Eine Tüte Chips und 'ne Handvoll Grips -  Ulrich Teschke

Eine Tüte Chips und 'ne Handvoll Grips (eBook)

Eine (un)wahre Schulgeschichte
eBook Download: EPUB
2024 | 3. Auflage
170 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-3996-1 (ISBN)
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In einer Zeit, in der Schule in unserer Gesellschaft immer wieder hitzige Debatten auslöst, war es für mich, nachdem ich aus dem Schuldienst ausgeschieden war, ein großer Reiz, gesammelte Erfahrungen und damit verbundene Kritik an dem System Schule zu formulieren. Der Reiz bestand allerdings nicht darin, gängige und weniger geläufige Kritik in Form einer sachlichen Darlegung zu formulieren, sondern durch eine Romanhandlung durchscheinen zu lassen. Genau das soll der hier vorliegende auktorial erzählte Roman 'Eine Tüte Chips und 'ne Handvoll Grips' leisten. Im Zentrum der Handlung steht zunächst ein wenig auffälliger Schüler, der von vier Gleichaltrigen drangsaliert wird. Diese treten stets als Gruppe in Erscheinung und haben mit Schule an sich nicht viel im Sinn. Ihr Anliegen besteht darin, andere zu piesacken. In dieser Gemengelage treten Lehrer und Lehrerinnen unterschiedlichster Prägung in Erscheinung, von denen die einen wegen ihres despektierlichen Umgangs mit den Schülerinnen und Schülern kritikwürdig, die anderen wegen ihres großen Engagements und ihrer Zugewandtheit den Schülerinnen und Schülern gegenüber höchst willkommen sind. Dazwischen gibt es natürlich viele andere unterschiedliche Typen ...

Ulrich Teschke, geboren 1959 in Hannover, studierte die Fächer Deutsch und Französisch für das höhere Lehramt in Marburg und Rennes. Kurze Zeit nach dem Referendariat, das er am Seminar Freiburg absolvierte, arbeitete er gut drei Jahrzehnte lang als Gymnasiallehrer an unterschiedlichen Orten: Rostock, Gera, Bretten und Karlsruhe, wo er aktuell mit seiner Familie lebt und nach Beendigung seines Schuldienstes seinen Roman 'Eine Tüte Chips und 'ne Handvoll Grips' geschrieben hat, in dem er seine Schulerfahrungen verarbeitet, die mit längst überfälliger Kritik verknüpft werden.

Schule ohne Rassismus? Was sollte das bedeuten? Waren andere Schulen, an deren Mauerwerk ein solches Schild nicht prangte, ein Hort von Feiglingen und Rassisten? Das würde der gesetzlichen Grundordnung widersprechen, auf deren Boden eine jede Schule in Deutschland agierte. Er konnte sich so schnell keinen Reim darauf machen und schüttelte das Befremden über diese Wahrnehmung zunächst ab, um sich gedanklich auf das bevorstehende Gespräch vorzubereiten.

Die Atmosphäre, die ihn beim Betreten des Schulgebäudes umgab, war alles andere als heimelig. Die kahlen Mauern und Wände in grauem Gewand sowie der aus Waschbeton bestehende Fußboden weckten nicht gerade das Vertrauen auf eine erfolgreiche Schulkarriere, zu der mehr als reine Faktenvermittlung und -aufnahme gehört. Eine angenehme Umgebung, die zum Verweilen einlädt, wäre wenigstens erforderlich und könnte ein Baustein des Treppchens zum Erfolg sein.

Es wurde und wird doch immer wieder von den Verantwortlichen betont, dass Schule ein Lebensraum sei. Ein Ort also, der nicht tagtäglich, stündlich und minütlich einen Fluchtreflex in der Mehrheit der von ihm Aufgesuchten auslöst.

Dass Schule ein solcher Lebensraum sein sollte, wird wahrscheinlich kaum jemand bestreiten. Dass sie das aber tatsächlich sei, wird nicht einmal ein um seine Sehkraft gebrachtes Wesen voller Visionen behaupten.

