Basiswissen Aphasie (eBook)

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2022 | 1. Auflage
134 Seiten
UTB (Verlag)
978-3-8463-5824-5 (ISBN)

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Basiswissen Aphasie -  Kerstin Bilda
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Wenn Sprache verloren geht Was ist Aphasie, wie entsteht sie und welche Diagnose- und Therapiemöglichkeiten gibt es aktuell? Dieses zukunftsweisende Grundlagenbuch bietet eine komprimierte Zusammenfassung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Diagnostik und evidenzbasierte Therapie bei aphasischen Sprachstörungen. Dabei liegt ein thematischer Schwerpunkt auf dem Einsatz von Digitalisierung, Teletherapie und nicht-invasiver Hirnstimulation. utb+: Leser:innen erhalten zusätzlich zum Buch einen interaktiver Prüfungstrainer, um das erlernte Wissen zu überprüfen und zu vertiefen. Erhältlich über utb.de.

2000 Promotion zum Dr. phil. an der RWTH Aachen;Dissertation über visuelle und verbale Konzeptstörungen bei Aphasie;Professorin für Logopädie Schwerpunkt Neurorehabilitation an der Hochschule für Gesundheit Bochum;Leitung Studienbereich Logopädie;Vizepräsidentin Forschung hsg Bochum

2000 Promotion zum Dr. phil. an der RWTH Aachen;Dissertation über visuelle und verbale Konzeptstörungen bei Aphasie;Professorin für Logopädie Schwerpunkt Neurorehabilitation an der Hochschule für Gesundheit Bochum;Leitung Studienbereich Logopädie;Vizepräsidentin Forschung hsg Bochum

Vorwort 9
1 Einleitung 10
2 Beschreibung der Aphasien 12
2 1 Definition der Aphasie 12
2 2 Einteilungen von Aphasien 13
Akute, postakute und chronische Aphasie 14
Flüssige und nichtflüssige Aphasien 14
Rest-Aphasie 15
Aphasie bei Kindern 15
Aphasie bei Mehrsprachigkeit 16
2 3 Klassifikation von Aphasien 17
Syndromansatz 18
Individualansatz 20
2 4 Abgrenzung der Aphasie zu anderen Kommunikationsstörungen 21
Dysarthrophonie 21
Sprechapraxie 21
Kommunikationsstörungen bei Demenz 22
Kognitive Kommunikationsstörungen 27
3 Medizinische Grundlagen 29
3 1 Lokalisation der Sprache im Gehirn 29
Kurzer historischer Überblick 29
Bildgebende Methoden 33
Funktionelle Verfahren 34
Hemisphärendominanz 36
3 2 Neuronale Korrelate der Sprachverarbeitung 38
Sprachverarbeitung im gesunden Gehirn 38
3 3 Sprachverarbeitung 41
Netzwerkreorganisation: Restitution von Sprachfunktionen 42
Links- und rechtshemisphärische Netzwerke: Spracherholung 43
Domänenübergreifende Hirnareale: Spracherholung 45
4 Aphasische Symptome 48
4 1 Erscheinungsbild 48
4 2 Begleiterkrankungen: Alexie, Agrafie und Akalkulie 49
5 Diagnostik der Aphasie 52
5 1 Anamnese 54
5 2 Standardisierte und normierte Verfahren 60
5 3 Modellorientierte Verfahren 62
5 4 Kommunikativ-pragmatisch orientierte Verfahren 66
Direkte Verfahren zur Erfassung der Alltagskommunikation 66
Indirekte Qualitative Verfahren zur Erfassung kommunikativer Fähigkeiten67
6 Therapie der Aphasie 70
6 1 Therapieansätze bei Aphasie 71
Sprachsystematische Ansätze 72
Stimulierende Ansätze 72
Modellbasierte Ansätze 74
Verhaltensorientierte Ansätze 77
Kommunikativ-pragmatisch orientierte Therapie 78
6 2 Beratung der Angehörigen und Patienten 81
6 3 Neue Technologien in der Aphasietherapie 83
Technologiegestützte Therapie 84
Teletherapie 85
Soziale Roboter 88
Gleichstromstimulation (tDCS) 91
6 4 Pharmakotherapie 98
6 5 Evidenzbasierte Rehabilitation bei Aphasie 100
Wirksamkeitsnachweise für die Rehabilitation bei Aphasie 101
Therapieeffektivität in den klinischen Verlaufsphasen 103
Beispiele aus der Praxis 105
6 6 Leitlinien und Reha-Therapiestandards 107
7 Zukunft 110
Literatur 112
Sachregister 133

