Die Projektoren (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2024
1056 Seiten
Fischer E-Books (Verlag)
978-3-10-403187-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Projektoren -  Clemens Meyer
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Der neue Roman von Clemens Meyer: Ein Epos über die Krisen Europas und die Kunst des Erzählens Von Leipzig bis Belgrad, von der DDR bis zur Volksrepublik Jugoslawien, vom Leinwandspektakel bis zum Abenteuerroman. Schonungslos und rasant erzählt »Die Projektoren« von unserer an der Vergangenheit zerschellenden Gegenwart - und von unvergleichlichen Figuren: Im Velebit-Gebirge erlebt ein ehemaliger Partisan die abenteuerlichen Dreharbeiten der Winnetou-Filme. Jahrzehnte später finden an genau diesen Orten die brutalen Kämpfe der Jugoslawienkriege statt - mittendrin eine Gruppe junger Rechtsradikaler aus Dortmund, die die Sinnlosigkeit ihrer Ideologie erleben muss. Und in Leipzig werden bei einer Konferenz in einer psychiatrischen Klinik die Texte eines ehemaligen Patienten diskutiert: Wie gelang es ihm, spurlos zu verschwinden? Konnte er die Zukunft voraussagen? Und was verbindet ihn mit dem Weltreisenden Dr. May, der einst ebenfalls Patient der Klinik war?

Clemens Meyer, geboren 1977 in Halle / Saale, lebt in Leipzig. 2006 erschien sein Debütroman »Als wir träumten«, es folgten »Die Nacht, die Lichter. Stories« (2008), »Gewalten. Ein Tagebuch« (2010), der Roman »Im Stein« (2013), die Frankfurter Poetikvorlesungen »Der Untergang der Äkschn GmbH« (2016) und die Erzählungen »Die stillen Trabanten« (2017). Für sein Werk erhielt Clemens Meyer zahlreiche Preise, darunter den Preis der Leipziger Buchmesse. »Im Stein« stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, wurde mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Sein neuer Roman »Die Projektoren« steht auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2024. Literaturpreise: Klopstock-Preis für neue Literatur 2020 Stadtschreiber von Bergen-Enkheim 2018/2019 Premio Salerno Libro d'Europa 2017 Finalist Premio Gregor von Rezzori 2017 Longlist Man Booker International Prize 2017 Mainzer Stadtschreiber 2016 Bremer Literaturpreis 2013 Shortlist Deutscher Buchpreis 2013 Stahl-Literaturpreis, 2010 TAGEWERK-Stipendium der Guntram und Irene Rinke-Stiftung, 2009 Preis der Leipziger Buchmesse, 2008 Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg, 2007 Märkisches Stipendium für Literatur, 2007 Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen, 2007 Mara-Cassens-Preis, 2006 Rheingau-Literatur-Preis, 2006 Einladung zum Ingeborg Bachmann-Wettbewerb, 2006 Nominierung zum Preis der Leipziger Buchmesse, 2006 2. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2003 Literatur-Stipendium des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, 2002 1. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2001

«Die Projektoren» werfen Schlaglichter auf die Krisen und Tragödien Europas. Es ist herauszulesen, wie viel akribische Recherche in das Buch geflossen ist.

"Projektion" ist indes das entscheidende Stichwort zum ambitioniertesten [...] deutschen Roman dieses Herbstes [...].

So muss Literatur sein: verstörend, überwältigend, mitreißend.

[...] auf die von Meyer geschätzten frühen modernistischen Großstadtromane mit ihren Montageprinzipien verweist, also auf "Manhattan Transfer" von [...] Dos Passos oder "Berlin Alexanderplatz" von [...] Döblin.

[...] große Erzählkunst.

Die Projektoren ist zweifellos ein literarisch hochgebildeter Roman [...].

Wenn die Welt sich so weiterdreht, […], wird "Die Projektoren" zu den Romanen gehören, die lesende Menschen alle zehn Jahre erneut aus dem Regal nehmen, wie den "Zauberberg".

