Aus der Reihe tanzen ist auch eine Kunst (eBook)
352 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7517-6110-9 (ISBN)
Eine #krasseOma geht viral - ein heiterer Roman über weibliche Wut, Engagement, späte Liebe und die befreiende Kraft des Tanzens
Ausgerechnet die missgelaunte Agnes wird von einer munteren Junggesellinnengruppe um gute Wünsche für die Braut gebeten. Ohne Vorwarnung gerät Agnes' Statement zu einer flammenden Rede gegen das Heiraten, und unter dem Hashtag #krasseOma geht der Clip viral. Agnes' längst erwachsene Tochter kann es nicht fassen, dass sich ihre Mutter in aller Öffentlichkeit so danebenbenimmt. Hört das denn nie auf? Ihr Salsa-Partner Achim, quasi ein Erbe ihrer unlängst verstorbenen Freundin Inge, hingegen ist vor allem irritiert über Agnes' negatives Männerbild. Doch ist gerade er der Richtige, um Agnes' Sicht auf das Leben und die Liebe zu ändern?
Ein neuer Roman der beliebten Kabarettistin Lioba Albus
<p><strong>Lioba Albus</strong> wurde 1958 in Attendorn im Sauerland geboren, lebt in Dortmund und ist Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Als gelernte Schauspielerin zog es sie vor dreißig Jahren auf Deutschlands Kabarettbühnen. Außerdem ist sie häufig zu Gast in diversen Radio- und Fernsehshows wie z. B. der <i><b>LADIES NIGHT (ARD)</b></i>. Freunde, die es gut mit ihr meinen, finden, sie spricht ein bisschen zu viel. Darum schreibt sie jetzt. Wer will, kann das lesen. Hoffentlich wollen viele - sonst fängt sie wieder an zu sprechen.</p>
1
Die Rede
des Maulwurfs
An einem vorfrühlingshaften Tag im Februar mäanderte ein Maulwurf lächelnd und halb blind durch die Fußgängerzone der Dortmunder Innenstadt. Da Valentinstag war, waren die Läden mit Herzchen in unterschiedlicher Form und Üppigkeit dekoriert. Die süßliche Werbung, die den Passanten ungefragt an allen Ecken in den Blick geschoben wurde, brüllte jedem, der sich zu nah an sie heranwagte, einen unüberhörbaren Befehl entgegen: Liebe! Lass dich lieben! Zeige deine Liebe, und gib vor allem jede Menge Geld dafür aus!
Der Maulwurf hieß Agnes Michels, war einundsechzig Jahre alt und kam gerade vom Augenarzt, der ihr Tropfen in die Augen gegeben hatte, die ihre Pupillen für die Untersuchung weiteten, dafür aber die Sehkraft deutlich reduzierten. Allein darum blieb Agnes der Anblick der penetranten Herzchen-Werbung nun erspart. Ebenso ein genauerer Blick in die ungelüfteten Gesichter um sie herum, die sich wintermüde der Sonne entgegenreckten wie neugierige Krokusse. Andernfalls hätte sie gesehen, dass die Sonne den Menschen dermaßen gnadenlos ins Gesicht scheinwerferte, dass selbst attraktivere Exemplare aussahen wie die seltsamen Albinokrebse in der berühmten Manrique-Höhle auf Lanzarote.
»Mist!«, stieß Agnes unwillig aus, als sie eine Sitzbank touchierte. In der Augenarztpraxis hatte man ihr vorab eingeschärft, sich zu diesem Termin unbedingt begleiten zu lassen. Doch es war ihr peinlich gewesen zuzugeben, dass es in ihrem Leben niemanden gab, den sie darum hätte bitten können, und so hatte sie beim Verlassen der Praxis ihr Handy herausgeholt und ein Telefonat vorgetäuscht. Unter dem strengen Blick der Arzthelferinnen hatte sie dem nicht vorhandenen Gesprächspartner beschrieben, wo sie abgeholt werden wollte. Erst danach wirkte die Rezeptionistin ausreichend beruhigt, um ihr freundlich noch einen guten Tag zu wünschen.
Nun also musste Agnes das Beste aus der Misere machen. Lächeln war normalerweise nicht unbedingt ihre Kernkompetenz, aber da sie neben der Bank auch schon einige Passanten versehentlich angerempelt hatte, hielt sie es für nötig, um Auseinandersetzungen vorzubeugen. Dass sie mit diesem dümmlich freundlichen Gesichtsausdruck eine völlig falsche Botschaft sendete, merkte sie erst, als sie, ohne es zu wollen, in eine rosa Wolke taumelte. Diese Wolke roch nach Alkohol und süßlichem Jungmädchenparfüm. Ein Junggesellinnenabschied, wie man ihr sofort ungefragt zuzwitscherte. Um sie herum kicherte und gackerte es, und die weiblichen Hormone flogen Agnes regelrecht um die Ohren.