3Medizinische Grundlagen


3.1Lokalisation der Sprache im Gehirn


Kurzer historischer Überblick


Die Fähigkeit zur Sprache ist eine sehr beindruckende spezifische menschliche Errungenschaft, die uns neben unserer Kultur und der Fähigkeit des logischen Denkens von Tieren unterscheidet (Herrmann/Fiebach 2004). Sie umfasst die Erkennung von Wörtern im Bruchteil einer Sekunde sowie die Kombination dieser Wörter anhand grammatischer Regeln, die es ermöglicht, eine prinzipiell unbeschränkte Anzahl von Bedeutungen zu kommunizieren. Diese Fähigkeiten der Sprachverarbeitung sind Leistungen des Gehirns.

Der Ursprung der Sprache gilt als eine der großen Fragen der Menschheit, die in den unterschiedlichen Schöpfungsmythen aufgegriffen und mit dem Beginn der Aufklärung wissenschaftlich aus linguistischer und medizinischer Sichtweise untersucht wurde.

Im Jahr 1769 stellte die Berliner Akademie für Wissenschaften in einem öffentlichen Wettbewerb die Frage: Sind die Menschen, wenn sie ganz auf ihre natürlichen Fähigkeiten angewiesen sind, imstande, die Sprache zu erfinden? Und mit welchen Mitteln gelangen sie aus sich heraus zu dieser Erfindung? Johann Gottfried Herder gewann mit seiner „Abhandlung über den Ursprung von Sprache“ (Herder 1772) den ersten Preis. Seine Annahme war, dass die ersten Worte den Lauten von Tieren nachempfunden wurden.

Die bis heute wissenschaftlich viel untersuchte Frage, welche Hirnstrukturen für die Sprache verantwortlich sind, reicht ebenfalls bis ins 17. Jahrhundert zurück. Aus dieser Zeit stammen die ersten klinischen Beschreibungen einer Sprachstörung. Aus dem 18. Jahrhundert stammt die Vorstellung, dass es analog zu anderen Organen auch ein Sprachorgan gebe. Das damalig vorherrschende neuroanatomische Modell, die Phrenologie, begründet von F.G. Gall, ging davon aus, dass dieses Sprachorgan direkt hinter den Augen lokalisiert sei. Nach unserer heutigen Terminologie im interior-anterior Frontal- bzw. Schläfenlappen.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand das Konzept der funktionellen Neuroanatomie. Hierbei werden kognitive Funktionen auf der Basis wissenschaftlich anerkannter Methoden umschriebenen anatomischen Strukturen des menschlichen Gehirns zugeordnet. Eine der ältesten, und bis heute angewandten, Methoden der funktionellen Neuroanatomie ist der Läsions-Defizit-Ansatz.

Zeigt ein Patient ein spezifisches kognitives Defizit (z.B. Gesichter können nicht erkannt werden – Prospagnosie), ist die geschädigte Hirnregion für diese eingeschränkte Funktion zuständig. Basierend auf dieser Grundannahme postulierte der Neurologe Pierre Paul Broca in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts das erste Sprachzentrum im Gehirn. Er stellte einen Patienten vor, der eine sehr schwere Störung der Sprachproduktion zeigte (Schiller/Broca 1992). Sein als „Monsieur Tan“ bekannt gewordener Patient konnte nach Schädigung des linken unteren Frontallappen Areals nur noch die Silbe / tan / produzieren. Dieses Störungsbild entspricht dem Syndrom einer globalen Aphasie mit flüssig gesprochenen Automatismen (Huber et al. 2006).

