Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter (eBook)

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2020 | 7. vollständig überarbeitete Auflage
488 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-241758-8 (ISBN)

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Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter - Lutz Von Laer, Dorien Schneidmüller, Anna-Kathrin Hell
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<p><strong>Kindgerecht und effizient behandeln</strong><br /><br />Für eine kindgerechte Therapie ist es wichtig, die Behandlung individuell zu gestalten. Das Kind und seine Angehörigen müssen eng in den Entscheidungsprozess für geeignete diagnostische und therapeutische Maßnahmen einbezogen werden. Nur so erreichen Sie ein optimales Behandlungsergebnis.<br /><br />Bei dieser Herausforderung unterstützten Sie die Autoren. Sie informieren zunächst über zentrale Aspekte der Diagnostik und Therapie von Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter. Dazu gehören eine differenzierte Indikationsstellung, die Erstellung der Wachstumsprognose für die einzelnen Skelettregionen sowie Fragen der Röntgendiagnostik oder der Wiederherstellung der Spiel-, Sport- oder Schulfähigkeit.<br /><br />Doch dieses Buch geht über die rein „technischen“ Fragen hinaus: Sie erfahren beispielsweise, wie Sie Kinder, Heranwachsende und Eltern besser in die Behandlung einbeziehen und wie diese zum Gelingen der Therapie beitragen. Wichtig ist auch, die Behandlung auf die psychische und physische Entwicklungsstufe der Kinder abzustimmen.<br /><br />Algorithmen für den schnellen Überblick und Checklisten zur Nachbehandlung der häufigsten Verletzungsarten geben Ihnen Orientierung und sparen Zeit.<br /><br />Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.</p>

1 Wachstum und Wachstumsstörungen


Voraussetzung für die Behandlung von Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter ist die Kenntnis der Wachstumsphänomene des Skeletts. Dieses Wissen sollte sowohl die die Form korrigierenden Potenzen des wachsenden Skeletts als auch alle möglichen Reaktionen der Wachstumszonen des Skeletts auf ein adäquates Trauma umfassen.

1.1 Wachstum


Für das Dickenwachstum der Röhrenknochen ist das periost-endostale Regulationssystem, für das Längenwachstum sind die Epiphysenfugen verantwortlich ▶ [181] ▶ [687] ▶ [426] ▶ [727] ▶ [1128] ▶ [1178] ▶ [1241] ▶ [1386] ▶ [1720] ▶ [1662]. Beide Systeme gemeinsam arbeiten nach dem von Roux ▶ [1338] formulierten Gesetz und streben eine Knochenform an, die mit einem Minimum an Materialaufwand ein Maximum an Belastbarkeit gewährleistet.

Partielle oder vollständige Pseudarthrosen sind als Störungen der Funktion des für das Dickenwachstum verantwortlichen periost-endostalen Systems aufzufassen. Angesichts der enormen Regenerationsfähigkeit dieses Systems sind sie außerordentlich selten.

Störungen der Funktion des für das Längenwachstum verantwortlichen epiphysären Systems in Form von Längenveränderungen sind hingegen außerordentlich häufig und prinzipiell nach jeder Fraktur im Wachstumsalter zu erwarten.

1.2 Längenwachstum und Verletzungsmöglichkeiten der Fuge


Die Epiphysenfuge ist das für das Längenwachstum verantwortliche Organ ( ▶ Abb. 1.1). Aus klinischer Sicht haben wir 2 Fugenanteile zu unterscheiden ▶ [1386] ▶ [1720] ▶ [1667]: den epiphysären Anteil mit Proliferationspotenz und den metaphysären Anteil ohne Proliferationspotenz. Im epiphysären Teil überwiegt der Matrixanteil gegenüber den zellulären Elementen. Im metaphysären Teil der Fuge hingegen überwiegt der Zellanteil gegenüber der Matrix, da sich hier die Zellen zunehmend vergrößern. Am Übergang zur Metaphyse werden die vergrößerten, aufgeblasenen Knorpelzellen durch die eigentlichen Mineralisationsvorgänge dann endgültig umgebaut und ossifiziert. Umgeben ist die Fuge vom Perichondrium, das für das Dickenwachstum der knorpeligen Fuge verantwortlich ist. Metaphyse, Perichondrium und Epiphyse mit ihren zugehörigen Fugenanteilen werden durch 3 eigenständige Gefäßsysteme versorgt. Meta- und epiphysäres Gefäßsystem können über das perichondrale System miteinander kommunizieren ▶ [342] ▶ [805] ▶ [1572] ▶ [1720] ▶ [1816] (s.a. Kap. ▶ 5 und Kap. ▶ 7).

