Schlick (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
304 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-30830-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schlick -  Kester Schlenz,  Jan Jepsen
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Spannend, brisant, mit norddeutschem Charme: Das Krimiduo Schlenz/Jepsen überzeugt mit aktuellen Themen und grandioser Hamburg-Atmosphäre.
Kommissar Knudsen steht unter Druck: Ein Serienmörder tötet Menschen, die mit dem Hamburger Hafen zu tun haben, und verschwindet dann wieder in den Tiefen der Elbe. Das LKA Altona hat eine kleine Aktivistengruppe im Verdacht. Die kämpft seit Jahren gegen die umstrittene Elbvertiefung, die den großen Container-Riesen das Befahren des Flusses garantieren soll. Das Problem, wie so oft: Ökonomie vor Ökologie. Durch das tonnenweise Ausbaggern von Schlick hat sich das Ökosystem der Elbe längst dramatisch verändert. Doch sind der Umweltschutzgruppe auch Morde zuzutrauen? Kommissar Knudsen und seine Kollegin (und heimlicher Schwarm) Dörte kreisen den Täter immer mehr ein. In der Zwischenzeit wird Knudsens Freund Oke Andersen wegen Personalmangels kurzzeitig als Lotse reaktiviert - und muss an Bord eines gigantischen Containerschiffs versuchen, eine Katastrophe für die Hansestadt zu verhindern.

Kester Schlenz war bis vor kurzem noch Redakteur und Ressortleiter beim Magazin Stern. Jetzt ist er Rentner, lehnt diese Bezeichnung aber für sich ab, weil sie ihm zu sehr nach »alter Knacker« klingt. Schlenz ist Autor zahlreicher Sachbücher, darunter die Besteller 'Mensch, Papa! Vater werden - das letzte Abenteuer' und 'Alter Sack, was nun?'. Außerdem schreibt er mit seinem Kumpel Jan Jepsen erfolgreiche Krimis.

… – – – …


Was war das da auf der Elbe? Gleich morgens um 5 Uhr 45. Wie ein länglicher Fremdkörper auf der Linse. Eigentlich wollte Oke Andersen – noch leicht verpennt und im Pyjama – nur kurz auf den Balkon treten, sich strecken und rein gedanklich ein paar Yoga-Übungen machen. »Trocken-Yoga«, wie sein Kumpel Knudsen mal gespottet hatte. Na und? Besser als nix, dachte der ehemalige Lotse. Ein paar tiefe Atemzüge durch die Nase und dabei einen Hauch des jungfräulichen Tages und die Reste einer etwas kühleren Sommernacht inhalieren. Das Thema Atmen wurde – außer bei Yogis – in unserer gehetzten, gehechelten Gesellschaft sträflich unterschätzt.

Dieser Tage wurde definitiv viel gehechelt. Es war heiß in Hamburg. Sehr heiß. Hundstage. Mit tropischen Nächten über 20 Grad. Da musste man zwangsläufig einen mediterranen oder mexikanischen Lebensstil annehmen. La Lotse liebte diesen kostbaren Moment – ganz im Sinne von »Morgenstund hat Gold im Mund«. Gerade in Hamburg-Övelgönne. Bevor dann, je nach Windrichtung, so gegen 6 Uhr der Mundgeruch durch erste Kreuzfahrtschiffe dazukam, die sich immer öfter und immer hässlicher wie Plattenbauten für Vergnügungssüchtige den Fluss gen Cruise-Terminal hochschoben. 271 Schiffseinläufe per anno. Allein die vielen Spaßfregatten. Von wegen: »Unten am Hafen, wo die großen Schiffe schlafen«, wie einst der Barde Bernd Begemann mit seiner Band »Die Antwort« sang. Passé, dachte La Lotse. Diese Zeiten waren vorbei.

An diesem Morgen allerdings schien ein Schiff regelrecht im Tiefschlaf zu stecken. Wie eine Art dümpelndes Dornröschen. Andersen war lange genug zur See gefahren, um zu erkennen, dass da irgendetwas nicht stimmte. Was war das bloß? Ein Havarist? Und was hing da oben am Mast?

La Lotse machte auf der Hacke kehrt und holte sein Fernglas. Er eilte zurück auf den Balkon, hielt es sich vor die Augen, justierte die Sehschärfe. Und das, was er dann sah, ließ ihn innerlich SOS funken. Da trieb eine Yacht, ein schönes Segelboot, knapp fünfzehn Meter lang. Ein Klassiker. Wahrscheinlich eine Swan aus der Sparkman-&-Stephens-Ära, dem Riss und der Rumpfform nach zu urteilen. Den Schiffsnamen konnte er nicht erkennen. Das lag weniger an der Qualität des Fernglases als an seiner Hand, die plötzlich leicht zitterte.