Nach dem Tod des Patienten obduzierte Broca dessen Gehirn und stellte eine ausgeprägte Läsion im linken Frontallappen nach der Sylvischen Furche fest. Aus diesem Befund leitete Broca ab, dass dieses Hirnareal im linken Frontallappen nahe der Sylvischen Furche für die Lautsprache verantwortlich ist und dass die linke Großhirnhemisphäre die sprachdominante Hemisphäre ist.

1874 entdeckte der Neurologe und Psychiater Carl Wernicke ein weiteres Sprachzentrum in der linken Hirnhälfte, das nach ihm benannte Wernicke-Areal, sowie eine Faserverbindung zwischen beiden Zentren (Fasciculus arcuatus).

Seine Studien auf anatomischer Basis anhand von Krankenberichten und Autopsie-Ergebnissen von Schlaganfallpatienten beschrieben, dass Schädigungen in dieser Hirnregion Störungen des Sprachverständnisses zur Folge hatten (Wernicke 1874).

Anfang des 20. Jahrhunderts war es dem deutschen Arzt und Neuroanatom Korbinian Brodmann zu verdanken, dass das Wissen über die Neuroanatomie der Hirnrinde fundamental erweitert wurde. Auf Grundlage akribischer zytoarchitektonischer Studien erkannte Brodmann, dass die Großhirnrinde Felder unterschiedlicher zellarchitektonischer Beschaffenheit aufweist, und er vermutete bereits, dass sich diese neuromorphologische Kartierung auch in funktionellen Charakterisierungen der jeweiligen Areale widerspiegeln müsste. Er entwickelte eine vielzitierte, schematisierte Hirnkarte (Brodmann 1909), die den Neokortex aufgrund einer mikroskopischen Analyse histologischer Schnitte in eine Vielzahl zytoarchitektonischer Areale einteilte. Diese Karte nahm keinen Bezug auf die von Broca und Wernicke definierten Sprachzentren.

Abb. 1: Aphasiesyndrome. Quelle: Antonia Bischke

Die Brodmann-Areale BA 44 und BA 45 entsprechen zusammen dem für die Sprachverarbeitung so wichtigen Broca-Areal, das BA 22 entspricht dem Wernicke-Areal.

Ein weiterer Erklärungsansatz, der gegen die Lokalisation von Sprachzentren im Gehirn argumentierte, wurde von dem in Russland geborenen und in der Schweiz praktizierenden Arzt Constantin von Monakow (1830–1930) entwickelt. Er stellte die Diaschislehre vor, deren Grundannahme ist, dass aphasische Symptome nicht nur auf umschriebenen Hirnläsionen beruhen, sondern auf weitere funktionell beeinträchtige Hirnareale zurückzuführen sind (von Monakow 1905).

Nach seiner Theorie entstehen Aphasien durch lokal begrenzte Hirnläsionen und vorübergehende funktionelle Beeinträchtigungen anderer Hirnregionen. Seine Grundannahmen sind in neuen Theorien über neuronale Prozesse der Spracherholung integriert (Stockert/Saur 2017).

Die Erforschung der Sprache im Gehirn ist ein langer Weg gewesen (Noth 2005). In den Anfängen der Hirnforschung konnten mentale Prozesse im gesunden Gehirn nur durch chirurgische Eingriffe untersucht werden. Oft vergingen viele Jahre zwischen der klinischen Beschreibung der Defizite des Patienten und der genauen Bestimmung der Lokalisation der Läsion.

Die Entwicklung der funktionellen Bildgebung in den letzten zwei Dekaden eröffnete neue Wege zur Erforschung der grundlegenden funktionellen Neuroanatomie der Sprache im lebenden Gehirn (s. für einen detaillierten Überblick Friederici 2012; Pöppel/Krause 2005). Neben der schnellen Lokalisation des Läsionsortes ermöglichen diese Methoden die Korrelation struktureller Veränderungen der neurophysiologischen Defizite. Bei den bildgebenden Methoden werden strukturelle und funktionelle Verfahren unterschieden.

