Taschenlehrbuch Histologie (eBook)

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2024 | 7., vollständig überarbeitete Auflage
1232 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-244602-1 (ISBN)

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Taschenlehrbuch Histologie - Renate Lüllmann-Rauch, Esther Asan
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2 Plasmamembran und Oberflächendifferenzierungen


Die Plasmamembran bildet die Grenze zwischen Intra- und Extrazellulärraum (IZR, EZR), also zwischen zwei Kompartimenten mit sehr unterschiedlichem Inhalt. Die Intaktheit der Plasmamembran ist Voraussetzung für die Lebensfähigkeit einer Zelle. Ionen und andere ausschließlich hydrophile Stoffe können die Plasmamembran nur mit Hilfe von Kanal- und Transportproteinen durchqueren. Für Gase und hydrophobe Stoffe dagegen stellt die Plasmamembran keine Barriere dar.

Die senkrecht angeschnittene Plasmamembran (Zellmembran, Plasmalemm) erscheint im üblichen elektronenmikroskopischen Bild als ca. 6–8 nm dicke trilaminäre Struktur (zwei kontrastreiche Linien, dazwischen eine helle Zone). Die Außenseite kann mit einem dicken Filz (Glykokalyx) bedeckt sein. Das molekulare Grundgerüst der Plasmamembran besteht aus einer Doppelschicht von polaren Lipiden (hauptsächlich Phospholipiden) sowie Proteinen, die ein- und angelagert sind.

Durch verschiedene Differenzierungen der Zelloberfläche wird die Fläche für den Stoffaustausch vergrößert (Mikroplicae, Mikrovilli, basale Falten). Zilien dienen anderen Zwecken: Kinozilien und Geißeln (Flagellen) besitzen die Fähigkeit zu aktiven Eigenbewegungen, Primärzilien sind sensorische Antennen.

2.1 Aufbau der Plasmamembran


Der im Folgenden beschriebene Bau der Plasmamembran gilt im Prinzip für alle Biomembranen ( ▶ Abb. 2.1). Unterschiede betreffen hauptsächlich die Einzelheiten der Lipid- und Proteinzusammensetzung.

2.1.1 Bausteine der Plasmamembran


2.1.1.1 Membranlipide

Die häufigsten Lipide der Membranen sind Phospholipide Glycero- und Sphingophospholipide, z.B. Phosphatidylcholin, Sphingomyelin); kleinere Fraktionen werden von Glykolipiden gebildet (z.B. die Sphingoglykolipide Cerebroside, Sulfatide, Ganglioside). Gemeinsam ist allen Membranlipiden der physikochemische Charakter: Sie besitzen einen hydrophilen und einen hydrophoben Molekülanteil und sind somit amphiphil. In wässrigem Medium ordnen sich diese polaren Lipide so an, dass ihre hydrophilen Teile dem Wasser zugewandt sind und ihre hydrophoben Teile „unter sich“ bleiben. Eine der Aggregationsmöglichkeiten ist die Doppelschicht (zwei Lipidlamellen), wie sie in der Plasmamembran und allen Biomembranen verwirklicht ist. Dabei liegen die hydrophoben Anteile der beiden Lamellen aufeinander, die hydrophilen Anteile sind nach außen gerichtet. So vertragen sich die beiden Oberflächen der Membran mit den angrenzenden wässrigen Medien, während das Innere der Membran eine hydrophobe Zone darstellt. Man muss sich die Lipiddoppelschicht als flexiblen Film vorstellen, in dem die Lipidmoleküle innerhalb ihrer Lamelle leicht umherschwimmen können (laterale Diffusion der Membranbausteine, Fluidität der Biomembran). Die Fluidität der Membran wird durch Cholesterin, das zwischen den Phospholipiden steckt, beeinflusst.

Die Lipidzusammensetzung der beiden Plasmamembran-Lamellen ist unterschiedlich (z.B. Glykolipide fast nur in der äußeren, dem Extrazellulärraum zugewendeten Lamelle, ▶ Abb. 2.1 c; bestimmte Phospholipide, z.B. Phosphatidylserin, vorwiegend in der inneren Lamelle). Diese Asymmetrie ist funktionell von großer Bedeutung und wird durch Enzyme (Flippase, Floppase) unter Energieaufwand aufrechterhalten. Verlust der Asymmetrie (z.B. Erscheinen von Phosphatidylserin auf der Zelloberfläche) ist ein Kennzeichen des Zelltodes ( ▶ Apoptose). Als Lipid rafts („Lipidflöße“) werden Sphingo(glyko)lipid- und Cholesterin-reiche Plasmamembran-Mikrodomänen (Durchmesser 10–200 nm) beschrieben, in denen bestimmte Membranproteine angereichert sind (besonders Lipidankerproteine, Membranrezeptoren, s.u.).

2.1.1.2 Membranproteine

Für die meisten spezifischen biologischen Funktionen der Membranen sind Proteine verantwortlich. Genau wie die Lipidmoleküle können die Membranproteine in der Lipidschicht umherschwimmen („Flüssig-Mosaik-Modell“ der Biomembran), es sei denn, sie sind immobilisiert (z. B. durch ▶ Anbindung an das Zytoskelett). Proteine können unterschiedlich fest mit der Plasmamembran verbunden sein, nämlich als integrale oder als periphere Membranproteine. Die folgenden Ausführungen gelten grundsätzlich auch für die intrazellulären Membranen ( ▶ Abb. 2.1 d).

