Erinnerungen eines Auslandsschullehrers -  Engelbert Manrfred Müller

Erinnerungen eines Auslandsschullehrers (eBook)

Mit dem VW-Bus in die Atacamawüste
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2024 | 1. Auflage
172 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-6472-0 (ISBN)
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Vielleicht es ja kein Zufall, dass ich die Erinnerung hauptsächlich mit Reiseerinnerungen begann. Weil sie den angenehmen Teil bilden, während die politischen und teilweise auch die schulischen Erinnerungen zumindest sehr gemischt, wenn nicht äußerst negativ waren, was natürlich dazu führte, dass sie im Lauf der Jahre verdrängt wurden. Doch je mehr ich mich auf die Reisen einließ, desto mehr sickerten auch die anderen Erlebnisse ein, mancher Groll, auch immer wieder die Frage: Habe ich richtig gehandelt? Muss ich mir etwas vorwerfen? Welches Resümee ziehe ich über diese fünf Jahre, die unser Leben, das meiner Frau und unserer Kinder und auch meins prägte?

Engelbert Manfred Müller wurde 1940 geboren, wuchs in Köln und Leverkusen auf, arbeitete 40 Jahre lang als Lehrer, davon 9 Jahre in Chile und Mexiko.

Mit dem VW-Bus in die die Atacama-Wüste 1977


Seit März 1977 lebten wir nun in Chile, obwohl wir zuerst große Bedenken hatten, das Angebot der Deutschen Schule anzunehmen, wegen der politischen Lage. „Wenn du nach Chile gehst, landest du dort im Gefängnis. Du kannst ja deinen Mund nicht halten“, hatte mich eine Kollegin gewarnt. Unser eigentlicher Wunsch war Mexiko gewesen.

Aber nun waren wir hier nach einer etwas abenteuerlichen Ausreise mit dem Schiff von Genua nach Buenos Aires mit 15 Koffern und einem Flug von dort nach Santiago in Chile, hatten ein kleines Haus gemietet, ich arbeitete mit viel Vorbereitungsaufwand in der Deutschen Schule. Unsere Kinder besuchten sie als Schüler. Mein Sohn, der arme Kerl, mit seinem Vater als Klassenlehrer.

Den VW-Bus mit Aufstelldach durften wir importieren. Er ermöglichte uns in den fünf Jahre wunderbare Reisen zusammen mit unseren Kindern. Die fünf Jahre haben wir nie bereut. Auf Grund unseres so-genannten Expertenstatus, den wir als Lehrer hatten, waren wir vor Nachstellungen der Diktatur geschützt, hatten aber die Gelegenheit, eine Diktatur von innen kennenzulernen. Auch die manchmal dubiose Rolle, die unser eigenes Land dabei spielte, viele deutschchilenische Kollegen, die Anhänger der Pinochet-Diktatur waren, aber auch Kollegen, die zu den Gegnern gehörten, eine Kollegin sogar, die gefoltert worden war.

Und dazu lernten wir die beeindruckende Landschaft dieses Landes kennen und auch viele sehr sympathische einfache Leute auf dem Land.

Chile hat eine imposante Länge von über 4000 km, bei einer durchschnittlichen Breite von nicht mehr als 189 km. Deshalb wird es oft der Schnürsenkel Amerikas genannt. Im Juli gab es in Chile Winterferien, 2 Wochen. Die wollten wir für eine Reise in den sogenannten Großen Norden, die Atacamawüste, nutzen.

Wir hatten damals kaum vernünftige Karten und keinen Reiseführer zur Hand. Unsere Informationen für die Reise hatten wir von den Kollegen an der Schule bekommen. Viele von ihnen hatten diese Reise in den Winterferien schon hinter sich.

So wussten wir, dass wir für die 2 Wochen eine Reise von mehr als 4000 km vor uns hatten, viel Fahrerei. Aber später stellten wir fest, dass sie zu den schönsten Reisen unseres Lebens gehörte, auch für unsere Kinder.

