OPD-3 Manual zur Ereignis- und Traumaverarbeitung (eBook)
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104 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-76330-9 (ISBN)
|33|2 Darstellung des ergänzenden OPD-Moduls Trauma- und Lebensereignisverarbeitung
Das vorliegende OPD-Zusatzmodul beschreibt im Zusammenspiel mit dem allgemeinen OPD-3-Manual individuelle Verarbeitungsprozesse und Folgestörungen nach belastenden Lebensereignissen bzw. psychischen Traumatisierungen. Sowohl belastende als auch potenziell traumatisierende Ereignisse können abhängig von der Schwere des Ereignisses, den persönlichen Vulnerabilitäten und den vorhandenen Ressourcen funktional bewältigt werden oder zu psychischen Folgestörungen führen.
Ziel des Moduls ist eine umfassende operationalisierte diagnostische Einschätzung des zugrunde liegenden Ereignisses, der individuellen Verarbeitungskapazitäten und der symptomwertigen Folgen mit dem primären Ziel, die OPD für das individuelle Verständnis, aber insbesondere die Behandlungsplanung bei Traumafolgestörungen nutzbar zu machen.
Typ-I- und Typ-II-Traumata: Die in diesem Modul vorgestellten Ergänzungen zur OPD-3 sollen die Diagnostiker:innen befähigen, insbesondere die Auswirkungen einmalig oder selten auftretender Ereignisse kurzer Dauer (sog. Typ-I-Traumata) abzubilden. Die spezifischen Bewältigungsformen zeitlich länger zurückliegender, kumulativer oder lang anhaltender Traumaereignisse (sog. Typ-II-Traumata) werden in ihren psychodynamischen Konsequenzen für das Beziehungserleben, die Struktur oder die inneren Konflikte mit dem OPD-Standardmanual bereits ausreichend abgebildet und bedürfen oftmals nur einer ergänzenden traumaspezifischen Einschätzung auf der Achse I und in der individuellen Fallkonzeptualisierung.
Vorgehen: Grundsätzlich empfiehlt sich folgendes Vorgehen bei betroffenen Patient:innen, bei denen ein belastendes Lebensereignis oder Trauma zu psychischen Problemen oder Belastungen geführt hat:
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Wenn das Lebensereignis länger als 5 Jahre zurückliegt (die Zeitdimension orientiert sich an der Zeitperspektive der Achse IV), sollte die OPD-3-Grundversion verwendet werden und auf die zusätzliche formale Anwendung des Moduls kann an vielen Stellen verzichtet werden. Begründet wird dies durch die lange Zeitperspektive, die eine valide Einschätzung und Unterscheidung der Psychodynamik vor und nach einem Ereignis einschränkt, da retrospektive kognitive und/oder emotionale Verzerrungen nicht zu vermeiden sind. Gleichzeitig können die Perspektiven des Moduls helfen, die fallbezogene Sensibilität in Bezug auf das biografische Verständnis zu erhöhen und psychodynamische „Kurzschlüsse“ zu vermeiden. Falls sinnvoll, können die zusätzlichen Elemente der Achse I eingeschätzt werden, wenn |34|eine deskriptive Differenzierung der Beschwerden nach einem lang zurückliegenden Ereignis erwünscht ist.
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Bei einem Lebensereignis, welches in den letzten 5 Jahren eingetreten ist und zu einer klinisch relevanten Symptomatik geführt hat, sollte in zwei Schritten vorgegangen werden: Zunächst wird die OPD-3-Grundversion eingesetzt, um eine Einschätzung der vor dem Ereignis bestehenden Psychodynamik vorzunehmen. Dies kann, wie oben ausgeführt, zum Verständnis möglicher Folgestörungen oder deren Ausbleiben genutzt werden. In einem zweiten Schritt sollte ergänzend das nachfolgend beschriebene Modul eingesetzt werden, um die syndromalen und psychodynamischen Folgen des Ereignisses abzubilden. In der Zusammenschau beider Aspekte (vorbestehende und folgende Psychodynamik) kann eine individuelle und umfassende Diagnostik und Therapieplanung erfolgen.
2.1 Ressourcen und Vulnerabilität im OPD-3 Standardmanual
Im folgenden Abschnitt soll dargestellt werden, wo das Standardmanual der OPD-3 bereits zahlreiche Aspekte abbildet, die für die diagnostische Einschätzung der vorhandenen Bewältigungsressourcen und spezifischen Vulnerabilitäten im Hinblick auf die Verarbeitung belastender und traumatischer Ereignisse von Bedeutung sind.