Funktionale Anatomie des Gehirns

Die Hirnrinde (Kortex), deren Oberfläche durch Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri) strukturiert ist, wird in vier sog. Hirnlappen eingeteilt:

Stirnlappen (Lobus frontalis)

Scheitellappen (Lobus parietalis)

Schläfenlappen (Lobus temporalis)

Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis)

Die wichtigsten Furchen, die den Kortex gliedern, sind die Roland-’sche Furche (Sulcus centralis) und die Sylvische Furche (Sulcus lateralis, Fissura Sylvii). Die Gyri tragen topographische Bezeichnungen, nach ihrer Lage zu den Hauptfurchen oder nach Zugehörigkeit und Lage innerhalb der Hirnlappen.

Abb. 2: Einteilung des Kortex in Lappen. Quelle: Antonia Bischke

Bildgebende Methoden


Die kranielle Computertomografie (CT) ist mittlerweile ein Verfahren, das routinemäßig zum Einsatz kommt. Hierbei handelt es sich um eine Emission von Röntgenstrahlen, die das Hirngewebe durchdringen und auf diesem Wege die Hirndichte messen. Gewebe mit einer verminderten Dichte (hypodense Strukturen) werden auf einem Standard-CT schwarz erscheinen. Gewebe mit einer erhöhten Dichte (hyperdense Strukturen) wie zum Beispiel die Kalotte zeigen sich als weiße Abbildung. Zwischen diesen beiden Extremen nimmt das Nervengewebe unterschiedliche Färbungen von Grautönen an. Der Computer berechnet die unterschiedlichen Stufen der Grautöne und stellt sie grafisch als Schichtbild dar.

Ischämisch bedingte Hirninfarkte, welche die häufigste Ursache für Aphasien sind, können eher selten direkt oder wenige Stunden nach dem Ereignis erkannt werden. In den meisten Fällen zeigt sich das ganze Ausmaß der Hirnschädigung im Laufe einiger Tage. Bis zu 5% aller ischämischen Hirninfarkte lassen sich während des gesamten Krankheitsverlaufs nicht im CT oder nur mit Hilfe von Kontrastmittel im CT nachweisen (Radü et al. 1987).

Die Magnetresonanztomografie (MRT oder MRI) bezeichnet die Kernspintomografie. Sie beruht darauf, dass sich viele atomare Kerne, insbesondere die Protonen des Wasserstoffatoms, in einem ausgeprägten magnetischen Feld zu einer Seite hinwenden. Im MRI werden mittels eines elektromagnetischen Impulses diese Kerne kurz beschallt, um diese in ihrer Ausrichtung zu stören. Während die Kerne nach dem Impuls wieder in ihre ursprüngliche Position zurückkehren, senden sie Radiowellen aus. Diese werden von einem Computer registriert und in horizontale und vertikale Schichtbilder umgewandelt. In den MRI-Aufnahmen sind diese Schichten das Ergebnis der Resonanzen von Wasserstoffprotonen, die in verschiedener Dichte in den unterschiedlichen Hirnstrukturen vorkommen.

Das MRI hat den großen Vorteil, dass ein ischämischer Infarkt innerhalb von 45 Minuten nach dem...

Erscheint lt. Verlag 11.7.2022
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Aphasietherapie • APHASISCHE SYMPTOME • chronische Aphasie • Demenz • Diagnose • Ergotherapie • Gesundheitswissenschaft • Hemisphärendominanz • Kognitive Kommunikationsstörungen • Kommunikationsstörungen • Lehrbuch • Logopädie • Logotherapie • Medizinische Grundlagen der Sprache • Neurologie • Pharmakotherapie • Rehabilitation bei Aphasie • Schlaganfall • Soziale Roboter • Sprachbeeinträchtigung • Sprache im Gehirn • Sprachfunktionen • Sprachstörung • Sprachsystematische Ansätze • Sprachtherapie • Sprachverarbeitung • Sprachwissenschaft • Technologiegestützte Therapie • Teilnahmslosigkeit • Teletherapie • Therapie • Therapie bei Aphasie
ISBN-10 3-8463-5824-X / 384635824X
ISBN-13 978-3-8463-5824-5 / 9783846358245
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