Clemens Meyers tausendseitiges wildes Epos ist eine Zumutung. Und das ist auch ziemlich gut so

Mit »Die Projektoren« hat der Märchenerzähler Clemens Meyer einen magischen, sprachgewaltigen Romankoloss hingestellt. Ein Oschi, der in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seinesgleichen sucht.

Clemens Meyer hat den rührendsten und grausamsten Roman der Saison geschrieben [...].

vermag es, das Chaos erzählend lustvoll zu bändigen.

[...] Knaller der Saison [...].

Eine Zeitenwende für die Literatur

Eins (The Tower of Güntz)


»Ihr Deutsch ist wirklich gut, really good, Mister …«

»Danke, Herr Doktor. Das ist eine lange Tradition in unserer Familie. Mein Urgroßvater war hier amerikanischer Konsul.«

»In Leipzig? Oder you mean in Berlin?«

»Nein, nicht in Berlin, Herr Doktor. Mit hier meinte ich eigentlich eine kleine Stadt, nicht weit von Leipzig. In den Bergen.«

»Im Erzgebirge?«

»Ja, das Erzgebirge, Herr Doktor. Ein schöner deutscher Name.«

»Wonderful, indeed! Wir Deutschen vergessen oft die dunkle Schönheit unserer Sprache.«

»Dunkle Schönheit, das haben Sie sehr … schön gesagt, Herr Doktor!«

»Nun, mich fasziniert auch Ihre Sprache, also die Sprache Ihres Landes, breit und spröde und leger zugleich. Wie würde das im Amerikanischen klingen… The Archmountains

»Die … Arsch-Mountains, Herr Doktor?«

»Meine Aussprache, Sie müssen entschuldigen. Der Sachse lässt die Zunge schleifen, wie man bei uns sagt.«

»Oh nein, Ihr Englisch ist durchaus …«

»Thank you! Die Erzberge, die Archmountains. Wegen dem Erzengel, verstehen Sie? The Archangel. Aber was erzähle ich Ihnen, Sie sind ja Amerikaner, Mister …«

»Ist denn der Erzengel aus Erz, Herr Doktor? Ein Engel aus flüssigem Erz … rotglühend.«

»Nein, eher nicht, da haben Sie recht. Vielleicht müsste man es besser übersetzen mit The Iron Mountains, aber lassen wir das. Sie meinten sicher das amerikanische Konsulat in Annaberg-Buchholz.«

»Sie sagen es, Herr Doktor! Wenn mein Urgroßvater diese Namen aussprach, klangen sie wie seltsame Zauberworte für uns Kinder. Annaberg, Erzgebirge.«

»In diesen alten Mountains und Wäldern leben viele Märchen und Legenden, Mister …«

»Und genau die sind ein Teil meiner Forschungen, Herr Doktor.«

»Ich bitte Sie, lassen Sie doch das Herr Doktor weg, please! Sie klingen ja fast wie ein Patient, Mister …«

»Ein Patient? Oh nein, das nun doch nicht, Herr …«

»Keine Angst, wir haben es hier sehr komfortabel. You can be patient as a patient, kleiner Scherz. Wo waren wir stehengeblieben?«

»Das amerikanische Konsulat.«

»Yes! The good old neunzehnte Jahrhundert …«

»Es heißt, die Zeit ist stehengeblieben in Annaberg, Herr Doktor.«

»The Kaiser, the Nazis oder Sozialismus?«

»Ich nehme an, von jedem ein bisschen. Vielleicht ein magischer Ort …«

»Das heißt, Sie haben Annaberg-Buchholz und das Konsulat Ihres Urgroßvaters nie gesehen in reality, haben die Mauern nie berührt, Mister …?«

»Ach, die Realität, Herr Doktor … Aber ich bin auf dem Weg dorthin, auf den Spuren meines Urgroßvaters und auf den Spuren Dr. Mays!«

»The good old Dr. May! Wenn wir in den Bergen wanderten, spielten wir oft seine Abenteuer und Geschichten, und was heißt spielen: Wir waren seine Helden.«

