Botulinumtoxin in der ästhetischen Medizin (eBook)

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2024 | 7., unveränderte Auflage
120 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-245621-1 (ISBN)

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Botulinumtoxin in der ästhetischen Medizin -
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<p><strong>Das Standardwerk für die Falten- und Hyperhidrosetherapie</strong><br><br>Mit diesem handlichen und übersichtlichen Praxisbuch erlernen Sie eine der wichtigsten Behandlungsmethoden in der ästhetischen Medizin: Von den Grundlagen rund um Botulinumtoxin über kosmetische Indikationen und spezielle Behandlungen bis hin zu klinischen Beispielen. Mit Hinweisen zu Präparaten und Dosierungen, einer Checkliste mit Tipps und Tricks sowie anschaulichen Abbildungen zur Anatomie und zu den klinischen Beispielen. Kompakt systematisch gegliedert für die tägliche Unterstützung Ihrer Praxis.&nbsp;</p><p>Gewinnen Sie Behandlungssicherheit - als Anfänger und als bereits in der ästhetischen Medizin erfahrener Arzt.<br></p><p>Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.<br></p>

1 Entwicklung des Medikamentes Botulinumtoxin: Geschichte und Gegenwart


1.1 Geschichte der klinischen Anwendung von Botulinumtoxin


Wolfgang G. Philipp-Dormston

Übersicht

Heute sind 4 Formen des Botulismus bekannt:

  • Nahrungsmittelinduzierter Botulismus durch orale Aufnahme von Botulinumtoxin.

  • Infantiler Botulismus bei Säuglingen und Kleinkindern, nach Darmbesiedlung mit Clostridium botulinum (begünstigt durch Honigverzehr).

  • Wundbotulismus bei Besiedlung von Wunden mit Clostridium botulinum und Toxinabgabe.

  • Iatrogener Botulismus bei Therapie mit Botulinumtoxin ▶ [202].

Die Lebensmittelvergiftung des Botulismus begleitet die Menschheit wahrscheinlich schon seit deren Anfängen. Die ersten systematischen Aufzeichnungen finden sich im späten 18. Jahrhundert in Süddeutschland, als die Armut nach den französischen Kriegen den Hygienestandard bei der Zubereitung von Fleischspeisen verschlechterte. Die Vergiftung ganzer Personengruppen, so z.B. in Wildbad 1793, ließ den Zusammenhang zwischen Nahrungsmitteln und Todesfällen erkennen und löste die ersten Untersuchungen aus. 1802 gab die Regierung in Stuttgart eine Warnung über den „schädlichen Verzehr von geräucherter Blutwurst“ heraus.

Johann Heinrich Ferdinand Autenrieth, Professor der medizinischen Universität Tübingen, ordnete die Sammlung von Vergiftungsfällen aus den Berichten der Hausärzte und medizinischen Behörden an. Er erkannte daher auch die Wichtigkeit der Beobachtungen des württembergischen Arztes Justinus Kerner ▶ [112]. In den „Tübinger Blättern für Medizin und Arzneykunde“ hatte dieser über die Vergiftung durch eine von ihm vermutete „Fettsäure“, die „Mißbehagen, Erbrechen, Bauchbeschwerden, Durchfall und schmerzhafte Verstopfung, Doppeltsehen der Gegenstände, Erweiterung des Augensterns, Mattigkeit, schwankenden Gang, erschwertes Schlingen und Trinken, heftigen Durst“ verursachte, berichtet. Vor dem Tod traten „Ohnmachten, heftige Krämpfe, Starrsucht, Opisthotonus und kalter Schweiß“ auf. Die detaillierte klinische Beschreibung vermerkte sogar die verminderte Produktion von Zerumen bei den Intoxikierten ▶ [150].

