Warum die Medizin die Philosophie braucht (eBook)

Für ein umfassendes Verständnis von Krankheit und Gesundheit

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
380 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-96023-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Warum die Medizin die Philosophie braucht -  Beat Gerber
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Auf der Suche nach der genuinen Medizin - klug, spannend und lehrreich auch für Nichtphilosophen! Die Medizin ist im Wandel, sie scheint sich vom Menschen zu entfremden. Wie ist diese Entwicklung zu interpretieren und was ist von ihr zu halten? Welche Medizin wollen wir überhaupt, was könnte man verbessern und wie müsste dies geschehen? Um die sich aufdrängenden Fragen im Kontext von Gesundheit, Krankheitsentstehung, Krankheitserleben und Medizinverständnis zu formulieren und vor allem auch Antworten darauf zu finden, ist eine ethisch-philosophische Herangehensweise erforderlich. Dem Autor des Buches gelingt es, als erfahrener Arzt und zusätzlich studierter Philosoph, dem Leser die anspruchsvollen Themen näher zu bringen und ihm adäquates Rüstzeug für die Wahrnehmung und den Umgang mit medizin-philosophischen Herausforderungen bereitzustellen. In diesem Buch geht es um Themen wie Begrifflichkeiten rund um Gesundheit und Krankheit - Salutogenese und Pathogenese - Um den Kranken in seiner Krankheit - Suggestion und Konditionierung - Placebo-/Noceboeffekt - Handeln oder situativ Nicht(s)tun in der Medizin - Entscheidungen in Unsicherheit - Mitleid oder Empathie - Trost und Trauer etc. Es geht um die Medizin, die wir uns wünschen, um den Patienten, dem diese Medizin zukommen soll und um den Arzt, dessen Aufgabe es ist, dem Patienten eine sinnvolle und sich am Patientenwohl orientierende Medizin anzubieten. Das kann nur dann erfolgreich gelingen, wenn alle Beteiligten bereit und gewillt sind, unsere Medizin neu zu gestalten. Auf der Suche nach der genuinen Medizin, nach einer Medizin, die eine Medizin für den Menschen ist, findet der Leser in diesem Werk einen wahren Fundus an Erkenntnissen, Ideen und Impulsen, um letztendlich kluge Schlussfolgerungen und Verbesserungen vielleicht auch für sich selbst zu übernehmen

