Handbuch Palliativmedizin (eBook)

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2021 | 4. Auflage
576 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-75969-2 (ISBN)

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Handbuch Palliativmedizin -
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Hohe Kompetenz und fundiertes Wissen in der PalliativmedizinDie Palliativmedizin versteht sich als integrative Disziplin, die lange vor dem Lebensende und über den Tod hinaus zum Einsatz kommt. Sie gehört in den Aufgabenbereich von Grundversorgenden und Spezialisten, von Pflegenden sowie Ärzten und ist geprägt vom Bestreben, die Lebensqualität der Patienten vorausschauend mitzugestalten, ihre Autonomie zu stärken und die Würde der Menschen in ihrer Vulnerabilität zu schützen.Die 4. Auflage des seit Jahren erfolgreichen Werkes wurde von einem neuen Herausgeberteam vollständig überarbeitet und erweitert. Folgende Aspekte werden praxisnah dargestellt:Ausführliche Erläuterung von Diagnostik und Therapie aller in der Palliativmedizin relevanten klinischen SymptomeHilfestellung bei komplexen Entscheidungsfindungen im Rahmen einer schweren KrankheitDarstellung der Bedeutung eines Palliativ-Netzwerks aus unterschiedlichen PerspektivenKonkrete Empfehlungen zur Kommunikation und Unterstützung von Betroffenen und AngehörigenAusführlicher Anhang mit hilfreichen Tipps und Service-Adressen Das Handbuch wurde ganz im Sinne der Interprofessionalität von unterschiedlichen Experten aus verschiedensten Berufsfeldern verfasst. Es soll dazu beitragen, die neuesten Erkenntnisse der Palliativmedizin in die tägliche Praxis umzusetzen sowie Fachpersonen in ihrem klinischen Alltag bei der Betreuung von Patienten und deren Angehörigen zu unterstützen.

|11|1  Gedanken zur Palliativmedizin


Hans Neuenschwander, Christoph Cina

„Unser Leben als denkende, erlebende und handelnde Wesen ist zerbrechlich und stets gefährdet – von außen und von innen. Die Lebensform der Würde ist der Versuch, diese Gefährdung in Schach zu halten. Es gilt, unser stets gefährdetes Leben selbstbewusst zu bestehen.“

„Eine Art zu Leben.“ Pascal Mercier (Peter Bien)

1.1  Palliative Care: Definition und Bedeutung


Medizin ist primär darauf ausgerichtet, Krankheiten zu vermeiden, zu heilen und den Tod zu verhindern. Dies ist die Erwartung sowohl des Gesunden wie auch des Erkrankten. Es entspricht außerdem der Erwartung der Leistungserbringer, speziell der Ärzte1, als erfolgsgetrimmte Wiederinstandsetzer. Dementsprechend fokussieren sich Ausbildung und Forschung vorwiegend auf diese Ziele. Die Erfolge sind nicht von der Hand zu weisen; die Lebenserwartung hat in den letzten 60 Jahren ungefähr um 20 Jahre zugenommen. Das ist enorm. Ein großer Teil dieser Lebensverlängerung mag zwar nicht auf den bahnbrechenden Fortschritten der modernen Reparatur-Medizin, sondern auf der Verbesserung der Lebensumstände (Wohlstand, Ernährung, Hygiene, Gesundheitsbewusstsein und entsprechendes Verhalten, Unfallvorbeugung, usw.) beruhen. Aber dennoch: Krankheiten werden heute, vor allem in den ersten Lebensjahrzehnten, geheilt. Parallel dazu beobachten wir eine Wandlung von akuten Erkrankungen in chronische Krankheitszustände und damit verbundene verlängerte Lebenserwartung. Dadurch ist die Palliativmedizin immer aktueller geworden. Ein erheblicher Teil des wachsenden Bedarfs und der zunehmenden Bedürfnisse der Palliativmedizin können also paradoxerweise als nicht erwünschtes und vor allem nicht geplantes Nebenprodukt des Erfolgs der modernen Medizin betrachtet werden. Aldous Huxley (1894–1963) sagte es in visionärer Art schon vor über 60 Jahren so: „Die moderne Medizin hat so große Fortschritte gemacht, dass es fast keine gesunden Menschen gibt“.

