Meinungsfreiheit im Sport (eBook)

Verbote und Grenzen für Athlet:innen bei Olympischen Spielen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
159 Seiten
UVK Verlagsgesellschaft mbH
978-3-381-10373-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Meinungsfreiheit im Sport -  Christof Seeger,  Michael Veddern,  Linda Reszczynski
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Das Buch befasst sich mit der Frage, ob Athlet:innen politische Meinungen äußern dürfen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung der Menschenrechte wird der Sport, vor allem im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen, immer mehr in kontroverse Diskussionen über seine Verantwortung für gesellschaftlichen Wandel verwickelt. Im Zentrum der Debatte steht die Regel 50.2 der Olympischen Charta, die lange jegliche Meinungsäußerungen während Olympischer Spiele im Grundsatz verbot. Trotz der - u.a. auf Druck von Athlet:innen - zuletzt erfolgten Teil-Liberalisierung, bleiben weiter wichtige Fragen offen. Die Autor:innen untersuchen verschiedene Standpunkte zu diesem Thema und unterstreichen ihre Erkenntnisse durch empirische Analysen von Social-Media-Kommentaren sowie durch Aussagen von Wintersportkonsument:innen. Die Ergebnisse zeigen, dass respektvolle Meinungsäußerungen von Athletinnen an wichtigen Orten durchaus positiv bewertet werden können und einen wertvollen Beitrag zur Vermittlung olympischer Werte leisten können.

Prof. Christof Seeger war Geschäftsführer eines mittelständischen Zeitungsverlages, bevor er 2005 als Professor an die Hochschule der Medien in Stuttgart wechselte. Er lehrt unter anderem zu Themen der Personalführung und des Managements. 2021 begründete er die Vertiefungsrichtung Sportkommunikation im Master Crossmedia Publishing & Management an der HdM. Prof. Dr. Michael Veddern ist Professor für Medien- und Verlagsrecht an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Zuvor hat er als Rechtsanwalt in Hamburg sowie als wissenschaftlicher Mitarbeit am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster gearbeitet. Linda Reszczynski ist Absolventin des Master-Studiengangs Crossmedia Publishing & Management an der Hochschule der Medien Stuttgart mit Vertiefung Sportkommunikation. Sie ist Assistentin der Geschäftsführung mit Schwerpunkt Marketing und Kommunikation in einem Sportverein.

Prof. Christof Seeger war Geschäftsführer eines mittelständischen Zeitungsverlages, bevor er 2005 als Professor an die Hochschule der Medien in Stuttgart wechselte. Er lehrt unter anderem zu Themen der Personalführung und des Managements. 2021 begründete er die Vertiefungsrichtung Sportkommunikation im Master Crossmedia Publishing & Management an der HdM. Prof. Dr. Michael Veddern ist Professor für Medien- und Verlagsrecht an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Zuvor hat er als Rechtsanwalt in Hamburg sowie als wissenschaftlicher Mitarbeit am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster gearbeitet. Linda Reszczynski ist Absolventin des Master-Studiengangs Crossmedia Publishing & Management an der Hochschule der Medien Stuttgart mit Vertiefung Sportkommunikation. Sie ist Assistentin der Geschäftsführung mit Schwerpunkt Marketing und Kommunikation in einem Sportverein.

Sport, Politik und Gesellschaft
Die Olympische Bewegung
Proteste und Meinungsäußerungen von Athlet:innen
Meinungsfreiheit im internationalen Spitzensport
Olympische Charta und Meinungsfreiheit (Regel 50)
Wirkungen politischer Äußerungen von Athlet:innen
Untersuchungsgegenstand Olympische Winterspiele
Inhaltsanalytische Betrachtung von Social-Media-Kommentaren
Bewertung von Meinungsäußerungen
Zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse

5.3 Meinungsfreiheit als zentrales Menschenrecht


Zu den Menschenrechten zählen – neben Gleichheitsgarantien – bürgerliche und politische Freiheits- und Beteiligungsrechte sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Das Recht auf Meinungsfreiheit und Zugang zu Information ist Teil der politisch-bürgerlichen Menschenrechte. Es ist als Grundrecht in den Verfassungen der meisten Länder sowie – wie vorstehend gezeigt – in mehreren völkerrechtlichen Dokumenten festgeschrieben. Zu den wichtigsten gehören die bereits angesprochene „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR) der UN von 1948, der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ (UN-Zivilpakt) von 1966 sowie die „Europäische Menschenrechtskonvention“ (EMRK) aus dem Jahr 1950. Die Meinungsfreiheit gilt zugleich als Leitprinzip und Grundbedingung rechtsstaatlich-demokratischer Gesellschaften und Staaten, welche ohne individuelle Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit nicht denkbar sind.

