würde sie in einem besonders geräumigen Kühlschrank leben.

Für das Apartment hatte sie sich wegen der großen Industriefenster entschieden, die über die gesamte Breite des Wohnraums gingen. Es lag im fünften Stock mit Blick auf eine belebte Straße am Rand des Stadtzentrums. An Sommerabenden öffnete sie gern eine der oberen Scheiben und lehnte sich hinaus, um die Menschen zu beobachten, die sich auf dem neonbeleuchteten Bürgersteig in kaleidoskopischen Mustern bewegten, und lauschte den Wellen aus Lärm, den die Menschenmassen, Autos und Straßenbahnen erzeugten. In solchen Momenten empfand sie eine Art zärtliche Liebe für die Menschen dort unten – ein schönes Gegenmittel zu den Gefühlen, die sie für sie hegte, wenn sie unten auf der Straße mitten im Getümmel war und andere Menschen scheinbar nur zu dem Zweck existierten, ihr auf den Wecker zu gehen oder in die Quere zu kommen. Nur hier oben in ihrer Wohnung – einem Ort, an dem sich niemand mit ausgefahrenem Ellbogen an ihr vorbeidrängeln, langsam vor ihr hergehen, sie sexuell belästigen oder Geld, eine Wegbeschreibung oder Aufmerksamkeit von ihr wollte –, nur allein zu Hause war sie in der Lage, echte, unkomplizierte Zuneigung für andere Wesen der Gattung Homo sapiens zu empfinden.

Aufgrund der...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2024
Übersetzer Claudia Voit
Sprache deutsch
Original-Titel The Opposite of Success
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Naturwissenschaften Biologie
Schlagworte Australien • Beziehung • Body Positivity • Humor • Kapitalismus • Klimaaktivismus • Klimawandel • Mutterschaft • Queer • Work-Life-Balance
ISBN-10 3-7558-1011-5 / 3755810115
ISBN-13 978-3-7558-1011-7 / 9783755810117
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