Die Kunst der Gestalttherapie (eBook)

Eine schöpferische Wechselbeziehung
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2006 | 2006
XXI, 355 Seiten
Springer Wien (Verlag)
978-3-211-35720-0 (ISBN)

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Die Kunst der Gestalttherapie -
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Gestalttherapie verfügt über eine große Bandbreite therapeutischer Interventionen. Kreativität ist entscheidend für Gesundheit, Wohlbefinden und Intelligenz. Sie befähigt uns, neue Lösungen zu finden und uns in kritischen Lebenssituationen - wenn nötig - anzupassen. Der Terminus 'kreative Anpassung', unterstreicht die Bedeutung dieser Fertigkeit für die persönliche wie berufliche Entfaltung. Dieses Buch betrachtet das fruchtbare Wechselspiel zwischen Theorie und Praxis, historischen und philosophischen Grundlagen, Fallstudien und speziellen Anwendungsbereichen. Ein repräsentativer Querschnitt von Theoretiker/innen aus Europa und den USA.

Vorwort 7
Vorwort zur deutschen Ausgabe 13
Zur Übersetzung 15
Inhaltsverzeichnis 17
Autorenadressen 19
Einführung 22
Teil I Wie das kreative Feld entsteht 25
Auf dem Weg zu einem gestalttherapeutischen Konzept zur Förderung des schöpferischen Prozesses 26
I. Praxisbezogene theoretische Einflüsse 28
II. Das Entwickeln ästhetischer und kreativer Dimensionen in der Gestalttherapie 30
III. Das Vermächtnis der Pioniere und Pionierinnen 31
IV. Auf dem Weg zu einem gestalttherapeutischen Konzept zur Förderung des schöpferischen Prozesses 34
V. Conclusio 42
Auf der anderen Seite des Mondes: Die Bedeutung impliziten Wissens für die Gestalttherapie1 45
Die therapeutische Begegnung – eine improvisierte Kokreation 63
I. Einführung 63
II. Improvisierte Kokreation – ein typisches Merkmal gesunder Beziehungen 64
III. Die Dimension Zeit in der therapeutischen Kokreation: Der Veränderungsprozess und die Phasen der therapeutischen Begegnung 66
IV. Was den Veränderungsprozess in der therapeutischen Kokreation möglich macht 72
Schöpferische Fähigkeiten und die Lebenskunst 78
I. Einführung 78
II. Eine künstlerische Ausbildung 80
III. Die fünf Dimensionen von Entwicklung und Veränderung 81
IV. Conclusio 90
„Tiger! Tiger! Hell entfacht“ – Ästhetische Werte als klinische Werte in der Gestalttherapie 93
I. Einführung 93
II. Kontaktgrenze, Kontakt, Selbst, schöpferische Anpassung3 – das Herzstück der Gestalttherapie 94
III. Ästhetische Werte als klinische Werte 98
IV. Klinische Ästhetik in der Praxis 106
V. Conclusio 108
Die Neurowissenschaft der Kreativität: Eine gestalttherapeutische Perspektive 110
Teil II Die Definition kreativer Konzepte – eine Herausforderung 122
Therapie, eine Sache der Ästhetik: Kreativität, Träume und Kunst in Gestalttherapie (PHG) 123
I. Hauptwort und Attribut: Kreativität in Gestalttherapie 123
II. Träume als Mise en abîme Therapie 126
III. Therapie und Poesie: Die Auffassung von Kunst in Gestalttherapie (PHG) 129
Kreativität als Gestalttherapie 131
I. Am Anfang 131
II. Die Szenerie 131
III. Auftritt Paul Goodman 132
IV. Traumarbeit 132
V. Tanz als Kokreation 133
VI. Die erste gestalttherapeutische Professionellengruppe 134
VII. Die politischen Implikationen der Gestalttherapie 134
VIII. Den Strich ziehen: ein Grenzphänomen 135
IX. Menschliche Kreativität und soziale Einschränkung 135
X. Ein Beispiel aus der Praxis: Das 136
XI. Gestalttherapie und Gestaltpsychologie 138
XII. Wie das New Yorker Institut aus der Profigruppe hervorging 138
XIII. Die Literatenrepublik 139
XIV. Der Literat 140
XV. Überlegungen 141
XVI. Postskriptum 142
Das weltenschwangere Nichts Salomo Friedlaenders „Schöpferische Indifferenz“ 143
I Wer war Salomo Friedlaender? 144
II. Die Philosophie 147
III. Friedlaenders Philosophie und die Gestalttherapie 151
IV. Das Fünf-Schichten-Modell der Neurose 153
Otto Ranks schöpferischer Wille und sein Einfluss auf die Gestalttherapie 159
I. Ranks Konzepte des schöpferischen Willens, Bewusstsein, die schöpferische Persönlichkeit und die Willenstherapie 161
II. Schöpferischer Wille und Schuld 165
III. Der schöpferische Wille und die Neurose 166
