Pflegeheim Rating Report 2017 (eBook)
170 Seiten
medhochzwei Verlag
978-3-86216-365-6 (ISBN)
Wissenschaftlerin im Kompetenzbereich Gesundheit am RWI
Vorwort
Bei dem vorliegenden Pflegeheim Rating Report 2017 handelt es sich um den sechsten Report. Hauptziel ist die Verbesserung der Transparenz im deutschen Pflegemarkt – mit Fokus auf der stationären Pflege. Daraus abgeleitet ergibt sich der Anspruch, den Entscheidungsträgern auf den verschiedenen Ebenen (Pflegeheimen und deren Geschäftspartnern, Politik, Krankenversicherungen, Banken und Investoren) empirisch abgesicherte Erkenntnisse über diesen Markt an die Hand zu geben. Für die aktuelle Ausgabe konnten 432 Jahresabschlüsse untersucht werden, die insgesamt 2 050 Pflegeheime umfassen. Auch konnten wieder die amtlichen Daten des Statistischen Bundesamts aller rund 13 600 Pflegeheime und 13 300 ambulanter Dienste untersucht werden.
Wir danken Ricka Bähnsch, Vanessa Kuske und Anna Werbeck für wertvolle Unterstützung, Kommentare und Anregungen bei der Erstellung der Studie und der TERRANUS-Gruppe für Einblick in die Pflegeatlas-Daten. Den Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder danken wir für die Bereitstellung der amtlichen Daten und Claudia Lohkamp für die organisatorische Hilfe. Die Verantwortung für den Inhalt und für eventuelle Fehler tragen selbstverständlich allein die Autoren. Wir freuen uns über Kritik und Anregungen zur stetigen Verbesserung des Reports.
Essen, Berlin, den 31. Oktober 2017
Dr. Dörte Heger
Prof. Dr. Boris Augurzky
Ingo Kolodziej
Dr. Sebastian Krolop
Christiane Wuckel
Executive Summary
Status quo
Der Pflegemarkt ist ein Wachstumsmarkt. Die vorliegenden Zahlen aus 2015 bestätigen dies erneut: Insgesamt gab es 2,9 Mill. pflegebedürftige Menschen, davon wurden 783 000 vollstationär und 692 000 durch ambulante Dienste versorgt, der Rest erhielt Pflegegeld. Das Marktvolumen der ambulanten und stationären Pflegedienste betrug knapp 47 Mrd. €. Gegenüber anderen Teilbereichen des Gesundheitsmarkts ist der Pflegemarkt am stärksten gewachsen: 1999 betrug der Anteil der Pflege 10,8 % des gesamten Gesundheitsmarkts, 2015 bereits 13,6 %. Damit rangierte die Pflege in ihrer Bedeutung nun an dritter Stelle hinter Krankenhäusern und Arztpraxen.
Die wirtschaftliche Lage der Pflegeheime ist relativ gut: Ihre durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit (Zahlungsunfähigkeit) betrug 2015 0,54 %. Sie lag damit deutlich niedriger als bei Krankenhäusern. 2 % der Pflegeheime lagen im „roten Bereich“, d. h. besaßen eine erhöhte Insolvenzgefahr, 82 % im grünen mit geringer Insolvenzgefahr und 16 % dazwischen im gelben Bereich. Zwischen 2013 und 2015 hat sich die Lage damit verbessert, was aber auch auf die unterschiedliche Stichprobe zurückzuführen sein kann.
Die Ertragslage der Pflegeheime hat sich ebenfalls verbessert. Schrieben 2013 noch 20 % der Pflegeheime einen Jahresverlust, so waren es im Jahr 2015 nur noch 10 %. Das durchschnittliche Heim erwirtschaftete 2015 ein EBITDAR (Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen, Amortisation und Mieten) von 14 % der Erlöse. Untersucht wurden 432 Jahresabschlüsse aus den Jahren 2014 und 2015, die insgesamt 2 050 Pflegeheime umfassen bzw. rund 15 % des Marktes.
