Warum verschweigt ihr die Wahrheit -  Rita Hajak

Warum verschweigt ihr die Wahrheit (eBook)

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
240 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-8484-0 (ISBN)
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Lena, immer wieder von Albträumen geplagt, vertraut sich einem Psychotherapeuten an. Er vermutet, dass ein traumatisches Erlebnis in ihrer Kindheit schuld daran ist. Das Gleiche trifft auch auf ihren Vater zu, der bereits in frühen Jahren an Demenz erkrankte und auf eigenen Wunsch im Heim lebt. Was ist damals vorgefallen? Lenas Mutter schweigt. Nachdem Lena nach einer Entführung halb tot aufgefunden wird, ist sie erneut traumatisiert. Ihre Mutter schweigt weiterhin. Nur die Liebe zu Elias und die Freundschaft zu Angela geben ihr Halt. Lena wird nicht eher ruhen, bis sie die Wahrheit erfährt. Wird ihre Mutter ihr Schweigen brechen?

Rita Hajak, geboren in Frankfurt am Main, erlernte den Beruf der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. Das Schreiben war in ihrem Leben ein wichtiger Bestandteil. Früher waren es mit Vorliebe Aufsätze in der Schule, später Geschichten für ihre Kinder. Die Jahre, die sie mit ihrem Ehemann auf der Insel Fehmarn verbrachte, ließen ihr Zeit und Raum, sich der Schreiberei zu widmen. 2010 ist die Autorin mit ihrem Mann nach Hessen zurückgekehrt. Sie schreibt regionale Krimis und Schicksalsromane.

Kapitel 1




Die Nacht ist kalt. Lena rennt um ihr Leben, keucht die menschenleere Straße entlang. Nur weg von diesem Mann, der ihr folgt. Sie dreht sich um und sieht ihn immer noch hinter sich herlaufen, mit dem Messer in der Hand. Am Himmel ziehen Wolken, die eine dunkelrote Farbe angenommen haben, was ihre Panik zusätzlich verstärkt. In ihrer Brust wird es eng; sie bekommt kaum noch Luft. Ihr Herz rast. Als sie wiederholt zurückblickt, ist der Mann verschwunden. Erleichtert bleibt sie stehen, beugt sich keuchend nach vorn, atmet tief ein und aus und wischt über ihre schweißnasse Stirn. Plötzlich springt der Fremde aus einem Seitenweg heraus und stürzt auf sie zu. Sie sieht das blutverschmierte Messer in seiner Hand und schreit.

Schweißgebadet, mit weit aufgerissenen Augen, schaute Lena in die Dunkelheit, die sie umgab. Sie zitterte am ganzen Körper. Mit ihren Händen tastete sie sich auf dem Stoff entlang, der sie bedeckte. Lena benötigte einige Sekunden, um zu erkennen, dass sie in ihrem Bett lag und geträumt hatte. Wieder diesen schrecklichen Traum. Wie sollte sie dagegen angehen? Sie fühlte sich ihm hilflos ausgeliefert. Es dauerte, bis ihre Augen die Konturen in ihrem Zimmer wahrnehmen konnten. Wegen der blickdichten Gardinen vor dem Fenster drang wenig Licht herein. Alles sah friedlich aus. Ihr Herzschlag beruhigte sich. Ein Blick auf die Radio-Uhr sagte ihr, dass es früh am Morgen war. Gern hätte sie sich die Decke über den Kopf gezogen und den Tag verschlafen. Aber aus Furcht, erneut in diesen Traum zu fallen, verwarf sie diesen Gedanken. Nicht zu vergessen die Kundinnen, die heute noch ins Nagelstudio kämen. Seufzend schlug Lena die Bettdecke zurück und erhob sich, schlüpfte in die Hausschuhe, die vor dem Bett standen. Mit zögerlichen Schritten begab sie sich zum Fenster und schob die Gardinen zur Seite. Erste Sonnenstrahlen blinzelten durch die Zweige der wenigen noch jungen Kastanienbäume, die auf der anderen Straßenseite standen. Dahinter war freies Feld. Auf der einen Hälfte des Feldes begann der Raps zu blühen. Die andere Hälfte bestand aus einer Rasenfläche. Dort tummelten sich Hasen und oft auch Rehe. Sonst blieb sie eine Weile stehen und schaute den Tieren zu. Heute war es anders. Innerlich aufgewühlt, wandte sie sich vom Fenster ab. Dieser Traum hatte sie voll im Griff. Was bedeutete er? Wollte er sie warnen? Aber wovor? Lena horchte in sich hinein, aber es kam ihr nichts in den Sinn. Das Gesicht des Mannes war nicht zu erkennen gewesen. Er trug einen schwarzen Hut, den er tief ins Gesicht gezogen hatte, sowie eine schwarze Hose und eine schwarze Jacke. »Ich benötige eine Dusche«, murmelte sie, »damit ich den Angstschweiß loswerde.« Sie wusste jetzt schon, dieser Tag würde ein schlechter werden.

