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Skin City (eBook)

Thriller

(Autor)

Thomas Wörtche (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Originalausgabe
234 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-78076-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
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Der Dienst im Außenbezirk sollte Ruhe in das Leben der Kriminalpolizistin Romina Winter bringen. Doch georgische Einbrecher nehmen sich in täglichen Touren die Stadtvillen in Dahlem und Lichterfelde vor. Die Bewohner sind verängstigt. Und dann verschwindet Rominas kleine Schwester. Sie muss in eigener Sache ermitteln.
Jacques Lippold wird aus dem Tegeler Gefängnis entlassen. Zwei Jahre hat er wegen Betrugs gesessen. Jetzt will er sich als Finanzberater in der Kunstszene etablieren. Sein Charme und seine Überredungsgabe auf Vernissagen, Auktionen und Gallery Dinners sind unwiderstehlich. Und Lippold hat noch eine alte Rechnung zu begleichen.
Koba hat mit seinen Jungs aus Tiflis gut zu tun in der Berliner Peripherie. Jeden Tag steigen sie mindestens in eine Wohnung, in eine Stadtvilla ein und nehmen mit, was sie kriegen können. Eigentlich träumt er von Kanada. Doch dann greift er in ein zerschlagenes Fenster ...
Johannes Groschupf, der Seismograph von Berlin und mehrfache Deutsche-Krimipreis-Träger, beweist in dieser Tour de Force von den Kleingartenkolonien und Vorortvillen Berlins bis zum Waldorf Astoria und Adlon sein gnadenloses Feeling für Thrill und Suspense.

Johannes Groschupf, 1963 in Braunschweig geboren, wuchs in Lüneburg auf. Studium der Germanistik, Amerikanistik und Publizistik an der Freien Universität in Berlin. Viele Jahre als freier Reisejournalist für Die Zeit, FAZ, FR u. a. unterwegs. 1994 Hubschrauberabsturz in der Sahara. 1998 entstand aus dieser Erfahrung das Radio-Feature Der Absturz, das im Jahr darauf den Robert-Geisendörfer-Preis erhielt. Danach literarische Arbeiten, v. a. im Jugendbuchbereich, und Artikel für Tagesspiegel und Berliner Zeitung. Für seine Thriller wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Deutschen Krimipreis (zweimal Platz 1, einmal Platz 2).

3


Die Nachtigallen sangen am Waldrand, und Jacques Lippold war frei. Ein warmer Abend in der Kleingartenkolonie Birkenhöhe bei Bernau. Vorne lief der Börnicker Landweg nach Bernau und Berlin, die Autobahn nach Prenzlau und Hamburg und die andere nach Stettin waren nah, er hörte das unablässige Rauschen der Autos, als er die Beete, die Apfelbäume und die Hecke des Gartens wässerte.

Lippold wollte nicht nach Stettin, auch nicht nach Hamburg. Er wollte abtauchen. Ausschlafen. Niemand sollte ihm sagen, was er zu tun hatte. Wollte nicht mehr vor jeder Tür warten, bis er durchgeschlossen wurde. Vor zwei Tagen hatten sie ihn aus Tegel entlassen. Zweieinhalb Jahre hatten sie ihm gegeben, für nichts und wieder nichts. Ein paar Jahre lang hatte er für seinen Chef mit Luxusfahrzeugen aus Polen und Tschechien, später mit Playstations und Speicherchips gehandelt. Je kleiner und teurer die Waren, desto besser. Man wusste ja gar nicht, wohin mit den Autos, wohin mit dem Kleinkram, all das interessierte ihn nicht. Lippold ging es um die Vorsteuer. Die ließ er sich vom Staat erstatten, für jedes Fahrzeug, jeden Chip, das war sein gutes deutsches Steuerrecht. Sein Chef hatte Jura studiert und Lippold alles genau erklärt. Sechzig Prozent für mich, vierzig für dich, halt dich ran. Dass Lippold die Umsatzsteuer, die er zurückforderte, nicht entrichtet hatte, fiel nicht auf. Das Karussell drehte sich weiter. Je teurer die Waren, mit denen er handelte, umso höher die Steuer. Die Jungs vom Finanzamt kamen kaum hinterher mit den Zahlungen. Lippold kassierte, bis die Ämter und Banken doch misstrauisch wurden, dass er quasi aus dem Nichts Riesenumsätze erzielte. Nach einem halben Jahr tauchte er ab und machte woanders weiter. In einem anderen europäischen Land. Mit Reisepass und Vollmachten ausgestattet, installierte er Briefkastenfirmen, schuf in Belgien, Litauen, Slowenien und auf Malta Büros, die nie einen Telefonanschluss sahen und in denen sich keine Sekretärin jemals die Fingernägel lackierte. Die Europäische Union war groß, es waren fette Jahre, dabei war er nur ein kleiner Player. Batman, Rolex, Doctor, das waren die großen Namen in seiner Branche, die räumten richtig ab. Je mehr Leute Ware und Umsatzsteuer kreisen ließen, umso länger dauerte es, bis man ihnen auf die Schliche kam. Lippold musste keine Millionen scheffeln. Er wollte nur sein Stück vom Kuchen.

