Kaiseruhr und Rosenkranz (eBook)

Eine bewegte Familiengeschichte in den turbulenten Zeiten der beiden Weltkriege
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
338 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-35814-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kaiseruhr und Rosenkranz -  Peter Rützler
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Ich sitze beim Zeitungslesen und denke, die ganze Welt geht den Bach runter. Dabei haben meine Grosseltern ein viel bewegteres Leben in sehr turbulenten Zeiten geführt. Sie hungerten im Ersten Weltkrieg, verloren ihre Existenzen während Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise, kämpften im Ostfeldzug und gingen als Nazi ins Gefängnis. Auch persönliche Schicksalsschläge blieben ihnen nicht erspart: Todesfälle, Abtreibungen, uneheliche Kinder, schwere Krankheiten und eine Überschwemmung, bei der ihr Unternehmen buchstäblich den Bach runterging. Trotzdem haben sie allen Widrigkeiten getrotzt und sind immer wieder aufgestanden. Ich habe sie als glückliche Grosseltern erlebt. Und auch die goldene Uhr, ein Geschenk von Kaiser Karl, hat das alles unbeschadet überdauert. Es gibt nur eine Schlussfolgerung: Hör auf, über schlechte Zeiten zu jammern. Ich lebe in der besten aller Welten!

Neugierde hält die «grauen Zellen» frisch. Diesem Motto folgt Peter Rützler schon seit Kindesbeinen. Er wurde im Jahr 1963 in Bregenz am Bodensee geboren, wuchs im St. Galler Rheintal auf und schloss sein Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen mit der Promotion ab. Heute lebt er mit seiner Frau am Zürichsee. Peter Rützler war sein ganzes Berufsleben in der Privatwirtschaft tätig, zunächst als Unternehmensberater und später als Senior Manager bei Holcim, einem weltweit führenden Unternehmen der Baustoffindustrie. Derzeit ist er selbstständiger Unternehmensberater (addvalue-consulting.ch). Die Neugierde liess Peter Rützler seit dem Gymnasium den Fragen nachgehen, woher wir kommen, und wohin wir gehen. So wurde die Astronomie zu seiner Lebenspassion. Peter Rützler ist ein begeisterter Taucher. Allerdings hat sich sein Fokus von den kalten Schweizer Bergseen auf die warmen tropischen Gewässer verschoben. Das ist wohl der Erfahrung geschuldet.

Neugierde hält die «grauen Zellen» frisch. Diesem Motto folgt Peter Rützler schon seit Kindesbeinen. Er wurde im Jahr 1963 in Bregenz am Bodensee geboren, wuchs im St. Galler Rheintal auf und schloss sein Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen mit der Promotion ab. Heute lebt er mit seiner Frau am Zürichsee. Peter Rützler war sein ganzes Berufsleben in der Privatwirtschaft tätig, zunächst als Unternehmensberater und später als Senior Manager bei Holcim, einem weltweit führenden Unternehmen der Baustoffindustrie. Derzeit ist er selbstständiger Unternehmensberater (addvalue-consulting.ch). Die Neugierde liess Peter Rützler seit dem Gymnasium den Fragen nachgehen, woher wir kommen, und wohin wir gehen. So wurde die Astronomie zu seiner Lebenspassion. Peter Rützler ist ein begeisterter Taucher. Allerdings hat sich sein Fokus von den kalten Schweizer Bergseen auf die warmen tropischen Gewässer verschoben. Das ist wohl der Erfahrung geschuldet.

Bach runter
Gegenwart


«Oh nei, nicht schon wieder!», entfährt es mir beim Lesen des Artikels über die Vergabe der Fussballweltmeisterschaft. Einmal mehr wird die Weltmeisterschaft in der Wüste und im Winter stattfinden. Einmal mehr kann ich die Spiele nicht im sommerlichen Garten mit Freunden und viel Bier geniessen. Einmal mehr kämpfen die Mannschaften in einem Land, das keine Fussballtradition hat.

Saudi-Arabien wird den Zuschlag für das Jahr 2034 erhalten. Geld regiert die Welt, schlussfolgere ich. Ich verspüre ein Unwohlsein in der Magengegend, wie immer, wenn ich an das saudische Regime denke. Hat der Kronprinz nicht in der Türkei einen kritischen Journalisten entführen und anschliessend in Stücke hacken lassen? Was für eine abscheuliche und menschenverachtende Tat. Die Frauen werden in diesem erzkonservativen, von der Religion dominierten Land immer noch unterdrückt. Ohne die Zustimmung ihres Mannes oder ihres Familienoberhaupts können sie keine offizielle Entscheidung treffen. Und die Saudis spielen ein sehr schmutziges und gefährliches Spiel im Nahen Osten, wo Menschenleben generell einen tiefen Stellenwert haben.

