Mord auf Hohenhaus (eBook)

Ein Schlosshotel-Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
192 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01865-3 (ISBN)

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Mord auf Hohenhaus -  Gerhard Henschel
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Auf dem idyllischen Gelände des Schlosshotel Hohenhaus erlebt der Kongress der Dylanologen einen mörderischen Twist, als mit der Statue des Tambourine Man auch eine Leiche enthüllt wird. Nichts könnte schöner sein, als im luxuriösen Schlosshotel Hohenhaus an einer internationalen Dylanologen-Konferenz teilzunehmen. Das glaubt jedenfalls der Berliner Rechtsanwalt und Dylan-Verehrer Michael Ritz. Bis eine Leiche auftaucht, und er in Mordverdacht gerät. Glücklicherweise lernt er im Hotel einen hochbetagten schwedischen Meisterdetektiv kennen, und gemeinsam mit ihm und einer unwahrscheinlichen Ansammlung verbündeter Hotelgäste nimmt er die Ermittlungen auf. Doch er ahnt noch nichts von dem großen Komplott, das dahintersteckt ...

Gerhard Henschel, geboren 1962, lebt als freier Schriftsteller in der Nähe von Hamburg. Sein Briefroman Die Liebenden (2002) begeisterte die Kritik ebenso wie die Abenteuer seines Erzählers Martin Schlosser, die mit dem Kindheitsroman 2004 ihren Anfang nahmen. Henschel ist außerdem Autor zahlreicher Sachbücher. Er wurde unter anderen mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis, dem Nicolas-Born-Preis und dem Georg-K.-Glaser-Preis und dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet.

Gerhard Henschel, geboren 1962, lebt als freier Schriftsteller in der Nähe von Hamburg. Sein Briefroman Die Liebenden (2002) begeisterte die Kritik ebenso wie die Abenteuer seines Erzählers Martin Schlosser, die mit dem Kindheitsroman 2004 ihren Anfang nahmen. Henschel ist außerdem Autor zahlreicher Sachbücher. Er wurde unter anderen mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis, dem Nicolas-Born-Preis und dem Georg-K.-Glaser-Preis und dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet.

Cover
Titelseite
Mord auf Hohenhaus
Über Gerhard Henschel
Impressum

Mord auf Hohenhaus


1


The day that they killed him, someone said to me, »Son,

The age of the anti-Christ has just only begun.«

Bob Dylan, Murder Most Foul

Sanft strich der Abendwind durch die Blätter der Blutbuchen, die rings um das Schloßhotel Hohenhaus Wache standen. Aus dem Obsthain in dem Park, der das Hotel umgab, stiegen pflaumenblaue und apfelgrüne Gerüche auf, und in dem Seerosenteich unterhalb der Terrasse des Hotelrestaurants sah sich der Vollmond seine schwefelgelben Wasserfarben an.

Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen! An diese Dichterworte dachte der Berliner Rechtsanwalt Michael Ritz, als er auf die Terrasse hinaustrat, um durchzuatmen und allen höheren Mächten, sofern sie existierten, seinen Dank abzustatten. Einer schreienden Schar wilder Gänse, die in Keilformation nach Süden flog, rief er hinterher: »Euch umsäuselt des holden Himmels fruchtende Fülle; euch kühlet des Mondes freundlicher Zauberhauch!«

Er fühlte sich eins mit dem Universum, denn er hatte sehr gut gegessen – einen Blattsalat mit Apfel-Vinaigrette, Bucheckern und gerösteten Brotwürfeln, eine Wildkraftbrühe, ein Kotelett vom Datteroder Wollschwein mit Rotkohlsalat und Kartoffelgratin und zum Abschluß einen Topfenknödel mit Nougatkern und Vanilleeis, begleitet von einem birnigen Grauburgunder –, und nun freute er sich auf den nächsten Tagesordnungspunkt: die feierliche Eröffnung einer internationalen Dylanologen-Konferenz in der Festscheune des Hotels.

Bob Dylan verfallen war Ritz schon ein halbes Jahrhundert zuvor, als ein Freund von ihm auf seinem Kinderzimmerplattenteller das Album »Blonde on Blonde« abgespielt hatte.

With your silhouette when the sunlight dims

Into your eyes where the moonlight swims

And your matchbook songs and your gypsy hymns

Who among them would try to impress you?

