Audiometrie (eBook)
192 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-245247-3 (ISBN)
1 Das Hörorgan
1.1 Äußeres Ohr
Beim Hören im freien Schallfeld und vor allem für das Richtungshören ist die charakteristische Form der Ohrmuschel von Bedeutung. Bei den üblichen audiometrischen Untersuchungen kann dies aber in der Regel unberücksichtigt bleiben.
Der äußere Gehörgang beginnt am Grund der Ohrmuschel und endet am Trommelfell ( ▶ Abb. 1.1). Im äußeren Teil besteht der Gehörgang aus Knorpel und ist deshalb (in engen Grenzen) dehnbar und elastisch. In seinem knorpeligen Anteil kann man durch Einführen eines Ohrtrichters den nicht ganz gerade verlaufenden Gehörgang so ausrichten, dass der Blick auf das Trommelfell freigegeben wird. Im starren knöchernen Gehörgang ist die Haut sehr dünn und extrem schmerzempfindlich, daher sollte man dort mit Manipulationen zurückhaltend und vorsichtig sein.
Die Haut des äußeren Gehörgangs wird durch das Zerumen (Ohrenschmalz) feucht und geschmeidig gehalten, eine wichtige Voraussetzung für die Widerstandskraft der Haut gegen das Eindringen von Krankheitserregern. Es wandert mit den Teilen der Haut, deren oberste Schicht sich regelmäßig erneuert, nach außen. Bei manchen Menschen funktioniert dieser Selbstreinigungsmechanismus nicht oder nur ungenügend: Es kommt zur Bildung eines Zerumenpfropfs, welcher, um einen ungehinderten Schalltransport zum Mittelohr sicherzustellen, vor der audiometrischen Untersuchung durch den Arzt entfernt werden muss.
Abb. 1.1 Das Ohr. G: Gehörgang, T: Trommelfell, P: Paukenhöhle, S: Stapediusmuskel, K: Kochlea, H: Hörnerv, TE: Tuba Eustachii (Ohrtrompete), B: Bogengänge.
1.2 Mittelohr
Nachdem der Schall seinen Weg durch den Gehörgang genommen hat, trifft er auf das Trommelfell, die Eintrittspforte zum Mittelohr ( ▶ Abb. 1.1). Das Trommelfell ist eine zarte Membran, die mittels eines Faserrings (Anulus fibrosus) in den Knochen eingelassen ist. Dieser Faserring fehlt nur in einem kleinen Teil des Trommelfells (Pars flaccida). Dies ist die Stelle, an welcher bei der Entstehung eines ▶ Cholesteatoms durch eine randständige Trommelfellperforation Haut vom Gehörgang in das Innere des Mittelohrs einwachsen kann.
Etwa in der Mitte des Trommelfells ist das erste Gehörknöchelchen, der Hammer, befestigt. Von dort wird die Schallenergie an das zweite Gehörknöchelchen, den Amboss, und von diesem an den Steigbügel weitergeleitet. Die Fußplatte des Steigbügels verschließt das ovale Fenster mit der Eingangsmembran zum Innenohr. Sie leitet die Schwingungen von Trommelfell und Gehörknöchelchen in die Innenohrflüssigkeit weiter.
Eine wichtige Funktion kommt der Ohrtrompete, der Tuba Eustachii ( ▶ Abb. 1.1), zu. Sie nimmt ihren Ausgang am Boden des Mittelohrs und endet im Nasenrachenraum. Beim Schlucken oder Gähnen öffnet sie sich im nasalen Anteil, wodurch ein Druckausgleich zwischen der im Mittelohr eingeschlossenen Luft und dem jeweils herrschenden atmosphärischen Außendruck herbeigeführt wird. Diese Druckgleichheit ist die wichtigste Voraussetzung für ein ungehindertes Schwingen des Trommelfells. Unter- oder Überdruck führen zu einer Versteifung des Trommelfells und zu einer eingeschränkten Weiterleitung tiefer Frequenzen des Schalls vom äußeren Gehörgang zum Innenohr.
Auf den ersten Blick scheint die komplizierte Struktur des Mittelohrs eine überflüssige Laune der Natur zu sein: Es wäre doch (scheinbar) viel einfacher, die Schallenergie auf direktem Weg an die Innenohrstrukturen heranzuführen. Bis zum Trommelfell findet der gesamte Schalltransport in der uns umgebenden Luft statt. An der Fußplatte muss die Schallenergie in das flüssigkeitsgefüllte Innenohr übertragen werden. Flüssigkeiten setzen jedoch den Schallwellen einen vielfach höheren Widerstand (Impedanz) entgegen als Luft. Trommelfell und Gehörknöchelchen dienen dazu, diesen Unterschied durch eine Schalldruckverstärkung zu überwinden: Durch die Hebelwirkung der Gehörknöchelchen und durch die Konzentration der Schallenergie von der großen Fläche des Trommelfells auf die sehr viel kleinere Fußplatte des Steigbügels wird eine Schalldruckverstärkung um das ca. 25-Fache erreicht.