Noch oft hört man den Einwand: Palliativmedizin ist nichts Neues, das haben wir immer und alle (auch) gemacht, das gehört intrinsisch zu unserem Berufsverständnis und zu unserem Rüstzeug an Haltung, Wissen und Fähigkeiten. Diese Aussage bildet sich in der täglichen Praxis immer weniger deutlich ab. Das mag verschiedene Gründe haben. Sicher spielt eine Rolle, dass vor allem in urbanen Gebieten – und andere gibt es in der Schweiz nur noch wenige – der Hausarzt auch bei weit fortgeschrittener |12|Krankheit, und vor allem bei der laufend zunehmenden Polymorbidität in fragilem Alter durch eine Gruppe, aber nicht ein Team, durch mehrere Krankheits- und Organspezialisten ersetzt wird. Dabei will jeder sicher das Beste für die Krankheit oder das Organ seiner Zuständigkeit, was sich mit dem Besten für den Patienten nicht unbedingt decken muss. Andererseits befindet sich die Grundversorgung durch neue Arbeitsmodelle (Wandel von Einzelpraxis zu Gruppenpraxen), Teilzeitarbeit und neue Professionen wie APN (Advanced Practice Nurse) in einem großen Strukturwandel. Ein zweiter Grund könnte sein, dass im Zeitalter der „Lösbarkeit aller Probleme“ Sterben aus den Optionen gefallen ist, sowohl für den Arzt wie für den Betroffenen. Ein Hauptgrund ist aber die Tatsache, dass die Palliativmedizin in den letzten 20 Jahren namhafte Fortschritte gemacht hat, welche bis auf den Tag in Vor- und Nachdiplomausbildung nicht gebührend vermittelt werden. Unter anderem diese Lücke soll das vorliegende Buch schließen helfen.

Es gibt viele Definitionsversuche von Palliativmedizin, was an sich schon heißt, dass es keinen befriedigenden gibt. Deshalb, und um ein paar Mythen auszuräumen, ist es einfacher und vielleicht auch sinnvoll, zu sagen, was mit Palliativmedizin nicht gemeint ist:

„Nicht nur am Ende“

Die Spitzenmedizin erlebt den Misserfolg ihrer Spitzenleistung manchmal als Niederlage: Sie verliert dann das Interesse. Das sollte eigentlich nicht passieren, wenn das Interesse nicht auf die Krankheit, sondern auf den Patienten und seine Bedürfnisse fokussiert wird. Dieser Gedanke gilt nicht nur für die Onkologie, sondern für eine ganze Reihe anderer Spezialitäten, welche in den letzten Jahrzehnten Durchbrüche erzielt haben (Kardiologie, Transplantationsmedizin u. a.). So beschränkt sich der Bedarf an Palliativmedizin nicht auf die Onkologie, und ebenso wenig auf die Phase des Lebensendes, sondern auf alle Gebiete, in denen akute in chronische Krankheiten umgewandelt werden. Sie befasst sich deshalb nicht mit bestimmten Krankheiten, sondern mit Menschen (und deren Bedürfnissen) in bestimmten, symptomatischen Phasen ihrer chronischen und/oder weit fortgeschrittenen Krankheit. Sie ist fächerübergreifend.