Unter »matchbook songs« und »gypsy hymns« hatte sich der zwölfjährige, in Köln aufgewachsene Ritz zwar nicht viel vorstellen können, aber er war sich sicher gewesen, daß er es gewagt hätte, die von Dylan besungene »sad-eyed lady of the lowlands« zum Altar zu führen. Vielleicht nicht von heute auf morgen, aber eines Tages eben doch.

Zehn Jahre später, im Juni 1984, hatte er im Müngersdorfer Stadion in Köln zum erstenmal ein Konzert von Dylan besucht und wäre bei dem Song »Every Grain of Sand« fast niedergekniet.

There’s a dyin’ voice within me reaching out somewhere

Toiling in the danger and in the morals of despair …

Seither hatte Dylans Stimme ihn sein Leben lang begleitet, durch dick und dünn, von seiner Heimatstadt Köln bis zu seinem Wohnsitz in Berlin, wo er als Advokat auf den Gebieten des Zivilrechts, des Arbeitsrechts, des Sozialrechts und des Strafrechts tätig war. Die Menschen, die Dylans Stimme nicht leiden konnten, hatte er als jugendlicher Eiferer verachtet und sie barbarischer Ignoranz geziehen, bis ihm aufgegangen war, daß sie an einem schwerwiegenden Defizit litten: Anstatt unmittelbar vom Ohr ins Herz zu gelangen, nahm Dylans Stimme bei ihnen einen Umweg über den nichtsnutzigen Kopf und verhedderte sich dort in absurden Kontrollfiltern. Im Grunde fand Ritz solche Menschen bemitleidenswert. »Man hätt et, oder man hätt et nit«, hatte er sich irgendwann gesagt. Und: »Euch bleiben ja immer noch die Stimmen von Roger Whittaker, Roy Black und David Hasselhoff!«

Gesteigert wurde seine Daseinsfreude an diesem Abend von der Aussicht auf einen weiteren kulturellen Höhepunkt: Am nächsten Vormittag sollte in einem Veranstaltungssaal des Schloßhotels eine Tagung der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser beginnen. Auch an dem Schriftsteller Schmidt hatte Ritz einen Narren gefressen. In einem Bücherregal seiner Eltern war er Ende der siebziger Jahre zwischen allerlei Plunder auf Schmidts Erzählung »Die ler« und darin auf den Satz »der beinerne Mond gaffte aus seinem Hexenring« gestoßen.

Das hatte genügt, um Ritz süchtig zu machen. Für die brave Prosa der meisten deutschsprachigen Zeitgenossen Schmidts war er danach für immer verloren gewesen. Er hatte mehr oder weniger alles von Schmidt gelesen und war sogar einmal zu dessen Haus in Bargfeld in der Lüneburger Heide gepilgert, um Schmidts Bibliothek, Schmidts Schreibmaschine und die Einmachgläser aus Schmidts Nachlaß zu inspizieren.

Wann hat man schon mal die Möglichkeit, so fragte sich Ritz, zwischen einer Dylanologen-Konferenz und einer Schmidtianer-Tagung zu pendeln? Und noch dazu in einer so bezaubernden Umgebung? Er hatte sich dafür Urlaub genommen und war gespannt auf die Vorträge der renommierten Referenten, die eingeladen waren – unter anderem der Musikjournalist Greil Marcus, der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit, die Übersetzer Gisbert Haefs und Friedhelm Rathjen, die Bob-Dylan-Biographen Willi Winkler und Clinton Heylin und der Arno-Schmidt-Biograph Sven Hanuschek …

Im warmen Golde flossen aus dem Zwielicht tausend Silberfäden in den Purpur um die Ranken wilder Reben, während Ritz zur Festscheune spazierte.

Ganz in Duft und Dämmerungen will die schöne Welt vergehen, sagte er sich und memorierte auch noch einige andere jahreszeittypische Verse.

The autumn leaves drift by the window

The autumn leaves of red and gold …

 

In der schummrigen Festscheune tummelten sich bereits zahlreiche Dylanologen. Hier und da glommen Heizpilze, und auf der Bühne rückten Roadies das Equipment für ein Konzert der Sängerin Cat Power zurecht, deren Album »Cat Power Sings Dylan« im Vorjahr in den deutschen Charts Platz 22 erreicht hatte.