Gegenteiliges wird man allenfalls von den jeweiligen Schulleitungen erfahren, die stets um das Ansehen ihrer Bildungseinrichtung kämpfen. Dazu gehört das ehrliche Anliegen, die Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen, die erkennen, dass Glück und Verwirklichung nicht zuvörderst im Materialismus zu finden sind. Einem Slogan wie ›Geld regiert die Welt‹ soll klar Paroli geboten werden. Diesem pädagogischen Anliegen der Schule folgend könnte man den Slogan erweitern: ›Geld regiert die Welt, nicht aber die Schule‹. Diese merkt nicht einmal, dass es einen Zusammenhang zwischen dem schnöden Mammon und der Schaffung einer Wohlfühloase gibt. Vielmehr will sie die inneren Werte der Schülerinnen und Schüler befördern, zu denen die vielbeschworene Resilienz gehört. Verfügt man über deren Fundament, ist man robust genug, um jeden existierenden Mangel in der Schule zu ertragen und zu bewältigen. Zumindest ein kostengünstiges Konzept!

Kosten veranlassten Herrn Geveke nun, seinen Schritt zu beschleunigen, um das Gespräch mit dem Schulleiter möglichst schnell über die Bühne zu bringen. Denn von seiner Arbeit konnte er sich zwar stundenweise befreien lassen, aber diese Freistellung ging mit einer entsprechenden Gehaltseinbuße einher, die er sich eigentlich nicht leisten konnte. Er und seine Frau hatten zwar nur dieses eine Kind, Marco, aber sie mussten auch noch ihr Reihenhaus abbezahlen, was nicht ganz so leicht war. Zwar ging auch Frau Geveke einer Erwerbstätigkeit nach, aber beide, Herr und Frau Geveke, arbeiteten im Niedriglohnsektor: er als Lagerarbeiter und sie im Supermarkt. Mit Regalen hatten also beide zu tun, nicht aber mit einem Lohn, der sich zu stapeln lohnte. Das hinderte sie nicht daran, ein Gespür für Recht und Unrecht zu haben. Und so saßen nun Herr Geveke und sein Sohn Marco Herrn Hahn in dessen Büro gegenüber.

»Welches Anliegen führt Sie, Herr Geveke, und dich, Marco, zu mir?«, eröffnete Herr Hahn das Gespräch.

Anschließend überließen er und Herr Geveke Marco das Wort, der innerhalb kürzester Zeit sein Erlebnis mit den Mitgliedern der ›Torture Kids‹ geschildert hatte. Überraschend war für Vater und Sohn die spontane Reaktion des Schulleiters:

»Ja, aber was hat die Schule damit zu tun? Allenthalben gibt es Rangeleien zwischen Jugendlichen in der Freizeit. Das kann die Schule beim besten Willen nicht leisten, da für Ordnung zu sorgen. Wir haben genug damit zu tun, den Schulbetrieb am Laufen zu halten und dabei das Respektieren von Regeln zu beaufsichtigen und einzufordern«.

»Entschuldigen Sie meinen Einwand, Herr Hahn«, konnte Herr Geveke sich nicht enthalten zu entgegnen, »aber wenn es doch Schüler der gleichen Schule sind, wirkt sich ein solches Freizeitverhalten nicht auch auf den reibungslosen Ablauf des Schulbetriebs aus, und zwar negativ? Müsste es nicht im Interesse der Schule sein, hier einzuschreiten?«

Mit einer Geste des weiträumig Überblickenden lehnte Herr Hahn sich auf seinem Stuhl zurück, sodass er aus einer bequemeren Position heraus antworten konnte:

»Sie haben ja völlig Recht, Herr Geveke, aber wir verfügen schlicht und ergreifend nicht über die Kapazitäten, außerschulisches Verhalten zu ahnden, ganz abgesehen davon, dass wir gesetzlich dazu gar nicht befugt sind.«

Während er das sagte, musste er an den Tag zurückdenken, an dem Marco ihn mit seinem Freund Stefan in der Mittagspause aufgesucht hatte, um ihm den Hinweis zu geben, dass Jesse und Max, zwei Mitglieder der ›Torture Kids‹, für das skandalumwitterte Plakat an der entsprechenden Toilettentür als Urheber in Frage kämen. Wollte Marco denen vielleicht nur eins auswischen? Wollte er sich an ihnen rächen, nachdem sie ihn drangsaliert hatten? Gleichzeitig nämlich schwirrte ihm die Erinnerung an ein Gespräch mit Marcos Klassenlehrer Herrn Zorn durch den Kopf, der ihm über die Situation seiner Klasse berichtet hatte und dabei nicht unerwähnt ließ, was Herr Mack ihm zugetragen hatte, dass der nämlich während einer großen Pause Marco im Klassenzimmerschrank erwischt hatte. Der Grund dafür, so hieß es, sei gewesen, Schutz vor Mitschülern zu suchen. Genug Futter, um das laufende Gespräch mit Nahrung zu versorgen. So nahm Herr Hahn den Faden des Gesprächs wieder auf:

