Endspurt Vorklinik: PsychSoz (eBook)
120 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-244570-3 (ISBN)
1 Grundlagen
H. Kessler
1.1 Gesundheit und Krankheit
1.1.1 Definition von Gesundheit
Meistens wird der Begriff Gesundheit negativ definiert und als „Abwesenheit von Krankheit“ beschrieben. Gesund ist eine Person dann, wenn sie subjektiv keine körperlichen, geistigen und seelischen Störungen wahrnimmt oder wenn bei ihr keine krankhaften Veränderungen vorliegen. Die WHO jedoch hat Gesundheit positiv formuliert: Gesundheit ist laut WHO ein Idealzustand „völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“. Dieser Idealzustand wird auch Idealnorm genannt.
1.1.2 Definition von Krankheit
1.1.2.1 Definition nach Gesundheitskriterien
Häufig wird Krankheit anhand der verschiedenen Kriterien von Gesundheit definiert:
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Gesundheit ist ein ausgewogener, harmonischer Zustand des Organismus (bzw. von Körper und Seele), Krankheit dagegen eine Störung des Gleichgewichts oder eine Disharmonie.
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Gesundheit besteht in einer intakten Funktions- und Regulationsfähigkeit des Gesamtorganismus und seiner Teile, Krankheit kommt dagegen durch den Ausfall eines oder mehrerer zur Ausübung dieser Fähigkeit benötigter Teile oder Glieder zustande.
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Gesundheit ist durch Wohlbefinden, Genuss- und Leistungsfähigkeit gekennzeichnet, Krankheit besteht dagegen in einer subjektiven Beeinträchtigung dieser Befindlichkeit.
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Gesundheit beinhaltet die Fähigkeit zur Ausübung der gesellschaftlich erwarteten Leistungen und Rollenverpflichtungen, Krankheit ist dagegen mit sozialer Hilfsbedürftigkeit und der Entbindung von den sozialen Verpflichtungen verbunden.
Ein Mensch ist demnach krank, wenn er sich in seinem Wohlbefinden und seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt fühlt.
1.1.2.2 Definition nach Krankheitskriterien
Andere Ansätze zur Definition von „Krankheit“ beruhen auf konkreten Krankheitskriterien. In verkürzter Form dargestellt ist ein Zustand oder ein Ereignis nach dieser Betrachtung krankhaft,
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wenn er unbehandelt zum vorzeitigen Tod oder zur Verkürzung der natürlichen Lebenserwartung führt, oder
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wenn er unbehandelt mit Schmerz oder Beschwerden in körperlicher und/oder seelischer Hinsicht verbunden ist, die eine bestimmte Intensität, Dauer oder Häufigkeit überschreiten (Leiden), oder
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wenn er unbehandelt die Unfähigkeit zur biologischen Reproduktion zur Folge hat, oder
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wenn er dazu führt, dass ein davon Betroffener unbehandelt nicht in der Lage ist, mit „gesunden“ menschlichen Lebensgemeinschaften seinem Alter entsprechend möglichst konfliktfrei und kooperativ zusammenzuleben (soziale Integrationsunfähigkeit) oder
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wenn er die natürlich vorgegebenen körperlich-seelischen Potenziale des Betroffenen so verändert, dass dieser in bestimmten, zuvor harmlosen Situationen gemäß den hier genannten Krankheitskriterien krank wird (Krankheitsdisposition).
1.1.3 Wichtige Begriffe rund um Krankheit
Ätiologie. Die Ätiologie beschreibt die Lehre von den Krankheitsursachen und untersucht alle Faktoren, die zu einer Krankheit geführt haben.
Pathogenese. Sie beinhaltet die Entstehungsgeschichte der Krankheit. Die Pathogenese körperlicher Erkrankungen ist besser erforscht als diejenige psychischer Erkrankungen.
Störung. Diese Bezeichnung wird in der Psychologie häufig anstelle des weniger neutralen Begriffs „Krankheit“ verwendet, da sich bei psychischen Erkrankungen die ätiologischen und pathogenetischen Beziehungen häufig nicht eindeutig nachweisen lassen. Bei der Entstehung von psychischen Störungen spielt oft eine Wechselwirkung biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren eine Rolle ( ▶ biopsychosoziales Modell).
Krankengeschichte. Hier finden sich u.a. Angaben zur Anamnese, zur Krankheitsursache, zum Verlauf der Erkrankung und zu den durchgeführten therapeutischen Maßnahmen. Ärztliches Personal ist dazu verpflichtet, die Krankengeschichte zu dokumentieren.
Chronifizierung. Übergang von einer akuten Krankheit zu einer dauerhaften, chronischen Krankheit. Ein Beispiel sind chronische Schmerzen. Von einer chronischen Depression oder einer chronischen Schmerzstörung spricht man dann, wenn die Symptome länger als sechs Monate bestehen.