5.3.1 Die wichtigsten Kodifizierungen


Meinungsfreiheit, die wir heute in vielen Bereichen als selbstverständlich annehmen, ist das Ergebnis von langen, oftmals konfliktbehafteten Prozessen. Deshalb ist es sinnvoll, die wichtigsten Regelungen zur Meinungsfreiheit in historischen, internationalen und europäischen Menschenrechtsabkommen sowie sonstigen völkerrechtlich relevanten Dokumenten aufzuzeigen. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, so sind z. B. Bestimmungen aus dem humanitären Völkerrecht nicht enthalten.

Bereits in der außerordentlich wirkmächtigen „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ von 1789 im Rahmen der Französischen Revolution kommt das Recht auf Meinungsfreiheit in seiner hervorgehobenen Bedeutung zum Ausdruck:

Artikel 11: Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte. Jeder Bürger kann also frei schreiben, reden und drucken unter Vorbehalt der Verantwortlichkeit für den Missbrauch dieser Freiheit in den durch das Gesetz bestimmten Fällen.

Die ausdrückliche Betonung – je nach Übersetzung – als eines der „kostbarsten“ bzw. „vornehmsten Menschenrechte“ hat das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem berühmten „Lüth“-Urteil (BVerfG, Urt. v.15.01.1958, 1 BvR 400/51) zur Auslegung der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ausdrücklich aufgegriffen und erläuternd hinzugefügt: Als „unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit“ sei die Meinungsfreiheit letztlich „die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“.

Die Formulierung der Meinungsfreiheit in der französischen Menschenrechtserklärung von 1789 lässt aber bereits erkennen, dass die Meinungsfreiheit nie grenzen- bzw. schrankenlos, sondern in bestimmten und begründeten Fällen durch Gesetze oder bei missbräuchlicher Verwendung einschränkbar war bzw. ist.

Nur wenige Jahre später haben die Vereinigten Staaten von Amerika 1791 als weiteren wichtigen Meilenstein die „Bill of Rights“ in Form von 10 Zusatzartikeln zur amerikanischen Verfassung von 1787 verabschiedet (Zusatzartikel 1 (First Amendment) der Bill of Rights vom 25. September 1789). Nach dessen Ersten Zusatzartikel ist es dem Kongress verboten, Gesetze zu erlassen, die die Redefreiheit einschränken:

Zusatzartikel 1: Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung durch Petition, um Abstellung von Missständen zu ersuchen.

In der im Jahr 1803 getroffenen Grundentscheidung „Marbury vs. Madison“ urteilte der U.S. Supreme Court zudem, dass die in einem Rechtsstreit anzuwendenden Gesetze im Einklang mit der Verfassung sein müssten. Dies wird als Grundlage der modernen Verfassungsgerichtsbarkeit, Herrschaft des Rechts sowie individuellen Einklagbarkeit von Grundrechten – wie der Meinungsfreiheit – angesehen (Wilms 1999).

Wie oben dargestellt, hat die Meinungsfreiheit vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg Eingang in diverse internationale Menschenrechtsabkommen erhalten. Zentraler Ausgangspunkt weltweiter Regelungen zur Meinungsfreiheit ist Art. 19 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR) von 1948. Er hat die Meinungsfreiheit als weltweit von allen UN-Mitgliedern anzustrebendes Menschenrecht festgeschrieben.