Veränderungsressourcen: Die allgemeine Beurteilung der Veränderungsressourcen auf der Achse I (2.8.1) der OPD-3 beinhaltet bereits die Einschätzung, inwieweit eine Person aktuell persönliche Ressourcen – z. B. aktives Auseinandersetzen mit der Störung oder Erschließung neuer Perspektiven – als gesundheitsförderndes Verhalten und zur Bewältigung einer psychischen Erkrankung einsetzen kann (Item Umgang mit der Erkrankung [Coping], 2.8.1.2). Darüber hinaus werden im Item psychosoziale Unterstützung (2.8.1.3) der Grad der zur Verfügung stehenden sozialen Unterstützungsangebote (Familie, therapeutische, soziale Einrichtungen etc.) und die Fähigkeit des Patienten, die bestehenden Angebote anzunehmen bzw. als gesundheitsfördernde Ressource zu nutzen, abgebildet.
Vulnerabilitätsfaktoren: Die Störungsverarbeitung beeinflussende Vulnerabilitätsfaktoren werden in den Achsen I bis IV der OPD-3 erfasst. Abgebildet werden Veränderungshemmnisse (2.8.2) und fehlende Ressourcen (Achse I), maladaptive Beziehungsmuster (Achse II), repetitiv-dysfunktionale Konflikte (Achse III) und das Niveau der strukturellen Integrität (Achse IV).
Trotz dieser umfassenden psychodynamischen Einschätzung erfordert die diagnostische Beurteilung traumatisierter Menschen jedoch eine weitere Ergänzung zur spezifischen Darstellung traumaspezifischer Verarbeitungsprozesse.
|35|2.2 Ereignis – Trauma oder Belastung?
Prüfen der Traumakriterien: Anknüpfend an die Ausführungen in Kap. 1 des Buches ist also zunächst die Frage zu klären, ob ein Ereignis vorliegt, das in seiner Art und Schwere die oben genannten Kriterien für ein Traumaereignis erfüllt. Ereignisse wie Verlust nahestehender Menschen durch Tod oder Trennung oder körperliche Erkrankung ohne weitergehende traumaspezifische Anteile, Verlust des Arbeitsplatzes etc. sind – gestützt auf die einschlägigen syndromal ausgerichteten Diagnosemanuale und Leitlinien – nach der hier gebrauchten Definition keine Traumaereignisse. Sie können daher zu psychischen (Belastungs-)Folgestörungen führen, aber eben nicht zu Traumafolgestörungen im engeren Sinne. Liegt ein für die psychische Verfassung des Betroffenen relevantes aktuelles Ereignis vor, geht es also zunächst um eine objektivierende Bewertung, ob die Traumakriterien, z. B. nach DSM-5, erfüllt sind.
Einschätzung von Folgestörungen: Nach der Einschätzung des Ereignisses (Trauma vs. belastendes Lebensereignis) und des Verarbeitungsprozesses (Einschätzung von Ressourcen und Vulnerabilitäten) auf den Achsen I bis IV (OPD-3-Grundversion) zeigt sich, ob eine Traumafolgestörung bzw. Folgestörung nach belastendem Lebensereignis vorliegt. Es lässt sich mittels des Zusatzmoduls dann auch beschreiben, ob es auf den Achsen II bis IV sich seit dem Traumaereignis entwickelnde Einbußen in der Gestaltung der Beziehungsmuster, im Konflikterleben oder in den strukturellen Fähigkeiten gibt oder ob vor dem Hintergrund bestehender Fähigkeiten und/oder geringer Vulnerabilität die Entstehung einer gravierenden (Trauma-)Folgestörung abgewendet werden konnte (vgl. Kap. 2.3.5 Prototypen A und C).
Durch die heterogenen Verarbeitungsprozesse und das individuelle Zusammenwirken von Schutz- und Risikofaktoren kann auf der Ebene der deskriptiv-syndromalen Diagnostik eine Vielzahl von Folgestörungen entstehen. Vergleichbare Traumata oder Ereignisse können durch die individuell vorhandenen oder fehlenden gesundheitsfördernden Faktoren zu unterschiedlichen psychischen und psychosomatischen Störungen führen oder auch ohne Erkrankungsfolgen verarbeitet werden.
Traumafolgestörungen und andere Störungen: Zu den Traumafolgestörungen im engeren Sinne gehören die akute Belastungsstörung und die Posttraumatische Belastungsstörung. Diese können per definitionem nur nach Ereignissen auftreten, die die Kriterien eines Traumas erfüllen. Andere Störungen, wie verlängerte Trauerstörung, Angststörungen, Depressionen, Suchterkrankungen, somatoforme oder Anpassungsstörungen,...
Erscheint lt. Verlag | 6.5.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Allgemeines / Lexika |
ISBN-10 | 3-456-76330-1 / 3456763301 |
ISBN-13 | 978-3-456-76330-9 / 9783456763309 |
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