Inhalt, Dank und Mehr als ein Vorwort – ein Vorsatz 9
Die Platane des Hippokrates – eine Metapher 21
Einleitung 27
1 Ausgangslage 33
1.1 Ein gewisses Unbehagen 34
1.2 Wer bestimmt die Ziele der Medizin? 35
2 Medizin und Philosophie 37
2.1 Die Beziehung zwischen Medizin und Philosophie 37
2.1.1 Medizin und Philosophie – eine Verwandtschaft? 38
2.1.2 Die Medizin braucht die Philosophie 40
2.1.3 Medizin und Philosophie – komplementäre Kompetenzen 41
2.2 Wer definiert die Medizin? 42
2.3 Einleitendes zur Sinnfrage in der Medizin 44
2.4 Über die Notwendigkeit eines Philosophikums in der Medizin 45
3 Gesundheit, Krankheit, Medizin und Medikalisierung 49
3.1 Über die Begriffe Gesundheit, Krankheit und Medizin 50
3.1.1 Was ist Gesundheit und was ist Krankheit? 50
3.1.2 Die Große und die Kleine Gesundheit – die Große und die Kleine Krankheit 51
3.1.3 Die Aspekte der Kontingenz und des Menschen als kulturelles Wesen 53
3.1.4 Gesundheit zu besitzen ist im Wesentlichen Glück 54
3.2 Die faktisch praktizierte Medizin und die Medizin für den Menschen 56
3.3 Sinnfragen im Kontext von Krankheit und Medizin 57
3.3.1 Zur Frage 1: Vom Sinn der Krankheit selbst 58
3.3.2 Zur Frage 2: Hat Krankheit einen Sinn für den an einer Krankheit leidenden Menschen? 59
3.3.3 Zur Frage 3: Gibt (oder macht) der kranke Mensch in der Gesellschaft einen Sinn? 61
3.4 Die Bedeutsamkeit in der Medizin 61
3.5 Die Medikalisierung, Ausdruck und Konsequenz einer inexistenten Gesundheitsdefinition 62
4 Krankheit und der Aspekt des Selbstverschuldens 69
4.1 Selber schuld? 69
4.1.1 Über die Absurdität der Schuldzuweisung 70
4.1.2 Die Krux mit der Prävention 73
4.2 Die quartäre Prävention 76
4.3 Heilsversprechen durch Farben, Düfte, Klänge … 78
4.4 Verhaltensänderung durch (E-)Nudging 80
5 Über Lebensqualität, das gute Leben und das Wohl des Patienten 83
5.1 Der Aspekt der Lebensqualität 83
5.2 Das gute Leben 86
5.3 Das Wohl des Patienten 87
6 Der Kranke und seine Krankheit 93
6.1 Krankwerden und Kranksein 93
6.2 Gedanken über das Hinnehmen einer Krankheit 95
6.3 Klarstellung zum Begriff der Krankheitsentstehung 97
7 Salutogenese, Resilienz und individuelle Reaktionen auf Suggestion und Konditionierung 99
7.1 Das Konzept der Salutogenese – nach Aaron Antonovsky 99
7.2 Verhaltenskontrolle durch Selbstregulation 105
7.3 Resilienz und Coping 106
7.3.1 Resilienz 106
7.3.2 Coping 109
7.3.3 Logotherapie oder der Wille zum Sinn 111
7.4 Individuelle Reaktionen auf Suggestion und Konditionierung 112
7.4.1 Der Placeboeffekt – spektakuläre Perspektiven in der (modernen) Medizin 112
7.4.2 Der Noceboeffekt 117
7.5 Die Krux der irrationalen Therapien 119
8 Achtsamkeit, Gelassenheit und die Einstellung zur Krankheit 123
8.1 Achtsamkeit 124
8.1.1 Achtsamkeit: Definitionen (nach Oxford Dictionary, Jon Kabat-Zinn, Paul Grossman) 125
8.1.2 Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion 128
8.1.3 Achtsamkeit in der Medizin 128
8.2 Gelassenheit 130
8.2.1 Gelassenheit und Negative Ethik 131
8.2.2 Gelassenheit und Krankheit 133
8.3 Einstellung zur Krankheit 134
8.3.1 Einstellung in Bezug auf Krankheit und Medizin 135
8.3.2 Optimisten leben länger 136
9 Die Leiblichkeit in der Philosophie und Medizin 137
9.1 Die Leiblichkeit 137
9.1.1 Die Leiblichkeit in der Philosophie 137
9.1.2 Die Leiblichkeit in der Medizin 139
9.2 Der phänomenologische Ansatz 141
9.3 Chronische Krankheiten als komplexe Systeme 143
9.4 Das Dilemma der modernen Medizin 144
10 Affektivität in der Krankheit – Gefühle, Mitgefühle und Haltungen 147
10.1 Gefühle 147
10.2 Angst 148
10.3 Grübeln – oder das Sinnieren in Endlosschlaufen 150
10.4 Schmerz 152
10.4.1 Schmerz aus phänomenologischer Sicht 153
10.4.2 Das therapeutische Potenzial liegt (auch) im Personalen 155
10.5 Leid 156
10.6 Mitleid und Empathie 159
10.6.1 Über Mitleid 159
10.6.2 Arthur Schopenhauers Mitleidsethik 160
10.6.3 Mitleid bei Friedrich Nietzsche 161
10.6.4 Empathie 161
10.6.5 Empathie statt Mitleid? 163
10.7 Liebe und Hoffnung 163
10.7.1 Über die Liebe 163
10.7.2 Über die Hoffnung 165
10.7.3 Hoffnung im Kontext von Krankheit und Medizin 165
10.8 Trost und Trauer 168
10.8.1 Über den Trost (in) der Philosophie 168
10.8.2 Über die Trauer 172
11 Unsicherheit, Kontingenz und Serendipität im Kontext von Krankheit 175
11.1 Ungewissheit und Unsicherheit 175
11.1.1 Grundlegendes über Sicherheit und Unsicherheit 176
11.1.2 Die Sicherheitsdebatte oder Unsicherheit als Conditio humana 179
11.1.3 Optimierung von Entscheidungen in Unsicherheit 183
11.1.4 Der Aspekt der Ungewissheit und Unsicherheit in der Medizin 185
11.2 Kontingenz 188
11.2.1 Kontingenz oder die Möglichkeit des Auch-anders-sein-Könnens 189
11.2.2 Kontingenz und Lebenswelt 192