Aufbau einer Epiphysenfuge (Physe).

Abb. 1.1 Aus klinisch-funktioneller Sicht sind 2 Anteile zu unterscheiden: ein epiphysärer Anteil mit Proliferationspotenz und ein metaphysärer Fugenanteil ohne Proliferationspotenz. Die Ernährung erfolgt über 3 eigenständige Gefäßsysteme, die miteinander kommunizieren können.

Die weit offene Fuge ist insgesamt ein ausgezeichneter Puffer gegenüber axialen Traumata und schützt das Gelenk. Isolierte Zermalmungen von Teilen des epiphysären Knorpels durch Axialtraumata (Crush), wie sie immer wieder in der Literatur vermutet werden ▶ [674] ▶ [1106] ▶ [1178] ▶ [1363] ▶ [1761] ▶ [1758], lassen sich klinisch nicht nachweisen. Dies ist eher eine Vermutung, gespeist aus den experimentellen Erfahrungen von Salter und Harris ▶ [1361]. Wie die meisten experimentellen Erfahrungen sind sie jedoch nicht einfach vom Tier auf die Klinik des Menschen übertragbar.

Aufgrund des überwiegend zellulären Anteils im metaphysären Teil der Fuge besteht hier gegenüber Scher- und Biegungskräften eine herabgesetzte Widerstandsfähigkeit, vor allem in der Pubertät ▶ [1108]. In diesem Bereich finden deshalb die Fugenschaftfrakturen statt ▶ [1361]. Der epiphysäre Teil der Fuge wird durch diese Verletzung mechanisch nur marginal und nicht essenziell verletzt. Er bleibt weitgehend unversehrt an der Epiphyse hängen.

Axialtraumata führen bei noch weit offenen Fugen zu stereotypen Verletzungen der Epiphyse, die von der Lokalisation am Skelett (obere, untere Extremität) abhängig sind (Kap. ▶ 5). Der Frakturspalt kreuzt im Fall der epimetaphysären Fugengelenkfrakturen (Salter IV) sämtliche Schichten der Epiphysenfuge, im Falle der epiphysären Fugengelenkfrakturen (Salter III) nur die Schichten des Säulenknorpels und der Germitativzone inklusive der Epiphyse. An den oberen, unbelasteten Extremitäten verläuft der Frakturspalt einer Gelenkfraktur meist im tragenden Gelenkbereich. An den unteren, belasteten Extremitäten liegt der Frakturspalt – zumindest im eigentlichen Wachstumsalter – meist randständig im unbelasteten Teil des Gelenks.

1.3 Physiologischer Fugenschluss


Bei der Reifung einer Fuge können wir grundsätzlich 3 verschiedene Stadien unterscheiden ▶ [1720]:

  • Das Stadium des eigentlichen Wachstums, in dem sich Proliferations- und Mineralisationsvorgänge die Waage halten und die Fuge weit offen ist.

  • Kurz vor Wachstumsabschluss kommt es dann zu einer kurzfristigen Ruhepause, in der die Proliferationsvorgänge sistieren, die Mineralisationsvorgänge aber noch nicht aggressiv auf den metaphysären Teil der Fuge übergreifen. Die Proliferationspotenz ist in dieser Phase sozusagen noch einmal weckbar.

  • Erst in der letzten, der eigentlichen Verschlussphase sistiert die Proliferation vollständig. Die Mineralisationsvorgänge aus dem metaphysären Grenzbereich greifen nun sukzessive auf den metaphysären, später auf den epiphysären Fugenanteil über bis zur ossären Verschmelzung von Meta- und Epiphyse.

