Krankenhaus Rating Report 2023 (eBook)
250 Seiten
medhochzwei Verlag
978-3-86216-977-1 (ISBN)
Prof. Dr. Boris Augurzky ist Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI und Geschäftsführer der Institute for Health Care Business (hcb) GmbH sowie Vorstandsvorsitzender der Stiftung Münch. Dr. Sebastian Krolop, Global Chief Operating & Strategy Officer der HIMSS, Chicago, USA. Johannes Hollenbach, Wissenschaftler im Kompetenzbereich Gesundheit am RWI Daniel Monsees ist Wissenschaftler im Kompetenzbereich Gesundheit am RWI Dr. Adam Pilny ist Projektleiter in der Institute for Health Care Business (hcb) GmbH. Prof. Dr. Christoph M. Schmidt ist Präsident des RWI. Dr. Christiane Wuckel ist Wissenschaftlerin im Kompetenzbereich Gesundheit am RWI.
Executive Summary
Status quo. Der deutsche Gesundheitsmarkt erreichte im Jahr 2021 ein Volumen von rund 474 Mrd. €, das sind 13,3 % des Bruttoinlandprodukts. Im Jahr 2019 lag der Wert noch bei 11,9 %. Etwa einen Prozentpunkt dieses starken Anstiegs lässt sich auf die Corona-Pandemie zurückführen. In den drei Jahren der Corona-Pandemie stand der Krankenhaussektor in vielfältiger Hinsicht im Mittelpunkt des Geschehens: Betroffen waren die Auslastung und Fallstruktur der Häuser, ihre Ertragslage sowie Aspekte der Personalstruktur und deren Entwicklung.
Nach einem wirtschaftlich guten Jahr 2020 hat sich die Lage der Krankenhäuser im Jahr 2021 wieder verschlechtert. Maßgeblich dafür war der Rückgang der Ausgleichszahlungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie bei einem nach wie vor geringen Leistungsniveau der Krankenhäuser. Die durchschnittliche Insolvenzwahrscheinlichkeit der Krankenhäuser, die im Jahr 2019 bei 1,5 % gelegen hatte, hatte sich im Jahr 2020 auf 1,0 % verbessert, stieg im Jahr 2021 aber wieder auf 1,3 %. Dabei befanden sich 11 % der Krankenhäuser im roten Bereich mit erhöhter Insolvenzgefahr, 16 % im gelben und 73 % im grünen Bereich.
Fast ein Drittel (32 %) der Krankenhäuser schrieben im Jahr 2021 auf Konzernebene einen Jahresverlust, nach lediglich etwas mehr als einem Fünftel (22 %) im Jahr davor. Das durchschnittliche Jahresergebnis betrug 2021 lediglich 0,8 % der Erlöse, im Jahr davor waren es 1,8 %. Datengrundlage für diese Analysen ist eine Stichprobe von 521 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2020 und 525 Abschlüssen aus 2021, die insgesamt 976 Krankenhäuser umfassen. Über das Jahr 2022 lagen bisher noch keine Jahresabschlüsse in ausreichender Zahl vor.
Aufgrund der COVID-19-Pandemie sank im Jahr 2020 die stationäre Fallzahl außerordentlich stark um 13,5 %. Im zweiten Pandemiejahr 2021 sank sie nochmals leicht um 0,3 %, im dritten Jahr 2022 nahm sie geringfügig um etwa 0,8 % zu. Dagegen stieg der Casemixindex 2020 um 4,7 % und 2021 um 1,3 %, weil während der Pandemie vor allem leichtere Fälle nicht stationär erbracht wurden. Im Ergebnis sank das Casemixvolumen weniger stark als die Fallzahl, lag aber im Jahr 2022 vermutlich weiterhin deutlich um etwa 7 % unter dem Niveau von 2019.
Die Investitionsfördermittel der Länder beliefen sich im Jahr 2021 auf 3,3 Mrd. €, 0,6 % mehr als im Vorjahr. Bezogen auf die Krankenhauserlöse entspricht dies einem Anteil von 3,2 %, im Jahr 1991 waren es noch rund 10 % gewesen. Zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Unternehmenssubstanz sollten jährlich 7-8 % der Erlöse in Investitionen fließen. Wir schätzen den jährlichen förderfähigen Investitionsbedarf der Plankrankenhäuser zum Substanzerhalt auf mindestens 5,7 Mrd. €, zuzüglich Universitätskliniken insgesamt auf 6,6 Mrd. €.