IV. Der künstlerische Schaffensdrang 167
V. Conclusio 169
Schönheit und Kreativität in zwischenmenschlichen Beziehungen 172
I. Die Sehnsucht nach dem Transzendenten 174
II. Liebe 175
III. Humor 176
IV. Improvisation 177
V. Multikontextualität 179
VI. Kinder 180
VII. Erwachsene 180
VIII. Bewegung und Gestik 181
IX. Kultur 182
X. Kontextuelle Eigenschaften von Schönheit und Kreativität in zwischenmenschlichen Beziehungen 182
Die Ästhetik des Commitments1: Was Gestalttherapeuten von Cézanne und Miles Davis lernen können 185
I. Dranbleiben ... 185
II. Paul Cézanne 189
III. Miles Davis 191
IV. Das Ausdrücken von Subjektivität 192
Kontakt und Kreativität: Der Gestaltzyklus im Kontext 196
I. Der Zyklus im Kontext 200
II. Die Zone der Kreativität 204
III. Die Feldbedingungen der Kreativität 206
IV. Scham und die Einengung des kreativen Raums 207
V. Die Erweiterung/Einengung der Kreativitätszone 209
VI. Kreativität und „internalisierte Scham“ 210
VII. Conclusio 211
Teil III Das Zusammenspiel von Theorie und Praxis: Fallbeispiele 214
Kreativität verkörpern und Erfahrung entwickeln: Der therapeutische Prozess und seine entwicklungspsychologische Grundlage 215
I. Einführung 215
II. Die Kreativität des Säuglingsalters 216
III. Die fünf notwendigen Kontexte zum Assimilieren von Neuem in der Säuglingsentwicklung1 219
IV. Experimentieren in Kreativität: Die Therapiesitzung mit Erwachsenen 223
Eine Therapiesitzung: Dialog und Kokreation in der Kindertherapie 238
I. Gestalttherapie und menschliches Wachstum 238
II. Mit Kindern arbeiten: eine aufregende Herausforderung 240
III. Die Geschichte von Pedro 241
Denkwürdige Augenblicke der therapeutischen Beziehung 249
I. Theoretische und praktische Aspekte der Methode verbinden 249
II. Die zehn Gebote Katarinas 250
III. „Wünsch dir was zum Geburtstag!“ 252
IV. Das Unbeschreibliche und Unvorstellbare in Gelbgrün malen 254
V. „Auf den Boden kommen“ 255
VI. „Weder Opfer noch Täter“ 257
VII. Einzigartige Individuen und unverwechselbare Stile 260
VIII. Wiederholen versus Erfinden 261
IX. Der schöpferische Prozess langfristig betrachtet 261
X. Unbeholfenheit und Verlegenheit riskieren 262
XI. Conclusio 263
Teil IV Das Feld in der Praxis: Eine Kostprobe 264
Kreativität in intimen Langzeitbeziehungen 265
I. Einführung 265
II. Kreativität aus gestalttherapeutischer Sicht 267
III. Die Entwicklung intimer Beziehungen 268
IV. Schöpferische Anpassung 270
V. Experimentierwillige Haltung und Methodik 271
VI. Harte Arbeit und Disziplin 272
VII. Kreative Destabilisierung 273
VIII. Enttäuschung ertragen 274
IX. Das Interesse aneinander erhalten 275
X. Sinn für Humor 276
XI. Conclusio: Das kreative Paar 276
Kreativität in der Familientherapie 278
Schöpferische Prozesse in der Gestalt- Gruppentherapie 289
I. Die Gestalt-Feldtheorie 289
II. Die Gestalt-Gruppe 291
A. Einige Beispiele 291
C. Führungsverhalten 295
Kreative Anpassung auf Irrwegen: Ein gestalttherapeutisches Modell für Patienten mit schweren Störungen 301
I. Wie die kreative Anpassung bei schweren Störungen zu verstehen ist 301
II. Entwicklungspsychologischer Ansatz und Phänomenologie psychotischer Erfahrung 302
III. Konsequenzen für die therapeutische Praxis 305
IV. Ein gestalttherapeutisches Modell zum Umgang mit Psychosen in psychiatrischen Einrichtungen 307
V. Therapeutische Ziele des Modells 312
VI. Schlussfolgerungen: Die existenzielle Bedeutung der Begegnung mit der psychotischen Erfahrung ( im Irrsinn am Leben bleiben) 317
Das Psychoporträt: Eine kreative Arbeitstechnik für psychiatrische Institutionen 320
I. Die Kreativität in der Gestalttherapie 321
II. Kunst als Ausdruckskanal für den ernsthaft gestörten Patienten 323
III. Kunsttherapie und Gestalttherapie: Das Psychoporträt 326
IV. Ein klinisches Beispiel: Das Psychoporträt Fabrizios 330
Kreativitätshemmnisse in Organisationen 333
I. Einführung 333
II. Auf dem Weg zu einer pragmatischen Perspektive 334
III. Der Beitrag der Gestalttherapie 335
IV. Kreativitätshemmnisse in Organisationen 336
VI. Conclusio 344
Biografischer Anhang 346
Stichwortindex 351