11.2.3 Kontingenz und Krankheit 195
11.3 Serendipität 196
11.3.1 Über das Phänomen der Serendipität 196
11.3.2 „Was sehen wir eigentlich, wenn wir nichts sehen?“ 197
11.3.3 Serendipität und Krankheit 199
12 Vanitas – Sterben und Tod 201
12.1 Die menschliche Vergänglichkeit 201
12.2 Gedanken zur Unsterblichkeit 203
12.3 Das Unsterblichkeitsenzym 204
12.4 Phaidon – Philosophieren heißt sterben lernen 206
12.5 Das Sterben und der Tod – ein Beitrag der Philosophie 207
12.5.1 Über das Leben und den Tod 207
12.5.2 Die Wertung des Todes 210
12.5.3 Der Sinn des Lebens in Anbetracht des Todes 213
12.5.4 Strategien der Todesbewältigung 214
12.5.5 Das Motiv des Absurden 214
12.6 Über das Sterben heute 216
12.6.1 Sterben als „Machsal“ 217
12.6.2 Entscheidungen am Lebensende 218
12.6.3 Selbstbestimmtes Sterben 220
13 Medizin – Quo vadis? 225
13.1 Biopolitik und Biomacht 231
13.1.1 Michel Foucault 231
13.1.2 Verschiedene Aspekte von Biopolitik und Biomacht 232
13.2 Die Medizin im Wandel 237
13.2.1 Vier Merkmale des Wandels innerhalb der Medizin 238
13.2.2 Gedanken zum Wandel innerhalb der Medizin 239
13.3 Entfremdet sich die Medizin? 241
13.4 Personalisierte Medizin 243
13.5 „Self-Tracking“ oder die Selbstvermessung des Körpers 246
14 Situatives Nicht(s)tun in der Medizin 251
14.1 Über das Tun und Nicht(s)tun 252
14.1.1 Worum geht es? 252
14.1.2 Handlungstheoretische Grundlegung 253
14.1.3 Das Tun in der Medizin und im Gesundheitswesen 255
14.1.4 Die Macht in der Medizin 258
14.2 Das Nicht(s)tun in der Medizin 261
14.2.1 Was meint situatives Nicht(s)tun in der Medizin – und was nicht? 261
14.2.2 Die argumentative Begründung des situativen Nicht(s)tuns in der Medizin 263
14.2.3 Die Risiken und Gefahren des situativen Nicht(s)tuns in der Medizin 265
14.2.4 Über Wesen und Gehalt von situativem Nicht(s)tun in der Medizin 267
14.2.5 Situatives Nicht(s)tun in der Medizin und das „gute Leben“ 267
14.3 Die Ethik des Nicht(s)tuns 269
14.3.1 Der Umgang mit ethischen Herausforderungen 270
14.3.2 Argumentationen zur Ethik des Nicht(s)tuns 270
14.4 Die Handlungsgründe in der Medizin 273
14.4.1 Gründe und Ursachen 273
14.4.2 Gute, fragwürdige und schlechte Gründe 274
14.5 Was tun wir, wenn wir nichts tun? Oder: Eine ganz andere Weise von Tun 278
14.6 Nicht(s)tun als Chance für das genuin Ärztliche 280
14.7 Die Rezeption von situativem Nicht(s)tun in der Medizin 281
14.8 Erkenntnisse und Konsequenzen, die sich aus der These ergeben 282
14.8.1 Erkenntnisse 282
14.8.2 Die praktischen Konsequenzen des situativen Nicht(s)tuns in der Medizin 283
15 Medical Humanities – Die Suche nach dem Ganzen in der Medizin 287
15.1 Medical Humanities 287
15.2 Das „Ganze“ in der Medizin 289
15.3 Der Beitrag der Medizin selbst 292
16 Alternative Heilmethoden – Qualitätsbegriff 295
16.1 Die Krux des Einbezugs von alternativen Heilmethoden in die Schulmedizin 295
16.1.1 Grundlegendes zu alternativen Heilmethoden 296
16.1.2 Einige Überlegungen zur Implementierung alternativer Heilmethoden 297
16.2 Qualität im Kontext der Medizin 300
16.2.1 Qualität in der Medizin umfasst messbare und nicht messbare Qualität 301
16.2.2 Normativer und nicht normativer Qualitätsbegriff 303
17 Palliative Care und Spiritual Care 305
17.1 Sterbebegleitung und Palliative Care 305
17.2 Spiritual Care 307
17.2.1 Über Spiritualität in der Medizin 307
17.2.2 Die religiöse Spiritualität 308
17.2.3 Die agnostische und die atheistische Spiritualität 310
17.2.4 Spiritualität und Neurobiologie 316
17.2.5 Spiritual Care als Ressource 317
17.2.6 Spiritual Care – Aufgaben und Zuständigkeiten aus theologisch-ethischer Sicht 319
17.3 Kooperation von Palliative Care und Spiritual Care 322
18 Auf der Suche nach der genuinen Medizin 325
18.1 Modelle integrierter Medizin 333
18.1.1 Thure von Uexküll 334
18.1.2 Das Modell von Thure von Uexküll 335
18.1.3 Gedanken zum bio-psycho-sozialen Postulat 338
18.2 Das erweiterte bio-psycho-soziale Modell 341
18.2.1 Emergenz als Bedingung für das erweiterte bio-psycho-soziale Modell 341
18.2.2 Dem Ganzen auf der Spur? 342
18.3 Die Perspektive des Patienten und die Rehabilitierung des Subjektiven 344
18.3.1 Subjektivität und Objektivität 345
18.3.2 Die Verschränkung von Subjektivität und Objektivität als emergentes Geschehen? 346
18.4 Der Begriff des Ganzen im umfassenderen Sinn 347
19 Eine Medizin für den Menschen 351
19.1 Was ist eine Medizin für den Menschen? 352
19.2 Die Betrachtung der Medizin aus drei unterschiedlichen Perspektiven 353
19.3 Der Begriff der Heilung 354
19.4 Über Dramen und Rollentausch 355
19.5 Der kompetente Arzt 357
19.6 Der kompetente Patient 358
Über den Autor 361
Literaturverzeichnis 363
Personenverzeichnis 372
Sachwortverzeichnis 375