»Im Orient oder im Wilden Westen?«

»The Wild West natürlich! Indianer und Cowboys, Banditen und Goldsucher … Obwohl sie das nicht gerne sahen.«

»Sie?«

»Nun, die Autoritäten, die Schule, die Sozialisten. Zu dieser Zeit waren die Werke Dr. Mays noch … wie soll ich sagen …«

»Verboten, Herr Doktor?«

»Nein, nicht offiziell. Sagen wir: unerwünscht. Der Vorbote der Verbote, if you understand, Mister …«

»Verbote der Vorboten, wunderbar! Aber Sie spielten dennoch, Herr Doktor, standhaft in den Bergen, standhaft gegen die Autoritäten der Sozialisten.«

»Ich bitte Sie, wir waren Kinder. Children! …«

»Und Sie waren in einer sozialistischen Wandergruppe, Herr Doktor, so etwas wie Pfadfinder?«

»Viel mehr als das! Wir waren die Pionierorganisation Ernst Thälmann

»Thälmann, der berühmte deutsche Arbeiterführer? Unsere … Dozenten erzählten von den großen Kommunisten, damit wir den Feind begreifen, doch wir waren fasziniert.«

»Fascination Kommunismus, nicht wahr?, Mister …«

»All die Legenden, Herr Doktor! Teddy Thälmanns Hände sollen groß wie Teller gewesen sein, ein kommunistischer Old Shatterhand …«

»Surprise, surprise, geiler Scheiß!«

»Aber Herr Doktor …«

»Da ist es wohl kurz mit mir durchgegangen. Aber Sie überraschen mich immer wieder, seit Sie vorhin an unsere Pforte klopften. Thälmann und Old Shatterhand! Und ich dachte immer, niemand in Amerika kennt diesen berühmten Romanhelden Dr. Mays, der seine Feinde mit nur einem Schmetterschlag betäuben konnte …«

»Aber ich sagte doch schon, genau deswegen bin ich hier, Herr Doktor!«

»Not immer with the Doktor, please!«

»Ich muss mich entschuldigen, das ist wohl der Ort, die Anstalt …«

»Respekteinflößend, nicht wahr? Dies ist ein Ort der Stimmen und der Bilder. Auch wenn jetzt Silence herrscht in den Gängen.«

»… die scheinbar endlos sind, Herr Dok-«

»Endlos wie die Berge, die Iron Mountains meiner Kindheit, Mister …«

»Durch die Sie mit Ihren jungen Genossen gewandert sind?«

»You say it! Mit der roten Fahne. Auf der Suche nach dem sozialistischen Bergland. Vielleicht auch durch Annaberg-Buchholz …«

»Nur ein müdes vielleicht, Herr Doktor? Das heißt, Sie können sich nicht genau erinnern an diese … verlorene Zeit?«

»Sie wird wiederkommen, da bin ich absolutely sicher, I am total sure, Mister …«

»Die Legenden werden zur Wahrheit, Herr Doktor?«

»Und umgedreht!«

»Hört, hört!«

»Big words! Zu große Worte perhaps, Mister …«

»Smith!«

»Danke! Und Sie haben recht, ich dachte lange, es wäre nur eine dieser alten Legenden gewesen, the Star-Spangled Banner über den Wipfeln des Erzgebirges …«