»Bruder«, hatte ihm sein Chef gesagt, »wenn sie dich hochnehmen, sind die Einnahmen futsch.« Deshalb wurden sie über eine Plattform in Hongkong abgewickelt. Dort lagen sie jetzt immer noch, und er kam nicht an sein Geld heran. Zweieinhalb Jahre hatte ihm die Sache eingebracht. Zweieinhalb Jahre bei Reis mit geschmorter Paprika. Seine Anzüge, Hemden und Schuhe lagerten in der Wohnung seiner Mutter in Hohenschönhausen. Sein früherer Chef residierte in Paris und ließ sich mit dem Bugatti durch Saint-Germain fahren.

Er hatte zweieinhalb Jahre lang gesessen, Eisen gepumpt, viel gelesen, im Hof mit den anderen Tischtennis und Handball gespielt, die Wolken draußen, oben im Himmel angeschaut. Die Belegschaft in seinem Trakt wechselte ständig, fast alles Ausländer. Araber, Russen, Türken, Litauer, Sinti und Roma, ein paar Deutsche darunter. Viele zogen weiter nach Heidering, Lippold blieb. Mit den meisten Männern kam er zurecht, und wenn nicht, dann zeigte er klare Kante. Schlug sofort zu, wenn man ihm blöd kam. Schlug hart zu, am besten auf die Zähne, da waren sie alle empfindlich. Das sprach sich herum. Man respektierte ihn, er saß die Zeit im Grunde auf der linken Arschbacke ab, aber es waren zweieinhalb Jahre ohne Bier.

Einige Parzellen weiter unten in der Kolonie machten sie Party, die Beats von Gigi D’Agostino pumpten durch die warme Luft. Stimmengewirr, Lachen, ein hochschießendes Kreischen, Flaschenklirren. Der Garten seiner Mutter sah immer noch aus wie damals. Die Johannisbeersträucher, Stachelbeeren, ihre Rosen, die Kirschbäume und die Apfelbäume waren weitergewachsen, als er weg war. Seine Mutter hatte keinen Handschlag getan.

Lippold legte den Schlauch zurück, öffnete die Gartentür und ging den Kiesweg hinunter. Die Musik wurde lauter, als er sich der Party näherte, die Stimmen deutlicher. Zwei Männer standen vor der niedrigen Hecke, unterhielten sich und rauchten. Lippold grüßte. Sie nickten ihm zu. Im Garten saßen sieben, acht Leute um eine Feuerschale, die Funken stoben in die Luft, die Gesichter der Leute waren im Widerschein des Feuers nur undeutlich zu sehen.

Lippold blieb stehen. »Kriegt man hier ein Bier?«

Die beiden Männer auf dem Kiesweg schauten ihn an. Junge, glatte Gesichter, Baseballkappen, Tätowierungen auf Armen und Beinen, Schriftzüge in Fraktur, schwere Schultern, Handwerker vermutlich, Brandenburger.

»Plischke«, rief der eine über die Hecke. »Hier fragt einer, ob er ein Bier kriegen kann.«

»Soll reinkommen, aber schön die Füße abtreten.«

Lippold ging rein.

Im Bau hatte er immer sofort gewusst, wer der Anführer einer Gruppe war. Das Gestirn, um das die anderen kreisen. Dort hatte er gespürt, an wen er sich wenden musste. Wenn der Chef einen akzeptierte, kriegte er mit den anderen keinen Ärger. Wenn es Probleme gab und der Chef von ihm auf den Rüssel bekam, dann kuschten die anderen. Lippold war schon immer für klare Verhältnisse. Er lächelte, als er zu ihnen trat. Plischke saß breitbeinig in einem Gartenstuhl, eine Baseballkappe ins Genick geschoben, neben sich hatte er einen Kasten Bier. Vier Männer in Gartenstühlen, einer stocherte im Feuer, zwei Frauen am Swimmingpool, eine tanzte auf der Terrasse, ein wehendes Kleid vor dem Büfett.