Er schnappte sich ein Kissen seines Deckchairs, ging auf die Knie und legte sein Fernglas auf die Brüstung des Geländers. Was er dann – bei stabilisiertem Bild – erkannte, war eine geschwungene goldene Schrift. Mit einem sehr verschnörkeltem »S« vorne. Wenn ihn nicht alles täuschte, stand da: Saudade. Ein Begriff aus dem Portugiesischen, der sich am ehesten mit Sehnsucht, Wehmut, Fernweh und Traurigkeit übersetzen ließ. Wobei Letzteres am besten hinkam. Darunter stand »ASV Hamburg. Akademischer Segelverein«. Eine Nationalflagge am Heckkorb der Saudade fehlte. Entweder, weil sie über Nacht eingeholt wurde – wie es sich eigentlich gehörte – und dann nicht wieder gehisst worden war. Oder weil man an Bord des Schiffes ganz andere Probleme hatte als korrekte Flaggenführung. Sah ganz danach aus. Dass die Yacht trieb, erkannte der erfahrene Seemann daran, dass sie nicht schneller als Flussgeschwindigkeit und vor allem quer zum Strom unterwegs war. Noch dazu auf der falschen Elbseite. In Ufernähe mit Kollisionskurs Anleger Neumühlen. Und das war nicht das einzige Problem.

Andersen sah nur einen Teil des Schiffs, aber wenn er sich nicht täuschte, war das Segel an einer Stelle unten rot gefärbt, blutrot, um genau zu sein. Was er nicht sah, war ein Steuermann. Wo waren der oder die Segler? Was war da los an Bord?

Scheiße, dachte La Lotse, ein Geisterschiff – mitten auf der Elbe? Die Strömung drückte das Schiff mit drei bis vier Knoten Richtung Ponton. Schade drum. Sollte er sein Handfunkgerät bemühen und die Saudade auf Kanal 16, dem international gültigen Anruf-, Not-, Dringlichkeits- und Sicherheitskanal, mal anfunken? Wie er es früher gemacht hätte: »Saudade, Saudade, Saudade, this is … Lotse a. D. von seinem Balkon. Can you copy?«

Andersen verwarf den Gedanken sofort wieder, als er mit seinem Fernglas langsam den Mast hochfuhr. Denn jetzt sah er den Segler! Aufgeknüpft. Am Mast baumelnd. Oder war das eine Puppe? La Lotse ahnte, dass es keine war.

Statt zum Handfunkgerät griff Oke Andersen zum Handy und wählte die Nummer der Wasserschutzpolizei.

* * *

»Gott, ist das schon heiß«, stöhnte Kommissarin Dörte Eichhorn, als sie sich zwei Stunden später im LKA 12, Sektion Altona, in ihren Schreibtischstuhl fallen ließ. Montag acht Uhr morgens, und draußen zeigte das Thermometer bereits 27 Grad Celsius. Hamburg litt unter der schlimmsten Hitzewelle seit Jahren. Eichhorns Kollege Thies Knudsen schloss gerade das Fenster, setzte sich und sagte: »Ich fühle mich auch wie im Entsafter. Sag mal, Dörte, würde es dich stören, wenn ich morgen im Safari-Look erscheine, kurze Hosen und offene Sandalen?«

»Ja! Das wäre ein Kündigungsgrund.«

»Auch ohne Socken?«

»Egal.«

Eichhorn lächelte. Sie trug einen dünnen, halblangen Rock und offene Schuhe. Knudsen Hose, Hemd und Halbschuhe. Mit Socken.

»Es ist so ungerecht«, brummte Knudsen. »Wenn es richtig heiß wird, könnt ihr Frauen ablegen. Aber wir Kerle … sind gekniffen. Das ist doch wie Kopftuchzwang.« Ihm fiel kein besserer Vergleich ein.

»Komm, Knudsen. Nackte Männerbeine und insbesondere die meisten Herrenmauken sind eben eher in fragwürdigem Zustand«, antwortete Dörte. »Oder hast du dir schon ein einziges Mal im Leben die Füße eingecremt? Weißt du überhaupt, was Pediküre ist? Die meisten Füße sollten besser verpackt bleiben. Die sehen eher aus wie Günthers Pfoten.«

Sie tätschelte ihren Mops, der hechelnd und vor Hitze schlapp unter ihrem Schreibtisch lag.

Knudsen sah an sich herunter. Ich hab ganz ordentliche Füße, dachte er. »Meine Mauken, wie du so schön sagst, sind trotzdem …« Ganz passabel, wollte er noch sagen, als das Telefon klingelte. Er nahm ab, hörte zu, und Dörte sah sofort, dass die Hosenzwang-Debatte und das Thema Fußfreiheit beendet waren.

