Ostfriesenglück (eBook)

Ein Wollcafé für Fenjesiel | Nordseeküste trifft Handarbeit | Zwei Bestsellerautorinnen schrieben gemeinsam | Wohlfühlroman | Entspannungslektüre | Garantiert mit gutem Ende
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
304 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0808-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ostfriesenglück - Anne Barns, Susanne Oswald
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Ein Wollcafé für Fenjesiel oder wie die Liebe zum Backen und Stricken, alles besser machen kann
Inklusive köstlicher Rezepte und kreativer Strickanleitungen
Anneke, gerade erst von einem tragischen Ereignis erschüttert,zweifelt an ihrer Zukunft. Alles ändert sich, als sie die lebensfrohe Konditorin Nora trifft, die in Fenjesiel Urlaub macht und ihr eeigenen Schwierigkeiten hat. Nora kennt das kleine Fischerdorf aus ihrer Kind. Oft hat sie mit ihren Großeltern dort Urlaub gemacht. Der Ort an der Küste besticht durch viel Charme und Bewohner, die alles voneinander wissen und einander helfen. Nora und Anneke sind sich auf Anhieb sympathisch. Durch ihre Freundschaft schaffen sie es, nicht nur ihre persönlichen Herausforderungen zu bewältigen, sie schmieden einen Plan für eine gemeinsame berufliche Zukunft.Ganz Fenjesiel ist in Aufruhr. Es spricht sich schnell herum, was die beiden vorhaben. Bald soll es ein neues Café geben, in dem es nicht nur Kaffee und Kuchen gibt.




Anne Barns ist ein Pseudonym der Autorin Andrea Russo. Sie hat vor einigen Jahren ihren Beruf als Lehrerin aufgegeben, um sich ganz auf ihre Bücher konzentrieren zu können. Sie liebt Lesen, Kuchen und das Meer. Zum Schreiben zieht sie sich am liebsten auf eine Insel zurück, wenn möglich in die Nähe einer guten Bäckerei.

KAPITEL 1

Anneke

Von draußen drang Möwenkreischen zu mir ins Zimmer. Aus der Ferne hörte ich dunkles Tuckern und Stampfen, dazwischen knappe Rufe. Ein Motor brummte, dumpfes Hämmern erklang. Der Hafen erwachte. Ich hatte das Bild vor Augen, wie der erste Kutter sich zum Auslaufen bereit machte.

Ich schlug die Augen auf. Der Morgen dämmerte.

Eine kurze Weile lag ich still da, starrte an die Decke und lauschte den Geräuschen. Sie waren mir seit meiner Geburt vertraut, denn ich war genau hier, in diesem Haus, direkt an der Ostfriesischen Küste mit Möwenkreischen, Kuttertuckern und Meeresrauschen als Begleitmusik geboren. Zumindest hatte Papa es mir immer genau so erzählt.

Wie gern hätte ich diesen kleinen Moment zwischen Schlaf und Wachsein festgehalten. Diesen Bruchteil einer Sekunde, in der die Welt noch in Ordnung und alles gut zu sein schien. Doch schon mit dem nächsten Atemzug war die trügerische Leichtigkeit vorbei.

Nichts war in Ordnung und meine Welt nicht mehr so, wie ich sie kannte. Sie würde nie mehr so sein. Wie Blei legte sich die Wahrheit über mich und drohte mich zu erdrücken.

War es wirklich erst acht Wochen her, dass meine Eltern diesen schrecklichen Unfall gehabt hatten? Erst sechs Wochen, seit wir sie beerdigt hatten?

Die kleine Kirche war bis auf den letzten Platz belegt gewesen, ganz hinten hatten sogar ein paar Leute dem Trauergottesdienst stehend beiwohnen müssen. Meine Eltern waren beliebt gewesen in Fenjesiel. Wertvolle Mitglieder unserer Gemeinde hatte der Pfarrer sie genannt. Freunde und Bekannte hatten sich zuerst in der Kirche und dann auf unserem kleinen Friedhof versammelt, um Peter und Sabine zu verabschieden und mir an diesem Tag beizustehen. Und doch hatte ich mich mitten zwischen all den Menschen so allein gefühlt wie noch nie.

Wie in Trance hatte ich die Umarmungen und das Händeschütteln über mich ergehen lassen. Ich hatte mich bedankt, genickt, einzelne Worte und kurze Sätze gewechselt, ohne zu begreifen, was eigentlich gesprochen wurde. Ich hatte so neben mir gestanden, dass ich nicht einmal geweint hatte – erst nachts, als ich im Bett gelegen und die Stille des leeren Hauses in meinen Ohren gedröhnt hatte, waren die Tränen geflossen.