Mehr als ein Vorwort – ein Vorsatz


Auch wenn viele der hier angesprochenen Themen in Form von Mutmassungen und Fragen zur Debatte stehen, besteht nie die Vorstellung, zu diesen jeweils die zutreffenden und verbindlichen Antworten zu kennen. Im Gegenteil: Es ist die Philosophie, die uns wachsam halten soll, der Versuchung der Gewissheit nicht zu erliegen. Die Erkenntnis, von der hier die Rede ist und nach der wir suchen, verpflichtet uns dazu, Gewissheiten nicht als Beweise von Wahrheiten zu verkennen. Denn die Vorstellung und Weltsicht, die wir haben, ist nicht die Vorstellung und die Weltsicht, sie sind bloss eine von vielen, die wir mit andern hervorbringen. Dabei sei Weltsicht auch verstanden als Weitsicht und Vorstellung ganz besonders auch als eigene, subjektive Einschätzung. Unverzichtbar dabei ist eine vertiefte Reflexion und die Bereitschaft, nicht grundsätzlich auf dem zu beharren, was für uns als gewiss erscheint. Für jede Art von philosophischem Denken sind zudem Neugier und Begeisterungsfähigkeit erforderlich, und besonders auch das Bestreben, sich für anderes und andere zu öffnen. Nur so entledigen wir uns der Gefahr der eigenen Verkennung, der Illusion vermeintlicher Sicherheit und der kognitiven Verkümmerung infolge isolationistischen und reduktionistischen Denkens und Handelns.

Bei der Lektüre dieses Buches soll eben dies getan werden:

  • Hinterfragen und geduldiges Reflektieren des bis anhin Gedachten und Gelebten, aber auch des hier Geschriebenen und Gemeinten.
  • Loslassen tradierter Vorstellungen und Gewissheiten betreffend all der hier zur Sprache kommenden Themen.
  • Sich Neuem und Anderem mutig anvertrauen, in gespannter Erwartung und mit der dazu notwendigen (selbst)kritischen Einstellung.
  • Immer wissend, dass die hier zur Diskussion stehenden Beiträge nie vollständig und abschliessend sein können, ja, dass auch Wichtiges und Wesentliches fehlen wird.