»Gipfeln, Herr Doktor.«

»Was … äh, what you mean, Mister …?«

»In allen Wipfeln ist Ruh, über allen Gipfeln spürest du kaum einen Hauch …«

»Oh, I understand: die Vöglein schweigen im Walde, warte nur balde …«

»… ruhest du auch. Wir lieben eure Klassiker, Herr Doktor!«

»Womit wir wieder bei unserem Dr. May wären.«

Berge, im Gespräch der beiden Herren, die den langen Gang entlangschreiten, Berge, hinter ihnen auftauchend, aus den Worten hervortretend, wo die Sonne durchs trübe Glas der Fenster fällt, Quadrate aus Licht auf dem Boden, Staub in diesem Licht, Würfel aus Staub und Licht hinter den beiden Herren, Landschaften in diesen Guckkästen, die nur die Patienten sehen, die aus ihren kleinen Fensterchen in den Türen schauen; die Patienten, die seit einhundertsiebzig Jahren in den Zimmern sitzen, sehen: zerklüftete Berge, weißgraue Felsspitzen, über denen sich Wolken türmen, ein riesiger Mann, der eine Herde Ziegen durch die Täler führt, Dörfer in der Ebene vor den Bergen, ein azurblaues Meer in der Ferne, ein Militär-Lkw rumpelt über eine Piste, die hoch in diese Berge führt; die Patienten sehen: Schatten auf den Hängen, das Blinken von Kameralinsen, im Morgenlicht, im Abendlicht, Indianer schleichen über die Hänge, Rauchwölkchen von Schüssen steigen auf, Indianer und Cowboys stürzen zu Boden, stehen wieder auf, ein Film wird gedreht, dann verdunkelt sich all das und wird schwarz, Abblende, ein neues Bild entsteht, andere, dunklere Berge, menschenleer, Wälder an den Hängen bis in die Täler hinein, feuchter Nebel, den ein Wolf trinkt, einatmet, ausatmet, weiß schimmernde Tropfen hängen an seinen Lefzen, die Wölfe kehren zurück in die alten Wälder, die Berge, überqueren die Grenze, die unsichtbar ist, nur hin und wieder Reste von Zäunen zwischen den Bäumen, Tränen, weiß schimmernd, die Grenze, die abgetragen wurde, ein anderes Jahrhundert …

»Ein Kipfel.«

»Ähh… what you mean, Mister …?«

»Was ist … entschuldigen Sie meine Aussprache …, was ist der Unterschied zwischen einem Kipfel und einem Gipfel?«

»Wie kann ich Ihnen das erklären … ein Kipfel ist ein Gebäck, so etwas wie ein Kringel, aber man benutzt das Wort Kipfel in unserer Gegend nicht, auch nicht zwischen den Gipfeln des Erzgebirges, wo Ihr Großvater …«

»My Ur!«

»Was … ähh… ist mit Ihrer Uhr, Mister …?«

»Not the time, Sir, my watch is alright! But the time, Sir. Verzeihen Sie, jetzt bin ich ein wenig in meine Muttersprache geraten …«

»No Problem!«

»Ich wollte sagen, mein Urgroßvater war Konsul in Annaberg, nicht mein Großvater. Er war der letzte Konsul in Annaberg, neunzehnhundertacht. Das Konsulat schloss, und er blieb noch eine Weile in Europa, bis der Krieg begann. Dann ging er zurück nach Amerika.«

»Amerika … Zurück in jenen Traum, oder back aus jenem Traum …«

»In den Jemen, Herr Doktor?«

Ein Lachen in dem Gang, durch den die beiden Herren schreiten, die Arme auf dem Rücken verschränkt, ein Lachen, das die beiden Herren nicht zu hören scheinen, sie reden weiter und sie gehen weiter, langsamer werdend, schneller werdend, der Gang scheint sich zu weiten, zu dehnen, dann wieder ist das Ende in Sicht, eine türlose, dunkelrote Ziegelmauer, alt und verwittert, die Steine geschwärzt wie nach einem Feuer, dann wölben sich die Wände, runden sich, und der Gang bewegt sich wie eine immer enger werdende Röhre ins Unendliche...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2024
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anspruchsvolle Literatur • Belgrad • BRD • DDR • Deutscher Buchpreis 2024 • Ein Buch von S. Fischer • Indigene Völker • Jugoslawien • Jugoslawienkriege • Karl May • Kroatien • Leipzig • Lex Barker • Longlist Deutscher Buchpreis • Nationalsozialimus • Stadtschreiber Bergen • Winnetou • Zweiter Weltkrieg • Zweiter Weltkrieg Osteuropa
ISBN-10 3-10-403187-8 / 3104031878
ISBN-13 978-3-10-403187-3 / 9783104031873
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