»’tschuldigung, aber Sie sehen so glücklich aus«, sprach eine helle Stimme mit leicht verwaschener Aussprache Agnes an. »Deshalb wollten wir Sie direkt mal ansprechen. Also … Wir sind der Junggesellinnenabschied von Sandy. Und wir sammeln für unsere Freundin gute Wüsche.«
»Viel Glück«, murmelte Agnes und hätte sich liebend gern schleunigst verdrückt, aber da hatte sie die Rechnung ohne die rosa Wolke gemacht.
Eine junge Männerstimme ergänzte: »Sie sind bestimmt genau die Richtige für eine total positive Message. Ich mache ein Filmchen für Sandy und Emre. Wenn Sie uns eine positive Botschaft in mein Smartphone sprechen, bekommen Sie auch ’ne mega nice Belohnung.«
Agnes war irritiert. Junggesellinnenabschiede waren doch reine Frauensache, oder? Wie kam da diese Jungmännchenstimme in die Gruppe? »Und Sie sind dann wohl die einzige Junggesellin, die einen Stimmbruch hatte?«, brummte sie unfreundlich.
Die rosa Wolke kicherte. »Sie sind ja süß! Sofort richtig erkannt. Das hier ist Dennis, Sandys Sandkastenfreund, von uns manchmal gern auch Denise genannt. Der darf natürlich nicht fehlen.«
»Da hat Sandy aber Glück!« Mit dieser ironischen Bemerkung wollte Agnes sich aus der Wolke herausdrängen.
Dennis-Denise blieb allerdings hartnäckig: »Wir stellen uns das vor wie im Märchen: lauter gute Feen, die Sandy und Emre tolle Wünsche mit in die Ehe geben. Sie haben so eine mega sweete Ausstrahlung. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich das hier mit meinem Smartphone aufnehme, oder? Sie hätten sich doch sicherlich auch sehr gefreut, wenn Ihnen zu Ihrer Hochzeit damals wildfremde Menschen lauter Schönes gewünscht hätten?«
Der Sandkasten-Dennis war Agnes inzwischen so nah auf die Pelle gerückt, dass sie sein penetrantes Rasierwasser roch. Unscharf erkannte sie ein blasses Gesicht, das nicht so aussah, als bedürfte es irgendeiner Rasur. Sein Smartphone hielt er so nah vor ihr Gesicht, dass sie es beinahe spüren konnte.
Seine dreiste Penetranz und der Umstand, dass dieses Wickelkind es gewagt hatte, sie mit seinen schmalzigen Vorstellungen an ihre eigene Hochzeit zu erinnern, legte bei ihr einen Schalter um. Agnes spürte regelrecht, wie ihre durch das künstliche Lächeln verkrampften Muskeln sich lösten, und ehe sie sichs versah, fand die Galle, die ihr durch diese grauenhafte Situation hochgekocht war, ungewollt ihren Weg. »Soso!«, zischte sie. »Ihr wollt also wissen, was ich eurer Sandy als guten Wunsch mit auf den Weg gebe?«
»Ja, oh wie süß, ja bitte!«, zwitscherte es um sie herum.
»Na, dann passt mal gut auf, ihr angetrunkenen Östrogenbomben.« Agnes Stimme wurde dunkel und grollend. »Ich wünsche eurer mir völlig fremden Sandy, dass sie es sich noch mal anders überlegt und ihrem Emre kurz vor Toresschluss den Laufpass gibt. Ihr verträumten jungen Hühner in euren kitschigen rosa T-Shirts wisst es wahrscheinlich noch nicht, aber ich sage es euch jetzt mal ganz ungeschminkt: Diese ganzen Emres oder Andys oder Robbys oder wie eure Jungs heutzutage alle so heißen, die bleiben nicht so nett und attraktiv und verliebt, wie ihr euch das vorstellt. Kaum habt ihr den Ring am Finger, wird aus dem süßen Emre ganz schnell ein schlecht gelaunter, langweiliger, unaufmerksamer Sesselpupser in Jogginghose, der sich in eurem Beisein ungeniert zwischen den Beinen kratzt. Und wenn ihr ihm ein, zwei Kinder geboren habt, euer strammes Fell dadurch ausgelatscht ist und aus euren Brüsten leere Milchschläuche geworden sind, dann gibt euer Emre sich nur noch im Beisein fremder Frauen Mühe. Fremder Frauen, übrigens, die nicht so bekloppt waren wie ihr. Frauen, die sich keinen Mann dauerhaft ans Bein gebunden haben, die keine kleinen, ständig verrotzten Monster zum Zahnarzt, zum Kinderarzt und zur Kita schleifen müssen. Frauen, die Zeit und Geld haben, um sich Haare und Fingernägel machen zu lassen, zur Kosmetikerin zu gehen und ihren sauer verdienten Minijoblohn nicht für Kindergartentäschchen, Tonie-Boxen oder überteuerte Schultaschen ausgeben müssen.
