Gerechte Gesundheit (eBook)

Grundlagen - Analysen - Management
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2015 | 1. Auflage
208 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-95507-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gerechte Gesundheit -  Dagmar Domenig,  Sandro Cattacin
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Wie gerechte Gesundheit definiert wird, ist vielschichtig und schwierig zu bestimmen. Je nachdem, woher eine Person kommt, wie sich ihr Lebenslauf entfaltet und was ihr wichtig im Leben ist. - Das Fachbuch der versierten Wissenschaffenden Dagmar Domenig und Sandro Cattacin ist auf dem Hintergrund vielfältiger Verschiedenheit im Gesundheitswesen entstanden und sucht nach Wegen für eine gerechte Gesundheitsversorgung. Es stellt konzeptuelle Grundlagen pluraler Gesellschaften mit komplexen Identitäten der in ihr lebenden Menschen dar, setzt sich differenziert mit dem Thema der Verschiedenheit (diversity) im Gesundheitswesen auseinander, beschreibt und analysiert mittels empirischer Interviews vor welchen Herausforderungen Gesundheitsorganisationen im Umgang mit Pluralismus und komplexen Identitäten stehen · veranschaulicht, wie Menschen und Organisationen im Gesundheitswesen den Umgang mit Verschiedenheit und vulnerable Situationen erleben · setzt sich konkret und kritisch mit Normen und Standards im Kampf für eine gerechte Gesundheit auseinander · erklärt und fasst Schlüsselkonzepte und Begriffe gerechter Gesundheit verständlich zusammen · orientiert Gesundheitsorganisationen und -dienstleistende, wie sie eine gerechte Gesundheitsversorgung fördern können · zeigt wie Menschen im Gesundheitswesen fair in ihrer Verschiedenheit anerkannt, respektiert und behandelt werden können.

Gerechte Gesundheit 4
Inhaltsverzeichnis 8
Danksagung 11
Geleitwort 13
Sozial- und Gesundheitssysteme auf Vielfalt eichen 13
Einführung 16
Teil I – Konzeptuelle Grundlagen 20
1. Einleitung 22
2. Pluralistische Gesellschaft 23
2.1?Kritik der Unterdrückung und Pluralismus 23
2.2?Staat und Gesellschaft 29
2.3?Individualisierung und Individuierung 36
2.4?Anarchische Kommunitarisierung 37
2.5?Zwischenüberlegungen 40
3. Lebensweltliche Dimensionen pluraler und komplexer Identitäten 41
3.1?Feminismus und Intersektionalitätsdebatte 42
3.2?Behindertenbewegung und der Kampf um (körperliche) Anerkennung 44
3.3?Solidaritätsbewegung und Antirassismus 47
3.4?Mehrfachdiskriminierungen komplexer, pluraler Identitäten 51
3.5?Zwischenüberlegungen 52
4. Gesundheitssysteme im Vergleich 53
4.1?Kategoriale unduniversalistische Systeme 54
4.2?Politische Dynamiken sozialstaatlicher Veränderung 56
4.3?Selektivität und Etatismus 57
4.4?Sensibilität der Modelle für Verschiedenheit 60
4.5?Zwischenüberlegungen 62
5. Zusammenfassung 63
Teil II – Empirische Betrachtungen 64
1. Einleitung 66
2. Umgang mit Verschiedenheitaus der Sicht der Nutznießenden 66
2.1?Verbesserung der Lebenschancen 67
2.2?Diskriminierungserfahrungen 69
2.3?Individuelle Strategien im Umgang mit Gesundheitsorganisationen 70
2.3.1?Resignation 70
2.3.2?Wut 70
2.3.3?Kampf 71
2.4?Der Wunsch nach Respekt und Anerkennung 72
2.4.1?Zuhören 72
2.4.2?Fördern 73
2.4.3?Informieren 73
2.5?Zwischenüberlegungen 73
3. Umgang mit Verschiedenheit aus Sicht der Gesundheitsorganisationen 74
3.1?Reflexivität in Gesundheitsorganisationen 75
3.1.1?Fehlende Verankerung von Leitlinien 76
3.1.2?Organisationale Lernprozesse als Herausforderung 78
3.1.3?Weiterbildungen für alle 81
3.1.4?Kompetentes Personal 81
3.2 Barrieren 83
3.2.1?Strukturelle Barrieren 83
3.2.2?Soziale Barrieren 85
3.2.3?Vertrauensbarrieren 87
3.3?Interaktionsdynamiken 88
3.3.1?Kommunikationshindernisse 88
3.3.2?Stereotype 90
3.3.3?Therapiebefolgung 93
3.4?Organisationsorientierte Partizipation 94
3.5?Minimale Interessenvertretung 95
3.6?Zwischenüberlegungen 96
4. Zusammenfassung 97
Teil III – Normen und organisationale Standards 100
1. Einleitung 102
2. Normative Betrachtungen 102
2.1?Gesundheitspolitik: ein geschichtlicher Abriss 102
2.2?Soziale Determinanten von Gesundheit 107
2.3?Theorien sozialer Gerechtigkeit 111
2.4?Gesundheitliche Chancengleichheit 115
2.5?Der Diskurs über soziale Gruppen 121
2.6?Zwischenüberlegungen 123
3. Standards 124
3.1?Ursprung 130
3.2?Sexuelle Orientierung 134
3.3?Behinderung 136
3.4?Allgemeine Standards für eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung 140
3.5?Zwischenüberlegungen 147
4. Zusammenfassung 148
Teil IV – Orientierungen für eine gerechteGesundheitsversorgung 150
1. Einleitung 152
2. Die fünf Orientierungen 153
2.1?Reflexives Management 153
2.1.1?Managementinstrumente 155
2.1.2?Veränderungsprozess 156
2.1.3?Personalmanagement 159
2.2?Abbau von Barrieren 162
2.2.1?Strukturelle Barrieren 162
2.2.2?Soziale Barrieren 165
2.3?Personenzentrierte Interaktion 168
2.3.1?Kommunikation 168
2.3.2?Plurale und komplexe Identitäten 169
2.3.3?Perspektive des Krankseins 172
2.3.4?Narration 173
2.4?Partizipation 175
2.4.1?Partizipation der Nutznießenden 176
2.4.2?Partizipation des Einzugsgebiets 178
2.5?Interessenvertretung 183
2.5.1?Interne Interessenvertretung 183
2.5.2?Interessenvertretung nach außen 185
3. Zwischenüberlegungen 187
4. Zusammenfassung 187
Teil V – Synthese und Schlussfolgerungen 190
Abkürzungsverzeichnis 196
Literaturverzeichnis 198
AutorInnenverzeichnis 206
Sachwortverzeichnis 207