Das langgestreckte Chile wird in fünf Zonen eingeteilt. In der Mitte liegt die Zentralzone mit der Hauptstadt Santiago. Dort herrscht Mittelmeerklima. Nördlich davon befindet sich der Kleine Norden mit einer halbwüstenartigen Landschaft, und ganz im Norden der Große Norden mit der Atacamawüste, der trockensten Wüste der Welt.

In Santiago rauschte, als wir abfuhren, der typische Winterregen, der an vielen Stellen zu Überschwemmungen führte.

Nach wenigen Tagen gelangten wir in den Kleinen Norden, wo die Halbwüste an manchen Stellen wunderschön blühte.

An der abwechslungsreichen Küste versuchten wir immer mal wieder, ins Wasser einzutauchen. Vergeblich! Das Wasser war einfach zu kalt. Und Sigrids Versuch, das Wasser zum Haare-waschen zu benutzen, war ein abschreckendes Unterfangen.

Hinter uns sahen wir oft die typische Küstenwolke, die auch auf den kalten Humboldtstrom zurückzuführen ist.

Wie auch die zahlreichen Seevögel, die von dem Fischreichtum des kalten Wassers leben.

Und bald befanden wir uns in den Wüstenstädten Antofagasta und Iquique. Sie können nur überleben mit Hilfe von Wasserleitungen, die von Osten, von der Kordillere und von Bolivien, über 300 km Länge bis hin zur Küste geführt werden. Die neoklassizistische Holzarchitektur dieser Städte, vor allem in Iquique, zeugt von einer untergegangen Welt, als hier in den 20er Jahren des Jahrhunderts eine wirtschaftliche Blüte herrschte, auf Grund des Abbaus von Salpeter. Davon zeugen auch weitere, teils verlassene Ortschaften, in denen man Förderanlagen, verrostete Fabriken und Friedhöfe sehen kann. Auf den Friedhöfen sind manche Leichen durch die Trockenheit des Klimas erstaunlich gut erhalten, vor allem für unsere Kinder ein schauerlicher Anblick.

Die Städte Antofagasta und Iquique aber sind heute trotz der prekären landschaftlichen Lage blühende Städte, vor allem Handels- und Hafenstädte. Antofagasta ist Exporthafen für Kupfer, Iquique für Fischmehl. Beides sind Großstädte mit mehreren 100 000 Einwohnern.

Als wir die Kontrollstelle vor der Freihandelszone Iquique passiert hatten, fuhren wir in abenteuerlichen Serpentinen die steile etwa 600 m hohe Wand zur Stadt an der Küste hinunter. Wie eine Fata Morgana erstreckte sich die schöne Stadt vor uns in der schmalen Küstenebene. Bei einem Bummel durch die Altstadt entzückten uns die vielen hölzernen Paläste der damaligen Industriebarone, das Museum und das Theater.

Die verlassene Stadt Chacabuco war mir persönlich aus anderen Gründen schauerlich. Wusste ich doch, dass die Militärs dort Regimegegner gefangen hielten und wohl auch folterten.

Östlich davon liegt die Oase Pica. Hier befuhren wir wieder mal eine fürchterliche Straße, die mehr eine Ansammlung von Schlaglöchern darstellte und dann eine Wellblechpiste, auf der unser Bus tanzte und schaukelte, so dass das Ölthermometer aus seiner Hülle heraussprang.

Vor der Einfahrt in die grüne Insel inmitten der trockenen Wüstenlandschaft mussten wir trotz Sigrids heftiger Proteste das mitgeführte Obst abgeben. Die Einwohner der Oase hatten Angst vor dem Ein-schleppen der Fruchtfliege. Nach weiterem Nachdenken leuchtete uns das natürlich ein.

Pica ist vor allem bekannt wegen der berühmten kleinen Zitronen, die reif sind, wenn sie eine saftige grüne Farbe haben. Limetten heißen sie in Deutschland. Hier sahen wir damals zum ersten Mal in unserem Leben die birnenförmigen Mangos.