Eine Therapiesitzung: Dialog und Kokreation in der Kindertherapie (S. 230-231)

Sandra Cardoso-Zinker

Stellen Sie sich einen zerbrechlichen, kleinen Jungen vor, der in der Ecke eines Wartezimmers auf dem Fußboden sitzt und Zeitschriften anguckt. Er ist allein. Drei Jahre alt. Ich werde Ihnen seine Geschichte erzählen. Zunächst gedenke ich, ein paar grundsätzliche theoretische Gedanken mit Ihnen zu erörtern. Ich werde im Text zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht alternieren, weil ich weder dem einen noch dem anderen den Vorzug geben will.

I. Gestalttherapie und menschliches Wachstum

1951 haben Perls, Hefferline und Goodman das menschliche Wachstum in folgendem Kontext erwähnt:

Das Feld als Ganzes strebt nach Vervollständigung, Erreichen des einfachsten Gleichgewichts, das auf der jeweiligen Stufe des Feldes möglich ist. Da aber die Bedingungen stets wechseln, ist das erreichte Partialgleichgewicht immer wieder ein neues, in das man hineinwachsen muss. Der Organismus erhält sich nur, indem er wächst. Selbsterhaltung und Wachstum sind Pole auf einem Kontinuum, denn nur, was sich erhält, kann durch Assimilation wachsen, und nur, was immer wieder Neues assimiliert, kann sich erhalten, ohne zu degenerieren. Dies also sind die Stoffe und Energien des Wachstums: das konservative Bestreben des Organismus zu bleiben, wie er ist, die neue Umwelt, die Zerstörung früherer Partialgleichgewichte und die Assimilation neuer Stoffe (Perls et al., 1997, S. 166 f ) .

Ein Kind ist zum Wachstum geboren. Diese optimistische Auffassung vom Menschen hat meine Arbeit grundlegend geprägt. Eine Klientin unter der Aussicht aufzunehmen, dass sie auf dem Weg zu einem neuen Platz im Leben ist, egal, wie das geschehen wird, macht mich frei, mit ihr in Kontakt zu treten. Es gibt kein bestimmtes Ziel zu erreichen. Meine Aufgabe besteht darin, das Erleben meiner Klientin in einen lebendigen Dialog zwischen ihr und allem, was zu ihrer Beziehungswelt gehört, überzuführen.