Jede philosophische Auseinandersetzung mit den sich im Rahmen einer Krankheit oder eines Unfalls stellenden Herausforderungen, aber auch jede Reflexion über grundsätzliche Fragen zur Medizin erfordern die hier aufgeführten Kompetenzen. Nur so kann es gelingen, aus der Summe des Angedachten den Zugang für das Wesentliche und dabei Entscheidende zu schaffen. Und nur so wird es jedem Einzelnen im Rahmen seiner individuellen Auseinandersetzung mit der Krankheit und deren Folgen einen persönlichen Nutzen bringen. Genau deshalb, weil auf eine komplexe Frage oft keine simple und konklusive Antwort folgt, braucht es diese Kompetenzen. Nur so kann es gelingen, zu verstehen, dass auch das Ausbleiben einer solchen Antwort ein brauchbares Ergebnis sein kann und oft wertvolle Schlussfolgerungen zulässt. Wegweisend für den Aufbau dieses Buches war demnach auch die sehr breite Fächerung der Themen. Aus den verschiedensten Perspektiven sollen wesentliche Themenbereiche, komplexe Probleme und kritische Punkte philosophisch betrachtet, ergründet und hinterfragt werden. Dabei entstehen unterschiedlichste Zugänge und Auffassungen, die differenzierte Erkenntnisse zu den jeweiligen Gebieten erst ermöglichen. Aber auch solche Erkenntnisse implizieren immer deren Relativierung, im Wissen, dass Gewissheit stets relativ ist. Jede philosophische Auseinandersetzung, unabhängig vom jeweiligen Themenbereich, verlangt kritisches Hinterfragen von Gewissheiten, vertieftes reflektieren über Bekanntes und Unbekanntes und Offenheit für Anderes und Neues.

Den Vorsatz zu fassen, sich diese Kompetenzen im Laufe der Lektüre möglichst zu verschaffen, das ist das Credo dieses Vorworts.

Mit diesem Buch soll in erster Linie versucht werden, dem Leser, ob gesund oder krank, den Prozess der philosophischen Auseinandersetzung mit existentiellen Themen, die sich aus der Konfrontation mit einer Krankheit ergeben, zu erleichtern. Zudem soll dieses Buch ein Plädoyer dafür sein, auch im Krankheitsfall weiter zu leben, solange die Krankheit dies noch zulässt. Krank sein hat seine körperlichen und mentalen Aspekte – über die ersteren wird üblicherweise sehr viel geschrieben und gesprochen, über die letzteren hingegen deutlich weniger. Demnach geht es in erster Linie um diese mentalen, philosophischen Aspekte des Krankseins und auch darum, aufzuzeigen, dass diese für den Erkrankten mindestens so lebens- und leidensbestimmend sind, wie die körperlich-medizinischen Aspekte. Hier sind nun aber weder simple Antworten auf komplexe Fragen zu erwarten, noch werden einfache Lösungen für Probleme geboten.

Im Weiteren werden die Notwendigkeit und Dringlichkeit aufgezeigt, uns auf den Weg zu machen zu einer Medizin, die den Namen einer Medizin für den Menschen verdient. Dieser Weg kann jedoch nicht von uns Ärzten und Ärztinnen allein vorgezeichnet werden, denn die Richtung dorthin zu bestimmen und rechtzeitig die wesentlichen Wegmarken festzulegen ist eine Aufgabe, die sich uns allen stellt. Das Ziel dieses Buches ist denn auch, ein Krankheits- und Medizinverständnis zu wecken und zu fördern, welches dem Menschen in seinem Menschsein gerecht wird. Es ist weder als Lebenshilfe noch als weiterer medizinischer Ratgeber im üblichen Sinn zu verstehen. Hier sind weder Rezepte für ein gesundes Leben noch Garantien für eine erfolgreiche Krankheitsbewältigung zu erwarten, hingegen aber konstruktive Gedanken über das krank sein selbst, instruktive Hinweise betreffend Umgang mit Krankheit und zudem eine kritische Sicht auf gewisse Entwicklungen, die unsere heutige Medizin zunehmend bestimmen und prägen.