Rechter Hand stand vorn eine überlebensgroße, vorläufig noch mit einem weißen Seidentuch verhüllte Bob-Dylan-Statue. Der deutsch-griechische Bildhauer Lysander Diamantopoulos hatte sie aus Naxos-Marmor geschaffen und auf eigene Kosten nach Deutschland einfliegen lassen. In Dylanologenkreisen war er nicht unumstritten, denn es ging das Gerücht um, daß er »Christmas in the Heart« für Dylans bestes Album halte. Mit Skepsis war auch ein Satz aufgenommen worden, den Diamantopoulos in einem Interview mit dem Londoner Journal Art Monthly verkündet hatte: Seine Skulptur von Dylan werde selbst Michelangelos David in den Schatten stellen.

Ritz setzte sich auf einen Klappstuhl in der letzten Reihe und schaute sich um. Die meisten Anwesenden schätzte er auf Ende fünfzig bis Mitte achtzig, doch es waren auch jüngere Leute zu sehen.

»Ever been to a Dylanologist conference before?« fragte ihn ein kahlköpfiger Herr, der neben ihm saß.

»No«, sagte Ritz. »Have you?«

»Not in my wildest dreams«, erwiderte der Herr. Aber sein Freund Steven Van Zandt habe ihm geraten, an dieser Konferenz teilzunehmen.

Ritz stockte der Atem. »Sie sind … ich meine … you’re a friend of Little Steven?«

»Sure! Isn’t he great?«

Das fand auch Ritz. Er wußte, was der Rockmusiker und Schauspieler Steven Van Zandt als Initiator des Projekts United Artists Against Apartheid geleistet und wie überzeugend er den Consigliere des Gangsters Tony Soprano gespielt hatte.

»I’m Michael Ritz«, sagte Ritz und gab dem Mann die Hand.

»Pleased to meet you. I’m Glenn Kirschner.«

Als die beiden näher ins Gespräch kamen, zeigte sich, daß sie in gewisser Weise Kollegen waren, denn Kirschner hatte drei Jahrzehnte lang als Staatsanwalt in Washington gearbeitet, und in seinem Podcast »Justice Matters« kommentierte er seit einigen Jahren heikle Rechtsfragen. Mit Ritz verstand er sich auf Anhieb. Neben der Liebe zur Musik teilte er mit ihm, wie sich rasch herausstellte, eine tiefe Abneigung gegen Donald Trump – »that hateful, prejudiced, racist, xenophobic, misogynistic, orange blowhard«, wie Kirschner sich ausdrückte –, und sie hätten darüber noch lange reden können, aber nun erschien Cat Power mit ihrer kleinen Band auf der Bühne und stimmte den ersten Song an: »She Belongs to Me«.

She’s got everything she needs, she’s an artist

She don’t look back …

»Don’t look back«, das sagte sich leicht, doch paradoxerweise fühlte sich Ritz durch dieses Lied sofort in seine Jugendzeit zurückversetzt … jene Tage der ersten Liebe … »Der Plattenspieler spielt nicht nur ab, er nimmt auch auf«, hatte Klaus Theweleit in seinem »Buch der Könige« geschrieben, und Ritz hätte das bestätigen können. Als er zum erstenmal den Song »She Belongs to Me« gehört hatte, war dem Plattenspieler gar nichts anderes übriggeblieben, als die Gefühlswelt des jungen Ritz aufzunehmen und sie für alle Zeiten zu speichern. Ein mächtiges Durcheinander war das gewesen, so wie ja wohl bei jedem jungen Mann, der etwas auf sich hielt. Aber waren deshalb alle Männer lebenslänglich »Drüsn=Sklawn«, wie Arno Schmidt behauptet hatte? Eröffnete sich aus dem biologischen Triebleben im Hinblick auf die Liebe nicht auch eine spirituelle Perspektive?

In Schmidts Erzählung »Enthymesis« war davon nicht die Rede. Da hieß es ganz brutal:

Kinder sehen noch schlank und am menschlichsten aus. Aber wenn sie erst einmal über 1415 sind, dann...

Erscheint lt. Verlag 7.1.2025
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bob Dylan • Detektiv • Deutsche Literatur • Ermittlerteam • Gerhard Henschel • Kommissarin • Kriminalroman • Polizeiarbeit • Regionalkrimi • Satire • Schwarzer Humor • Spannungsroman
ISBN-10 3-455-01865-3 / 3455018653
ISBN-13 978-3-455-01865-3 / 9783455018653
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