„Nicht nur Morphium“

Schmerz ist fast immer die Motivation, ein palliativmedizinisches Konsilium anzufordern. Meistens ist aber dieses Symptom nicht das wichtigste Problem. Viel häufiger besteht eine komplexe und instabile Polysymptomatik. Oft stellt es sich auch heraus, dass die Stolpersteine auch bei existenziellen oder psychosozialen und kulturellen Fragen liegen, bei Schwierigkeiten im Umgang mit nicht lösbaren Problemen, bei der Entwicklung von realistischen Erwartungen, oder in Momenten der konsensuellen Entscheidungsfindung. So wird der seelische Schmerz, welcher zerebral an gleicher Stelle verarbeitet wird wie der somatische Schmerz, unter Umständen bedeutsamer und nicht primär mit Morphium behandlungsbedürftig.

„Nicht nur Krebs“

Palliative Care steht für alle chronischen degenerativen nicht heilbaren Krankheiten zur Verfügung (neurologische, chronische Lungenkrankheiten, chronische Herzinsuffizienz und viele andere). Zunehmend wird uns die Besinnung der Integration von Palliativmedizin und Geriatrie beschäftigen. Die Herausforderungen, vor allem auch in den Entscheidungsprozessen, sind hier oft komplexer als bei Tumorleiden. Diese Entscheidungsprozesse werden im Gegensatz zu Krebserkrankungen nicht selten zeitlich hinausgeschoben oder vernachlässigt.

„Nicht nur der Arzt“

Palliativmedizin pflegt den umgreifenden multi- und interprofessionellen Ansatz. Das ist zwar auch anstrengend, aber unter dem Strich gewinnbringend. Ein ganzes Team (Arzt, Sozialarbeit, Pflege, Psychologie, Seelsorge, usw.) zieht am gleichen Strick und wenn möglich in |13|die gleiche Richtung. Deshalb gilt es ja politisch als unkorrekt, von Palliativmedizin zu reden. Der heute akzeptierte Ausdruck heißt Palliative Care (man kann ihn mögen oder nicht, aber wir sind immer noch auf der Suche nach einem besseren). Je nachdem, in welcher Dimension sich ein Leiden in einem bestimmten Moment schwerpunktmäßig äußert, wird sich der Lead im Lauf einer Lebens- und Krankengeschichte vielleicht zwischen einzelnen Berufsfachleuten verschieben.

Wir leben in einer 24-Stunden-Gesellschaft. Das Leben ist schnell geworden. Und trotzdem haben wir damit keine Zeit gewonnen. Zeit ist nicht gewinnbar, höchstens verlierbar.

In der Situation der fortgeschrittenen Krankheit, wenn man sogenannt „nichts mehr tun kann“, bietet der tiefere palliative Gedanke noch einmal, oder auch endlich, die Chance, die verbleibende Lebenszeit zu dezelerieren und ihr dadurch Qualität zu geben. Und gerade hier liegt einer der Schwerpunkte der Palliative Care: ein Erkennungssymbol für die moderne Kardiologie ist der Pace Maker, für die Orthopädie das Sulzergelenk, für die Onkologie die Chemotherapie, für die Radiotherapie der Linac. Gleichzeitig sind diese Symbole auch im Tarifsystem abgebildet. Für die Palliative Care ist ein wesentliches Erkennungsmerkmal die Zeit. Betreuen heißt doch auch, jemandem etwas geben, wovon er wenig hat, und wir wahrscheinlich mehr. Zeit also. Zeit ist teuer und schlechter fakturierbar als ein PET-Scan oder eine technisch aufwändige Therapie. Aber, wenn professionell mit entsprechendem Wissen und Fähigkeiten eingesetzt, ist Zeit sehr wirksam und relativ...

Erscheint lt. Verlag 27.9.2021
Verlagsort Bern
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Ärzte • Ausbildung • Fortschritte • Gesundheitsberufe • Grundversorgung • Hämatologie • Krebskranke • Lebensqualität • Onkologie • Palliative Care • Palliativmedizin • Palliativpflege • Patientengeschichte • Schmerzen • Spezialisten • Symptome • Weiterbildung
ISBN-10 3-456-75969-X / 345675969X
ISBN-13 978-3-456-75969-2 / 9783456759692
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