Bekleidet mit einer hellblauen Bluse und einer engen Jeans, schlurfte sie in die Küche und bereitete sich ein kleines Frühstück. Einen Kaffee, der sie aufmunterte, war ein unbedingtes Muss. Die Bilder ihres Traumes stiegen vor ihr auf. So leicht ließ er sich nicht abschütteln. Tief in ihrer Seele blieb die Angst. Als der Toast aus dem Toaster sprang, zuckte sie zusammen. Ihr Nervenkostüm war überreizt. Kopfschüttelnd nahm Lena einen Schluck Kaffee aus ihrer Lieblingstasse, als ihr Handy klingelte. Sie schaute auf die Wanduhr in der Küche. Es war kurz nach acht. Auf der Anzeige prangerte der Name ihrer Freundin. Warum rief sie an? Sie hatte doch nachher einen Termin bei ihr. »Guten Morgen, Angela, du bist früh dran. Was hast du auf dem Herzen?«

»Hallo, Lena, kann ich eine halbe Stunde früher kommen? Sonst wird mir das zu eng. Ich habe um zwölf Uhr eine Besprechung in der Firma.«

»Kein Problem. Dann um zehn«, entgegnete Lena.

»Du bist so kurz angebunden. Bist du schlecht gelaunt?«, fragte sie.

»Ich habe schlecht geträumt. Erzähle ich dir später. Bis dann«, entgegnete sie und beendete das Gespräch. Es war sonst nicht ihre Art, Angela so schnell abzuservieren. Sie beide waren ein Herz und eine Seele, kannten sich seit dem Kindergarten und waren vertraut wie Geschwister. Viel Gemeinsames hatten sie unternommen, obwohl es auch Zeiten gab, in denen sie kaum Zeit füreinander fanden. Für ein Telefonat reichte es jedoch immer.

Bis zum Öffnen des Ladens waren noch zwei Stunden Zeit, um andere Dinge zu erledigen. Es gab immer Arbeiten, die liegengeblieben waren. Ein Nagelstudio zu eröffnen, war lange Lenas Wunsch gewesen, den sie sich im vorigen Jahr von der Erbschaft ihrer Patentante erfüllt hatte. Nach mehreren Kursen hielt sie ihr Diplom in der Hand und war stolz auf sich. Von dem mittelgroßen Kundenstamm, den sie sich aufgebaut hatte, konnte sie gut leben. Anfangs dauerte es, bis sich ihr Nagelstudio herumgesprochen hatte. Aber dann kamen immer mehr Frauen, um sich ihre Nägel verschönern zu lassen. Es wuchs zwar kein übermäßiges Vermögen heran, aber ein wenig zum Sparen blieb übrig. Über dem Laden stand ihr ein winziges, gemütliches Apartment zur Verfügung, dessen Größe ihr völlig ausreichte.

Lena war es wichtig, sich wohlzufühlen und vor allem frei zu sein. Ihr Elternhaus stand zwar in der Nähe, aber es war ihr ein Bedürfnis gewesen, selbstständig zu werden. In den ersten Wochen hatte sie fast täglich ihre Mutter besucht. Aber schrittweise war es weniger geworden, da sie meist deprimiert gewirkt hatte. Möglich, dass es daran lag, weil Lenas Vater an Demenz erkrankt war und in einem Pflegeheim lebte. Danach war es mit ihrer Mutter schlimmer geworden. Sie sprach nicht darüber und verbreitete eine Stimmung, die sich wie ein Schatten auf Lenas Seele legte. Deshalb musste sie sich von ihr lösen. Sie wusste von ihren Albträumen, aber sie verlor kein Wort darüber. Seufzend ging Lena ins Schlafzimmer, lüftete und brachte ihr Bett in Ordnung. Danach räumte sie das Geschirr in die Maschine und begab sich hinunter ins Studio. Ein Mann, der vor der Ladentür stand, weckte ihre Aufmerksamkeit. Als sie zur Glastür lief, um sie zu öffnen, war er verschwunden. Er war schwarz gekleidet und hinterließ in ihr ein beklemmendes Gefühl. Wenig später klingelten die Glöckchen an ihrer Ladentür. Erleichtert registrierte sie, dass Angela hereinkam.

