Dein Vater, mein Feind (eBook)

Der Kampf einer Mutter um ihr entführtes Kind

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
366 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7517-7528-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dein Vater, mein Feind - Louise Monaghan
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Mitten im Bürgerkrieg reist Louise heimlich nach Syrien ein, um ihre sechs Jahre alte Tochter May zu retten. Kurz vor ihrer Einschulung hatte ihr Exmann Mostafa das Mädchen aus Zypern entführt. Louise spielt Mostafa vor, sie sei bereit für einen zweiten Versuch, doch Mostafa hält sie und das Mädchen gefangen und misshandelt sie schwer.

Ohne Kontakt zur Außenwelt, der physischen und psychischen Gewalt ihres Exmanns ausgeliefert, wagt Louise die lebensgefährliche Flucht aus Syrien, angetrieben von der bedingungslosen Liebe zu May und ihrer Todesangst.

Die herzzerreißende und mutige Geschichte einer Mutter, die ihr Leben riskierte, um ihre vom Vater entführte Tochter aus dem kriegsgeschüttelten Syrien zu befreien.

»Liest sich wie ein Thriller ... eine außergewöhnliche Geschichte!« IRISH SUNDAY INDEPENDENT



<p>Louise Monaghan wuchs in Irland auf. Ihr Beruf als Tourismus-Managerin führte sie nach Zypern, wo sie einen Syrer heiratete und mit ihm eine Tochter bekam. Die Ehe wurde bald geschieden. Aufgrund der Gewalttätigkeit ihres Exmanns erhielt Louise das alleinige Sorgerecht für May. 2011 bis 2012 fand die Entführung und Flucht aus Syrien statt. Heute lebt Louise mit ihrer Tochter wieder in Irland.</p>

1
Der schlimmste Tag meines Lebens


Den 7. September 2011, einen Mittwoch, werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen. Dieser Tag wird mich fürs Leben zeichnen, er hat unwiderruflich das idyllische Leben erschüttert, das ich seit beinahe sechs Jahren in dem beliebten Urlaubsort Limassol auf Zypern führte.

Der Tag begann wie jeder andere; die Sonne schien, und am Himmel zeigte sich keine einzige Wolke. Doch meine kleine Tochter May war an diesem Morgen besonders aufgeregt, denn sie wusste, der nächste Tag würde ihr erster Tag an der, wie wir es nannten, »ernsthaften, richtigen« Schule sein. Wir hatten alles vorbereitet, und ihr kleines weißes Polohemd, ihr marineblauer Rock und ihre neuen Schuhe lagen schon auf dem Kinderbett in ihrem Prinzessinnenzimmer. Ihre kleine Schultasche in Babyrosa mit dem aufgedruckten Hundebaby auf der Vorderseite, die sie sich selbst ausgesucht hatte, war gefüllt mit ihren neuen Schulbüchern und Heften, die nur darauf warteten, benutzt zu werden.

Ihr erster Schultag war ein Tag, dem ich, wie alle Mütter, mit gemischten Gefühlen entgegensah, denn dieser Tag würde sichtbarstes Zeichen dafür sein, dass meine Kleine allmählich groß wurde und bald ihre Zukunft gestalten und auf eigenen Beinen stehen würde.

Doch ich wusste, dass sich May auf dieses neue Abenteuer freute, und so freute ich mich für sie mit. Im Jahr zuvor war sie auf der Vorschule gewesen und hatte es toll gefunden. Für die »ernsthafte, richtige« Schule hatte ich sie nun in Mesa Yitonia angemeldet. Ich hatte nie Mühe gehabt, sie morgens aus dem Bett zu bekommen. Voller Begeisterung machte sie sich jeden Morgen fertig, um ihre Freundinnen in der Vorschule zu treffen. Ich wusste also, der Übergang zur richtigen Schule würde keine Probleme bereiten. Sie hatte viele Freunde, die am selben Tag in dieselbe Klasse eingeschult würden. Es fügte sich alles aufs Beste.

Ich weiß, dass alle Mütter ihr Kind für etwas ganz Besonderes halten, aber um ehrlich zu sein, May war von Anfang an ganz wunderbar, jammerte nie und wollte ihre Mami immer glücklich machen.

Am Dienstagabend rief Mostafa an, Mays Vater, von dem ich seit November 2010 geschieden war. Er erklärte, er wolle mit May am nächsten Vormittag an den Strand. Seit unserer Trennung hatte er per Gerichtsentscheid Besuchsrecht bei unserer gemeinsamen Tochter, und zwar jeweils für einige Stunden am Montag, Mittwoch und Samstag.

