Vita brevis, ars longa -

Vita brevis, ars longa (eBook)

Aktuelle Perspektiven zu Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
224 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-043847-7 (ISBN)
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Was war die Medizin, was ist sie und was soll sie sein? Dieser historischen, theoretischen und ethischen Reflexion der Medizin widmet sich der vorliegende Band. Ausgewiesene Expertinnen und Experten behandeln zentrale Themen wie Krankheit, Diagnose, Autonomie, Reproduktionsmedizin, Genom-Editierung und ärztlich assistierter Suizid. Die Beiträge bieten damit einen repräsentativen Querschnitt aktueller Fragen der Fächer Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, die die dynamische Entwicklung der modernen Medizin kritisch begleiten.

Prof. Dr. phil. Hans-Jörg Ehni, Philosoph und Medizinethiker, ist stellvertretender Direktor am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Tübingen. Prof. Dr. med. Georg Marckmann, Medizinethiker und Arzt, ist Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Universität München. Prof. Dr. phil. Robert Ranisch, Philosoph und Medizinethiker, ist Juniorprofessor für Medizinische Ethik mit Schwerpunkt auf Digitalisierung an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Universität Potsdam. PD Dr. phil. Henning Tümmers, Zeit- und Medizinhistoriker, ist Privatdozent am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Tübingen.

Prof. Dr. phil. Hans-Jörg Ehni, Philosoph und Medizinethiker, ist stellvertretender Direktor am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Tübingen. Prof. Dr. med. Georg Marckmann, Medizinethiker und Arzt, ist Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Universität München. Prof. Dr. phil. Robert Ranisch, Philosoph und Medizinethiker, ist Juniorprofessor für Medizinische Ethik mit Schwerpunkt auf Digitalisierung an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Universität Potsdam. PD Dr. phil. Henning Tümmers, Zeit- und Medizinhistoriker, ist Privatdozent am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Tübingen.

Geleitworte


Urban wird 65 – aber nur ein bisschen...

Urban Wiesing feiert 65ten Geburtstag. Genauer: Wir feiern ihn mit diesem Band und einem akademischen Fest. Normalerweise geht man in diesem Alter in den Ruhestand. Nicht so Urban. Es wäre ein großer Schritt für ihn – nur ein kleiner für uns. Denn Urban wird nicht aufhören zu denken, zu schreiben, zu reden und uns mit seinen Gedanken und Überlegungen zu befruchten, zu überzeugen, weiterzubringen. Daher ist es an der Zeit, über seine bisherigen beruflichen Erfolge zu resümieren, vor allem aber: ihm ganz herzlich für die geleistete Arbeit zu danken.

Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, Urban Wiesing über zwanzig Jahre seines beruflichen Weges in den ärztlichen Standesorganisationen auf deutscher und internationaler Ebene zu begleiten. Das hat zu einer Freundschaft geführt, die geprägt ist von intellektueller Frotzelei, viel gemeinsamem Spaß an interessanten Orten dieser Welt und einigen Flaschen guten Weins. Unvergesslich die trouvaille eines »Cloudy Bay« Sauvignon Blanc in Bangkok. Sie merken, wir hatten viel Freude miteinander – aber auch viel ernsthafte Arbeit. Der Reihe nach:

2001 wurde Urban Mitglied der »Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer« (ZEKO). Ein unabhängiges Gremium – modern würde man wohl sagen ein »think tank« –, das die Spitzen der verfassten Ärzteschaft in ethischen und gesellschaftlichen Fragen berät. Sehr schnell, nämlich schon 2004, rückte er an die Spitze der ZEKO und übernahm deren Vorsitz. In dieser Funktion wurde er auch Gast im Plenum des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer.

In seiner zehn Jahre währenden Amtszeit entstanden eine große Zahl wichtiger Publikationen, die in Grenzfragen von Moral und Ethik, an der Nahtstelle zu politischen, ökonomischen oder gesellschaftlichen Entscheidungen eine klare Position der Ärzteschaft formulierten und uns den Weg zu klugen Entscheidungen und Handreichungen in der Standespolitik wiesen. Dabei war das Spektrum der Themen breit gefächert.

