Hilfe bei Fehlgeburt -  Caroline Lehmann,  Shirley Michaela Seul

Hilfe bei Fehlgeburt (eBook)

Wie du mit dem Verlust deines Kindes umgehen und wieder Hoffnung finden kannst
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
229 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-21013-5 (ISBN)
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Alles, was Frauen nach einer frühen Fehlgeburt wissen müssen! Caroline Lehmann hat es selbst erlebt: vier Fehlgeburten, ehe sie Mutter wurde. Mit ihrem Buch steht die Humangenetikerin und Ärztin in der Kinderwunschsprechstunde einer Uniklinik ihren Leser*innen einfühlsam und motivierend zur Seite. Sie gibt Antworten auf die brennenden Fragen: Was tun bei einer Fehlgeburt, und wie schaffe ich es, diese schwere Zeit seelisch gesund zu überstehen und nicht daran zu zerbrechen? Und wie geht es weiter? Woran merke ich, dass ich eine Fehlgeburt gut verarbeitet habe, auch wenn sie schon länger zurückliegt? Caroline Lehmann veranschaulicht die neuesten Erkenntnisse: Woran lag es wirklich? Was kann ich tun, damit so etwas nicht noch einmal passiert? Mit aufrichtiger Offenheit spricht die Autorin alle relevanten, aber oft auch verschwiegenen Themen nach einer Fehlgeburt an, darunter die Auswirkungen dieses Verlustes auf die nächste Schwangerschaft und die psychologischen Konsequenzen für das eigene Leben. Ein Buch wie eine beste Freundin - mit zahlreichen Tipps für eine Heilung und einen Neuanfang. Einfühlsam, mit einem Koffer voller praktischer Tipps und medizinischem Wissen begleitet Caroline Lehmann die Leser*innen durch die wohl schwerste Zeit ihres Lebens. Mit einem Hebammenkommentar von Dana Ruff.

1. UNTER DER BAUCHDECKE

»Wird denn alles gut gehen mit dem Baby?«, fragte mich die Patientin bei der Begrüßung, während ich ihre zarte heiße Hand drückte. Ihre Stimme klang belegt. Die junge Frau war in großer Sorge, denn ihre Mutter hatte zwei Fehlgeburten erlitten. War so etwas vererbbar?

»Im Ultraschall sieht alles bestens aus«, beruhigte ich sie mit einem Satz, den ich selbst auch gern gehört hätte, denn in meinem Bauch lag ein toter Embryo.

Seit einer Woche wusste ich, dass das kleine Herz dieses so sehnlich erwünschten Kindes nicht mehr schlug. Zum vierten Mal in acht Jahren war meine Hoffnung gestorben. Aber diesmal hatte ich mich nicht für eine Kürettage entschieden, so der Fachbegriff für die Ausschabung. Diese Operation wird in Deutschland unter Narkose routinemäßig durchgeführt, wenn das Kind im Mutterleib vor der zwölften Schwangerschaftswoche verstirbt. Stattdessen würde ich warten. Warten, bis es von selbst zu einem Abgang käme, so wie es in vielen europäischen Ländern gehandhabt wird.

Dieses Warten war entsetzlich, und dennoch fühlte es sich absolut richtig an. Denn die Spätfolgen einer Operation wie Verwachsungen und Verklebungen der Gebärmutterschleimhaut können bei einer folgenden Schwangerschaft zu schwerwiegenden Komplikationen führen, vor allem, wenn der Eingriff wie bei mir mehrfach vorgenommen wurde. Und ich wollte es noch einmal versuchen, ein letztes Mal, wenn ich diese schwere Zeit mit dem toten Kind irgendwie hinter mich gebracht hätte. Dieses Kind, das ich so lieb hatte.

So wie meine Patientin vor mir ihr lebendes Kind: »In den Flitterwochen hat es geklappt«, sprudelte es aus ihr heraus. Und dass sie unbedingt junge Mama sein wollte. Mindestens zwei Kinder sollten es werden. Weil sie und ihr Mann doch beide Einzelkinder waren. Das sei schrecklich gewesen, immer habe sie andere um ihre Geschwister beneidet.

»Das kann ich gut verstehen«, nickte ich.