Einführung (s. 15-16)

Was bedeutet gerechte Gesundheit und wie manifestiert sie sich in einer gerechten Gesundheitsversorgung? 1 Dieser Frage möchten wir in diesem Buch nachgehen. Eine einfache Antwort darauf ist kaum möglich, obschon wir uns alle mehr Gerechtigkeit wünschen und uns auch daran stören, wenn die Rehabilitation nach der gleichen Knieoperation eines berühmten Fußballers dreimal weniger Zeit in Anspruch nimmt als bei einer weniger bekannten Person. Doch der Fußballfan, der sich die rasche Rückkehr seines Fußballers in sein Team wünscht, ist gegenüber solchen Gerechtigkeitsansprüchen völlig indifferent, denn wieso auch sollte es bei allen so rasch gehen, wie beim besten Stürmer seiner Mannschaft. Gerechtigkeit, so zeigt dieses Beispiel, stellt keine feste Größe dar und bedeutet kaum für alle dasselbe, denn persönliche Ideologien und Philosophien spielen bei der Definition von Gerechtigkeit eine gewichtige Rolle.

Wie gerechte Gesundheit definiert wird, ist also vielschichtig, je nachdem, woher eine Person kommt, aus welchem Land, aus welcher Stadt oder aus welchem Quartier, oder wie sich ihre Lebensgeschichte oder ihr Lebenslauf entfaltet. Die Gewichtung einer gerechten Gesundheitsversorgung im Kontext von all diesen und noch viel mehr Faktoren ist eine der schwierigsten Aufgabe auf dem Weg hin zu einer gerechten Gesundheit. Im Jahre 2000 wurde in der Schweiz der Fall von Alt-Bundesrat Tschudi in den Medien breit diskutiert, der sich 87-jährig in einem kritischen Zustand im Spital befand. Als ihm eine Behandlung vorgeschlagen wurde, die gegen eine Million Schweizer Franken (etwa 800 000 Euro) gekostet hätte, wurde ihm diese durch die Gesundheitsministerin des Kantons mit Argumenten wie hohes Alter, kritische Finanzlage des Kantons, bestehende billigere, wenn auch weniger sichere Alternativen verweigert.

Der daran anschließende Skandal war groß, da es sich hier um eine öffentlich bekanntgegebene Rationierung handelte, die den wohl wichtigsten Verantwortlichen in der Entwicklung des Schweizer Sozialstaates der Nachkriegszeit traf.3 Die Diskussion um die Frage der gerechten Gesundheit in einer Zeit, in der das Geld für die Gesundheitsversorgung knapper wird und eine hoch technologisierte Medizin nicht nur immer mehr möglich macht, sondern oft auch mit hohen Kosten verbunden ist, war lanciert. Dabei waren alle politisch-philosophischen Positionen vertreten, vom unteilbaren Recht auf Gesundheitsdienstleistungen bis hin zu deren Rationierung aus finanziellen Gründen. Der Politikerin, die Tschudi die teure Therapie verweigert hatte, kostete ihr umstrittener Entscheid die politische Laufbahn; sie wurde abgewählt (Hollenstein, 2002).