Private Heime schnitten leicht schlechter ab als öffentlich-rechtliche und freigemeinnützige, da zur Berechnung des Ratings die Mieten kapitalisiert werden, d. h. als Fremdkapital in der Bilanz verbucht werden. Ohne Kapitalisierung der Mieten verringern sich die Unterschiede zwischen den Trägerschaften. Die wirtschaftliche Situation der Heime war in Mecklenburg-Vorpommern/Brandenburg/Berlin, Sachsen-Anhalt/Thüringen, Sachsen und Baden-Württemberg am besten und in Niedersachsen/Bremen, Bayern, Schleswig-Holstein/Hamburg und Hessen am schlechtesten. Ketten schnitten etwas besser ab als Einzelheime. Ebenso schnitten Heime in Kreisen mit hoher Auslastung besser ab, andere lokale Umgebungsvariablen spielten dagegen keine große Rolle bei der Ausfallwahrscheinlichkeit.
Rückblickend lassen sich einige bereits vor zwei Jahren beobachtete Trends auch weiterhin bestätigen.
Ambulantisierung. Die ambulante Pflege konnte wie in den Vorjahren auch 2015 zulegen. 2015 wurden 24,2 % der Pflegebedürftigen ambulant versorgt, während es 1999 20,6 % waren. Die überproportionale Erhöhung der Pflegesätze der Pflegeversicherung für Leistungen der ambulanten Dienste seit 2008 und dem Ausbau der ambulanten Pflege im Rahmen der Pflegestärkungsgesetze hat die ambulante Pflege gestärkt.
Privatisierung. Der Anteil der Pflegebedürftigen, die in einer privaten Einrichtung versorgt werden, nahm weiter zu: in Pflegeheimen auf 37,7 % 2015 (25,4 % 1999) und in ambulanten Diensten auf 50,6 % (35,6 % 1999). Die Zahl der Plätze in privater Trägerschaft stieg seit 1999 um 118 % (freigemeinnützig: 25 %). Die Auslastung privater Heime entwickelte sich zwischen 1999 und 2015 von 87,3 % auf 85,8 %. Dabei erreichte sie 2009 den niedrigsten Wert von 83,1 %. Allerdings arbeiten Heime in privater Trägerschaft in Westdeutschland kostengünstiger: Inklusive des Investitionskostenanteils lagen ihre Preise 6 % unter dem Durchschnitt.
Personalknappheit. 2015 waren in der ambulanten und stationären Pflege rund 1 086 000 Personen beschäftigt, was 764 000 Vollkräften entsprach, davon 311 000 Pflegefachkräfte. Zwischen 1999 und 2015 entspricht dies 294 000 zusätzlicher Vollzeitkräfte. Bedarf an weiteren Arbeitsplätzen besteht jedoch immer noch. Es besteht ein Mangel an Pflegefachkräften: Im Juli 2017 lag die Zahl der gemeldeten offenen Stellen bei Heimen mehr als dreimal so hoch wie im Juli 2007, im Vergleich zu Juli 2015 stieg sie um 14 %.
Regulierung. Die Pflege ist ein stark regulierter Markt. Je restriktiver die regulatorischen Vorgaben bezüglich des Betriebs von Heimen, Einbettzimmer-Quoten oder der baulichen und personellen Ausstattung an die Marktteilnehmer sind, desto teurer werden Investitionen in neue und in Bestandseinrichtungen. Manche Investoren dürften sich daher aus Bundesländern mit hoher Regulierungsdichte zurückziehen, sodass sich das Angebot an Pflegeplätzen verknappt. Infolgedessen kann es zu einer Rationierung oder zu einer Verteuerung der stationären Pflege kommen.