»Das Ultraschallbild habe ich stets bei mir«, erzählte sie mir. » Ich schaue es mir morgens als Erstes und abends als Letztes an. Ich finde das total verrückt, dass ich in mich hineinsehen kann. Als meine Oma schwanger war, gab es so was noch nicht.«

»Das stimmt«, bestätigte ich und dachte kurz über Fluch und Segen des Ultraschalls für schwangere Frauen nach. Ohne Ultraschall wüssten viele Frauen nichts von ihrer Schwangerschaft. Die Periode verzögert sich und ist dann keine normale Monatsblutung, sondern eine Fehlgeburt. Ein solches Nicht-Wissen kann durchaus hilfreich sein. Wie aber der Ultraschall auch sehr hilfreich sein kann – in Maßen eingesetzt. Manche Patientinnen vergessen nämlich vor lauter Babyfernsehen das Spüren, also das, was Frauen die gesamte Geschichte der Menschheit über immer getan haben: in sich hineinfühlen. Mein medizinisches Fachgebiet hat ziemlich wenig mit Spüren zu tun, wenngleich ich davon überzeugt bin, dass die Intuition ein wichtiges Werkzeug für Medizinerinnen und Mediziner ist.

Ich bin Fachärztin für Humangenetik und habe am Universitätsklinikum Heidelberg und an einer großen Praxis in Frankfurt rund zehn Jahre lang die Sprechstunden für Schwangere mit Auffälligkeiten im Ultraschall, Fehlgeburten und Paare mit unerfülltem Kinderwunsch begleitet. Zu meiner Arbeit gehörte es, Embryos nach einer Fehlgeburt zu untersuchen und genetische Analysen zu veranlassen. Gerade nach einer künstlichen Befruchtung kommt es häufiger zu Fehlgeburten: Je Zyklus einer künstlichen Befruchtung liegt die Wahrscheinlichkeit, nach der Behandlung ein Kind zur Welt zu bringen, bei nur 15 bis 20 Prozent. Oft sind die Frauen überglücklich, wenn sie endlich schwanger sind, und vergessen dabei gern, wie risikoreich gerade die ersten zwölf Wochen sind. Auf diesen ersten zwölf Wochen, in denen es um alles oder nichts geht, liegt der Schwerpunkt meines Buches.

»Wissen Sie, Frau Doktor«, vertraute mir die Patientin an, »da gibt es doch diesen alten Spruch, dass man guter Hoffnung ist.«

Ich nickte. Meine gute Hoffnung war erloschen. Am 22. Tag nach der Empfängnis hatte das Herz meines Kindes zu schlagen begonnen … und irgendwann aufgehört.

»Das sage ich gern«, fuhr meine Patientin fort. »Ich bin guter Hoffnung. Das klingt doch total schön.«

»Ja«, stimmte ich zu und freute mich mit ihr. Sie strahlte mich mit ihren wunderschönen tiefblauen Augen an.

Vielleicht war es verrückt, doch etwas in mir war überzeugt davon, dass ich eines Tages auch so strahlen würde – nicht nur kurzzeitig, sondern lange, neun Monate lang – und am Ende ein Kind zur Welt bringen würde. Vielleicht gerade deshalb, weil ich mich jetzt gegen eine Ausschabung entschieden hatte, vielleicht, weil ich den Mut dazu hatte, meinem toten Kind die Zeit zu geben, die es brauchte, um mich auf seine Art zu verlassen, auf natürlichem Wege. Ich spürte, dass diese Entscheidung, so schrecklich sie war, einen kleinen Samen Zuversicht in mir keimen ließ.

Warum hört fast jede Frau, deren Kind im Mutterleib in den ersten drei Monaten verstirbt, den Satz: Das muss operiert werden? Warum sind die Alternativen, von denen es sogar zwei gibt, so wenig bekannt? Ja, gewiss, mit einer Ausschabung scheint der Fall erst mal erledigt. Problem behoben. Doch das ist nicht für jede Frau die ideale Lösung.

Eine Fehlgeburt ist nicht nur ein Trauma, sondern zudem ein Tabu. Ein Versagerinnen-Thema. Seine Bedeutung für die Frauen wird meistens unterschätzt. Man rät: Versuch‘s halt noch mal. Wie extrem eine Fehlgeburt an den Grundfesten einer Persönlichkeit rüttelt, an einer Beziehung, ja, dass sie unbewältigt eine gute Zukunft zerstören kann, das wissen die wenigsten. Aber es gibt einen konstruktiven Weg, mit dieser Lebenskrise umzugehen. Diesen Weg möchte ich auf den folgenden Seiten schildern, sozusagen als doppelte Expertin: als Fachärztin und als Betroffene.