Um hier nur einige Themen zu nennen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, zeigen die Stellungnahmen der ZEKO zu »Doping und ärztliche Ethik«, »Priorisierung ärztlicher Leistungen in der GKV« und »Ärztliche Behandlung ohne Krankheitsbezug« die breite thematische Streuung. Natürlich entwickelte Urban Wiesing auch Positionen zu »klassischen« Themen wie »Zwangsbehandlung bei psychischen Erkrankungen« oder »Ethikberatung in der klinischen Medizin«. Seine Verhandlungsführung war dabei diskursiv, manchmal ironisch, aber immer straff. So gelang es, Wissenschaftler und Sachverständige aus vielen unterschiedlichen Fachgebieten zusammenzubinden und präzise, verständliche sowie ausgesprochen nützliche Positionspapiere zu entwickeln.

Im Wissenschaftlichen Beirat der BÄK war Wiesing ebenfalls an richtungsweisenden Papieren beteiligt. Die generelle Notwendigkeit von Versorgungsforschung, aber auch Themen des Embryonenschutzgesetzes und der Gendiagnostik wurden in Stellungnahmen, an denen er sich intensiv beteiligte, dem Vorstand des BÄK zugearbeitet.

Als Präsident der Bundesärztekammer wie auch schon zuvor als deren Vizepräsident habe ich den Diskurs mit Urban Wiesing immer als befruchtend empfunden und genossen. Ich habe daher sehr bedauert, als er nach zehn Jahren 2013 das Amt des Vorsitzenden der ZEKO aufgab. Neben der nachvollziehbaren Begründung einer immens zunehmenden Arbeitsbelastung mögen dabei auch die sich im Zuge der parlamentarischen Beratung zum ärztlich assistierten Suizid anbahnenden unterschiedlichen Auffassungen zur Rolle der Ärzteschaft hierbei eine Rolle gespielt haben.

Ich habe Urban Wiesing in all diesen Jahren auch als »ethic advisor« im Weltärztebund erleben dürfen. Unter der Federführung der Bundesärztekammer haben wir in der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts die wichtigsten Grundsatzdokumente des Weltärztebundes einer Generalüberholung unterzogen, an der Urban Wiesing entscheidenden Anteil hatte. Ja: Ohne ihn wäre das so nicht möglich gewesen.

Von der »Deklaration von Helsinki« (DoH), die Regeln für medizinische Forschung am Menschen aufstellt, über das »Genfer Gelöbnis«, einer Neufassung des Hippokratischen Eides, bis hin zum »International Code of Medical Ethics« (ICoME), alles wäre nicht so erfolgreich gewesen ohne die »helping hands« von Urban. Der Weltärztebund verdankt Urban Wiesing viel – und ich hatte in meinen Ämtern im Vorstand des Weltärztebundes das Glück, auch ein wenig der Lorbeeren mit zu ernten, die Urban für die deutsche verfasste Ärzteschaft einfuhr. Sein Ansehen auf der ethischen »Weltbühne« ist groß, seine Erfolge bei unseren Sitzungen immens und seine Handschrift ist überall erkennbar. Er hat der deutschen Ärzteschaft immer Ehre gemacht und dafür bin ich ihm besonders dankbar.

Und nun noch zur Person Urban Wiesing. Ein Mensch, der es vermag, Widersprüche auszuhalten und nutzbringend aufzulösen. Ein Westfale im Schwabenland, ein Philosoph und Arzt, ein polyglotter, wortgewaltiger Integrator verschiedener Positionen und ein immer an einem alle befriedigenden Ergebnis Interessierter: Das ist Urban Wiesing.

Und daher wird der 65te Geburtstag mit Sicherheit nicht das Ende der Tätigkeit Urbans darstellen. Ich bin sicher, er wird uns weiter mit scharf pointierten, durchaus auch witzigen, immer aber sachorientierten Kommentaren auf dem rechten Weg der ethischen Tugend halten. Möge er dazu noch viel Gelegenheit und Freude haben – das wünsche ich ihm aus ganzem Herzen.

Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery
Ehrenpräsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages
Vorsitzender des Vorstandes Weltärztebund (2019 – 2023)

Medizin und Ethik im Gleichgewicht

In einer Zeit großer Umstrukturierungen und Umwälzungen, hervorgerufen durch digitale und technische Errungenschaften, die die Möglichkeiten in allen Lebensbereichen scheinbar grenzenlos wirken lassen, ist eine Stimme der Vernunft unerlässlich – gerade im Hinblick auf medizinethische Fragen der modernen Wissenschaft und Krankenversorgung. Diese Stimme ist Urban Wiesing. Bedächtig, abwägend, verantwortungsbewusst, respektvoll und zu jeder Zeit klar in seiner Ansprache. Anlässlich seines 65. Geburtstags ist es nicht nur an der Zeit, ihm zu gratulieren, sondern auch kurz innezuhalten und eine bis dato beeindruckende Lebensleistung zu würdigen.

Prof. Dr. Urban Wiesing blickt auf ein Vierteljahrhundert Schaffenszeit an der Medizinischen Fakultät zurück, geprägt von seinem unermüdlichen Einsatz für die Wahrung von Humanität und Vertrauen in der Medizin. 1998 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Ethik in der Medizin an der Universität Tübingen, dem damals ersten Lehrstuhl seiner Art in ganz Deutschland. Nur folgerichtig, dass kurze Zeit später das Institut für Ethik und Geschichte der Medizin gegründet wurde, dessen Direktion Urban Wiesing von 2002 an übernahm. Er leistete wahre Pionierarbeit auf dem Gebiet der Medizinethik und ihm ist es mitunter zu verdanken, dass sich die Medizinethik in Deutschland als ein eigenständiges Fach überhaupt etablieren konnte.

Zahlreiche Studierendenkohorten der medizinischen Studiengänge der Fakultät vergangener Jahrzehnte haben es Herrn Wiesing und seinem Institut zu verdanken, dass sie neben ihrer medizinischen Expertise auch den moralischen und ethischen Kompass an die Hand bekommen haben, um ihre Tätigkeit als Ärztin oder Arzt auszuführen. Als promovierter Mediziner und Philosoph vermag Urban Wiesing wie kaum eine andere Person die Brücke zwischen beiden Welten zu schlagen und diese miteinander zu verknüpfen. So hat er entscheidende Beiträge zu fast allen großen medizin-ethischen Diskursen der vergangenen Dekaden geleistet, wie etwa der embryonalen Stammzellenforschung, der In-vitro-Fertilisation oder den genetischen Screenings, um nur einige wenige zu nennen.

Als Sprecher des Arbeitskreises »Universität Tübingen im Nationalsozialismus« am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin trug Urban Wiesing maßgeblich zur Aufarbeitung eines dunklen Kapitels der Universitäts- und Fakultätsgeschichte bei. Vier Jahre später wurde er Sprecher des bereits 1990 gegründeten Interfakultären Zentrums für Ethik in den Wissenschaften an der Universität Tübingen, das sich national sowie international der Förderung des Dialogs zwischen Natur-‍, Geistes- und Sozialwissenschaften mit Blick auf ethische Aspekte verschrieben hat.

Die Medizinische Fakultät der Universität Tübingen hat Urban Wiesing viel zu verdanken, der nicht nur Philosoph und Mediziner ist, sondern in erster Linie ein Mensch, der stets seinen Prinzipien treu geblieben ist und in hitzigen Diskursen immer die Balance und die Diplomatie gesucht hat. Gerade in der jetzigen Zeit, die durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz in der Medizin geprägt ist, ist eine Stimme wie jene von Urban Wiesing in der Medizinischen Fakultät von unschätzbarem Wert. Wir wünschen ihm zu seinem...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2023
Co-Autor Johann S. Ach, Regina Ammicht Quinn, Diana Aurenque, Tom L. Beauchamp, Dieter Birnbacher, Matthias Bormuth, James F. Childress, Heiner Fangerau, Henk Ten Have, Ralf J. Jox, Alex John London, Ruth Macklin, Georg Marckmann, Giovanni Maio, Frank Ulrich Montgomery, Ramin W. Parsa-Parsi, Bernd Pichler, Heiner Raspe, Sabine Salloch, Bettina Schöne-Seifert, Thomas Schramme, Michael Steinmann, Jochen Taupitz, Jozef Welie, Henning Tümmers, Claudia Wiesemann
Zusatzinfo 3 Abb.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Bioethik • Medizinethik • Medizingeschichte • Medizinische Ethik
ISBN-10 3-17-043847-6 / 3170438476
ISBN-13 978-3-17-043847-7 / 9783170438477
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