Und dann flüchten eure Emres oder Andys oder Robbys in die Arme jüngerer Frauen und starten den ganzen Familienquatsch noch mal von vorn. Und ihr bleibt als völlig übermüdete Alleinerziehende zurück. Tragt Plastikpullover und Stretchjeans vom Billigladen und wartet, bis eure Kinder endlich erwachsen genug sind, dass ihr wieder auf die Pirsch gehen könnt, um euch den nächsten kreuzlahmen Hirschen zu schießen.
Oder ihr habt das Pech, dass eure gelangweilten Männer bei euch bleiben. Dann dürft ihr ihnen beim Zerfall zugucken. Irgendwann liegt dann ein laut schnarchendes Dickerchen mit Nasenhaaren und Rückenschmerzen neben euch im Bett. Und eure Kinder machen Schulabschluss und Ausbildung und fangen denselben Quatsch wieder von vorne an. Möbelkredite, Arbeitslosengeld, Zahnersatz, Hüft-OP und verzogene Enkelkinder. Immer so weiter und immer so weiter. Weil euch nie jemand mal ganz ehrlich gesagt hat, dass das alles eine riesige Lüge ist. Dass es ewige Liebe und Happy Family nicht gibt. Und darum, liebe Sandy …«
Agnes holte tief Luft und beugte sich für den Rest ihrer Ansprache mit zusammengekniffenen Augen noch weiter vor: »Hau ab! Lass deinen guten Emre sitzen, und MACH WAS AUS DEINEM LEBEN! Aber ich weiß schon: Ihr glaubt mir ohnehin kein Wort. Also: Hals und Beinbruch, dumme kleine Sandy. Versuch einfach, was alle Frauen vergeblich versuchen: dir deinen Mann zu erziehen. Und scheitere, und werde unglücklich. Aber sag nicht, es hätte dich keiner gewarnt!«
Wahllos stieß Agnes die rosafarbenen Körper um sich herum zur Seite. Weg! Sie wollte nur noch weg von diesen Traumtänzerinnen! Sie hörte noch ein entgeistertes »Krass!«. Dann war sie der Meute entkommen.
Agnes spürte, dass sie zitterte und dabei gleichzeitig stark schwitzte. Dennoch lief sie weiter. Sie bereute schon jetzt, dass ihr diese giftige Lava so unkontrolliert aus dem Mund geschossen war. Was konnten diese arglosen Küken denn für ihre Naivität und ihre unrealistischen Träume?
Was kann die gesamte Menschheit schon dafür, dass wir alle immer und immer wieder auf den Mythos der ewigen Liebe und der ewigen Treue hereinfallen?, dachte sie erschöpft. Würden wir uns die Zeit auf diesem Planeten nicht mit solchen Zuckerbäckerfantasien schönfärben, wäre die Menschheit wahrscheinlich längst ausgestorben.
Unwillkürlich beschleunigte sie ihre Schritte. Aber ein Planet ohne uns Menschen wäre wohl ohnehin besser dran, schoss es ihr durch den Kopf.
Rumms! Schon wieder war sie nahezu ungebremst in eine andere Person hineingerannt. Doch noch bevor sie sich entschuldigen konnte, nahm jemand sie am Ellbogen und fragte mit einer angenehm sanften Männerstimme: »Geht es Ihnen nicht gut?«
Auch das noch!, dachte Agnes. Jetzt hält man mich schon für eine hilflose Oma, der man über die Straße helfen muss. Laut sagte sie so selbstbewusst, wie es ihr möglich war: »Danke, ganz...
Erscheint lt. Verlag | 29.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Einsamkeit • Emanzipiert • Engagement • Feel-Good-Romane • Freundschaft • Granfluencer • humorvoll • Kabarettistin • Liebe im Alter • romantisch • Salsa • Senioren als Influencer • Social Media • späte Liebe • Tanzen • weibliche Wut |
ISBN-10 | 3-7517-6110-1 / 3751761101 |
ISBN-13 | 978-3-7517-6110-9 / 9783751761109 |
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