Ich fühlte mich nie wohl dabei, wenn er May abholte, denn im Lauf der Jahre war unsere Beziehung äußerst angespannt geworden. Für unser Kind hatte er wenig Zeit und – meiner Meinung nach – auch wenig echte Zuneigung übrig. Ich bin sicher, er wollte sie nur sehen, weil er wusste, es würde mir schwer zu schaffen machen, wenn ich sie ihm überlassen musste. Doch während der vergangenen Monate war mir aufgefallen, dass er sich mehr um sie zu bemühen schien. Auf jeden Fall war er geduldiger mit ihr.

Ich glaube, er bestand nicht nur wegen seiner Kontrollsucht darauf, May zu besuchen, sondern auch weil er Moslem war. Wenn er sein Kind nicht sehen durfte, schmälerte das seine väterlichen Rechte, und es war eine Beleidigung seiner Religion.

Ich hatte in der Angelegenheit ohnehin keine Wahl. Als wir über das elterliche Sorgerecht verhandelten, waren die Gerichte auf Zypern nicht gewillt, meinen Bedenken Gehör zu schenken. Bei diversen Gelegenheiten drohte man mir Gefängnishaft an, sollte ich dem Gerichtsbeschluss nicht entsprechen. Mir blieb also nichts anderes übrig, ich musste mich mit den getroffenen Vorkehrungen einverstanden erklären und darauf vertrauen, dass Mostafa unserer Kleinen nicht wehtat und auch nicht versuchte, sie mir wegzunehmen.

Einmal mussten May und Mostafa zu einem Familientherapeuten, weil May einfach nicht bei ihrem Vater bleiben wollte. Sie vertraute ihm nicht. Doch all meine Bedenken stießen auf taube Ohren. Ich machte mir Sorgen, er könne tatsächlich psychische Probleme haben, die sich in seiner Neigung zu verbaler und körperlicher Gewalt äußerten. Trotzdem wurde sein Besuchsrecht sogar noch erweitert.

Bei der gerichtlichen Anhörung im Juli 2010 wurde ihm auch noch ein Besuchsrecht für jedes zweite Weihnachts- und Osterfest zugesprochen. Über Nacht durfte er sie allerdings nicht bei sich behalten, was eine große Erleichterung für mich war. Die Behörde meinte, seine Wohnverhältnisse seien für Übernachtungsbesuche nicht geeignet, da er zusammen mit einigen anderen Syrern zur Miete wohnte.

Mostafa lebte etwa fünf Meilen entfernt von uns in einer Stadt namens Zakaki, einem alten Dorf im Einzugsbereich von Limassol. Der Ort war gerade einmal drei Kilometer vom Strand Lady’s Mile entfernt, an den May und ich immer gingen. In den letzten Jahren wurde Zakaki völlig umgestaltet und beherbergt jetzt My Mall, das größte Einkaufszentrum auf Zypern. Hierher kommen Leute von der ganzen Insel, kaufen Kleidung oder treffen Freunde auf einen Kaffee, um sich mit ihnen zu unterhalten. Es gibt einen großen Supermarkt mit Lebensmitteln, und das Zentrum ist auch sehr beliebt bei Touristen.

Am Mittwochvormittag, als Mostafa May abholen kam, lag ich auf dem Boden und machte meine täglichen Übungen. Ich habe eine Krankheit, die besonders meinen Rücken und meine Hüften in Mitleidenschaft zieht, sodass ich immer wieder fürchterliche Schmerzen habe und oft sehr steif bin. Als er kam, stand ich auf und ging in die Küche, um für May ein kleines Lunchpaket zu packen.

An diesem Morgen war er ruhiger als gewöhnlich. Er folgte mir sogar durch die ganze Wohnung, als ich Mays Sachen für den Strand zusammensuchte. Ich spürte, wie er jeden meiner Schritte überwachte. Normalerweise stand er einfach nur da und wartete, denn er wusste, er war nicht willkommen. Aber an diesem Tag hatte er etwas Großspuriges an sich. Ich hätte ahnen müssen, dass etwas im Busch war, doch irgendwie verdrängte ich das Gefühl.

Ich weiß noch, dass ich Mays geliebte Nintendo-Spielkonsole in die Tasche steckte und ihren kleinen Bikini einpackte, dazu die Sonnencreme. Dabei ging ich im Laufschritt durch die Wohnung, denn ich wollte ihn nicht aufhalten. Mostafa hatte nie Geld, ständig lebte er von einem Tag zum anderen. Als er ging, fragte ich ihn deshalb, ob er Bargeld brauchte. Auf einmal wirkte er äußerst verärgert und ignorierte die Frage einfach. Dabei hatte ich gar nicht an ihn gedacht. Ich wollte einfach nur sichergehen, dass er genug Geld bei sich hatte, um May ein Eis zu kaufen. Es war nämlich ein heißer Tag, und sie wären ein paar Stunden da draußen in der Hitze. Also beachtete ich ihn nicht weiter. Als sie die Wohnung verlassen wollten, ging ich mein Portemonnaie holen und gab May über die Veranda weg einen Zwanzig-Euro-Schein.