»Guten Morgen, Schatz!«, rief diese fröhlich. »Was ist? Du siehst aus, als wäre dir ein Gespenst begegnet.«

Lena seufzte. »So kann man es ausdrücken.« Sie nahm ihre Freundin in den Arm. »Schön, dass du da bist.«

»Ich freu’ mich immer hier zu sein«, entgegnete Angela. »Du hast eine großartige Atmosphäre geschaffen. Erzähl, Mädchen, ich bin gespannt.« Sie setzte sich in einen der Sessel, die links und rechts neben dem kleinen runden Tisch platziert waren. Dahinter an der Wand war eine Fototapete mit Strand, Meer und Palmen angebracht. Am Fenster und an der Tür hingen hauchzarte, orangefarbene Gardinen. Alles wirkte harmonisch und farblich aufeinander abgestimmt. Stockend berichtete Lena von ihrem Traum, der sie immer noch gefangen hielt.

»Das ist nicht das erste Mal, dass du von diesem Mann träumst«, sagte Angela in einem sorgenvollen Ton.

»Seit Jahren, immer mal wieder«, entgegnete sie. »In den vergangenen Monaten jedoch viel zu oft.«

»Etwas muss vorgefallen sein, an das du dich nicht erinnern kannst. Vielleicht eine Begebenheit aus deiner Kindheit. Oder du hast eine blühende Fantasie, was ich eher nicht glaube. Hast du nicht mit deiner Mutter darüber geredet?«

»Ich hatte sie darauf angesprochen, sie war nicht darauf eingegangen. Offenbar interessierte es sie nicht.«

»Dann solltest du mit einem Psychologen darüber sprechen«, schlug Angela vor.

»Das fehlte mir noch, als verrückt abgestempelt zu werden. Ich komme schon klar damit.«

»Wenn du dir nicht helfen lässt, wirst du eines Tages tatsächlich verrückt. Aber gut, überlege es dir und lass uns von etwas anderem reden.«

»Beginnen wir mit der Behandlung«, sagte Lena und gab Angela innerlich recht. »Gibt es bei dir Neuigkeiten?«

»Wie man es nimmt. Vielleicht, aber sie sind bisher nicht spruchreif. Versteh mich bitte, dass ich mich zurückhalte. Du bist die Erste, die davon erfährt.«

»Wie du meinst. Lass mich nicht zu lange warten. Du weißt, ich bin neugierig«, entgegnete Lena und wechselte das Thema. »Deine Nägel sind noch so schön, wofür möchtest du neue?«

»Zaubere mir bitte eine andere Form und Farbe. Ich brauche Abwechslung.« Angela lachte.

»Dein Wunsch ist mir Befehl. Ich habe nach dir noch eine Kundin, danach fahre ich zu meinem Vater ins Heim. Gehst du heute nicht in die Firma?«

»Erst um zwölf, zu einem Meeting. Hatte ich schon erwähnt.« »Stimmt, entschuldige.«

»Erkennt dich dein Vater noch?« Angela schaute fragend.

Lena zuckte mit den Schultern und blickte traurig drein. »Nicht immer. Aber ich bin für jeden Moment dankbar, wenn er sagt: ›Hallo, mein Kind, wie schön, dass du mich besuchst‹. Minuten später ruft er: ›Wer sind Sie und was wollen Sie?‹ Ich muss mich beherrschen, nicht jedes Mal loszuheulen. Es tut weh, zu erleben, wie der eigene Vater einem entgleitet. Ich habe so viele schöne Jahre mit ihm verbracht. Er war immer für mich da und hatte mich mit seiner Liebe überschüttet. Aber das ist, seit er dement ist, nicht mehr der Fall. Meine Mutter war immer gut zu mir, nur Liebe habe ich keine gespürt.«

»Ich wünsche dir, dass er dich heute erkennt.« Angela tätschelte ihr mitfühlend die Wange und sagte: »Deine Mutter ist, wie sie ist. Daran wird sich nichts mehr ändern.«

»Das muss ich ertragen«, sagte Lena.

Kurz vor Mittag verschloss sie die Ladentür. Ihr Blick fiel auf die gegenüberliegende Straßenseite, zu den...

Erscheint lt. Verlag 23.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7565-8484-4 / 3756584844
ISBN-13 978-3-7565-8484-0 / 9783756584840
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