Mein Onkel arbeitete in den 1980er Jahren als Sprengmeister in Saudi-Arabien. Er musste mit ansehen, wie einem seiner pakistanischen Mitarbeiter öffentlich die Hand abgehackt wurde, weil er des Diebstahls verdächtigt wurde. Mittelalterliche Zustände, die ich als überwunden glaubte. Wobei im Mittelalter wir Christen die Barbaren waren und die islamischen Wüstensöhne weltoffen und tolerant. Seitdem haben sich die Positionen geradezu umgekehrt.

Jedenfalls möchte ich nicht in einem mittelalterlichen Land leben. Ich weigere mich bis heute, nach Saudi-Arabien zu reisen und sei es nur für einen Urlaub. Dieses Land werde ich wohl nie zu Gesicht bekommen.

Aber die Saudis haben mit ihrem Öl viel zu viel Geld verdient. Damit kann sich das Regime alles kaufen, was es will. Seit einiger Zeit steht auch mein geliebter Fussball auf ihrer Einkaufsliste. Die dabei investierten Summen sind in den letzten Jahren exponentiell gestiegen.

Der Fussball hat seine Unschuld schon seit vielen Jahren verloren. Wie leidenschaftlich habe ich als Jugendlicher meine Lieblingsmannschaften verfolgt, mit ihnen bei Niederlagen abgrundtief gelitten und bei Siegen unbeschreibliche Freude empfunden?

Doch diese Zeiten sind endgültig vorbei. Die uferlose Kommerzialisierung des Fussballs verfolge ich mit tiefer Abscheu. Heute werden damit Milliarden, wenn nicht sogar Billiarden, umgesetzt. Wer auf und um den Rasen Erfolg hat, verdient viele Millionen. Und wer finanziert den ganzen Bling-Bling-Klamauk? Wir, die Zuschauer, die wegen des Fussballs ein bestimmtes Produkt kaufen oder immer mehr für den Fussballkonsum bezahlen. Und nun sorgen die Saudis dafür, dass noch mehr Geld in dieses höchst lukrative Geschäft gepumpt wird, das früher eine reine Freizeitbeschäftigung war und nur der Freude wegen gespielt wurde.

Der Fussball ist ein öffentliches Gut, das uns allen gehört. Wieso soll ich für dieses Allgemeingut etwas bezahlen? Nicht mit mir! Ich zahle keinen Rappen extra für Fussballübertragungen. Die Mittwochabende mit Europacup-Spielen sind aus meinem Alltag verschwunden, seit sie aus dem öffentlichen Fernsehen verbannt wurden und nur noch auf Bezahlsendern zu sehen sind.

Jetzt ist also auch die Weltmeisterschaft an der Reihe. Seit sie mehr und mehr als reine Geldmaschine missbraucht wird, verliert sie zusehends ihren Reiz. So wird mir eine meiner liebsten Freizeitbeschäftigungen Stück für Stück aus meinem Leben herausgerissen.

Mir kommt fast die Galle hoch, als ich im Zeitungsartikel auf den Namen Infantino stosse. Wie kann es sein, dass ausgerechnet ein Schweizer diese von Geldgier und Korruption angetriebenen, fanverachtenden Machenschaften als grosser Zampano dirigiert? Ist der wirklich in der Schweiz aufgewachsen?

Ich sehne mich nach den guten alten Zeiten zurück und blicke gedankenverloren auf den Zürichsee. Dieser ist so glatt wie unsere kürzlich gekauften, frisch geschliffenen Granitblöcke, die inzwischen als neue Gartentischplatten dienen. Es ist absolut windstill. Der November zeigt sein schönstes Antlitz. Die Sonne scheint mir direkt ins Gesicht. Ich schliesse die Augen und geniesse das wohltuende Aufblitzen der warmen Sonnenstrahlen in meinen Augäpfeln. Ich sitze, wie fast immer an einem späten Sonntagvormittag, auf unserer Terrasse und lese die Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung, den Zigarillo im Mund und die Tasse frischen Kaffee trinkbereit zu meiner Linken. Schöner und entspannter geht es kaum.

Und doch geht mir der Puls wieder hoch, als ich die Karikatur von Chappatte in der NZZ am Sonntag erblicke. Putin schaut mit seinen Generälen auf eine mit Spielzeugpanzern bestückte Landkarte der Ukraine und kommentiert beiläufig: «Ich begrüsse das Massaker der Hamas … genauso wie Israels massiven Gegenschlag.»

Besser kann man diesen empathielosen, menschenverachtenden und eiskalt berechnenden neuen Zaren des Russischen Grossreiches kaum karikieren. Jedes noch so brutale Mittel ist ihm recht, solange es ihm dient. Wie konnte dieser moderne Zar unsere friedliche Ordnung in Europa mit seinem blutigen Angriffskrieg auf die Ukraine zum Einsturz bringen? Von selbsternannten Führern, die aus ihren Zinnsoldatenspielen grauenvolle Wirklichkeit machten und Europa mit Bomben und Gemetzel überzogen, hatten wir in unserer Geschichte doch schon mehr als genug. Ich dachte, wir zivilisierten Europäer hätten das überwunden. Das sollte im Besonderen für die Russen gelten, die in der jüngeren Vergangenheit einen ausserordentlich hohen Blutzoll zahlen mussten. Putin hat mich eines Besseren belehrt.