Krankenhäuser schließen diese investive Lücke nur zum Teil aus eigener Kraft; dies führt zu einem Substanzverzehr, der auch in den Bilanzen sichtbar wird. Besonders stark war der Substanzverzehr bei den ostdeutschen Krankenhäusern, die sich – von einer sehr guten Unternehmenssubstanz kommend – dem niedrigen Niveau der westdeutschen Krankenhäuser immer weiter annähern. Bezogen auf die Erlöse sank das Sachanlagevermögen in Westdeutschland zwischen 2007 und 2021 um fast 15 %, in Ostdeutschland um 40 %.
Auf Grundlage der vorliegenden Jahresabschlüsse von 2007 bis 2021 konnten zeitstabile Muster herausgearbeitet werden – die in begrenztem Ausmaß für zugrundeliegende Ursachen indikativ sein können. Signifikant besser fällt das Rating in Ost-Deutschland aus, am schlechtesten in Bayern und Baden-Württemberg. Ferner schneiden Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft deutlich besser beim Rating und der Ertragslage ab als öffentlich-rechtliche Kliniken.
Eine Ausnahme bilden öffentlich-rechtliche Kliniken in ärmeren Kreisen, die signifikant besser abschneiden als solche in reicheren Kreisen. Die fehlende Möglichkeit von Subventionen ärmerer kommunaler Träger könnte eine Erklärung dafür sein. Verschlechtert hat sich die Ertragslage privater Krankenhäuser 2021 im Vergleich zum Jahr 2019, während sie bei öffentlich-rechtlichen nur leicht zurückging und sich bei freigemeinnützigen Häusern sogar verbesserte.
Größere Häuser schneiden beim Rating und der Ertragslage besser ab. Dieser Größenvorteil kehrt sich jedoch ab einer bestimmten Größe um. Das bedeutet, kleine sowie besonders große Krankenhäuser erzielen eine geringere Umsatzrendite als Häuser mit einer Bettenzahl zwischen 500 und 900, ausgenommen Fachkliniken. Häuser in Klinikketten, solche mit einem mittleren und hohen Spezialisierungsgrad sowie Einrichtungen mit einem hohen Casemixindex weisen ein signifikant besseres Rating und Ertragslage auf.
Personal. In den Krankenhäusern ist die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 2015 und 2022 um 12,0 % gestiegen. Gleichzeitig hat allerdings der Anteil der Teilzeitbeschäftigten leicht zugenommen. Im ärztlichen Dienst in Krankenhäusern hat er sich zwischen 2004 und 2020 von 12 % auf 30 % mehr als verdoppelt. Eine starke Zunahme war zudem bei ausländischen Beschäftigten in Krankenhäusern zu beobachten, insbesondere bei den Pflegekräften. Trotz der Zunahme der Zahl an Beschäftigten in den medizinischen Gesundheitsberufen sind nach wie vor zahlreiche Stellen nicht besetzt.
Im Jahr 2022 lag die Zahl der von Krankenhäusern gemeldeten offenen Stellen um 88 % höher als 2015. Erfreulicherweise ist seit 2019 im Gesundheitswesen eine Zunahme bei der Anzahl der Auszubildenden zu beobachten. Während sie von 2015 bis 2018 in Krankenhäusern und Hochschulkliniken bei etwa 75 500 lag, waren es 2022 circa 110 000. So konnte in der Pflege der Anteil der Unter-25jährigen an der Belegschaft von 7,5 % im Jahr 2015 auf 8,8 % im Jahr 2022 gesteigert werden. Allerdings wird diese Zunahme nicht genügen, um den Teil der Belegschaft, der in den kommenden Jahren in Rente gehen wird, komplett zu ersetzen. Von 2015 bis 2022 ist der Anteil der Pflegekräfte über 55 Jahre von 16,9 auf 22,6 % und im ärztlichen Dienst von 12,9 auf 16,9 % gestiegen.
