Danke, Frère Roger (eBook)

Persönliche Erinnerungen an den Gründer von Taizé | Berührende Geschichten über den Gründer der Kommunität von Taizé, Frère Roger
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2024 | 1. Auflage
224 Seiten
bene! eBook (Verlag)
978-3-96340-322-4 (ISBN)

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Danke, Frère Roger -  Klaus Hamburger
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Erinnerungen an Frère Roger - zum 75. Jahrestag der Kommunität von Taizé Millionen von Menschen kennen die »Nächte der Lichter« und die Lieder aus Taizé. Klaus Hamburger, der dort unter den Brüdern lebte, teilt seine persönlichen Erinnerungen an den Gründer der Gemeinschaft - Frère Roger.  Dieser gilt als eine der großen religiösen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, widmete sein Leben der Ökumene, war Gottsucher, Liebender und Zweifelnder. Vor 75 Jahren bekannten sich die ersten sieben Brüder zu ihrem sogenannten Lebensengagement. Heute gehören der Communauté de Taizé, die große Jugendtreffen veranstaltet, rund 100 Brüder aus über 30 Ländern an. Klaus Hamburgers biografische Einblicke beleuchten nicht nur Frère Rogers visionäre Rolle in der ökumenischen Bewegung, sondern auch die transformative Kraft der Taizé-Gemeinschaft. Hamburgers persönlichen Anekdoten bieten einen einzigartigen Blick in das Herz einer Bewegung, die Generationen von Gläubigen inspiriert hat.

Klaus Hamburger (*1953) war Seelsorger in einem Krankenhaus und in einer Justizvollzugsanstalt. Er hat zahlreiche erfolgreiche Bücher geschrieben. 

Klaus Hamburger (*1953) war Seelsorger in einem Krankenhaus und in einer Justizvollzugsanstalt. Er hat zahlreiche erfolgreiche Bücher geschrieben. 

Danke, Frère Roger


In der Nacht und am Tag nach dem Attentat zeigt sich beim Weltjugendtag in Köln mit der Unaufhaltsamkeit eines Naturereignisses, wer Frère Roger für die zusammengeströmten jungen Leute ist. Ausgerechnet in Deutschland, das er stets als eine geschundene Nation betrachtete, die es schwer mit sich selbst, aber auch mit ihren zahlreichen Nachbarn hat. Ein Land, dessen Kultur seinen Vater geprägt hatte.

Die Nachricht vom Mord in Burgund verbreitet sich am Rhein in Sekunden. Fassungslose Abwehr – »Gott, lass es nicht wahr sein« – weicht stummer Ergebung in das Undenkbare. Eine Welle stiller Ergriffenheit geht durch die Programmpunkte des Weltjugendtages. Tränen fließen. Tausende Teelichte brennen.

 

© Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland / Hans Lachmann

Und es wird eine Tiefe spürbar, die bei solchen Veranstaltungen schnell zu verflachen droht. Keine jugendbewegte Stimmungskanone vertreibt sie, keine geistliche La-Ola-Welle schwemmt sie weg. Als die Papst-Party auf dem Marienfeld vorüber ist, hängt irgendwo am Drahtzaun neben einer Bühne, über einer Ansammlung marienblauer Müllsäcke, ein ungelenk beschriftetes Tuch, verziert mit einer unbeholfen gezeichneten Silhouette der Taizé-Taube: »Danke, Frère Roger«. Das Tuch wiegt schwerer als jede feierliche Danksagung für einen Heiligen. Frère Roger ist in den Herzen, wie es niemand herbeireden oder herbeibeten kann.

*

Frère Roger brauchte keine etablierte Struktur, kein bezuschusstes Budget, keine Fürsprache Hochgestellter, um dahin zu gelangen. Das alles hat er stets abgelehnt. Er bestritt die Seelsorge an jungen Leuten mit seinen bloßen Armen und leeren Händen. Überzähliges Geld floss in Hilfsmaßnahmen – 1945 für deutsche Kriegsgefangene in Frankreich, später, an der Jahrtausendwende, zu Entrechteten nach Südostasien.

 

Das Programm seiner weltumspannenden Jugendtreffen, in Taizé und bald auch in den Metropolen der Erdteile, passte auf ein DIN-A4-Blatt, der Ablauf seiner Gottesdienste ebenfalls. So blieb Raum für alles, was sich nicht festschreiben, nicht auf Papier bannen lässt. Ein Leben lang voll und ganz da sein, herzlich dem Menschen des Augenblicks zugewandt. Diese Sprache wurde in allen Erdteilen und Ländern verstanden und geschätzt. Die Dutzende Briefe, in denen er den jungen Leuten seine Überlegungen auseinandersetzte, waren eindringlich und glaubwürdig, weil sie dieser Zuwendung entsprangen. Dennoch stellte sich in seinem Leben keine Idylle, keine Romantik ein.