»Abend in die Runde«, sagte Lippold. »Ich dachte, ich sag mal Hallo, hab den Garten weiter oben. Ich habe schon den ganzen Abend einen trockenen Mund, die Zunge klebt am Gaumen.«

»Das ist nicht schön«, sagte Plischke und nahm einen Schluck aus seiner Flasche.

»Das ist überhaupt nicht schön«, sagte Lippold. »Ein Bier könnte helfen.«

Plischke langte in den Kasten, holte eine Flasche heraus und warf sie Lippold zu. Der fing sie auf und öffnete sie mit den Zähnen. Das konnte er, seit er zwölf war. Früher, im Reichsbahnbunker Reinhardtstraße, mit siebzehn, hatte er jede Flasche mit den Zähnen aufgeknackt, jetzt war er sechsundvierzig und musste aufpassen. Mit einem hohlen Zahn ist keine Nuss zu knacken. Doch so ein Auftritt lohnte sich immer. Er spuckte den Kronkorken in die Luft, fing ihn auf und steckte ihn ein.

Die Frauen am Pool hoben die Köpfe. Die Männer am Feuer sahen ihn an. Plischke in seinem Gartenstuhl sagte: »Respektchen. Macht auch nicht jeder.«

»Wohlsein«, sagte Lippold und setzte die Flasche an. Das Bier war kühl und gut. »Außerdem, gratuliere natürlich, wenn hier jemand Geburtstag hat.«

Sie kamen ins Gespräch. Einer der Männer erinnerte sich an ihn, vor Jahren hatte er mal die Schubkarre geliehen, als er eine Ladung Muttererde angeliefert bekam. Länger nicht hier gewesen, aber heute Abend mal wieder da, und da habe er die Musik gehört. Zu laut? Ach was. Wo man singt, da lass dich nieder. Mama lauda. Eine Frau drehte die Musik lauter.

Sie lachten. Die Frauen sagten, es sei noch Kartoffelsalat da, Würstchen, Buletten, falls er Hunger habe. Die im wehenden Kleid zeigte ihm das Büfett.

»Das machste aber nicht oft mit den Zähnen, oder?«

»Nur für Freunde«, sagte er.

»Ach, so einer biste.«

Er nahm sich Kartoffelsalat, zwei Buletten. Ließ es sich schmecken. Sie zeigte ihm den Garten, die jungen Tomaten im Gewächshaus, dann setzte er sich zu den anderen ans Feuer, bekam ein zweites Bier. Das machte er mit dem Feuerzeug auf, und das war für die anderen auch völlig in Ordnung. Sie stießen an, lachten. Plischke mochte ihn, das spürte Lippold. Die Frauen schauten ihn an, seit zweieinhalb Jahren war er Frauen nicht mehr so nah gewesen.

Das dritte Bier, das vierte, dann hörte er auf zu zählen, musste sich ranhalten. Über sich...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2025
Reihe/Serie Berlin Noir
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte aktuelles Buch • Bandenkriminalität • Berlin • Berliner Krimipreis »Krimifuchs« 2022 • Bücher Neuerscheinung • Clans • Deutsche Krimi-Autoren • Deutsche Krimis • Deutscher Krimipreis 2019 • Deutscher Krimipreis 2022 • deutsche Thriller • Deutsche Thriller-Autoren • Deutschland • Einbrecher • Einbruch • Gefängnis • Gewaltausbrüche • Großstadt-Krimi • Katz und Maus Spiel • Kommissarin • Krimi Neuerscheinung 2025 • Krimi-Serie • Mafia • Milieu • Mitteleuropa • Nervenkitzel • neuer Fall • neuer Krimi • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Nordostdeutschland • Page Turner • Platz 2: Deutscher Krimipreis 2021 • Regiokrimi • Regionalkrimi • Spannung • ST 5449 • ST5449 • suhrkamp taschenbuch 5449 • Suspense • Thriller • Thriller-Serie • Tiflis • Überfall • Unterwelt • weibliche Ermittlerin
ISBN-10 3-518-78076-X / 351878076X
ISBN-13 978-3-518-78076-3 / 9783518780763
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