Die Akademisierung der Pflege nimmt zu. Der Anteil der Pflegekräfte mit einem akademischen Berufsabschluss ist von 2015 bis 2022 von 2 auf 5 % gestiegen. Ebenso hat sich die Vergütung von Pflegekräften zwischen 2015 und 2021 spürbar verbessert. Besonders hoch sind die Pflegelöhne im Saarland und in Baden-Württemberg, was im offensichtlichen Zusammenhang damit steht, dass beide Länder jeweils an die Hochlohnländer Luxemburg und Schweiz grenzen. Die Dauer einer Beschäftigung ist von 2015 bis 2021 besonders bei Pflegeberufen gesunken, während sie im ärztlichen Dienst nahezu unverändert blieb.
Wie im Krankenhausbereich ging auch im vertragsärztlichen Bereich die Ärztezahl kontinuierlich nach oben, wobei ein immer größerer Teil davon in Teilzeit tätig ist. Im Jahr 2009 arbeiteten 8 % in Teilzeit, mit 43 % hat sich der Anteil bis zum Jahr 2022 mehr als verfünffacht. Daher ist umgerechnet die Zahl der Vollkräfte im vertragsärztlichen Bereich zwischen 2009 und 2022 konstant geblieben. Überdies arbeiten immer mehr in einem Angestelltenverhältnis: 6 % im Jahr 2008 und 26 % im Jahr 2022.
Projektion. Wir schreiben die Jahresabschlüsse des Jahres 2021 unter Berücksichtigung der bereits über die Jahre 2022 und 2023 vorliegenden Erkenntnisse und beschlossener Gesetzesänderungen sowie der demografischen Entwicklung bis 2030 fort. Im Szenario „Fortschreibung“ gehen wir davon aus, dass die in den Pandemiejahren beobachtete geringe Leistungsmenge dauerhaft niedrig bleibt und es nur zu einem leichten demografisch bedingten Wachstum kommt. Weiterhin berücksichtigen wir die gestiegene Inflation sowie bereits beschlossene Kurzfristhilfen wie die Energiepreisbremse und den Härtefallfonds.
In diesem Szenario würde der Anteil der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich im Jahr 2023 auf 18 % und bis 2030 auf 44 % steigen. Der Anteil der Krankenhäuser mit einem Jahresverlust würde 2023 auf 47 % und bis 2030 auf 58 % wachsen. Daraus würde ein enormer Anpassungsdruck entstehen. Ergänzend simulieren wir eine einmalige Stabilisierungshilfe i. H. v. 1,0 Mrd. € im Jahr 2023 sowie dauerhafte Hilfen i. H. v. 4,0 Mrd. € p.a. ab dem Jahr 2024. Sie würden zu einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage führen. Im Jahr 2030 würden dann lediglich 26 % der Häuser einen Jahresverlust ausweisen.
Falls das Leistungsniveau durch einen wachsenden Personalmangel und eine voranschreitende Ambulantisierung sogar sinken sollte, käme es zu einer dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser. Die überwiegende Mehrzahl der Krankenhäuser würde in diesem Szenario bereits ab 2024 einen Jahresverlust ausweisen. Zur Stabilisierung erforderlich wären zum einen kontinuierliche Struktur- und Prozessoptimierungen in einem Ausmaß, das mit einer Effizienzverbesserung von 0,8 % pro Jahr verbunden wäre, sowie zum anderen eine Reduktion und Anpassung der Krankenhauskapazitäten durch Zusammenlegungen und Umwandlungen von Standorten.
Ausblick. In den kommenden Jahren verlassen die geburtenstarken Jahrgänge schrittweise den Arbeitsmarkt und die geburtenschwachen Jahrgänge aus den 2000er-Jahren treten in den Arbeitsmarkt ein. Infolge dieser Veränderungen wird das Erwerbspersonenpotenzial stark sinken. Der Arbeitsmarkt wird aber gewiss zu einem neuen Gleichgewicht...
Erscheint lt. Verlag | 15.6.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Allgemeines / Lexika |
ISBN-10 | 3-86216-977-4 / 3862169774 |
ISBN-13 | 978-3-86216-977-1 / 9783862169771 |
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