Die Oase existiert auf Grund mehrerer Quellen, einige davon Thermalquellen. Deshalb gibt es auch ein Thermalbad, in dem sich unsere Kinder vergnügten.

Die anderen Quellen speisen ein raffiniert ausgeklügeltes Bewässerungssystem, das uns ein Bauer zeigte und erklärte. Jeder Bauer darf nur zu ganz bestimmten Zeiten das Wasser aus den offenen Kanälen auf seine Felder leiten. Die Bauern arbeiten in einer Kooperative zusammen.

In der Nähe liegt auch die Oase von La Tirana. Dort erlebten wir die beeindruckende Fiesta der Jungrau Maria mit einer Trommel- und Blasmusik, die sehr an das benachbarte Bolivien erinnert. An Bolivien erinnern auch die knallrot gekleideten Teufelchen, die Diablitos. Sie und andere wie Indianer verkleidete Gruppen tanzten einen eigenartigen Tanz.

Manche Pilger tanzen mit großen Schmetterlingsflügeln.

Man sieht auch den einen oder anderen Büßer, der die ganze Prozession auf Knien rutscht und in seine Gebete oder Gesänge versunken ist. Den Straßenrand säumen private Küchen, die bestimmt leckere Sachen anboten. Für uns kam das leider nicht in Frage. Zwar besuchten wir ab und zu schon mal ein Restaurant, waren aber immer sehr vorsichtig, weil viele Kollegen sich schon einmal eine Hepatitis eingefangen hatten. Vor allem bei Salaten war Skepsis angesagt, weil er oft künstlich bewässert wurde, und das Wasser war oft verschmutzt. Essen an der Straße aßen wir deshalb nie.

Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von den anderen deutschen Kollegen von anderen deutschen Schulen in Chile, aus Osorno oder Valparaiso. Alle übernachteten in einem eigenen Camp am Rande des Ortes, wo nur die Busse der deutschen Lehrer standen. Dann setzten wir unsere Reise fort in Richtung San Pedro de Atacama, auch dies eine Oase.

Kurz davor durchquerten wir das Valle de la Luna, eine spektakuläre geologische Formation. Es begeisterte uns wegen der vielgestaltigen geologischen Formationen. Rote Sanddünen, weiß gesprenkelte Senken mit Gipskristallen, die von einem Arbeiter abgebaut wurden. Dann ein enger Durchlass mit Wänden wie aus Glas, dann wieder schaurige schwärzliche Felsformationen, die an vorzeitliche Echsen erinnerten. Orangefarbene Vorhänge vor gezackten weißlichen Spitzenhügeln, eingebettet in eine weite Mondlandschaft. Eine Stelle nannte sich Barros Araña, also Spinnenlehm. Weil die Lehmformation wie dünne Spinnenbeine aussah. Auch unsere Kinder waren begeistert. Hier übernachteten wir auch.

Die Oase San Pedro de Atacama liegt 2400 m hoch und man hat eine Aussicht auf die 6000 m hohen Vulkane der Kordillere, wo der Vulkan Licancabur mit seiner Form herausragt.

Damals war die Atmosphäre in San Pedro sehr ruhig, da kaum Touristen anwesend waren, anders als heute. Die Straßen sind Erdstraßen, auf denen man manchmal einen Einheimischen auf einem Esel sieht. Manchmal riecht es deshalb nach Eselskot. Das versetzt einen in eine vergangene Zeit. Auch durch die Lehmziegelhäuser und die Kirche mit ihren Mauern aus Adobe, also Lehmziegeln, die nicht so akkurat rechtwinklig sind wie die heutige Architektur aus Steinen.

Die wenigen Besucher kommen auch wegen des Museums von Padre le Paige, einem belgischen Pater, der hierhin kam als Missionar der Jesuiten. Wir lernten ihn kurz kennen, und er...

Erscheint lt. Verlag 31.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
ISBN-10 3-7597-6472-X / 375976472X
ISBN-13 978-3-7597-6472-0 / 9783759764720
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