Der Zeitpunkt des physiologischen Fugenschlusses wird durch die unterschiedlichsten Faktoren geregelt, deren Rolle uns im Einzelnen nicht bekannt ist: genetische, humorale, hormonelle, geschlechtsabhängige, lokalisationsabhängige sowie individuelle ▶ [1287] ▶ [1386] ▶ [1627].

Es deutet alles darauf hin (Wachstumsstörungen des partiellen Verschlusses nach Fugenschaftfrakturen am proximalen Humerus, am distalen Radius, an der distalen Tibia; ▶ [1287]), dass der physiologische Fugenschluss exzentrisch beginnt, wahrscheinlich stets am wichtigsten Punkt der epiphysären Blutversorgung. Funktionell ist die Fuge schon als geschlossen zu bezeichnen, wenn der Großteil des metaphysären Fugenanteils mineralisiert, der Großteil des epiphysären Fugenanteils aber noch frei ist ( ▶ Abb. 1.2). Radiologisch wäre dies höchstens an einer dezenten Verschmälerung der Fuge zu erkennen. Eine sichere radiologische Beurteilung des Reifezustandes der Fuge zur Beurteilung der Wachstumsprognose ist nur dann möglich, wenn Metaphyse und Epiphysenkern zumindest partiell schon knöchern miteinander verschmolzen sind.

Physiologischer Fugenschluss.

Abb. 1.2 Als typisches Beispiel für den Ablauf des physiologischen Fugenschlusses ist die distale Tibiaepiphysenfuge zu nennen. Hier beginnt der Fugenschluss im vorderen Bereich des medialen Malleolus (1) und breitet sich langsam nach dorsal (2) und lateral (3) aus. Der vordere, laterale Quadrant wird erst zum Schluss des Ausreifungsvorgangs mineralisiert. (Datenquelle: ▶ [1303].)

Während die weit offene Fuge das Gelenk weitgehend schützt, wird mit beginnendem physiologischen Fugenschluss das Gelenk deutlich vulnerabler: Anstatt zu Fugenschaftfrakturen kommt es in dieser Phase zu sog. Übergangsfrakturen ▶ [739] ▶ [1686] ▶ [1690] (Kap. ▶ 25).

1.4 Wachstumsstörungen


Grundsätzlich sind 2 Arten von Wachstumsstörungen zu unterscheiden:

  • Störungen mit Steigerung der Fugenfunktion

  • Störungen mit Hemmung der Fugenfunktion

Beide Arten können eine oder mehrere Fugen in ihrer gesamten Ausdehnung oder auch nur Teile einer Fuge betreffen. Beide Wachstumsstörungen kommen nur dann vor, wenn die Fugen noch offen sind. Sind prämature oder fast schon ausgereifte Fugen betroffen, dann haben Wachstumsstörungen keine klinisch relevanten Folgen mehr. Diese Erkenntnis ist banal, wird aber außerordentlich oft – vor allem bei der Therapie von Fugengelenk- und -schaftfrakturen und der Beurteilung der Ergebnisse – außer Acht gelassen ▶ [65] ▶ [217] ▶ [719] ▶ [914] ▶ [1332] ▶ [1434]. Deshalb ist das Auftreten einer Wachstumsstörung auch weniger vom Ort der anatomischen Läsion abhängig als vielmehr vor allem vom Skelettreifezustand des Patienten beim Unfall.

Die Dauer der Wachstumsstörung ist unterschiedlich: Die stimulierenden Wachstumsstörungen sind zeitlich immer relativ eng begrenzt, da sie direkt vom Ausmaß und von der Dauer der Reparationsvorgänge abhängig sind ▶ [213] ▶ [394] ▶ [805]. Die...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2020
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete
Schlagworte Battered-Child–Syndrom • Beckenfrakturen • Frakturen • Geburtstraumata • Kinderorthopädie • Luxationen • Orthopädie • Pathologische Frakturen • posttraumatische Deformitäten • Traumatologie • Unfallchirurgie • Wachstumsalter • Wirbelsäulenaffektionen und -läsionen
ISBN-10 3-13-241758-0 / 3132417580
ISBN-13 978-3-13-241758-8 / 9783132417588
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