Im Fortgehen drehte sie sich um und lächelte nervös, wie sie das immer tat, wenn sie mit ihm gehen musste. Mir fiel auf, dass ich ihr die Haare nicht gebürstet hatte, also rief ich ihr zu, sie solle noch einmal zurückkommen. Aber davon wollte Mostafa nichts wissen. Er packte May an der Hand, zog sie Richtung Auto und meinte, er habe eine Haarbürste im Wagen und wolle ihr selber die Haare bürsten.

Wir kamen wirklich nicht mehr miteinander aus, Mostafa und ich, aber ich weiß noch, wie ich an dem Morgen dachte, dass er besonders kühl mir gegenüber war. Doch schließlich gab es immer wieder Tage, an denen er sich so verhielt. Also verdrängte ich meine Bedenken – was ich noch bitter bereuen sollte.

Als die beiden weggingen, schaute ich May von der Terrasse aus nach und dachte, wie hübsch sie an diesem Morgen war. Sie war überhaupt ein schönes Kind, innerlich wie äußerlich, doch an diesem Tag strahlte sie regelrecht in ihrem T-Shirt und dem zauberhaften cremefarbenen Kleid mit rosafarbenem und violettem Blumenmuster, das ich ihr in der Woche zuvor in einem Debenham-Laden gekauft hatte. Dazu trug sie ein Paar mädchenhafter Flip-Flops. In den Haaren hatte sie ein niedliches Haarband, und sie stand am Tor und sagte: »Ich hab dich so lieb, Mami.«

Ich antwortete: »Ich hab dich auch lieb, mein Engel«, und dann ging sie.

Als sie ins Auto stieg, hatte ich auf einmal ein ganz seltsames Gefühl von Übelkeit in der Magengrube. Irgendwie dachte ich, dass etwas nicht stimmte. Sofort rief ich ihn an und fragte: »Ist alles in Ordnung, Mostafa?«

»Ja, wieso?«, fauchte er mich an.

Ich sagte: »Du hast dich heute Vormittag irgendwie seltsam benommen.«

Er fuhr mich an: »Oje, Louise, geht das schon wieder los? Ich habe das Besuchsrecht, ich darf meine Tochter sehen, schließlich ist sie meine Tochter.« Das sagte er beinahe trotzig und meinte, es sei jetzt seine Zeit mit May. Er beharrte darauf, er wolle ja nur die ihm zustehende Zeit mit seinem Kind, und damit beruhigte er mich ein wenig. Über die Freisprechfunktion an seinem Telefon sprach ich mit May, die mir erklärte, sie wollten zum Strand fahren. Sie klang ganz normal, und ich war ein bisschen erleichtert.

Ich machte mich für die Arbeit fertig, und gegen elf Uhr vormittags verließ ich das Haus. Damals arbeitete ich in einer Firma namens Olympic Holidays, einem englischen Reiseveranstalter mit Sitz auf Zypern. Ich war Verkaufsberaterin im dortigen Call Center und konnte mir meine Arbeitszeit mehr oder weniger frei einteilen. Nachdem der große Sommeransturm vorüber war, lief nun alles ruhiger, sodass ich mehr Zeit mit May verbringen konnte, was mir sehr entgegenkam. Seit fünf Jahren arbeitete ich bei Olympic und war mehr als zufrieden mit meinem Job. Ich war eine der besten Mitarbeiterinnen im Verkauf, obwohl ich nur halbtags arbeitete, um mich um meine Tochter kümmern zu können. Wir waren wie eine große glückliche Familie bei...

Erscheint lt. Verlag 15.7.2024
Sprache deutsch
Original-Titel Stolen. Escape from Syria
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Autobiografie • Biografie • Entführung • Erfahrungsbericht • Erfahrungsbücher • Erinnerung • Erkrankung • Familie • Gewalt • Häusliche Gewalt • Hilfe • Kind • Kindesentführung • Krankheit • Lebensführung • Lebensweg • Psychologie • Schicksal • Schicksalsschlag • Schicksalsschläge • Syrien • Wahre GEschichte
ISBN-10 3-7517-7528-5 / 3751775285
ISBN-13 978-3-7517-7528-1 / 9783751775281
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