Innovationsfonds - Transfer in die Regelversorgung (eBook)

Zwischenbilanz, Best Practice-Beispiele & Handlungsempfehlungen
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
250 Seiten
medhochzwei Verlag
978-3-86216-738-8 (ISBN)

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Innovationsfonds - Transfer in die Regelversorgung -
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Es ist Zeit für eine Zwischenbilanz des Innovationsfonds: Die Projekte aus den ersten Förderwellen laufen aus und die entscheidende Frage ist nun, ob und wie der Transfer erfolgreicher Projekte in die Regelversorgung gelingen kann. Dabei geht dieser Herausgeberband noch einen Schritt weiter: Die Innovationskraft des deutschen Gesundheitswesens wird nicht nur im Kontext des Innovationsfonds erörtert. Anhand verschiedener Best Practice-Beispiele diskutieren die einzelnen Autoren - welche je nach Hintergrund ganz unterschiedliche Perspektiven auf Innovationsförderung einnehmen - verschiedene Ansätze, wie Innovationen im deutschen Gesundheitswesen gefördert, umgesetzt und implementiert werden können. Neben Lotsenkonzepten und digitalen Innovationen in der Versorgungspraxis geht es auch um ordnungspolitische und institutionelle Rahmenbedingungen, die maßgeblich für die Stärkung der Innovationskraft sind. Der Herausgeberband hat den Anspruch, durch eine vielschichtige Perspektive auf Potenziale zur Innovationsförderung im deutschen Gesundheitswesen praktikable Handlungsempfehlungen für Politik, Gesundheitssystem und Akteure zu geben. Denn ein nachhaltig erfolgreicher Innovationstransfer im deutschen Gesundheitswesen kann nur dann gelingen, wenn neben geeigneten Rahmenbedingungen vor allem das Engagement der beteiligten Akteure gefördert wird.

1 Innovationsbedarf des deutschen Gesundheitswesens


1.1 Innovationsanforderungen im deutschen Gesundheitswesen vor und nach Corona


Roland Engehausen

Abstract:

Das deutsche Gesundheitswesen ist stabil, auch unter dem Brennglas der Corona-Lage. Allerdings ist es auch teuer und Strukturprobleme werden nicht systematisch angepackt, sondern durch menschliche Höchstleistung wettgemacht. Dies schafft Probleme wie Fachkräftemangel und steigende Kosten. Innovationen werden gefördert, aber der Transfer in die Regelversorgung ist schwerfällig. Die Bundesregierung setzt eine hohe Dynamik entgegen. Für die gemeinsame Selbstverwaltung wird es eine Bewährungsprobe, ob aus eigener Kraft der Transfer guter Ideen in die Regelversorgung gelingt. Auch der Innovationsfonds dürfte dabei im Fokus der Betrachtung stehen.

1.1.1 Das beste Gesundheitswesen der Welt?


1.1.1.1 Gut und teuer


1

Ist das deutsche Gesundheitswesen weltweit Spitzenklasse? Braucht es überhaupt dringende Innovationen? Der Blick auf diese Fragen ist nicht eindeutig und auch von Widersprüchlichkeiten geprägt. Nicht nur Politiker betonen gerne, wie gut das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich dasteht. Auch der Präsident des Weltärzteverbandes, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, führt damit in manche öffentliche Rede ein, ohne jedoch auf die Nennung konkreter Reformbedarfe aus seiner Sicht zu verzichten. In der aktuellen Corona-Lage war Lob nahezu an der Tagesordnung und aufgrund der stabilen Verhältnisse auch gerechtfertigt, worauf in diesem Beitrag in Kapitel 1.1.3 noch genauer eingegangen wird.

2

Deutschland liegt beispielsweise in Bezug auf die Dichte an Ärzten und Krankenhäusern im europäischen Vergleich weit vorne, und eine gute Erreichbarkeit der medizinischen Dienstleistungen ist sichergestellt. Deutschland verzeichnet im europäischen Vergleich ein äußerst niedriges Niveau ungedeckten medizinischen Bedarfs.1 Ein dichtes Netz von Ärzten, Krankenpflegekräften und Krankenhäusern sorgt bundesweit für eine insgesamt hohe Verfügbarkeit der Versorgung, die in ländlichen Gebieten jedoch geringer ausfällt und in der Zukunft zu einer großen Herausforderung werden könnte, wie bereits Entwicklungen in einigen Regionen andeuten.2 Die Gestaltung der finanziellen Anreizsysteme hat dabei einen Einfluss auf die Ressourcen, wie beispielsweise die Entwicklung steigender Arztzahlen bei gleichzeitigem Rückgang der Pflegekräfte in Krankenhäusern seit Einführung des DRG-Systems mit der Vergütung diagnosebezogener Fallpauschalen ab 2004 zeigt.3

3

Auch wenn das deutsche Gesundheitswesen ohne Zweifel auf sehr solidem Fundament steht, ist ein erheblicher Innovationsbedarf bei der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sichtbar. Die Unterfinanzierung der Investitionskosten im Krankenhaussektor durch nahezu alle Bundesländer4, die sich nach gemeinsamer Einschätzung von Deutscher Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der Privaten und Gesetzlichen Krankenversicherung alleine 2020 auf über 3 Mrd. EUR beläuft, wiederholt sich jährlich.5 Ein Fachkräftemangel in der Medizin – und noch spürbarer in der Pflege – ist nicht mehr von der Hand zu weisen.6 Überfüllte Notaufnahmen sind ein lang bekanntes Problem.7 Und längere Wartezeiten auf Termine bei Fachärzten sind ein Dauerbrenner der ganz praktischen Kritik am deutschen Gesundheitswesen aus Patientensicht. Um die Vorgaben des Sicherstellungsauftrags nach § 75 SGB V mit zeitnaher Bereitstellung der vertragsärztlichen Versorgung gewährleisten zu können, ist 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ein neues Gesetz in Kraft getreten, durch das schnellere Termine und eine bessere Versorgung ermöglicht werden sollen. Allerdings ist dieses Gesetz auch exemplarisch für gesetzgeberische Maßnahmen mit handwerklichen Webfehlern, die das Gesundheitswesen eher teurer als besser gemacht haben dürften. Und für die umsetzenden ambulanten Arztpraxen und Kassenärztlichen Vereinigungen als Betreiber der Terminservicestellen sind die neuen Regelungen trotz guter Vergütung von Zusatzaufwendungen mit erheblichen Problemen verbunden.8

4

Bei der Ergebnisqualität ist ein differenziertes Bild erforderlich. So wird etwa durch die steigende Lebenserwartung bei Geburt deutlich, dass der allgemeine Gesundheitszustand steigt9, wobei dazu viele Entwicklungen außerhalb des konkreten Gesundheitswesens und die Verbesserung sozioökonomischer Faktoren wie Armut und Arbeitslosigkeit beitragen. Gleichwohl ist die Entwicklung beeindruckend: „Deutsche, die im Jahr 2017 geboren wurden, werden voraussichtlich fast drei Jahre länger leben als diejenigen, die im Jahr 2000 geboren wurden“, wird im Länderprofil Gesundheit 2019 für Deutschland von der OECD festgestellt.10 Allerdings ist die Lebenserwartung in Deutschland nur leicht über dem EU-Durchschnitt und steigt langsamer an. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle verursachen noch immer die meisten Todesfälle und die Sterblichkeitsrate für Lungenkrebs bei Frauen steigt sogar. Die Raten vermeidbarer und behandelbarer Todesursachen in Deutschland liegen zwar leicht unter dem EU-Durchschnitt, sind aber höher als in anderen westeuropäischen Ländern.

5

Bezogen auf die Finanzlage ist das deutsche Gesundheitswesen gigantisch. Alleine die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) finanziert jährlich 240 Mrd. EUR mit steigender Entwicklung, wie die nachstehende Abbildung 1 zeigt.

Abb. 1:

Leistungsausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung in Mrd. EUR

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die amtliche KJ1-Statistik.

6

Dazu kommen u. a. erhebliche Mittel der Privaten Krankenversicherung, der Beihilfe, der Unfallkassen und direkt von den Arbeitgebern. Aufgrund des im internationalen Vergleich nahezu universellen Krankenversicherungsschutzes sind die Zuzahlungen und Selbstzahlungen der Patientinnen und Patienten dagegen niedrig.11 Das Gesamtvolumen an Gesundheits- und Pflegekosten liegt im Jahr 2018 bei 390,6 Mrd. EUR, was derzeit 11,7 % des Bruttoinlandsproduktes entspricht.12 Die Gesamtgesundheitsausgaben gehören damit nach Norwegen zu den höchsten in der EU und werden voraussichtlich weiter steigen.13

7

2020 und 2021 dürften trotz konjunkturbedingt sinkender Beitragseinnahmen und Steuerausfälle die Ausgaben im deutschen Gesundheitswesen aus heutiger Sicht weiter steigen und vor der Bundestagswahl im Herbst 2021 wird nicht mit Kostendämpfungsgesetzen zu rechnen sein. Mit welchem Mix diese steigenden Kosten durch den Abbau der Rücklagen in den Krankenkassen, steigende Zusatzbeiträge bzw. höhere Steuerzuschüsse – wie von der Bundesregierung bereits im Mai 2020 in Aussicht gestellt – finanziert werden, dürfte sich im Oktober/November 2020 abzeichnen. Dann werden die Eckpunkte für Krankenkassen-Haushalte 2021 im GKV-Schätzerkreis festgelegt. Stabile Gesundheitsausgaben waren auch bereits in der Finanzkrise 2009 zu beobachten14, wobei in den Folgejahren 2010 und 2011 die letzten größeren Sparmaßnahmen im deutschen Gesundheitswesen unter Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) erfolgten und ebenso der Steuerzuschuss für die Krankenkassen sprunghaft von 7,2 Mrd. EUR auf 15,7 Mrd. EUR im Jahr 2010 angehoben wurde. Die Herausforderungen durch die aktuelle Pandemie erscheinen noch größer, weil nach Schätzungen der Bundesregierung die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung höher als 2009 sein werden, wie die nachstehende Abbildung zeigt. Dabei wird auch deutlich, dass bei für 2021 und 2022 unterstellten durchschnittlichen Steigerungsraten von 3,9 % als Mittelwert der letzten 15 Jahre der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP mit 11,7 % im Jahr 2019 bis 2022 spürbar steigen würde.

Abb. 2:

Stabil steigende Gesundheitsausgaben bei schwankender BIP-Entwicklung

Quelle: Statista 2020, Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2020, GKV-Schätzerkreis 2019 und eigene Annahmen.

8

Auch wenn die Finanzierung der Gesundheitsleistungen auf Grundlage dieser Daten zu einer noch größeren Herausforderung werden wird, kann einer neuen Bundesregierung ab Herbst 2021 nicht empfohlen werden, auf kurzfristige Sparmaßnahmen zu setzen. Die Entwicklung von Gesundheitsausgaben und BIP ab 2012 bis heute zeigt, dass kurzfristige Kostendämpfungen schnell verpuffen und politischer Druck zunimmt, wie etwa die Abschaffung der Praxisgebühr Ende 2012 zeigt. Die Entwicklung der Gesundheitsausgaben sollte nicht an jeweils schwankende BIP-Entwicklungen und eine damit verbundene Finanzlage angepasst werden. Vielmehr wäre es wichtig und ratsam, das Gesundheitswesen durch Innovationen längerfristig wirtschaftlicher zu machen.

9

Das deutsche Gesundheitswesen könnte im internationalen Vergleich als das vielleicht stabilste System der Welt bei gleichzeitig hohen Kosten, einer ausbaubaren Ergebnisqualität und einem spürbaren Innovationsbedarf – sowohl aus Qualitäts- als aus Kostensicht – bezeichnet werden. Der Veränderungsdruck wird in den nächsten Jahren zunehmen.

1.1.1.2 Belastbar und...


Erscheint lt. Verlag 20.1.2021
Reihe/Serie Gesundheitsmarkt in der Praxis
Verlagsort Heidelberg
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Gesundheitsökonomie • Gesundheitssystem • Gesundheitsversorgung • Innovation • Innovationsfonds • Regelversorgung • Versorgungsforschung • Versorgungsstrukturen
ISBN-10 3-86216-738-0 / 3862167380
ISBN-13 978-3-86216-738-8 / 9783862167388
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