Während ich diese Zeilen schreibe, schläft mein kleiner Sohn. Beim fünften Anlauf hat es geklappt. Vielleicht wirklich auch deshalb, weil ich beim vierten Versuch abgewartet habe und mich nicht drängen ließ. Weil ich mein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Es ist mir allerdings klar, dass dieses Vorgehen nicht für jede Frau in Betracht kommt. Und es ist mir enorm wichtig, dass du, liebe Leserin, deinen eigenen Weg findest.

Es liegt mir auch am Herzen, alle Menschen respektvoll und gleichwertig anzusprechen, denn eine Fehlgeburt betrifft nicht nur die Frau, sondern zieht weite Kreise, manchmal über Generationen hinweg.

Als Ärztin spreche ich meine Patienten natürlich nicht mit Du an, aber in diesem Buch möchte ich diese Distanz bewusst abbauen. Zum einen, weil das Thema sehr emotional ist, zum anderen, weil ich über meine persönliche Geschichte mit vier Sternenkindern spreche. In meinen Sprechstunden geht es um sehr emotionale Dinge und es kam immer wieder vor, dass mich eine Patientin fragte: »Darf ich Sie mal in den Arm nehmen?«

Die Zeit des Kinderwunsches gehört zu den emotionalsten Phasen unseres Lebens. Genau hier setzt dieses Buch an, möchte dich an vielen Stellen in den Arm nehmen, dir Hilfe und Unterstützung geben. Und da erscheint mir das Du viel authentischer.

Jede Frau ist anders. Setz dich nicht unter Druck. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, höre in dich hinein und entscheide dann. Bei meiner ersten Fehlgeburt hätte ich das Warten auf einen natürlichen Abgang nicht geschafft. Nach der Diagnose wollte ich einfach so schnell wie möglich zurück auf Anfang.

Wir Menschen sind oft so gestrickt, dass wir unangenehme oder belastende Dinge rasch hinter uns bringen wollen. Wir möchten vorwärtsgehen, ohne zu bedenken, dass uns eine übereilte Entscheidung später einholen kann. Aber dann ist es zu spät.

Doch sich schnell zu entscheiden, ist allzu menschlich. Eben noch schwanger, im Mutterpass ist der Geburtstermin festgehalten, und dann erfährt man nach dem Ultraschall, dass das eigene Kind nicht mehr lebt. Von jetzt auf gleich ist alles anders: eine emotionale Katastrophe. Man hört ein paar tröstende Worte, bekommt einen Überweisungsschein für die Klinik und zwei oder drei Tage später findet die Operation statt, zu der es keine Alternative zu geben scheint. Das Denken ist wie blockiert. Man tut, was einem geraten wird. Von hundert auf null, auf unter null. Niemand ist darauf vorbereitet. Die Seele sowieso nicht, aber auch der Körper nicht, der hormonell noch immer voll auf schwanger eingestellt ist. Und dann schlagartig aus. In Internetforen schreiben Frauen, dass sie das Gefühl hatten, man habe ihnen auf dem OP-Tisch etwas weggenommen, entrissen. Nach der OP sinkt das Schwangerschaftshormon schlagartig ab, das belastet die Psyche.

Wir reden hier nicht über seltene Ausnahmen: Schätzungsweise 23 Millionen Fehlgeburten ereignen sich jedes Jahr weltweit. Etwa ein Drittel aller festgestellten Schwangerschaften endet auf diese Weise, meistens in den ersten drei Monaten.

Liebe kann nicht rausoperiert werden

In meine Kinderwunsch-Sprechstunde kamen viele betroffene Paare, die ihre schmerzhaftesten Erfahrungen mit mir teilten. Hierbei war die Frage nach der Häufigkeit von Fehlgeburten ein Hauptthema. Und schließlich wurde es das Hauptthema meines Lebens. Die betroffenen Paare sind mit ihrem Schicksal oft allein und die Gefühle von Verlust und Trauer werden nicht selten verdrängt. Für viele Frauen und ihre Partner steht das verlorene Baby aber zudem für den Abschied von gemeinsamen Träumen und Lebensplänen. Warum ich? Warum wir? Was habe ich falsch gemacht? Was ist schiefgegangen? Und was, wenn es wieder passiert? Kann ich überhaupt ein Kind bekommen?

Als junge Assistenzärztin fiel mir oft auf, dass Frauen, die bereits Kinder hatten,...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Gynäkologie / Geburtshilfe
ISBN-10 3-384-21013-1 / 3384210131
ISBN-13 978-3-384-21013-5 / 9783384210135
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