Das Buch ist aufgeteilt in drei Teile. In einem ersten Teil geht es um die Exposition verschiedener Themenbereiche. Ausgehend vom Status quo unserer modernen Medizin werden einige der aktuellen Probleme und der sich aufdrängenden Fragen im Kontext von Gesundheit, Krankheit und Medizin vorgestellt. Sehr rasch wird der Bezug der Medizin zur Philosophie hergestellt – mein Hauptanliegen in diesem Buch! Die Medizin braucht die Philosophie dringend und auch die Patienten und Patientinnen, die Ärzte und Ärztinnen brauchen sie. Im zweiten Teil wird das Krankheitserleben thematisiert. Hier geht es um den Kranken in seiner Krankheit. Erleben ist immer stark subjektiv geprägt und etwas ganz Persönliches – das gilt insbesondere auch für das Erleben von Krankheit und Medizin. In diesem zweiten Teil werden zudem Kenntnisse über verschiedene Modelle der Krankheitsentstehung und über unterschiedliche Weisen der Auseinandersetzung des Erkrankten mit seiner Krankheit vermittelt, und es geht auch um Affektivität und Unsicherheit gegenüber psychischen und körperlichen Leiden. Und letztlich um unsere Vergänglichkeit, ums Sterben und den Tod. Im dritten und letzten Teil wird über das Medizinverständnis gesprochen. Die Medizin ist im Wandel – entfremdet sie sich vom Menschen? Wie ist diese Entwicklung zu interpretieren? Was wollen wir überhaupt, was könnte man verbessern und wie müsste dies geschehen? Hier werden nicht nur Fragen gestellt, sondern konkrete Vorschläge zur Verbesserung unserer modernen Medizin gemacht. Wir sind auf der Suche nach der genuinen Medizin, nach einer Medizin, die eine Medizin für den Menschen ist.

Die insgesamt neunzehn Kapitel dieses Buches werden eingeleitet durch Einführende Bemerkungen. Übersichtsmässig und stichwortartig wird hier über die in diesem Kapitel zu erwartenden Themen informiert. Im zweiten und dritten Teil des Buches sind zudem unter dem Titel Die Stimme der Philosophen je zwei philosophische Texte untergebracht (insgesamt vier), die in direktem Zusammenhang mit der jeweiligen Thematik stehen und mit Absicht sehr nahe am Originaltext vorgestellt werden. Das Ziel ist, die Sprache, Gedanken und Argumente von ausgewählten Philosophen zu Themen der Medizin hier möglichst unverfälscht und authentisch wiederzugeben. Sie sollen die Art und Weise des Denkens und Argumentierens der Philosophen exemplarisch aufzeigen.

Das Medizinverständnis, welches diesem Buch zugrunde liegt – und welches explizit meinem eigenen entspricht – basiert erstens auf der Einsicht, dass weder der ausschliesslich naturwissenschaftliche noch der bloss geisteswissenschaftliche Zugang der Medizin dem kranken Menschen gerecht werden kann. Und zweitens entspricht es meiner Überzeugung, dass der immer grösser werdende Prioritätsanspruch (und Machtanspruch) der Naturwissenschaften gegenüber den Geisteswissenschaften einer dem Menschen angemessenen Definition einer modernen Medizin nicht mehr standhalten kann. Weder der schon beinahe legendäre Satz des berühmten Arztes Bernhard Naunyn (1839–1925) „Die Medizin wird Naturwissenschaft sein oder sie wird nicht sein“, noch seine absolute Gegenposition, werden dem Menschen, insbesondere dem Menschen in seiner Krankheit, gerecht.1

Zu diesem Schluss kommt jeder Arzt, der einerseits bei seinen Patienten die oft spektakulären Erfolge unserer naturwissenschaftlichen Medizin aus nächster Nähe miterlebt. Der andererseits aber immer wieder feststellt, wie stark auch nichtbiologische, also anthropologische und kulturelle Faktoren, das Erleben und Bewältigen einer Krankheit mitbestimmen, und der auch immer wieder registriert, wie aber in unserer modernen Medizin diese Aspekte oft viel zu wenig mit einbezogen werden. Eine wirklich erfolgreiche Medizin, eine Medizin, die für den Menschen gedacht ist, wird ihre...

Erscheint lt. Verlag 25.11.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Arzt • Empathie • Ethisch • Genuine Medizin • Gesundheit • Gesundheitsberufe • Glücksfall • Herangehensweise • Hippokrates • Ideen • Impulse • Konditionierung • Körperliche Leiden • Krankheit • Krankheitsentstehung • Krankheitserleben • Medizin • medizin-philosophisch • Medizinverständnis • Mitleid • Nichtphilosophen • Noceboeffekt • Pathogenese • Patientenwohl • Philosophie • philosophisch • Placebo • Platane • Salutogenese • Schlussfolgerungen • Suggestion • Trauer • Trost • Unsicherheit • Wandel
ISBN-10 3-456-96023-9 / 3456960239
ISBN-13 978-3-456-96023-4 / 9783456960234
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