Bei Kaffee und Kuchen hatten die Leute nach der Beerdigung Geschichten erzählt und so die Erinnerung an Peter und Sabine noch einmal lebendig werden lassen. Die Lütte, die einmal samt ihrem Cockerspaniel im Hafenbecken gelandet war. Peter, der beim Boßeln nach einigen Schnäpsen statt der Kugel versehentlich mit viel Schwung sein Handy geworfen hatte. Die beiden frisch verliebten Teenager beim Maitanz, als der Pfarrer sie knutschend hinter der Kirche erwischt und ihnen die Ohren lang gezogen hatte. Sie erinnerten an die Hochzeit der beiden und wie es gewesen war, als sie das Haushaltswarengeschäft von Mamas Eltern übernommen hatten und in die kleine Wohnung über dem Laden gezogen waren. Das Haus, in dem ich geboren worden war, hatten sie erst gekauft, als Mama mit mir schwanger gewesen war.

Irgendwann hatten sich die Fenjesieler die Kuchenkrümel aus den Mundwinkeln gewischt, einen letzten Schnaps auf das Wohl der Gegangenen gekippt und waren in ihre eigenen Leben und in ihren Alltag zurückgekehrt. Nur ich nicht. Ich hatte kein eigenes Leben mehr. Keinen Alltag.

Es fühlte sich an, als sei das alles erst gestern gewesen. Acht Wochen, und ich hatte noch immer keine Idee, wie es weitergehen sollte.

Mit der rechten Hand tastete ich nach meinem Handy und aktivierte den Bildschirm. Es war kurz vor sechs. Schlafen würde ich nicht mehr können, also schlug ich die Decke zurück und schwang meine Beine über die Bettkante. Als ich zum Fenster hinausblickte, sah ich, dass ein strahlend schöner Spätsommertag anbrach. Ich atmete tief durch und fasste einen Entschluss. Ich hatte jetzt lange genug in Schockstarre verharrt. Es war an der Zeit, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Heute würde ich entscheiden, wie es weitergehen sollte.

Barfuß tapste ich ins Bad. Nach einer ausgiebigen Dusche schlüpfte ich in Bluejeans und meinen Lieblingsringelpullover. Bevor ich die Wollsocken über die Füße streifte, hielt ich sie in Händen und strich sanft über die Maschen. Mama hatte sie mir gestrickt. Ohne Schnickschnack. Ein kurzes Bündchen und den Rest glatt rechts.

»Mach doch mal was mit Muster«, hatte ich ihr immer wieder vorgeschlagen. »Zöpfe, Lace oder Fair Isle.«

Aber Mama hatte jedes Mal den Kopf geschüttelt und abgewunken. »Firlefanz kostet nur Zeit und Nerven. Es genügt doch, wenn eine in der Familie mit Nadeln zaubern kann«, hatte sie immer geantwortet und mir ein anerkennendes Küsschen auf die Wange gedrückt.

Sie war stolz auf ihre talentierte Tochter, das hatte sie bei jeder Gelegenheit betont.

»Außerdem sollen die Dinger keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, sondern deine Füße warmhalten, Annekind«, hatte sie dann immer hinterhergeschoben.

Sie hatte mich immer Annekind genannt, und ich hatte mich immer geärgert, weil ich wollte, dass sie mich als Erwachsene sah und nicht als Kind. Wie gern würde ich ihr Annekind jetzt noch einmal hören.

Mama hatte immer vor dem Fernseher gestrickt. In einem Affentempo waren die Maschen von einer Nadel auf die andere geflogen. Eine Socke an zwei Abenden. Wenn ein spannender Film im Fernsehen lief, hatte sie auch mal eine Socke an einem Abend geschafft. Je aufregender der Film war, desto hektischer hatten Mamas Nadeln geklappert.

Ich lächelte bei der Erinnerung daran.

Oft hatten wir zusammen auf dem Sofa gesessen und gestrickt. Mama ihre Stinos, wie sie ihre stinknormalen Socken genannt hatte, und ich Tücher, Pullover, Jacken und andere hübsche Dinge. Bei mir gab es immer Schnickschnack. Im Gegensatz zu Mama liebte ich schwierige Muster und Herausforderungen.