Zwei kleine Muskeln, welche an den Gehörknöchelchen ansetzen, können die Schallübertragung beeinflussen: Der Stapediusmuskel kippt, durch hohe Schallintensitäten aktiviert, den Steigbügel ein wenig an und versteift auf diese Weise die Gehörknöchelchen, um das Hörorgan in tiefen Frequenzen vor einer Überlastung zu schützen. Das Gleiche geschieht bei höherem Schalldruck durch die Kontraktion des Tensor-tympani-Muskels, welcher am Hammer ansetzt.
1.3 Innenohr
1.3.1 Anatomie
Das Innenohr umfasst Hör- und Gleichgewichtsorgan (wobei wir nur ersteres näher betrachten wollen). Es bietet auf den ersten Blick ein kompliziertes Bild ( ▶ Abb. 1.1), weswegen es auch Labyrinth genannt wird: Es besteht aus einem vielfach gewundenen, flüssigkeitsgefüllten Kanalsystem: Im Hörorgan aus der Ohrschnecke, der Kochlea, im Gleichgewichtsorgan aus den Bogengängen mit dazwischen liegenden, sackartigen Erweiterungen (Sakkulus und Utrikulus). Die Länge der Kochlea des Menschen beträgt 31–36 mm mit geringen Längenunterschieden zwischen Männern und Frauen bei im Mittel 2,5 Windungen.
Im Eingang der Schnecke, dem ovalen Fenster, liegt die Steigbügelfußplatte. Dahinter beginnt die mit Flüssigkeit (Perilymphe) gefüllte Scala vestibuli (Vorhoftreppe). Das Ende dieses Schlauchs mündet an der Schneckenspitze mit einer kleinen Öffnung (Helikotrema) in die Scala tympani (Paukentreppe), die zum Mittelohr zurückführt und durch eine elastische Membran im runden Fenster abgeschlossen ist.
Zwischen beiden Gängen zieht sich in gleichen Windungen ein weiterer mit Flüssigkeit (Endolymphe) gefüllter Raum von der Schneckenbasis bis zur Spitze, der Ductus cochlearis (Schneckengang), dessen Boden die schwingungsfähige Basilarmembran bildet ( ▶ Abb. 1.2). Auf der Basilarmembran sind in einer Reihe die etwa 3500 inneren und in drei Reihen die etwa 15000 äußeren Haarzellen angeordnet, deren haarähnliche Zilien in die Tektorialmembran ragen. Zusammen mit den Stützzellen bilden sie das Corti-Organ ( ▶ Abb. 1.3). Eine Erregung der Sinneszellen kommt durch Scherbewegungen der Zilien zustande. Die Haarzellen werden von den Fasern des Hörnervs innerviert, die sich im Inneren der Kochlea (Modiolus) befinden.
Nur die inneren Haarzellen können Schall in Nervenerregung umwandeln, sie sind die eigentlichen Hörzellen. Von den etwa 30000 Fasern des Hörnervs sind 95 % mit den inneren Haarzellen verbunden und leiten die akustisch ausgelöste bioelektrische Erregung (Aktionspotenziale) zum Gehirn weiter (afferente Fasern). Die äußeren Haarzellen sind Schwingungsverstärker und überwiegend mit efferenten Nervenfasern verkoppelt, die zentrale Informationen zurück zum Hörorgan übermitteln.
Abb. 1.2 Schematischer Querschnitt durch eine Schneckenwindung. SV: Scala vestibuli, ST: Scala tympani, DC: Ductus cochlearis, RM: Reissner-Membran, BM: Basilarmembran, CO: Corti-Organ, STR: Stria vascularis, HN: Hörnerv.
Abb. 1.3 Corti-Organ mit IH: innere Haarzelle, AH: äußere Haarzelle, BM: Basilarmembran, TM: Tektorialmembran, HN: Hörnerv.
1.3.2 Akustische Anregung und Tonhöhenwahrnehmung
Die Bewegung der Luftmoleküle bei einem Schallreiz versetzt das...
Erscheint lt. Verlag | 23.11.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete |
Schlagworte | akustisch evozierte Potentiale • Audiometrie • Audiosim • Gehör • Gehörprüfung • Hörtest • Innenohr • Kinderaudiometrie • Mittelohr • Schwerhörigkeit • Sprachaudiometrie • Sprachverständlichkeit • Tonschwellenaudiometrie • Vertäubung |
ISBN-10 | 3-13-245247-5 / 3132452475 |
ISBN-13 | 978-3-13-245247-3 / 9783132452473 |
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