 

Manche verkannten Frère Roger, belächelten oder fürchteten ihn, je nachdem. Neid und Eifersucht ließ er über sich ergehen, er hielt es für Zeitverschwendung, ja für einen Verrat am Glauben, sich mit ihnen zu befassen.

*

Damit ist Entscheidendes gesagt. Man muss Frère Roger nichts andichten, Poet war er selbst. Wer behauptet, ihn durchschaut zu haben, erliegt einer Täuschung. Wenn ich genau wüsste, wer Frère Roger war, würde ich nicht über ihn schreiben. Schreiben ist Suche, ein Weg. So fügen sich die Seiten dieses Buches nicht zu einem abgerundeten geistlichen Porträt. Sie verdanken sich nicht der gewagten Absicht, das Vermächtnis von Frère Roger vorzulegen. Sie bergen nicht die »Fioretti«, die Blümlein des Roger von Taizé, die einmal als Anekdotensammlung sprießen mögen. Sie kommen nicht jenen in die Quere, die die historische Wahrheit über das Leben von Frère Roger zusammentragen, erforschen und theologisch aufarbeiten. Sie enthalten keinen autorisierten Bericht, sie sind das glatte Gegenteil einer offiziellen Verlautbarung. So kann vieles wegbleiben, was anderswo wiederholt und eingehend geschildert wurde.

 

Dieses Buch ist der nachdenkliche Versuch, ein Dankeschön niederzuschreiben. Es schildert Frère Roger als einen Menschen, der in vielfältigen Beziehungen lebte. Eine von ihnen, einzigartig wie jede andere, langjährig und doch zurückhaltend, war die, in der ich mit ihm stand. Froh will ich Frère Rogers gedenken, wie er mir ans Herz gewachsen ist. Anhand einiger Begebenheiten, die nicht vergessen kann, wer sie miterlebt hat oder dem sie mehr als einmal von ihm erzählt wurden, unternehme ich einen kleinen Streifzug durch seine Welt. Vieles habe ich im Lauf der Jahre in seiner Gemeinschaft verstanden, anderes wurde mir später klar. Manches habe ich vielleicht falsch aufgefasst, wie es in jeder Beziehung vorkommt. Es wird einleuchten, dass man sich einer Person nur persönlich zuwenden kann. So halte ich mich an das, was mich dauerhaft beeindruckt hat. Es bleibt Fragment.

 

Man kann Nachweise sammeln, um Frère Roger als großen Ordensgründer hinzustellen, als akademisch bewanderten Theologen, als Baumeister der Ökumene, als Fachmann pädagogisch umsichtiger Seelsorge, als politisch unerschrockenen Christen, als Heiligen für die Altäre. Aber warum? Frère Roger hatte von allem etwas. Frei nach dem Briefeschreiber Paulus, war er es sich indes schuldig, wie mir scheint, sein Leben so zu führen, als hätte er von alldem nichts.

Er sonnte sich nie in dem Gefühl, ein Liebling Gottes und der Welt zu sein. Er war scheu. Er hütete sein Herz vor Machtstreben und Geltungssucht. Nach der Verleihung des Internationalen Karlspreises der Stadt Aachen 1989 wollte ein Fernsehreporter von ihm wissen, warum er die Kette mit der Medaille gleich nach der Zeremonie abgenommen habe. Er fand diese Frage keiner Antwort würdig. Wen ging das etwas an? Frère Roger konnte auch eine Zumutung sein und anecken.

 

Er bewahrte im Herzen, was dort bleiben musste, und tastete das auch bei anderen nicht an. Mit seinem Taktgefühl hat er der Kirche mehr gegeben als durch glaubensgewisse Taten, es war ihm wichtiger als der Erfolg.

Er war in der Lage, eigene Vorhaben und Pläne selbst zu durchkreuzen, angefangen bei der größten Versammlung junger Leute, die es in Taizé je gab, der Eröffnung des Konzils der Jugend von 1974. Da hatte das Nest für drei verregnete Spätsommertage 40 000 Einwohner, auf jedes Bruchsteinhaus im Dorf kamen hundert Zelte. Der Schlamm auf den gerade noch rechtzeitig abgemähten Feldern und bald auf den Straßen des Hügels war so hoch, dass er wie ein Kaffeesatz wirkte, aus dem die Jugend der Welt emsig versuchte, Anzeichen einer besseren Zukunft zu lesen.

