Referenz Allgemein- und Viszeralchirurgie: Pankreas (eBook)
Thieme (Verlag)
978-3-13-242460-9 (ISBN)
1 Entzündliche Erkrankungen
1.1 Akute Pankreatitis
J. Rosendahl, M. Damm, P. Michl
1.1.1 Steckbrief
Die akute Pankreatitis (AP) gehört zu den häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen mit stationärer Behandlung. Hauptursachen sind ein schädlicher Alkoholmissbrauch, Gallensteine und eine Hypertriglyzeridämie. Andere Ursachen sind selten. Beim größten Teil der Patienten verläuft die Erkrankung mild mit niedriger Letalität. Liegen infizierte Nekrosen vor, steigt die Letalität auf bis zu 70% an. Zu den therapeutischen Maßnahmen zählt die frühe Volumengabe. Eine prophylaktische Gabe von Antibiotika wird nicht empfohlen. Bei einer Choledocholithiasis muss im Verlauf eine endoskopische retrograde Cholangiografie (ERC) erfolgen ▶ [3]. Liegt eine Cholangitis vor, muss die ERC innerhalb von 24h durchgeführt werden. Interventionen von Nekrosen sollten spät und wenig invasiv erfolgen. Die komplizierte AP sollte in spezialisierten Zentren behandelt werden.
1.1.2 Aktuelles
-
Zahlreiche laufende Studien adressieren wichtige Fragen der Therapie der akuten Pankreatitis, sodass sich in den nächsten Jahren möglicherweise die Therapiealgorithmen ändern.
-
Bei Patienten mit einer zu erwartenden schweren akuten Pankreatitis kann die Ernährung bis zu 96h pausiert werden. Nach diesem Zeitraum sollte enteral und gegebenenfalls zusätzlich parenteral ernährt werden ▶ [1].
-
Eine randomisierte Studie bei akuter biliärer Pankreatitis zeigte, dass die frühe ERC keine Verbesserung des klinischen Verlaufs erbrachte. Liegt jedoch eine Cholangitis vor, muss eine ERC innerhalb von 24h erfolgen.
1.1.3 Synonyme
Acute Pancreatitis, akute Bauchspeicheldrüsenentzündung.
1.1.4 Keywords
Pankreatitis, biliär, alkoholisch, Nekrose, Nekrosektomie, ERCP, Endosonografie, Computertomografie, Magnetresonanztomografie.
1.1.5 Definition
Akute Entzündung des Pankreas, die typischerweise mit epigastrisch lokalisierten Oberbauchbeschwerden sowie fakultativ mit Erbrechen und einem paralytischen Ileus einhergeht. Die Diagnose kann gestellt werden, wenn 2 der folgenden Kriterien vorliegen:
-
Es besteht eine typische Klinik.
-
Die Lipase im Serum liegt > 3-fach über der Norm.
-
Die Bildgebung zeigt Zeichen der akuten Pankreatitis.
1.1.6 Epidemiologie
-
Die altersadjustierte Inzidenz der akuten Pankreatitis lag in der Region Lüneburg bei 16/100000 für Männer und 10,2/100000 für Frauen.
-
In Skandinavien wird die Inzidenz mit 30–35/100000 Fälle angegeben. Hier sind mehr männliche Patienten betroffen.
1.1.6.1 Häufigkeit
Bei den Krankenhausfallzahlen in Deutschland lag die Pankreatitis 2016 bei 65 von 100000 Fällen.
1.1.6.2 Altersgipfel
Die Erkrankung weist einen Altersgipfel zwischen der 2. und 3. Dekade und einen weiteren zwischen der 5. und 6. Dekade auf.
1.1.6.3 Geschlechtsverteilung
Bei frühem Krankheitsbeginn überwiegen Männer, wohingegen bei spätem Krankheitsbeginn Frauen häufiger betroffen sind. Die Genese beim frühen Beginn der Erkrankung ist häufiger ein schädlicher Alkoholkonsum, zum späteren Zeitpunkt das Gallensteinleiden mit konsekutiver Choledocholithiasis.