Wir sind in ständigem Wandel begriffen. Perls, Hefferline und Goodman schreiben:

Der Kontakt, das heißt die Arbeit, die in Assimilation und Wachstum ihr Ergebnis hat, erschafft sich eine anregende Figur auf dem Hintergrund des Organismus/Umwelt-Feldes. Diese Figur (oder: Gestalt) der bewussten Wahrnehmung ist klar und lebendig, ob als Vorstellung, Bild oder als Einsicht, … Die Erschaffung von Figur und Hintergrund bedeutet einen dynamischen Prozess, in dem die Notwendigkeiten und die Hilfsquellen des Feldes der Spannung, Leuchtstärke und Macht der beherrschenden Figur ihre Kräfte verleihen (ibid., S. 13 f).


Wir stehen mit der Umwelt kontinuierlich in Beziehung. Jedes Kind verfügt über seine einzigartige Weise, Erfahrung zu assimilieren, was zugleich eine einzigartige Weise, auf die Außenwelt zu reagieren, hervorbringt. Wie Gary Yontef es beschreibt: „Die schöpferische Anpassung ist eine Beziehung zwischen einer Person und der Umwelt, in welcher die Person [1] ihren Lebensraum verantwortungsvoll kontaktiert, anerkennt und bewältigt und [2] Verantwortung für die Schaffung von Bedingungen übernimmt, welche ihrem Wohlbefinden förderlich sind" (1993, S. 195)1.

Diese Grundideen der Gestalttherapie stehen mit dem dynamischen Fluss des Kontakts und des Kontaktherstellens in Beziehung. Unser elementares In-Kontakt- Sein geht über die Erfahrung des Lebens vonstatten. In unserer Arbeit achten wir darauf, wie die Energie unseres Klienten in Bezug auf den Erfahrungsaustausch mit anderen und der Welt fließt. Ist die Energie kraftvoll und farbenfroh, gibt es Wachstum. Manchmal wird diese Energie jedoch von Erlebnissen beeinflusst, die negativ assimiliert werden und die Energieinvestition in neue Erfahrungen lähmen oder schwächen. So einem Moment mangelt es an spontaner Kreativität, und das Gewahrsein ist eingeschränkt. Das Kind wird gegenüber seinen eigenen Empfindungen und Gefühlen desensibilisiert. Die verschiedenen Möglichkeiten, die das Feld bereithält, um die Bedürfnisse eines Kindes zu erfüllen, werden nicht bemerkt oder vorzeitig fahren gelassen. Sogar die Erfahrung von Schmerz und Mühe, welche die Vitalität unseres Antriebs mobilisiert, wird vertan. Das Gefühl, ganz da zu sein, kommt zum Erliegen. Ein Kind braucht Hilfe und Unterstützung, um den Energiefluss, welcher es konstant in Bewegung und am Wachsen hält, wiederherzustellen. Bei dieser Gelegenheit braucht das Kind die Erfahrung eines findigen Therapeuten, der seine Klientin so weit zu stimulieren vermag, dass sie ihre Umwelt in Lebendigkeit und mit vermehrter Neugierde erlebt:

Der kreative Therapeut sieht den Klienten in seiner Ganzheit: seine Plastizität und Rigidität, seinen Scharfsinn und seine Dummheit, er sieht Fließen und Stocken, kognitive Exaktheit und Leidenschaft. Der kreative Therapeut ist ein Choreograph, Historiker, Phänomenologe, jemand, der den Körper studiert, ein Dramatiker, ein Denker, ein Theologe, ein Visionär (Zinker, 1990, S. 27).

Erscheint lt. Verlag 12.8.2006
Übersetzer Luna Gertrud Steiner
Zusatzinfo XXI, 355 S.
Verlagsort Vienna
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Klinische Psychologie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Ästhetik • Commitment • Darstellende Künste • Familientherapie • Förderung • Gestaltpsychologie • Gestalttherapie • Gesundheit • Gruppentherapie • Intelligenz • Intervention • Kreativität • Neurowissenschaft • Organisationen • Psychologie • Psychotherapie • Therapie • Wille
ISBN-10 3-211-35720-3 / 3211357203
ISBN-13 978-3-211-35720-0 / 9783211357200
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