Im Laufe seiner Forschungen sammelte Kerner Krankengeschichten von 155 Patienten mit Botulismus, davon hatte er selbst 12 Patienten behandelt und z.T. obduziert. In tierexperimentellen Studien verabreichte er Extrakte der aus „polizeyärztlichen Gründen“ beschlagnahmten Würste an Katzen und Kaninchen, Vögeln, Fröschen etc., beobachtete deren Reaktionen und obduzierte sie. Als Ergebnis seiner Forschungen kam Kerner zu der Ansicht, dass keine Therapie für diese Vergiftung zur Verfügung stehe und deshalb die Prophylaxe entscheidend sei: „Blut- und Leberwürste, die nach dem Februar noch im Kamin sind, soll der Schornsteinfeger mit allem Unrath wegwerfen.“ Landmetzgern „soll zur Pflicht gemacht werden, für ein vollkommenes Absieden zu sorgen und sie [die Würste] ordentlich zu rauchen“. Die experimentellen Erkenntnisse wurden in behördliche Verordnungen umgesetzt. Kerner schlug auch – in bemerkenswerter Voraussicht – die mögliche therapeutische Verwendung des „Wurstgiftes … in außerordentlich kleinen Dosen“ zur Behandlung von muskulären Überbewegungen vor, v.a. beim Veitstanz ▶ [147].

Justinus Kerner war neben seiner ärztlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit auch ein bedeutender Vertreter der deutschen Romantik. Seine lyrische Dichtung ist heute noch durch die „Kerner-Lieder“ Robert Schumanns bekannt.

Die erste Charakterisierung des Toxins gelang 1897 Professor Emile van Ermengen in Belgien ▶ [307]. Er untersuchte den Schinken, der vom Musikverein „Fanfare les Amis Réunis“ in Ellezelles anlässlich einer Totenfeier verspeist worden war und dort zu 3 Todesfällen und zahlreichen, z.T. lebensgefährlichen Erkrankungen mit den klinischen Zeichen des Botulismus geführt hatte. Van Ermengen züchtete aus den Gewebeproben des Schinkens einen „anaeroben, großen, sporentragenden Bacillus“. Die aus den Kulturen gewonnene bakterienfreie „Maceration“ verabreichte er in unterschiedlicher Verdünnung Kaninchen und Tauben.

Er stellte fest: „Der Tod wird durch Aufhebung der Respiration und Circulation, ohne jede Krampfanfälle oder spasmodische Contractionen, in vollkommener Muskelruhe hervorgerufen … Wir können also mit Recht behaupten, dass der Ellezelles’sche Schinken eins der wirksamsten Gifte enthält … Durch seine sehr charakteristische Wirkung, seine sehr hohe Toxicität, seine geringe Resistenz gegen Wärme, Licht usw., seine Zersetzbarkeit durch Alkalien und manche Reagentien steht dieses Gift den Bakterientoxinen sehr nahe. Höchstwahrscheinlich ist es im Schinken während der Einsalzungszeit, durch anaerobe Wucherung gewisser spezifischer Mikroorganismen entstanden.“ Van Ermengen gab dem isolierten Bakterium den Namen „Bacillus botulinus“.

1897 stellte W. Kemper das erste Antiserum her, 1910 berichtete Leuchs über einen zweiten Serotyp, Typ B ▶ [211]. Ab den 1920er-Jahren wurde an der Hooper Foundation der Universität California, San Francisco, unter Dr. Hermann Sommer an der Reindarstellung des Botulinumtoxins Typ A gearbeitet. Diese Arbeit wurde unter militärischer Observanz in Fort Detrick, Maryland, während des Zweiten Weltkrieges fortgesetzt. Viele Grundlagenarbeiten über Herstellung und Wirkung des Toxins und die serologische Differenzierung in verschiedene Typen stammen aus dieser Zeit. 1946 kristallisierte Dr. Carl Lammanna hier erstmals Botulinumtoxin Typ A und veröffentlichte etwas später auch den zweikettigen Aufbau des Toxins. 1949 beschrieben Burgen et al. die Blockade der neuromuskulären Transmission als Wirkungsmechanismus des Botulinumtoxins.