Ausblick
Hauptgrund für das Wachstum des Pflegemarkts ist die Alterung der Gesellschaft, die in den kommenden Jahrzehnten weiter anhalten wird. Zudem wurde mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt, welcher durch die Gleichbehandlung körperlicher, kognitiver und psychischer Beeinträchtigungen die Zahl der Leistungsberechtigten deutlich ausgeweitet hat. Unter der Annahme konstanter Pflegequoten, d. h. Prävalenzraten, dürfte die Nachfrage nach Pflegeleistungen ungebrochen weiter zunehmen. Bis 2025 ist dann mit 3,8 Mill. Pflegebedürftigen in Deutschland zu rechnen, bis 2030 mit 4,1 Mill. was gegenüber 2015 einen Anstieg um 25 % bzw. 34 % bedeutete. Das Nachfragewachstum führt bei konstanten Annahmen zu einem zusätzlichen Bedarf von 271 000 stationären Pflegeplätzen bis 2030. Bei einer zunehmenden Professionalisierung der Pflege fällt der Bedarf jedoch deutlich höher aus. Ein stärkerer Trend hin zu mehr ambulanter Pflege würde den Bedarf verringern. Die erforderlichen Neu- und Re-Investitionen beliefen sich entsprechend auf 53 bis 85 Mrd. €. Darüber hinaus ist auch mehr Personal erforderlich. Bis 2030 rechnen wir mit insgesamt 130 000 bis 307 000 zusätzlichen Stellen (Vollkräfte) in der stationären und mit 83 000 bis 172 000 in der ambulanten Pflege. Bei Pflegefachkräften erwarten wir bis 2030 einen zusätzlichen Bedarf zwischen 113 000 bis 180 000 in der stationären und ambulanten Pflege.
Um dem zu erwartenden Mangel an Pflegefachkräften zu begegnen, muss in erster Linie die Attraktivität des Pflegeberufs erhöht werden. Ziel muss es sein, die Verweildauer im Pflegeberuf zu verlängern, die Vollzeitquote auszuweiten und neue Auszubildende zu gewinnen. Dazu werden die Löhne für qualifiziertes Personal gegenüber Hilfskräften steigen müssen – was als Folge des Mangels an Fachkräften über den Wettbewerb der Arbeitgeber um die Fachkräfte geschehen dürfte. Allerdings spielen auch weiche Faktoren eine wesentliche Rolle, z. B. weniger Bürokratie, eine gute Führungskultur, größeres gesellschaftliches Ansehen des Berufs, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und bessere Karrieremöglichkeiten. Um wegen den damit einher gehenden höheren Kosten nicht die Insolvenzgefahr für Pflegeanbieter zu erhöhen, werden die Preise für Pflegeleistungen und damit die Belastung der Pflegebedürftigen steigen müssen.
Daher sind weitere Maßnahmen nötig, zumal andere Branchen im Kampf um qualifizierte Fachkräfte nachziehen und ebenfalls attraktivere Arbeitsbedingungen bieten werden. Ein konsequenter Bürokratieabbau würde erstens dazu beitragen, mehr Arbeitszeit für die Pflege freizusetzen. Zweitens würde die Zuwanderung qualifizierter Pflegefachkräfte den Fachkräftemangel lindern. Drittens muss auch in der Pflege über arbeitssparenden Technikeinsatz verstärkt nachgedacht werden. Beispielsweise können Überwachungsfunktionen viel stärker von moderner Technik übernommen werden – sowohl im häuslichen Umfeld als auch im Pflegeheim. Potenzial besteht bei der Nutzung innovativer Technik im Bereich Ambient Assisted Living (AAL).
Neben Personal wird auch mehr Kapital benötigt. Öffentliches oder freigemeinnütziges Kapital wird dazu jedoch kaum ausreichen. Ohne den weiteren Einsatz von privatem Kapital wird es nicht gehen. Privates Kapital...
Erscheint lt. Verlag | 24.11.2017 |
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Verlagsort | Heidelberg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Allgemeines / Lexika |
Schlagworte | Demografischer Wandel • Pflegebedarf • Pflegeheimfinanzierung • Pflegeheimmarkt • Pflegestärkungsgesetz • wirtschaftliche Lage der Pflegeheime |
ISBN-10 | 3-86216-365-2 / 3862163652 |
ISBN-13 | 978-3-86216-365-6 / 9783862163656 |
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Größe: 11,9 MB
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