 

Als viele dachten, nun sei Taizé auf Erfolgskurs, im Begriff, die Kirchen zu erobern, schaltete Frère Roger zurück und erklärte die darauffolgenden Treffen bescheiden zu Stationen eines ständigen Pilgerwegs, der von Taizé aus auf schmalem Pfad durch die Welt führen sollte. Das haben viele nicht verstanden, nicht verwunden. Die Enttäuschung unter den jungen Leuten, die sich über Jahre begeistert auf »ihr« Konzil vorbereitet hatten, saß tief. Für sie war Frère Roger auf halbem Weg stehen geblieben. Vielleicht spürte er, dass am Ende der Wegstrecke das Trugbild einer traumhaften Kirche in einer schönen neuen Gesellschaft am bitteren Alltag zerschellt wäre.

Konzil der Jugend 1974. Große Zelte erwarten die Teilnehmenden zu Gespräch und Gebet

© Stefan Eigner

 

Erklärt hat er sein Verhalten nicht, aber eines wohl begriffen: Ein unbeweglicher Ort, auch Taizé, konnte keine Welt für sich sein, abgesondert wie der Planet des Kleinen Prinzen, den Antoine de Saint-Exupéry beschrieben hat. Die Welt der Christen ist der des Reiches Gottes verwandt, das Jesus nicht an einen Ort gebunden sah, sondern an das Leben. Sein Lebensweg war das Reich Gottes, von dem man nicht sagen kann: Hier ist es oder dort ist es, sondern: Es ist schon mitten unter euch, es ist euch näher als ihr glaubt, unmittelbarer als alles, auch alle Orte, auf die man mit dem Finger zeigen kann.

*

Ein Mensch steht nicht für einen Ort, sondern für eine ganze Welt – für seine Welt. Der Ausflug über die Wege eines nicht einzuordnenden, gerne sanften und leisen, bisweilen stürmischen und sperrigen, mehr selbstbewussten als selbstsicheren Menschen lohnt sich allemal. Eines Menschen, der kaum jemand kalt ließ und viele wärmte. Frère Roger gab zu denken, mehr noch zu fühlen. Warum war das so? Wie gelangte er in das Herz der Menschen, beispielsweise meines?

*

Am 13. Oktober 1974 erhält Frère Roger den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Am Vorabend der Preisverleihung, es ist schon dunkel, schlage ich mich als bärtiger, frischgebackener Zivildienstleistender vom Hauptbahnhof zu der Frankfurter Stadtteilkirche durch, wo ein Abendgebet und Abendessen warten und man auch übernachten kann. Es herrscht reges Treiben, als ich dort eintreffe. In Schrittgeschwindigkeit rollt ein VW Käfer mit der Menge mit. Von der Rückbank klettert Frère Roger aus dem zweitürigen Gefährt und entdeckt mich im Strom der vorbeiziehenden Jugendlichen. »Oh, un visage connu« – »ein bekanntes Gesicht«, ruft er, obwohl er mich in Taizé nur einmal kurz gesehen hatte, und umarmt mich. So erging es bestimmt unzähligen anderen. Aber Frère Roger spielte nie. Es war echte Zuneigung, keine Floskel. Sie kam aus dem Herzen und galt für einen Augenblick nur mir.

 

Da war nichts von Herablassung, von dem Gedanken, wie froh musst du sein, dass du mir begegnen darfst. Es war gerade andersherum, zumindest kam es...

Erscheint lt. Verlag 2.9.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 75 Jahre Taize • 75. Jahre Taizé • Biografie Frère Roger • Christliche Bücher • christliche Kommunität • christliche Kommunitäten • christliche Pilgerstätten • christlicher Glaube im Alltag • Christliche Spiritualität • Communauté de Taizé • Erinnerungen an Frere Roger • Frere Roger • Frère Roger • frere roger taize • Frère Roger Weggefährten • Gott ist Liebe • Jugend von Taizé • Kommunität Taize • Kommunität Taizé • Kontemplation • Lieder von Taizé • Nacht der Lichter • Nacht der tausend Lichter • Ökumene • ökumenische Pilgerstätten • Pilgern • Pilgerorte Frankreich • Pilgerreisen • Pilgerstätten Frankreich • Roger Schutz • Spirituelle Gemeinschaft • Spirituelle Gemeinschaften • spirituelle Orte • Taize • Taizé • taize community • Taizé Jubiläum • Taize Lieder • Taizé Nacht der tausend Lichter • Versöhnung
ISBN-10 3-96340-322-5 / 3963403225
ISBN-13 978-3-96340-322-4 / 9783963403224
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