Remission. Remission bedeutet, dass sich die Symptome einer Krankheit im Verlauf abschwächen. Die Remission kann dauerhaft oder vorübergehend sein. Sie erfolgt entweder durch therapeutische Maßnahmen oder ohne medizinische Hilfe (Spontanremission). Außerdem unterscheidet man zwischen kompletter und partieller Remission.
Rezidiv. Unter einem Rezidiv versteht man den Rückfall einer Krankheit. Diese tritt erneut auf, obwohl sie bereits abgeheilt war.
Kuration. Als Kuration oder kurative Therapie bezeichnet man Behandlungsmaßnahmen, die auf eine vollständige Heilung („restitutio ad integrum“) der erkrankten Person abzielen und zugleich eine weitere Verschlechterung verhindern.
Rehabilitation. Eine erkrankte Person wird so therapiert, dass sie wieder am normalen Leben teilnehmen kann. Ziel der Rehabilitation ist es, die Krankheitsbewältigung zu fördern und die Folgen chronischer Krankheiten abzumildern, sodass Betroffene wieder in die Gesellschaft „hineinpassen“.
Risikofaktoren. Das sind Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Erkrankung erhöhen. Nicht alle Menschen erkranken jedoch aufgrund einer belastenden Situation an einer Depression.
Protektive Faktoren. Sie können im Verlauf der Pathogenese pathobiologische Mechanismen unterbrechen oder in ihrer Wirkung abschwächen. Protektive Faktoren sind beispielsweise günstige Persönlichkeitseigenschaften oder ein stabiles soziales Umfeld. Sie wirken außerdem auch einer Rezidivbildung oder Chronifizierung entgegen.
Resilienz. Darunter versteht man Widerstandsfähigkeit oder psychische Elastizität. Es handelt sich um psychische und physische Fähigkeiten, die einem Individuum helfen, belastende Lebenskrisen ohne langfristige Beeinträchtigung zu verarbeiten.
1.1.4 Dichotomie von Gesundheit und Krankheit
Dichotom bedeutet zweipolig, also „krank“ oder „gesund“. Die Modelle, die Gesundheit als die Abwesenheit von Krankheit definieren, gehen von einer dichotomen Betrachtungsweise aus. Es scheint jedoch wesentlich wirklichkeitsnäher, Gesundheit als einen Zustand zu beschreiben, der sich auf einem Kontinuum zwischen den beiden Polen absoluter Krankheit und absoluter Gesundheit befindet.
1.1.5 Normbegriffe
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Statistische Norm: orientiert sich an tatsächlichen statistischen Werten, also Ist-Werten (z.B. am Mittelwert einer Bevölkerung, Prozentangaben, Häufigkeiten...). Dabei ist das „Häufige“ normal.
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Idealnorm: Damit ist der wünschenswerte Sollwert gemeint.
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Funktionsnorm: Diese prüft, ob eine ausreichende Funktionsfähigkeit der Person im alltäglichen Leben gegeben ist.
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Diagnostische Norm: Ein diagnostischer Test kann ein normales „negatives“ oder nicht normales „positives“ Ergebnis hervorbringen. Das Kriterium der diagnostischen Norm bedeutet dabei, dass die Krankheit mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich vorliegt, wenn das Testergebnis positiv ausfällt.
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Therapeutische Norm: Sie beschreibt die Bedeutung eines Normwerts in der Therapie. Kann beispielsweise das Risiko für Folgeerkrankungen ab einem bestimmten Blutdruckwert gesenkt werden, gilt dieser Wert als therapeutische Norm.
Im Fachgebiet ▶ Epidemiologie geht es um die Entstehung und Verbreitung von Krankheiten sowie deren Bekämpfung und soziale Folgen in einer Bevölkerung.
IMPP-Fakten
!!!! Idealnorm: Idealzustand „völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“ (Gesundheitsbegriff der WHO).
! Funktionsnorm: Diese prüft, ob eine ausreichende Funktionsfähigkeit der Person im alltäglichen Leben gegeben ist.
!!! Remission: Abschwächung von Symptomen im Verlauf einer Krankheit.
! Chronifizierung: Übergang von einer akuten Krankheit zu einer dauerhaften, chronischen Krankheit.
!!!! Rezidiv: Erneutes Auftreten einer Erkrankung nach erfolgtem Heilungsprozess.
!! Therapeutische Norm: Sie beschreibt die Bedeutung eines Normwerts in der Therapie.
Erscheint lt. Verlag | 5.4.2023 |
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Reihe/Serie | Endspurt Vorklinik | Endspurt Vorklinik |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Studium |
Schlagworte | 1. ÄP • Endspurt • IMPP • Lernplaner • M1 • Medizistudium • Physikum • Prüfungsvorbereitung • PsychSoz • Skript |
ISBN-10 | 3-13-244570-3 / 3132445703 |
ISBN-13 | 978-3-13-244570-3 / 9783132445703 |
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