Artikel 19: Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

Auch wenn die AEMR von einigen Staaten und Gerichten als Gewohnheitsrecht anerkannt wird, bleibt Art. 19 aus einer weltweiten Perspektive – wie oben für die AEMR insgesamt dargestellt – formal nicht bindendes Völkerrecht (Soft Law) im Sinne einer politischen Willenserklärung der Staatengemeinschaft. Erst die Konkretisierung in dem von einer Großzahl von Staaten anerkannten UN-Zivilpakt von 1966 machte die Gewährung des Rechts auf freie Meinungsäußerung für diese völkerrechtlich verbindlich (Bundeszentrale für politische Bildung 2018). Die nach Art. 19 UN-Zivilpakt zu gewährende Meinungsfreiheit und ihre Schranken lauten wie folgt:

Artikel 19

  • (1)

    Jedermann hat das Recht auf unbehinderte Meinungsfreiheit.

  • (2)

    Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art […] sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.

  • (3)

    Die Ausübung der in Absatz 2 vorgesehenen Rechte ist mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Sie kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind

  • (a)

    für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer;

  • (b)

    für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit

Schwachpunkt von Art. 19 UN-Zivilpakt bleibt, dass – wie oben dargestellt – einige Staaten, wie z. B. China als Ausrichter der XXIV. Olympischen Winterspiele 2022 und der XXIX. Sommerspiele 2008 in Peking, weiterhin nicht an den UN-Zivilpakt gebunden sind. Zudem ist den gebundenen Staaten die genaue Definition der Reichweite der Meinungsfreiheit sowie deren Verhältnis zu wirtschaftlich-sozialen Rechten und die Auslegung der Schranken überlassen. Lediglich die etwas mehr als 100 Unterzeichnerstaaten des ergänzenden Ersten Fakultativprotokolls haben sich in einem gewissen, aber nicht streng verbindlichen Umfang der Interpretation des UN-Menschrechtsausschusses unterworfen (Payandeh 2020).

Auch in weiteren UN-Menschenrechtsabkommen, wie der UN-Kinderrechtskonvention oder der UN-Behindertenrechtskonvention, ist das Recht auf Meinungsfreiheit für die spezifischen Regelungsbereiche dieser Abkommen formuliert (GIZ 2014). Zudem beinhalten verschiedene regionale Menschenrechtsabkommen das Recht auf Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen. Zu nennen sind insbesondere die Amerikanische Menschenrechtskonvention (Art. 13), die Arabische Charta der Menschenrechte (Art. 32) und die afrikanische Banjul Charta (Art. 9). In Asien ist das Recht auf Meinungsfreiheit in Art. 23 der nicht rechtsverbindlichen ASEAN Menschenrechtserklärung genannt. Diese regionalen Menschenrechtsabkommen ergänzen die internationalen Abkommen häufig durch besondere Anliegen, die sich aus spezifischen historischen und kulturellen Erfahrungen ergeben (GIZ 2014). Je mehr internationale Abkommen das Recht der freien Meinungsäußerung – verbindlich – anerkennen, umso mehr verfängt die Argumentation eines völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts. Allerdings wird spätestens die faktische Durchsetzung weiterhin dort scheitern, wo einzelne Staaten wie China eine völkerrechtliche Bindung generell ablehnen oder ein verbindlicher Rechtsschutz durch Gerichte oder sonstige anerkannte Spruchkörper nicht zu erlangen ist.

Aufgrund der Möglichkeit von Individualbeschwerden zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) könnte vor allem die in Art. 10 EMRK garantierte Meinungsfreiheit von besonderer Bedeutung sein. Denn sie wirft die Frage auf, ob und inwieweit die Bindung der Schweiz und ihrer Gerichte an die EMRK auf das dem Sitzlandrecht der Schweiz unterliegende Verbandsrecht des IOC durchschlägt (s. u.). Die in Art. 10 EMRK niedergelegte Meinungsfreiheit lautet zunächst wie folgt:

Artikel 10

  • (1)

    Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.

  • (2)

    Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder...

Erscheint lt. Verlag 16.10.2023
Reihe/Serie Sport und Kommunikation
Verlagsort Tübingen
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Autoritäre Systeme • Internationales Olympisches Komitee • IOC • Menschenrechte • Olympische Bewegung • Olympische Charta • Olympische Winterspiele • playing fields • Politik • Proteste • Regel 50 • Social-Media-Kommentare • Spitzensport • Sport • Sportverbände • Verbandsrecht • Vorbildfunktion
ISBN-10 3-381-10373-3 / 3381103733
ISBN-13 978-3-381-10373-7 / 9783381103737
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