Obwohl ich viele meiner fertigen Arbeiten an Freunde verschenkte, hatte ich selbst auch schon eine ansehnliche Sammlung von Stricksachen. Ich war seit Jahren die beste Kundin im Fenjesieler Woll-Laden Tante Erna. Dort gab es eine reiche Auswahl an besonderen Garnen, die mein Herz höherschlagen ließen und die Lust weckten, etwas daraus zu stricken. Meist kamen die Ideen, während ich die Knäuel streichelte und bewunderte. Und so verließ ich das Geschäft eigentlich nie ohne reichlich Beute. Seit ich dieses Hobby in der vierten Klasse der Grundschule für mich entdeckt hatte, machte Stricken mich glücklich.

Besonders toll fand ich es, wenn es herausfordernd war. Wenn mein Gehirn und meine Finger sich vor Anstrengung zu verknoten drohten und sich dabei unter meinen Händen ein edles Stück entwickelte, dann schüttete mein Körper Glückshormone aus. Nach meiner Überzeugung war es gerade der Schnickschnack, der das Leben schmückte und die Seele streichelte.

Socken hatte ich seit Jahren keine gestrickt. Vielleicht sollte ich damit anfangen? Ich könnte Stinos stricken und dabei an Mama denken.

Das war ein schöner Plan, ich freute mich schon darauf. Ich nahm mir vor, gleich nachher bei Tante Erna reinzuschauen und passende Wolle auszusuchen. Ab zehn war der Laden geöffnet – und das sieben Tage die Woche.

Jeden Tag von zehn Uhr, bis der Sandmann kommt – so stand es auf der Tafel neben der Eingangstür. Und genau so hielt Erna es tatsächlich. Erst wenn sie abends müde wurde, schloss sie das Geschäft und schleppte sich die Treppe nach oben. Ihre Wohnung nutzte sie während der Saison nur zum Schlafen und Duschen. Erna lebte quasi in ihrem Wollgeschäft. Im Hinterzimmer hatte sie eine kleine Küche, das genügte ihr.

Ich zog mich fertig an, schnappte mir ein leichtes Tuch und die Jacke und verließ das Haus. Bis Erna öffnete, dauerte es noch ein paar Stunden, doch die Zeit wollte ich nutzen. Ein Spaziergang würde mir ganz sicher guttun.

Gedankenverloren stand ich auf das Geländer gelehnt am Sieltor, mit Blick auf den Hafen, und sah den Wellen zu, die mit leisem Plätschern gegen die Kaimauer schwappten. Die Flut hatte den Höchststand fast erreicht. Ein paar kleine Boote schaukelten leicht auf dem Wasser, in ein paar Stunden würden sie wieder trocken liegen.

Der Lauf der Zeit, das Auf und Ab des Lebens – hier am Meer war es greifbar und in seiner Unvergänglichkeit auch immer wieder irgendwie tröstend für mich. Hier trafen sich Vergangenheit und Zukunft und nahmen mich in der Gegenwart in den Arm – genau so hatte ich es Mama einmal erklärt, ich musste fünfzehn oder sechzehn gewesen sein und hatte damals gerade den geballten Weltschmerz auf meinen Schultern gefühlt. Erwachsen zu werden war nicht einfach gewesen, aber am Meer zu leben hatte mir dabei geholfen, meinen inneren Frieden wiederzufinden. Damals. Ich hoffte darauf, dass es auch heute wieder so sein würde. Noch war die Wunde zu frisch, der Schmerz zu laut.

Ich hatte einen langen Spaziergang gemacht und dabei versucht, mir über die Zukunft klar zu werden und meinen Vorsatz vom Morgen in die Tat umzusetzen. Ich musste dringend entscheiden, wie es weitergehen sollte. Doch so einfach, wie es sich kurz nach dem Aufwachen angefühlt hatte, war es nicht. Ich war verzweifelt. Sosehr ich es mir wünschte, ich fand einfach keine Antwort.

Sollte ich beruflich umschwenken und das Geschäft meiner Eltern weiterführen? Oder bei dem neuen Arzt anfragen, ob er mich anstellen wollte? Ich war zwar Krankenschwester, hatte aber sechs Jahre als Arzthelferin gut mit Doktor Petersen zusammengearbeitet, bis er vor zwei Monaten – kurz vor dem Unfall meiner Eltern – die Praxis aus Altersgründen...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Autorinnenduo • Cafe • Dollart • Erfolgsautorin • Große Liebe • Handarbeit • Nordseeküste • Stricken • Wolle • zwei Autorinnen
ISBN-10 3-7499-0808-7 / 3749908087
ISBN-13 978-3-7499-0808-0 / 9783749908080
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