In Fort Detrick arbeitete auch Edward J. Schantz, der sich nach dem Krieg weiter intensiv mit den Eigenschaften des Botulinumtoxins beschäftigte. Alan B. Scott, Forscher an der Smith-Kettlewell Eye Research Foundation, suchte nach einer Möglichkeit, mit medikamentöser Hilfe hyperaktive Muskeln zu schwächen. Er korrespondierte mit Edward J. Schantz, der ihm einen Vorrat an Botulinumtoxin Typ A synthetisierte und zur Verfügung stellte. Im Tierversuch bewährte sich das Toxin ab 1973, und 1978 wurde es nach einem von der FDA zugelassenen Protokoll erstmals an freiwilligen Probanden eingesetzt ▶ [273], ▶ [274].

1980 veröffentlichte Scott seine Arbeit über den ersten therapeutischen Einsatz von Botulinumtoxin Typ A zur Behandlung des Strabismus ▶ [278]. Der Bericht über diese wissenschaftliche Großtat gilt als Ausgangspunkt für die rasche Entwicklung weiterer Indikationen. Bis 1982 hatte Scott Patienten mit Nystagmus, hemifazialem Spasmus, Torticollis spasmodicus und Beinspastik behandelt.

Im Dezember 1989 ließ die U.S. Food and Drug Administration (FDA) Botulinumtoxin Typ A für die Behandlung von Strabismus, hemifazialem Spasmus und Blepharospasmus zu. 2000 erhielt Botox die FDA-Zulassung zur Therapie des Torticollis, 2002 folgte die Zulassung für die kosmetische Behandlung der Glabellafalte. Die klinische Anwendung des Botulinumtoxins wurde von den weltweiten Anwendern bis zum heutigen Tag weit über die zugelassenen Indikationen hinaus vorangetrieben. Damit unterscheidet sich die Botulinumtoxin-Therapie von fast allen medikamentösen Therapien, bei denen zunächst die produzierenden Firmen die Einsatzgebiete erprobten ▶ [104].

1.2 Botulinum-Therapie in der Neurologie


Wolfgang G. Philipp-Dormston

Mit dem ersten Bericht über die therapeutische Anwendung von Botulinumtoxin beim Menschen ▶ [278] wurde die Tür zu einer neuen Ära der Behandlung von neurologischen Erkrankungen geöffnet, die bis zu diesem Zeitpunkt nur schlecht oder mit ausgeprägten Nebenwirkungen zu therapieren waren. Zunächst wurden Dystonien untersucht.

1.2.1 Dystonie


Die Dystonie ist durch eine überdauernde, unwillkürliche Kontraktion von Willkürmuskeln gekennzeichnet und führt zu tonischen, myoklonischen oder tremorartigen Bewegungen und/oder fixierten Fehlstellungen ▶ [121]. Die Ursache einer Dystonie liegt meist in einer Erkrankung der basalen Ganglien (Nucleus caudatus, Putamen, Globus pallidus) ▶ [15].

1.2.1.1 Blepharospasmus

Die ersten Botulinumtoxin-Therapieerfahrungen wurden an Patienten mit idiopathischem Blepharospasmus gewonnen. Diese Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine tonische oder phasische Kontraktion der Mm. orbiculares oculi und bewirkt einen unwillkürlichen, überdauernden Augenschluss, der bis zur funktionellen Blindheit führen kann ▶ [141]. Die dystone Störung kann sich auf weitere Gesichtsmuskeln ausbreiten (Meige-Syndrom) und in seltenen Fällen auch Halsmuskeln betreffen (segmentale Dystonie).

Zahlreiche, z.T. doppelblinde Studien belegten die Wirksamkeit der lokalen Injektionen von Botulinumtoxin Typ A. Wichtigste Nebenwirkungen sind Ptose (bei unbeabsichtigter Schwächung des M. levator palpebrae) und Doppelbilder (bei Schwächung eines oder...

Erscheint lt. Verlag 10.1.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete
Schlagworte Adjuvans • Ästhetische Medizin • Behandlungstechniken • Botox • Dosierungen • Hautverjüngung • Hyperhidrosis • Injektionstechniken • Kontraindikationen • Kosmetische Anwendung • Leitlinienempfehlungen • Mikroinjektionstechnik • Neurologie • Präparate
ISBN-10 3-13-245621-7 / 3132456217
ISBN-13 978-3-13-245621-1 / 9783132456211
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