»Gibt Arbeit«, sagte Thies unmittelbar nach dem Auflegen. »Die Kollegen vom Wasser bitten, dass wir uns eine Segelyacht ansehen. Sagt Spusi. Die ist schon unterwegs.«

Susanne Diercks, genannt Spusi, war die Leiterin der Forensik und morgens meist die Erste im LKA.

»Welche Kollegen denn?«

»WSKP 1, Steinwerder Damm. Da haben die das Schiff hingeschleppt. Der Eigner wurde heute Morgen als vermisst gemeldet … wie es ausschaut, wurde er jetzt tot auf seiner Yacht gefunden. Plus eine zweite, nicht ansprechbare Person.«

»Oha, shit.« Eichhorn griff zum Autoschlüssel ihres Dienstwagens.

»Dann mal los. Kannst du eigentlich segeln, Thies?«

»Mitsegeln, wieso?«

Eichhorn zuckte mit den Achseln. »Ich bin mal mit auf einem Schiff gewesen. So ein bisschen am Ufer langgesegelt. Und da fand ich es komischerweise völlig okay, dass Männer barfuß sind. Gesetzt den Fall, sie haben keinen Fuß- oder Nagelpilz.«

»Ich bin sehr froh, das zu wissen«, antwortete Knudsen und ging kopfschüttelnd zur Tür.

* * *

Auf der Fahrt zur Sektion Eins der Wasserschutzpolizei am Zusammenfluss von Trave- und Oberhafen klingelte Knudsens Handy. Es war sein Kumpel und Mentor Oke Andersen, wie das Display im Auto zeigte. Knudsen nahm das Gespräch an, aktivierte den Lautsprecher und sagte: »Moin, Oke, keine Zoten. Du bist auf laut. Bin grad im Auto mit Dörte unterwegs zu einem Einsatz.«

»Saudade, stimmt’s!?«

»Was?«

»Na, zu dieser Yacht?«

Eichhorn runzelte die Stirn.

»Was?«, fragte Knudsen. »Woher weißt du das denn schon wieder?«

»Na, ich hab doch angerufen. So als wachsamer Nachbar…«

»Wen hast du angerufen?«

»Die Tümpelbullen. Ich hab das Schiff vom Balkon aus gesehen. Das musste dringend geborgen werden. Sonst hätte es gekracht.«

Knudsen dachte kurz nach, sagte dann, wie um sich mit der Kollegin Eichhorn zu solidarisieren: »Also, ganz ehrlich, Oke, manchmal könnte man meinen, du steckst hinter den Fällen und machst das als Beschäftigungstherapie für uns. Wie siehst du denn bitte vom Balkon, dass was auf einem Segelboot nicht stimmt?«

Andersen machte einen Grunzlaut durch die Nase: »Pnchrr … dein Ernst? Gegenfrage: Wenn du ein Auto ohne Fahrer quer über die Autobahn schlittern sehen würdest, und der Fahrer liegt auf der Motorhaube, käme dir das nicht auch seltsam vor? Der Kahn trieb heute an meinem Fenster vorbei, und jemand hing oben am Mast.«

»Wie? Am Mast hing einer?«

»Ja, jetzt fahrt da erst mal hin. Und halte mich auf dem Laufenden.«

»Machst du nicht«, brummte Dörte Eichhorn dazwischen.

»Ah, guten Morgen, Frau Kommissarin«, flötete La Lotse. »Immer eine Freude, Ihre Stimme zu hören. Ich …«

»Nee, Tschüssing. Ich muss jetzt auflegen, Oke, ihr beide könnt gern ein anderes Mal plaudern«, unterbrach ihn Knudsen. »Bis später.«

Danke, kein Bedarf, dachte Eichhorn, während Knudsen schweigend von der Köhlbrandbrücke herunter in Richtung Steinwerder fuhr.

»Irre, dass der schon wieder mitmischt, dein Mister Marple.«

»Wie, mitmischt? Der hat nur aufgepasst da auf seinem Balkon. Sei doch froh.«

»Abwarten, ich kenne euch beide.«

* * *

Spusi Diercks war schon bei der Arbeit,...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2024
Reihe/Serie Die Knudsen/La Lotse-Serie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Containerschiff • eBooks • Elbe • Elbvertiefung • Ermittlerkrimi • Hafen • Hamburg • Hamburg-Krimi • Heimatkrimi • Knudsen/La Lotse-Krimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Neuerscheinung • Norddeutschland • Nordischer Krimi • Ökologie • Övelgönne • spiegel-bestseller autor • Thriller
ISBN-10 3-641-30830-5 / 3641308305
ISBN-13 978-3-641-30830-8 / 9783641308308
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