1.1.6.4 Prädisponierende Faktoren
-
schädlicher Alkohol- oder Nikotinkonsum
-
Gallensteine
-
Hypertriglyzeridämie, z.B. bei Lipoproteinlipase-Mangel
-
iatrogen, z.B. Post-ERCP-Pankreatitis
-
Trauma
-
Medikamente
-
Virusinfektionen
Merke
Die Hypertriglyzeridämie darf als Ätiologie nicht vergessen werden.
1.1.7 Ätiologie und Pathogenese
-
Die Ätiologie der akuten Pankreatitis ist in über 80% der Fälle alkoholisch oder biliär. Andere Ursachen (z.B. Hypertriglyzeridämie, Medikamente, Virusinfektionen) sind seltener. Im Kindesalter ist der häufigste Auslöser ein stumpfes Bauchtrauma. In seltenen Fällen ist ein Pankreaskarzinom oder eine zystische Pankreasläsion (z.B. intraduktale papilläre muzinöse Neoplasie, IPMN) ursächlich.
-
Die Pathogenese der Erkrankung ist nicht vollständig verstanden. Ursächlich scheint eine frühzeitige intrapankreatische Aktivierung von Verdauungsenzymen zu sein, welche dann verschiedene Entzündungsmechanismen initiiert.
Merke
Ein Pankreaskarzinom als Ursache der akuten Pankreatitis muss bei ungeklärter Ätiologie ausgeschlossen werden.
1.1.8 Klassifikation und Risikostratifizierung
Die akute Pankreatitis wird nach der revidierten Atlanta-Klassifikation in die milde, moderat-schwere und schwere Verlaufsform unterteilt ( ▶ Tab. 1.1 ) ▶ [2]. Für die Risikostratifizierung bei Krankheitsbeginn liegen keine zuverlässigen Tests vor. Lediglich die vermutete milde Verlaufsform kann mit dem Harmless Acute Pancreatitis Score (www.mdcalc.com/harmless-acute-pancreatitis-score-haps) mit hoher Spezifizität (98%) vorhergesagt werden.
Merke
Der schwere Verlauf der akuten Pankreatitis kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden.
revidierte Atlanta-Klassifikation | determinantenbasierte Klassifikation |
milde akute Pankreatitis | kein Organversagen keine lokalen oder systemische Komplikationen | kein Organversagen und keine (peri-)pankreatischen Nekrosen |
mittelschwere akute Pankreatitis | transientes Organversagen mit Resolution nach spätestens 48 h lokale oder systemische Komplikationen ohne persistierendes Organversagen | transientes Organversagen mit Resolution nach spätestens 48 h und/oder sterile (peri-)pankreatische Nekrosen |
schwere akute Pankreatitis | persistierendes Organversagen Einzelorganversagen Multiorganversagen | persistierendes Organversagen oder infizierte (peri-)pankreatische Nekrosen |
kritische akute Pankreatitis | – | persistierendes Organversagen und infizierte (peri-)pankreatische Nekrosen |
1.1.9 Symptomatik
Stärkste Oberbauchbeschwerden, häufig mit Punctum maximum epigastrisch. Teilweise gürtelförmig ausstrahlend und in den Rücken ziehend. Fakultativ Erbrechen, Ileus.
1.1.10 Diagnostik
Für die Diagnostik der akuten Pankreatitis sind eine typische Klinik, eine typische Laborkonstellation (Lipase über 3-fach der Norm erhöht) und/oder eine typische Bildgebung notwendig.
1.1.10.1 Diagnostisches Vorgehen
-
Umfangreiche Anamnese, bei der die aktuellen Beschwerden und möglichen Risikofaktoren abgefragt werden (z.B. Alkohol-, Nikotinkonsum, bekanntes Gallensteinleiden, Hypertriglyzeridämie, Medikamente, Autoimmunerkrankungen, Familienanamnese) ▶ [6].
- ...
Erscheint lt. Verlag | 12.1.2022 |
---|---|
Reihe/Serie | Referenz | Referenz |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete |
Schlagworte | Bauchspeicheldrüse • Bauchspeicheldrüsenchirurgie • Bauchspeicheldrüsenentzündung • Bauchspeicheldrüsenkrebs • Bauchspeicheldrüsenoperation • Pankreaschirurgie • Pankreaskarzinom • Pankreasresektion • Pankreatitis |
ISBN-10 | 3-13-242460-9 / 3132424609 |
ISBN-13 | 978-3-13-242460-9 / 9783132424609 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 97,3 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich