Allergologie - 1000 Fragen (eBook)
344 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-241851-6 (ISBN)
2 Biologie, chemische und physikalische Eigenschaften und Ökologie der Allergene und Allergenextrakte sowie deren umweltmedizinische Bedeutung
2.1 Natürliche Allergene
Claus Kroegel †
Frage 120
Was sind natürliche Allergene?
Natürliche Allergenextrakte bilden die Basis für herkömmliche Allergietests auf spezifisches IgE (Radio-Allergo-Sorbent-Test, RAST). Sie enthalten oft sehr viele Komponenten, von denen die wenigsten allergisierend sind.
Labordiagnostisch werden mithilfe des RAST nur Sensibilisierungen erkannt. Eine Sensibilisierung geht jedoch nicht automatisch mit einer manifesten allergischen Erkrankung einher (klinisch nicht relevante Sensibilisierung). Erst wenn eine passende klinische Manifestation hinzukommt, kann man von einer klinisch relevanten Allergie sprechen.
Frage 121
Wie groß sind natürliche Allergene?
Allergene sind relativ große Partikel mit einer Größe zwischen 2 und 100 µm ( ▶ Tab. 2.1 ). Pollen als eine der wichtigsten natürlichen Allergenträger kommen in variablen Formen, mit verschiedenen Oberflächenstrukturen und in unterschiedlichsten Größen vor.
Vom Wind übertragene Pollen können eine Größe von bis zu 90–100 µm erreichen ▶ [26]. Der kleinste intakte Pollen (Vergissmeinnicht, Myosotis spp.), hat einen mittleren Durchmesser von etwa 6 µm (0,006 mm). Größere Allergene wie Pilze und Hausstaubmilben setzen sich v.a. im Staub ab, gelangen jedoch bei Aufwirbelung in die Luft. Kleinere Allergene wie z.B. die von der Katze, von Hunden und einigen Pilzen (Penicillin, Aspergillus spez.) können über längere Perioden in der Luft schweben ▶ [21].
Tab. 2.1 Mittlere Größe von Allergenen im Vergleich zu Haaren, Haushaltsstaub, Viren und Zigarettenrauch in MMAD (mittlerer aerodynamischer Massendurchmesser). Allergen | Mittlere Größe (Durchmesser) |
Haare | 100 μm |
Haushaltsstaub | 0,5–10 µm |
Zigarettenrauch | 0,003–0,04 µm |
Viren | 0,005–0,3 µm |
Haustierallergene (Schuppen, Haare) | 0,3–100 µm |
Pollen | 10–100 µm |
Pflanzensporen | 10–70 µm |
Pilzsporen | 0,5–5 µm |
Schimmelsporen (Aspergillus) | 2–20 µm |
Frage 122
Wie definiert die Pollengröße die klinische Relevanz natürlicher Allergene?
Bei Allergenkontakt bestimmen neben der allergenen Potenz des Allergens auch die jeweils allergenexponierten Körperbereiche oder Organe die allergische Reaktion. Die Haut wird grundsätzlich von Allergenen jeglicher Größe erreicht. Gleiches gilt für Mund, Nase und Rachen. In den Mundrachenraum gelangte Allergene werden verschluckt und das Protein im Magen-Darm-Trakt denaturiert bzw. abgebaut. Grundsätzlich anders ist die Situation bei der Inhalation von Allergenen.
Aufgrund der durch physiologische Prozesse und anatomische Gegebenheiten der Atemwege definierten physikalischen Eigenschaften der Atemwege für die Inhalation von Partikeln (siehe ▶ Abb. 2.1) gelangen intakte Pollen zwar in Mund, Nase und Rachen. Für eine periphere Ablagerung in den unteren Atemwegen sind sie jedoch zu groß, d.h. sie haben einen zu großen massenbezogenen medianen aerodynamischen Durchmesser (MMAD). Selbst die kleinsten natürlichen Pollen gelangen nicht in die peripheren Abschnitte der Lunge. Sie werden vielmehr bereits im Nasenrachenraum abgefangen und dort deponiert.
Frage 123
Welche Größenunterschiede zeigen natürliche Pollen?
Pollen kommen nicht in einer fixen Größe vor. Vielmehr muss die Pollengröße, wie auch andere Pflanzenorgane (z.B. Blätter oder Blüten), als ein größenvariantes Spektrum verstanden werden.
So finden sich allergentragende Partikel des Ambrosiaallergens mit einem Größenspektrum zwischen 0,3 µm (300 nm) und >6 µm. Die Größe von Birkenpollenallergenen (gemessen in Wohnungen von Katzenhaltern) besteht zwar überwiegend aus Partikeln eines MMAD von >9 µm (49% des allergenen Materials). Zugleich kommt jedoch knapp ein Viertel (23%) des in der Luft befindlichen Allergens Fel d 1 als kleinere Partikel (<4,7 µm MMAD) vor ▶ [22]. Insgesamt 6% des Allergens Fel d 1 weisen einen MMAD zwischen 1,1 µm und 430 nm auf.
Frage 124
Was sind Subpollenpartikel (SPP)?
Wie pollenassoziierte Allergene die Entzündung in den unteren Atemwegen auslösen, blieb lange unklar, da nur ein kleiner Anteil der Pollenkörner bis in die peripheren Atemwege gelangen. Jedoch handelt es sich bei Pollen nicht um unteilbare Strukturen. Neben den Pollen kommen auch vom Pollen abstammende submikronische (<10 µm) und paucimikronische (<1 µm) Partikel (Subpollenpartikel, SPP) als klinisch relevante Allergene in der Luft vor.
Diese Subpollenpartikel gelangen in die tieferen Atemwege und können so allergische Symptome auslösen ▶ [29].
Frage 125
Welche Bedingungen bestimmen die inhalative Deposition von Allergenen bzw. allergenen Partikeln in die Atemwege?
Die inhalative Aufnahme und Deposition von Allergenen wie Pollen bzw. den SPP in die Atemwege wird von 3 physikalischen Mechanismen der Partikelform und -größe, der Sedimentation und der Diffusion bestimmt ( ▶ Abb. 2.1).
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Die Deposition der Allergene in der Lunge erfolgt zunächst über Impaktion. Hierunter versteht man die Abscheidung der inhalierten Partikel aufgrund der Flussgeschwindigkeit und Trägheit der Partikel (Massenträgheit = Produkt aus Masse und Geschwindigkeit). Hierbei können inhalierte Allergenpartikel den Richtungsänderungen des Inspirationsflusses nicht folgen. Die Impaktion ist für die Abscheidung von 90% der größeren Allergene mit einem MMAD >3µm verantwortlich. Bei einem MMAD von etwa 3–5µm werden die Allergene in den ersten 10 Bronchusgenerationen abgeschieden, in denen die Flussgeschwindigkeit noch hoch und zugleich turbulent ist. Nicht respirable Allergene mit einem MMAD >10µm verbleiben zu über 90% im Oropharynx.
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Die Deposition von SPP mit einem MMAD zwischen 0,5 und 5 µm erfolgt über die Sedimentation (etwa 10% der inhalierten Allergene). Dabei „fallen“ die allergenen Partikel im Atemwegslumen durch die Gravitation so lange, bis sie auf Mukosa treffen. Dieser Mechanismus erfolgt v.a. in den distalen 5 Bronchusgenerationen, wo der Atemfluss niedrig und die lokale Verweildauer länger ist.
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Partikel mit einem MMAD ≤0,5µm schweben im Atemwegslumen. Ihre Abscheidung erfolgt zufällig durch Diffusion aufgrund der Brown‘schen Molekularbewegung und beträgt etwa 1% der inhalierten Allergengesamtmenge. Die Diffusion greift v.a. im Bereich des Alveolarraums, wo kein...
Erscheint lt. Verlag | 7.10.2020 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete |
Schlagworte | Allergene • Allergenkatalog • Allergie • Allergiediagnostik • Allergologie • Desensibilisierung • Hauttest • Immuntherapie • Nahrungsmittelallergie • Prüfungsfragen • Weiterbildung • Zusatzbezeichnung |
ISBN-10 | 3-13-241851-X / 313241851X |
ISBN-13 | 978-3-13-241851-6 / 9783132418516 |
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