Obschon in der Schweizer Verfassung in Artikel 41 Absatz b steht, dass jede Person die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält, sind nicht nur Rationierungen, sondern auch Fehlbehandlungen, beispielsweise aufgrund einer fehlenden Vertrauensbasis oder mangelnder Informationen, aber auch Diskriminierungen gang und gäbe, denn was notwendig ist, ist abhängig von der zeitgemäßen Interpretation, dem aktuellen Kontext sowie der konkreten Situation. Gesundheitsorganisationen4 müssen tagtäglich entscheiden, was noch vertretbar ist, und was nicht mehr vertretbar ist, und wie sie auch im Kontext von Vielfalt und Verschiedenheit noch eine angemessene Versorgung5 erbringen können. Wir möchten daher das Thema der gerechten Gesundheitsversorgung in diesem Buch von der politisch-philosophischen und oft auch finanziellen Ebene, die durchaus legitim und notwendig ist, auf die Ebene der konkreten Praxis der Gesundheitsorganisationen herunterbrechen. Denn auch wenn Fälle wie Tschudi eher die Ausnahme sind, ist die dadurch ausgelöste Diskussion, welche Gesundheitsdienstleistungen welchen Nutznießenden zustehen und wie sie erbracht (und finanziert) werden sollen, die Regel. Waren egalitäre Haltungen – im Sinne von jeder und jedem das Gleiche – lange Zeit die Norm auch in Gesundheitsorganisationen, setzen sich heute Gesundheitsfachpersonen in der Praxis mit Verschiedenheit auseinander, ausgehend davon, dass jede Person ihr eigenes Universum ist, mit je eigenen Ressourcen ausgestattet, geprägt von individuellen Erfahrungen, die Haltungen und Interaktionen beeinflussen. Doch woran sollen sich Dienstleistende in Gesundheitsorganisationen orientieren, wenn Gleichbehandlung auch Ungleichheit schafft, und daher jede nutznießende Person verschieden zu versorgen ist?

Auch auf diese Frage geben wir in diesem Buch Antworten, die wir Schritt für Schritt herleiten. So sollen im ersten der fünf Teile dieses Buches die konzeptuellen Grundlagen vorgestellt werden, auf denen wir unsere Überlegungen aufbauen. Dabei gehen wir grundsätzlich von einer Gesellschaft aus, die sich zunehmend pluralisiert und individualisiert. Diese bereits Jahrhunderte andauernde Tendenz hat unsere Gesellschaften von Einheit auf Verschiedenheit umgestellt, was zur Folge hat, dass sich Gesellschaften heute mit Ansprüchen auf Anerkennung dieser Verschiedenheit – politisch und ökonomisch, aber auch sozial – auseinanderzusetzen haben.

Diese Auseinandersetzung empirisch zu begleiten, ist das Ziel des zweiten Teils. Dort stellen wir Ergebnisse aus Untersuchungen vor, die sich mit der Frage des Umgangs mit Verschiedenheit aus der Perspektive der Nutznießenden, aber auch von Seiten der Gesundheitsorganisationen auseinandersetzen.

Im dritten Teil werden die formalisierten Antworten auf diese Herausforderungen vorgestellt und kritisch diskutiert. Zuerst sollen die normativen Ansätze einer gerechten Gesundheit dargestellt und deren standardisierte Formen, die insbesondere in Gesundheitsorganisationen relevant werden, diskutiert werden. Im vierten Teil schließlich versuchen wir, die Orientierungen zusammenzutragen, an denen sich eine Gesundheitsorganisation auszurichten hat, wenn sie sich entscheidet, eine gerechtere Gesundheitsversorgung zu fördern. Dieser vierte Teil diskutiert insbesondere die mit den Orientierungen zusammenhängenden Themenfelder und gibt Hinweise auf entsprechende Maßnahmen, die zu einer kohärenten gerechteren Leistungserbringung in Organisationen führen könnten.

Im fünften Teil werden die wesentlichen Erkenntnisse nochmals zusammengefasst. Abbildung 1 verdeutlicht den Aufbau des Buches. Zur besseren Verständlichkeit haben wir in den verschiedenen Kapiteln Schlüsselkonzepte oder Begrifflichkeiten, die immer wieder Verwendung finden, besonders hervorgehoben.

Erscheint lt. Verlag 24.8.2015
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Medizin / Pharmazie Pflege
Schlagworte Diversity • Fachbuch • Gerecht • Gesellschaften • Gesundheit • Gesundheitsorganisationen • Gesundheitspolitik • Gesundheitspolitiker • Gesundheitsversorgung • Gesundheitswesen • Gesundheitswirtschaft • Gesundheitswirtschaft und Management • Identitäten • Management • Pflege • Pflegemanagement • Plural • Standards • Verschiedenheit • Versorgung
ISBN-10 3-456-95507-3 / 3456955073
ISBN-13 978-3-456-95507-0 / 9783456955070
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