Noch übler wird mir bei den jüngsten Auseinandersetzungen um Israel. Das sinnlose Abschlachten hunderter friedlicher Juden, ob jung oder alt, durch die Terrororganisation Hamas ist für mich an Brutalität kaum zu überbieten. Noch erbarmungsloser ist die Geiselnahme von jüdischen Zivilisten jeglicher Couleur als Kriegspfand. Da hat die Hamas noch eine Schippe draufgelegt. Kennt denn diese Spirale der Gewalt keine Grenzen?

Noch erschreckender ist aber, dass es bei uns in Europa grössere Gruppen gibt, die das abscheuliche Treiben der Hamas verteidigen und die Hamas bei grösseren Demonstrationen lautstark unterstützen. Das ist Antisemitismus in Reinkultur. Viele dieser Sympathisanten sind weder Palästinenser noch Moslems, sondern linke Intellektuelle.

Beim Weiterlesen der Zeitung stosse ich auch auf einen Artikel, der von einem sprunghaften Anstieg des Antisemitismus in der Schweiz nach dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel berichtet. Den Judenhass kennt Europa seit Jahrhunderten, und ich liege falsch im Glauben, dass er nach der millionenfachen Judenvernichtung des Hitlerregimes keine grossen Massen mehr hinter sich scharen kann. Er kann es immer noch.

Bedauernswerte Juden bei uns und in Israel, aber auch bedauernswerte palästinensische Zivilisten, die ebenfalls nur Leid erfahren und keinen Frieden finden werden.

Hass und Wut auf Andersdenkende scheinen vollends die Oberhand zu gewinnen. Noch ganz in diesen Gedanken versunken, bleibe ich beim Interview der NZZ mit einem Soziologen hängen. Er sagt, die Spaltung der Gesellschaft werde von oben nach unten erzeugt. Polarisierungsunternehmer wie die AfD nützen aus, dass sich ein grosser Teil der Bevölkerung Mühe mit Veränderungen hat. Die AfD Strategen entwickeln gar keine Strategie, sondern warten auf das nächste Aufregerthema. Die Idee ist, die Unzufriedenheit einzusammeln und für sich auszunutzen. Politisches Wegelagerertum nennt das der Soziologe.

Ich denke an den bekanntesten «Wegelagerer»: Donald Trump, der Narzisst, der die Nation spaltet. Ich finde ihn widerlich. Da bin ich bei weitem nicht allein, auch in den USA nicht. Trotzdem wurde er wieder gewählt, und auch in Deutschland gewinnt die AfD kontinuierlich an Wählerstimmen.

Bei all den schlechten Nachrichten überkommt mich eine heftige Melancholie. Die wärmenden Sonnenstrahlen und die Aussicht auf den spiegelglatten, glitzernd schimmernden Zürichsee kommen dagegen nicht auf. Die vielen blutigen Kriege – selbst in Europa, brutale Diktatoren, polarisierende Politiker, der zunehmende Hass und die Spaltung der Gesellschaft sowie die Macht des Geldes, die alle Lebensbereiche durchdringen, lassen mich eine ernüchternde Schlussfolgerung ziehen: Die Welt verändert sich zum Schlechten hin. Sie geht buchstäblich den Bach runter!

 

Genau in diesem Augenblick läutet mein Telefon. Es ist meine Mutter. Ich begrüsse sie etwas schroff, da sie mich in meinen Gedanken gestört hat. Schnell beruhige ich mich aber wieder und höre ihr dann geduldig zu, was sie mir zu berichten hat. In der letzten Zeit hat ihre Redseligkeit, wohl altersbedingt, abgenommen. Dennoch dauert der Smalltalk eine ganze Weile, bis sie endlich zum Thema kommt. Das Bewertungsgutachten für das Haus ihrer Mutter sei endlich eingetroffen und wir haben nun eine Basis für den Verkauf des Hauses. Sie habe bereits mit dem einzigen möglichen potenziellen Käufer gesprochen. Er sei bereit, ab nächster Woche Verkaufsverhandlungen mit uns zu führen.

«Aber du hast hoffentlich nicht schon einen Preis genannt?», frage ich.

«Nei, nei. Die Preisverhandlung überlass ich dir», entgegnet sie mir.

Ich gebe ihr einige mögliche Daten, an welchen wir uns mit dem Kaufinteressenten treffen könnten. Sie verspricht mir, mich wieder anzurufen, sobald sie einen Termin vereinbart hat.

Endlich ist es also so weit. Meine Mutter will sich von ihrem Elternhaus trennen. Sie hatte Jahre damit gezögert, weil das Haus mit so vielen Erinnerungen verbunden...

Erscheint lt. Verlag 16.9.2024
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bodensee • Familiengeschichte • Kaiserreich • Klostertal • Liebe • Naziregime • Schicksalsschläge
ISBN-10 3-384-35814-7 / 3384358147
ISBN-13 978-3-384-35814-1 / 9783384358141
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