Integrale Membranproteine (Transmembran- und Lipidankerproteine) Transmembranproteine durchspannen die Lipiddoppelschicht ein- oder mehrmals und haben daher Anschluss an die Räume zu beiden Seiten der Membran (Zytosol und EZR bzw. Zytosol und Innenraum eines Zellorganells). Sie dienen dem Stoffaustausch und der Kommunikation zwischen Zelle und Umgebung (bzw. zwischen Zytosol und Zellorganell). Beispiele sind Kanäle, Transporter, Pumpen, ▶ Rezeptoren und ▶ Zelladhäsionsproteine. Lipidankerproteine sind vermittels eines kovalent gebundenen Lipidschwanzes in einer der beiden Lipidlamellen verankert. Beispiele sind die alkalische Phosphatase an der Außenseite der Plasmamembran von ▶ Knochenzellen, die G-Proteine an der Innenseite der Plasmamembran (Funktion: Signaltransduktion) und die ▶ Rab-Proteine an Vesikelmembranen.

Periphere Membranproteine Diese Proteine sind mit der Außenseite oder mit der Zytosolseite der Membranlipide oder -proteine assoziiert. Auf der Zytosolseite dienen sie häufig als Adaptoren, über die das Zytoskelett indirekt an ▶ Transmembranproteine angeschlossen ist.

2.1.1.3 Glykokalyx

Die Glykokalyx (gr.: „Zuckermantel“) erscheint im EM-Bild als eine dünne Schicht aus kleinen „Antennen“ oder filzigem Material auf der Außenseite der Plasmamembran ( ▶ Abb. 2.1, ▶ Abb. 16.11). Die tatsächliche Dicke der Glykokalyx ist viel mächtiger, als das konventionelle Bild vermuten lässt: Auf Endothelien ( ▶ Auskleidung von Blutgefäßen) wurden Schichten von 500 nm gemessen. Die Glykokalyx kommt folgendermaßen zustande: (1) Die äußere Lipidlamelle enthält Glykolipide, die an ihrem nach außen weisenden Ende Zuckerketten (Oligosaccharide) und häufig Sialinsäuren (von Zuckern abgeleitete Säuren) tragen. Die Zuckerreste ragen über die Ebene der Lipidlamelle hinweg in den EZR. (2) Manche integralen Membranproteine (Glykoproteine, Muzine, Proteoglykane) besitzen Oligosaccharid-reiche Abschnitte bzw. lange Glykanketten, mit denen sie weit über die äußere Lipidlamelle hinausragen können. Die Gesamtheit aller zuckerhaltigen „Anhängsel“ ist die Glykokalyx. Die chemische Zusammensetzung ist für jede Zellart spezifisch. Manche Oligosaccharide der Glykokalyx sind Erkennungsstellen für Zucker-bindende Proteine (Lektine), die für vorübergehende Zell-Zell-Bindungen von Bedeutung sind (z. B. ▶ Selektine). Die Glykokalyx verleiht der Zelloberfläche aufgrund der zahlreichen anionischen Reste (Sialinsäuren, sulfatierte Glykosaminoglykane) Negativladungen (wichtig z. B. für die Funktion der Blut-Harn-Schranke im ▶ Nieren-Glomerulus).

Abb. 2.1 Plasmamembran. a, EM-Bild, b–d Schemata. a Apikale Plasmamembran (zu Mikroplicae aufgeworfen) einer Superfizialzelle im unverhornten mehrschichtigen Plattenepithel des Ösophagus (Affe). Der Pfeil weist auf die Plasmamembran, die sich im Elektronenmikroskop als trilaminäre Struktur darstellt. Vergr. 90 000fach. b Phospholipid (PLP), vereinfachte Darstellung am Beispiel von Phosphatidylcholin (Lecithin): Das Molekül besteht aus einem hydrophilen Anteil (blau: Glycerin, [G]; Phosphorsäure, [P]; Cholin, [Ch]) und einem hydrophoben Anteil (gelb: 2 Fettsäuren, FS). c Plasmamembran, Bauprinzip (vereinfacht). Doppelschicht aus polaren Lipiden. Transmembranproteine rot. Oligosaccharid-Ketten der Glykokalyx violett. Cholesterin orange. EZR und IZR, Extra- und Intrazellulärraum. d Membranproteine. Transmembranproteine und Lipidankerproteine rot. Lipidanker schwarz. Periphere Membranproteine dunkelblau. Grün: Ein Wirkstoff (Ligand) ist an den Membranrezeptor gebunden, der Rezeptor setzt daraufhin im IZR eine...

Erscheint lt. Verlag 4.9.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Studium 1. Studienabschnitt (Vorklinik) Histologie / Embryologie
Schlagworte Anatomie • Binde- und Stützgewebe • Blut • Blutbildung • Endokrine Organe • EP • Epithelgewebe • Examen • Geschlechtsorgane • Gewebe • Histologie • ITHELGEWEBE • Lehrbuch • Medizinisches Examen • Medizinstudium • Mikroanatomie • Mikroskopische Anatomie • Muskelgewebe • Nervengewebe • Oberflächendifferenzierungen • Organgewebe • Prüfungsvorbereitung • Sinnesorgane • Vorklinik • Zellenlehre • Zellkern • Zellkontakte • Zellorganellen • Zellorganisation • Zelltod • Zellzyklus • Zytologie • Zytoskelett • Zytosol
ISBN-10 3-13-244602-5 / 3132446025
ISBN-13 978-3-13-244602-1 / 9783132446021
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