»Marco, stell dir einmal vor, wir hätten den Bereich vor den Toiletten mit Überwachungskameras ausgestattet. Das ist übrigens gar nicht so weit hergeholt, vielmehr ist das ein Projekt, mit dem ich schon seit längerer Zeit liebäugle, um den zum Teil gewaltsamen Auseinandersetzungen an diesem spannungsgeladenen Ort Einhalt zu gebieten. Wenn diese Kameras also tatsächlich schon installiert wären, hättest Du mir mit deinem Freund Stefan die Geschichte über die Herkunft der Plakate an der Toilettentür neulich auch aufgetischt?«

Während Marcos Blicke sich gen Boden neigten, ergriff Herr Geveke voller Empörung das Wort:

»Also hören Sie, Herr Hahn, was hat das jetzt mit der Geschichte zu tun, die Marco Ihnen gerade eben erzählt hat?«

»Vielleicht mehr, als wir anzunehmen geneigt sind. Immerhin musste Marco einige Demütigungen, Drohungen und Ängste ertragen. So etwas möchte keiner gerne einfach so hinnehmen. Also könnte es doch sein, dass Marco hier einen Weg der Rache ersonnen hat, der noch dazu geschickt von den eigentlichen Urhebern der Plakate ablenkt. Das wäre immerhin ein, wenn auch unlauterer, so doch auf seine Art genialer Plan.«

Von Marco war in diesem Moment keine Regung zu vernehmen. Nur sein Vater wendete sich ihm mit der Frage zu:

»Marco, ist da was dran, an dem, was Herr Hahn da sagt?«

Diese Frage wurde zunächst mit Schweigen beantwortet. Schweigen, das sich Geltung verschaffte, indem es bestimmt zwei Minuten beanspruchte, bevor sich ein leichtes Räuspern aus Herrn Hahns Richtung vernehmen ließ. Dieser ergriff nun das Wort:

»Nun, ich denke, wir lassen es erst einmal bei dem bewenden, was wir hier zur Sprache gebracht haben. Nehmen wir uns ein wenig Zeit und überdenken noch mal alles, was hierzu gesagt worden ist, und kommen dann gegebenenfalls in den nächsten Tagen noch einmal zusammen. Auch du, Marco, solltest dir genauestens überlegen, was möglicherweise an dem, was ich gerade gesagt habe, dran ist. Vielleicht kommst du dann noch mal auf mich zu. Du musst keine Befürchtungen haben. Wichtig ist, dass wir mit offenen Karten spielen.«

»So sehe ich das auch«, schaltete sich Marcos Vater ein, »dazu gehört aber meiner Meinung nach auch, dass solche Typen wie die ›Torture Kids‹ zu spüren bekommen, woher der Wind weht. Das kann doch nicht sein, dass die eine ganze Schule terrorisieren.«

»Ja, Herr Geveke, das ist zweifellos nicht hinnehmbar. Ich bin zuversichtlich, dass wir da einen Weg finden. Auf jeden Fall werde ich diese Ereignisse mit in die Gesamtlehrerkonferenz nehmen, die jetzt gleich in einer halben Stunde beginnt. Da werde ich versuchen, das Kollegium mit ins Boot zu holen. Vielleicht hat der eine oder andere aus dem Kollegium etwas beobachtet. Vielleicht hat sogar jemand Hinweise darauf, dass die ›Torture Kids‹ hier auf dem Schulgelände unbotmäßig in Erscheinung getreten sind. Dann hätte ich immerhin einen Angriffspunkt und könnte mir die Gestalten etwas genauer anschauen.«

Nach diesen Worten, die das Ende des Gesprächs einleiteten, entspannten sich die Gesichtszüge aller und Herr Hahn fügte noch an:

»Ich bedanke mich sehr für die Informationen, Herr Geveke und Marco. Ich bin sicher, dass wir eine Lösung finden werden. Ich werde all das jedenfalls nicht auf sich beruhen lassen. Ich werde dem nachgehen.«

Es erfolgte eine Verabschiedung per Handschlag. In dem Moment, da Herr Hahn Herrn Gevekes Hand ergriff, bekräftigte er noch:

»Sie hören von mir. Ich halte Sie auf dem...

Erscheint lt. Verlag 12.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7598-3996-7 / 3759839967
ISBN-13 978-3-7598-3996-1 / 9783759839961
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